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Informationstext zur beruflichen Veränderung164 Erstellt am 17. Mai 2017

Berufliche Veränderung: So kommst du vom Wunsch zum konkreten Plan Lesezeit: 7 Minuten

Es muss sich etwas ändern! Der Entschluss ist schnell gefasst, an der Umsetzung hapert es jedoch oft. Zweifel, Ängste und das Gefühl, dass alles einfach zu viel wird: Martina Nohl kennt als Veränderungscoach die Fallstricke, die vor und während geplanter beruflicher Verände-rungen lauern. Sie hat uns zahlreiche Tipps verraten, mit denen die Neuorientierung angst- und stressfrei gelingt.

Jammern statt verändern: Warum wird Veränderung oft gewünscht, aber nicht ange-packt?

Nohl: Gerade bei Veränderungen, die uns besonders wichtig erscheinen, kommen sehr schnell heftigere Emotionen ins Spiel. Das ist auch bei einer beruflichen Veränderung der Fall.

Wenn wir die Auswirkung der Veränderung durch ihre Komplexität wenig abschätzen können, überfordert uns das oft emotional. Vielleicht kennen Sie folgende Reaktionsformen auf größere Veränderungen – sie kommen direkt aus unserem Reptilienhirn:

164 NOHL 2017: o.S.

Kämpfen: in diesem Fall oft aggressives Reagieren auf äußere Entwicklungen, Ver-teidigung des Status quo, alles soll beim Alten bleiben

Fliehen: Vermeiden von anstehenden Veränderungen, beispielsweise durch Schön-reden, sich bewusst nicht informieren etc.

Der Totstellreflex: indem wir so tun, als wäre nichts. Wir lenken uns ab wie ein Kind, das sich die Augen zuhält und denken, Veränderung würde dadurch an uns vorbeige-hen.

Sinnvoll wäre es hier, die Veränderung in Teilveränderungen zu zerlegen und diese auch zeit-lich zu priorisieren. Wenn es zum Beispiel um eine berufzeit-liche Neuorientierung geht: Erst eine Standortbestimmung und Analyse der Situation vornehmen, in der auch die Faktoren geklärt werden, die die eigentliche Arbeitsunzufriedenheit ausmachen. Nach der „Diagnose“ der Ver-änderungssituation erfolgt dann die Sichtung der Ressourcen. Das sind alles Aspekte, die uns helfen, gut auf den Veränderungsweg zu gehen. Das können Kompetenzen, materielle Ressourcen, aber auch Einstellungen oder unser soziales Netzwerk sein. Dadurch werden diese Ressourcen oft erst in unserem Alltag verfügbar, weil man sie in einer emotional zu aufgeladenen Verfassung leider nicht aktiv nutzen kann.

3 Faktoren, um auch schwierige Veränderungen zu meistern

In einem dritten Schritt wird dann nach verschieden Lösungsoptionen gesucht, diese werden bewertet und erste Entscheidungen getroffen. In einer vierten Phase wird die Umsetzung stra-tegisch vorbereitet. Wenn einige Ressourcen (z.B. Unterstützung bei der Kinderbetreuung, bestimmte Kompetenzen oder Fertigkeiten) noch fehlen, geht es darum, auch hier Wege zu finden, wie man sie sich beschaffen kann. Derart gut aufgestellt und vorbereitet wird die Ver-änderung dann peu à peu machbar.

Es gibt drei Faktoren, die gegeben sein müssen, damit Menschen auch schwierige Lebens-veränderungen gesund überstehen können:

1. Machbarkeit: Durch Zerlegen der Anforderungen und den Abgleich mit den Ressour-cen muss deutlich werden, dass der Weg Schritt für Schritt gangbar ist und bei Bedarf genug Hilfestellungen abgerufen werden können.

