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2 Grundlagen zur methodischen Problemlösung und zum Verhalten unter Zeitdruck

2.2 Vorgehensmodelle zur Problemlösung

2.2.5 SPALTEN-Methodik

Die SPALTEN-Methodik8 nach Albers et al. (2005) stellt ein universales Vorgehensmodell zur Bewältigung von technischen Problemstellungen dar. Dabei soll das Vorgehensmodell den kompletten Produktentwicklungsprozess von der Idee bis zum marktreifen Produkt unter-stützen. SPALTEN baut dabei auf dem Problemlösevorgehen der VDI 2221 (1993) auf und

7 Für 2017 ist eine Neuauflage der Richtlinie geplant, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Arbeit noch nicht erschienen war.

8 Der Name des Vorgehensmodells setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der sieben Module zusammen.

2.3 Produktentwicklungsmethoden 19

erweitert dieses um die Schritte Entscheiden/Umsetzen und Nacharbeiten/Lernen. Das Grundschema der SPALTEN-Methodik umfasst folgende sieben Module, die sequenziell, einzeln situationsabhängig oder iterativ durchlaufen werden können:

Situationsanalyse

Problemeingrenzung

Alternative Lösungssuche

Lösungsauswahl

Tragweitenanalyse

Entscheiden/Umsetzen

Nacharbeiten/Lernen

Der Lösungsraum wird dabei abhängig vom Modul konvergiert (fokussiert) oder divergiert (variiert). Das Fokussieren und Variieren wird durch die Honigwabenstruktur dargestellt (siehe Anhang A1, Abbildung 10-5). Um ein angemessenes Aufwand-Nutzen-Verhältnis bei der Problemlösung zu erhalten, wurde ein regelmäßiger Informationscheck in das Vorgehen integriert. Bei diesem Check überprüft das Problemlöseteam den Detaillierungsgrad der Problemlösung. Anschließend wird entschieden, ob ausreichend Informationen vorhanden sind, um im Vorgehen voranzuschreiten oder ob weitere Detaillierungen notwendig sind.

Dieses Vorgehen ist für diese Arbeit relevant, da es durch den Informationscheck die Reflexion des gewählten Vorgehens aktiv unterstützt. Ebenso ermöglicht die Struktur der SPALTEN-Methodik eine situations- und unternehmensspezifische Anpassung, die bei der Herleitung des Lösungsansatzes weiterverwendet wird (siehe Unterkapitel 6.2.1).

2.3 Produktentwicklungsmethoden

Im vorangegangenen Unterkapitel 2.2 wurden Vorgehensmodelle der Produktentwicklung vorgestellt. Vorgehensmodelle beschreiben, WAS zu tun ist, d. h. welche Schritte bei der Problemlösung durchzuführen sind. Produktentwicklungsmethoden9 konkretisieren dies und beschreiben die operative Problemlösung. Lindemann (2009, S. 57) verweist darauf, dass Methoden in einer Vielzahl von Bereichen eingesetzt werden. In dieser Arbeit werden nur Methoden aus der Produktentwicklung zur technischen Problemlösung betrachtet. Eine Methode in der Produktentwicklung beschreibt, WIE etwas zu tun ist, d. h. auf welche Art und Weise und mit welchem Ergebnis die Schritte durchzuführen sind. (Braun, 2005, S. 32) Lindemann (2009, S. 333) definiert eine Methode als „planmäßiges, regelbasiertes Vorgehen, nach dessen Vorgabe bestimmte Tätigkeiten auszuführen sind, um ein gewisses Ziel zu erreichen“. Produktentwicklungsmethoden beschreiben die dritte Lösungskomponente des methodischen Lösungsansatzes zur Krisenbewältigung.

9 Synonyme für Produktentwicklungsmethode, die in dieser Arbeit verwendet werden, sind Entwicklungsmethode, Konstruktionsmethode oder Methode. Lindemann (2009, S. 57) verweist darauf, dass Methoden in einer Vielzahl von Bereichen eingesetzt werden. In dieser Arbeit werden nur Methoden aus der Produktentwicklung zur technischen Problemlösung betrachtet.

Der Einsatz von Produktentwicklungsmethoden in der akademischen Forschung und industriellen Praxis variiert. Trotz steigender Tendenzen ist der Methodeneinsatz in der Industrie noch nicht so weit verbreitet, wie es die Möglichkeiten der akademischen Forschung erlauben. Ihr Einsatz wird in der Industrie durch die Unterstützung von Beratern und Koope-rationen mit Universitäten und Hochschulen oder durch die Vorgabe von Methoden in Vorschriften und Standards forciert.

Unterschiedliche Autoren betonen die hohe Relevanz von Methoden während der Problemlösung, trotz des benötigten Einarbeitungs- und Anwendungsaufwands (Graner, 2013;

Jänsch, 2006; Lindemann, 2009; Ponn, 2007; Ehrlenspiel & Meerkamm, 2013; Saak, 2006;

Bavendiek et al., 2016). Hauptargument ist, dass die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen begrenzt sind. So besitzt das Kurzzeitgedächtnis eines Menschen 7 ± 2 Denkeinheiten (engl. chunks), die als Arbeitsspeicher verwendet werden können (siehe auch Hubka & Eder (1992, S. 29)). Werden Methoden bei der Entwicklung von technischen Produkten verwendet, können komplexe Probleme in überschaubare Teilprobleme zerteilt werden (Ehrlenspiel &