2. Verstehbarkeit: Der Mensch im Veränderungsprozess sollte wissen, was da mit ihm passiert. Viele sonst „starke“ Menschen kennen sich selbst nicht mehr. Die psycholo-gischen Mechanismen zu verstehen, hilft hier weiter, da Klienten merken, dass sie kein individuelles Problem haben, sondern dass das einfach normale Begleiterschei-nungen von Veränderungsprozessen sind.

3. Sinnhaftigkeit: Veränderungsprozesse können nur gelingen, wenn die Person in der Veränderung einen Sinn sieht oder sich zumindest einen konstruieren kann. Wenn Sie beispielsweise mal wieder einen Changeprozess im Job haben, der von außen an Sie herangetragen wird und auf den Sie eigentlich keine Lust haben, ist es hilf-reich, wenn Sie selbst für sich Ihren individuellen Sinn darin entwickeln (beispiels-weise die Chance, etwas Neues zu lernen oder bereichernde Menschen oder Sys-teme kennenzulernen).

Diese Vorgehensweise führt dazu, dass Veränderung kein ominöses Wunschdenken bleibt, sondern konkret angepackt wird.

Gibt es eine Basis, die das Fundament eines geplanten Veränderungsprozesses dar-stellt – eine Art großer Wegweiser?

Nohl: Für mich wäre dieser große Wegweiser, eine neue Haltung zu Veränderungsprozessen zu entwickeln. Veränderung ist das Natürlichste auf der Welt. Wir alle sind eigentlich Experten darin. Unsere Körper erneuern sich ständig, wir haben uns schon so viele Jahre permanent verändert und entwickelt vom Säugling zu dem Erwachsenen, der wir jetzt sind. Veränderung wird leichter, wenn wir sie als gegeben annehmen und uns nicht länger gegen den Fluss des Lebens sträuben.

„Die richtige Haltung bringt Lust an der Veränderung.“

Menschen, die Veränderungen besser bewältigen als andere, betrachten sie als Herausfor-derungen. Wie ein Surfer freuen sie sich auf die nächste Welle. Sie haben vielleicht auch ein bisschen Angst, aber es ist eher so eine leicht erregte Erwartungsspannung: „Wie wird es werden?“ „Wie werde ich die Herausforderung diesmal nehmen?“ „Was kann ich lernen?“ Aus dieser Haltung folgt sogar eine gewisse Lust an der Veränderung.

Und die dritte Haltung, die ich Ihnen ans Herz legen möchte ist, dass Sie bereit sind, Verant-wortung zu übernehmen. Wenn Sie sich nicht aktiv mit Ihrer Veränderung auseinanderset-zen und alle Gestaltungsfreude und Gestaltungsmacht, die Sie über Ihr Leben haben, ergrei-fen, dann werden es andere für Sie tun. Wenn Ihnen das recht ist, ist das auch in Ordnung.

Den meisten von uns ist es aber nicht recht und sie jammern und fühlen sich als Opfer. Aber Sie müssen kein Veränderungsopfer sein, es liegt an Ihnen, Ihre Freiräume auszuloten und (wieder einmal) Schritt für Schritt auszuweiten. Trauen Sie sich, für Sie stimmige

Verände-rungsentscheidungen zu treffen!

Was fällt besonders schwer, wenn es um das Thema berufliche Veränderung geht?

Nohl: Am Anfang ist es die Schwierigkeit, die anstehende Veränderung einfach mal möglichst sachlich anzuschauen und die Gefühle so gut es geht ein wenig zurückzustellen. Dann kommt die Konfrontation mit der Realität, weil die Veränderung vermutlich nicht „eben mal schnell“

erledigt sein wird, sondern ihre Zeit dauert und viel Arbeit und auch Kraft kosten wird. Das gelassen anzunehmen, ist schon ein großer Schritt.