Meerkamm, 2013, S. 147; Lindemann, 2009, S. 58), wodurch die kognitiven Fähigkeiten unter-stützt werden. Weitere Vorteile von Methoden sind, dass sie die Kooperation zwischen den Beteiligten verbessern, sie dienen als Hilfsmittel zur Kommunikation, fördern eine nachvoll-ziehbare Dokumentation, unterstützen Entscheidungsprozesse und dienen als Möglichkeit zum abteilungs- und projektübergreifenden Wissenstransfer. Ihr Einsatz kann das Risiko innerhalb der Produktentwicklung reduzieren und die Zielerreichung absichern. (Lindemann, 2009, S. 58) Jänsch (2006, S. 16 ff.) beschreibt drei Ziele von Produktentwicklungsmethoden. Sie verfolgen produktbezogene Ziele: Dabei soll der Einsatz von Methoden den Entwicklungsprozess und das Produkt verbessern. Der Entwicklungsprozess soll durch den Methodeneinsatz effizienter, rationeller und systematischer werden. Dies geschieht dadurch, dass der Lösungsraum voll-ständig erfasst wird und so eine optimale Lösung gefunden wird. Ebenso verfolgen Methoden lehrorientierte Ziele. Es soll ein systematischer Zusammenhang geschaffen werden. Hierfür werden Erfahrungen, Erkenntnisse und Voraussetzungen für erfolgreichen Konstruieren geordnet und systematisiert. Auf diesem Weg sollen Erfahrungszeiten verkürzt, Fähigkeiten verbessert und die Motivation gesteigert werden. Letztendlich soll eine schnellere und bessere Lösungsfindung unterstützt werden. Dabei sollen Methoden nicht nur die Ausbildung von Studierenden, sondern auch die Ausbildung von Konstrukteuren und Konstruktionsleitern in der Industrie unterstützen. Abschließend verfolgen Methoden denkökonomische Ziele. Wie oben angesprochen, sollen Methoden ein effizientes, objektives und vollständiges Denken unterstützen und das Denken rationalisieren. (Jänsch, 2006, S. 16 ff.)

In seiner Arbeit weist Hutterer (2005, S. 15 ff.) aber auf mangelnde Leistungsfähigkeit und subjektiv fehlende Verfügbarkeit von Methoden, fehlende Möglichkeiten zur Einschätzung der Methodenleistung sowie eine ungenügende Adaption der ausgewählten Methoden auf das jeweilige Problem als Ursachen für eine fehlende Methodenanwendung in der Industrie hin.

Um die Akzeptanz und Anwendung von Methoden zu erhöhen, ist die akademische Forschung bemüht, Methoden zielorientiert zu beschreiben. Eine Möglichkeit, den Methodeneinsatz zu ordnen, eröffnet das Münchener Methodenmodell von Braun (2005, S. 33 ff.). Das Münchener Methodenmodell unterteilt den Methodeneinsatz in vier Schritte: Methodeneinsatz klären, Methode auswählen, Methode anpassen und Methode anwenden. Ausgehend von den

2.3 Produktentwicklungsmethoden 21

Ausgangsbedingungen für die Methodenanwendung und der Notwendigkeit eines Methoden-einsatzes wird das Ziel des MethodenMethoden-einsatzes festgelegt. Abhängig von den erforderlichen Inputinformationen und dem zu erreichenden Output wird eine geeignete Methode ausgewählt.

Es folgt eine Anpassung der Methode, da oftmals Methoden an die Entwicklungssituation ange-passt werden müssen. Dies geschieht durch den Abgleich von vorhandenem und benötigtem Input und Output. Anschließend wird die Methode angewendet und aus dem Input der ge-wünschte Output generiert.

Unter der Vielzahl von Produktentwicklungsmethoden liefern unter anderem Lindemann (2009, S. 241 ff.), Ehrlenspiel & Meerkamm (2013, S. 359 ff.) oder Feldhusen et al. (2013, S. 319 ff.) ausführliche Methodenbeschreibungen. Neben der Dokumentation von Methoden in Büchern, Präsentationen und Vorlesungsunterlagen gibt es mittlerweile mehrere internetbasierte Methodenportale10. Methodenportale sollen sowohl Studierende als auch Entwickler aus der Industrie beim Lernen und Verstehen von Methoden, bei der Auswahl der geeigneten Methoden als auch bei der Methodenanwendung unterstützen (Berger et al., 2003; Elspass et al., 2003;

Ponn, 2007). Eine aktuelle Übersicht über internet- und papierbasierte Methodendokumen-tationen nach unterschiedlichen Beschreibungs- und Auswahlkriterien bieten Bavendiek et al.

(2016) (siehe Abbildung 2-4). Die Bewertung zeigt das weite Spektrum an vorhanden Portalen und Methodenaufbereitungen, die Studierenden aber auch Entwicklern zur Verfügung stehen.

Abbildung 2-4: Bewertung von internet- und papierbasierten Methodendokumentationen nach Bavendiek et al.

(2016, S. 2051)

Da Methoden sowohl die kognitiven Fähigkeiten von Entwicklern als auch die Kooperation in Entwicklungsteams verbessern, werden sie als relevante Unterstützung zur operativen Bewältigung von Krisen in dieser Arbeit angesehen. Dabei ist aber nicht jede Methode für den Einsatz in Krisen geeignet. Eine umfassende, situationsspezifische Auswahl von Methoden,

10 Z. B.: www.innovationsmethoden.info/methoden, www.cidad.de/portal oder www.meport.net.

speziell für Krisen, ist bis jetzt ausgeblieben. In der Ausarbeitung des Lösungsansatzes werden geeignete Methoden für den Einsatz in Krisen ermittelt (siehe Unterkapitel 7.1.3).