„Phase der vermeintlichen Leere, wenn die Dinge nicht vorwärts gehen, aber auch nicht zu-rück.“

In der Mitte des Veränderungsprozesses ist dann oft eine große Phase der vermeintlichen Leere, in der die Dinge nicht vorwärts gehen, zurück geht es aber auch nicht. Hier benötigen Sie wiederum Geduld und das Vertrauen darauf, dass sich „unter der Haube“, sprich in Ihrem Unterbewusstsein, die Dinge formieren, wie im Winter auch unterirdisch alles für den Frühling vorbereitet wird. Wenn diese Phase überstanden ist und sich das Neue, beispielsweise ein beruflicher Neuentwurf, abzeichnet, dann ist es die Menge an Einzelschritten, die zum Ziel führen, die einen erst einmal überwältigen kann. Hier gilt es tatsächlich, sich immer nur für den nächsten kleinen Schritt zuständig zu fühlen.

Zum Schluss, wenn die Veränderung dann so langsam umgesetzt wird, dann sind es immer wieder Zweifel. Zweifel, die einen aus der Bahn werfen, die sich auf die Vergangenheit bezie-hen („eigentlich hatte ich es doch ganz gut damals…“) oder Zukunftsängste („kein Mensch weiß, ob ich da wirklich einen Job bekomme, trotz meiner guten Bewerbungsunterlagen“). Hier kann ich tatsächlich nur die Achtsamkeit im Alltag als Ansatz vorschlagen, um dem Gedan-kenkarussell zu entkommen und Baustein für Baustein im Hier und Jetzt die Veränderung um-zusetzen – unabhängig von allen äußeren und inneren Stimmen, die einen ablenken und ent-mutigen wollen.

Wir wissen oft ganz genau, was wir nicht wollen. Warum ist es oft so schwer festzustel-len, was wir wollen? Gibt es Fragen, die bei einer ersten Orientierung helfen können?

1. Eine Positivliste erstellen

Das ist doch ein erster Ansatzpunkt, wenn Sie bereits wissen, was Sie nicht wollen.

Schreiben Sie das auf und kehren Sie das in sein Gegenteil um – und zwar nicht sklavisch am Text orientiert, sondern eher interpretierend, bis sich das Gegenteil gut anfühlt.

Beispiel 1: „Ich will keinen cholerischen Chef mehr haben“. > „Ich brauche einen Chef, der mich und meine Leistung wertschätzt.“

Beispiel 2: „Ich hasse es, ständig unterbrochen zu werden.“ > „Es ist mir wichtig, eine ruhige Arbeitsumgebung zu haben, in der ich immer wieder die Tür zumachen kann.“

2. Fremdbilder erfragen

Als zweite Möglichkeit können Sie sich ein sogenanntes Fremdbild einholen. Fragen Sie einige Menschen in Ihrem Umfeld – persönlich oder schriftlich:

Was denkst du, ist mir wichtig für meine (berufliche) Zufriedenheit?

Was schätzt du an mir?

Wofür würdest du mich „buchen“, wenn du jemanden für eine bestimmte Aufgabe su-chen würdest?

3. Detektiv im eigenen Umfeld

Als dritte Möglichkeit beobachten Sie sich doch einmal eine Woche lang selbst von außen. Was ist einem Menschen, der so lebt, der sich so verhält, der seine Wohnung so einrichtet, der sich mit diesen Freunden trifft etc. wichtig im Leben? Schreiben Sie diese Aspekte auf und überlegen Sie dabei gleich, ob das so passt, oder ob Sie ver-nachlässigte Werte bei Ihrer zukünftigen beruflichen Entscheidung wieder mehr be-rücksichtigen möchten.

Wenn Sie dann die Ergebnisse aller drei Schritte zusammenfassen, haben Sie schon eine Art Checkliste, mit der Sie viel bewusster nach passenden Stellen recherchieren können und sich auch in Jobinterviews selbst-bewusster positionieren können.

Berufliche Veränderung: Loslegen ohne Perfektionsanspruch

Welche Rolle spielt Kreativität beim Thema Neuorientierung? Warum haben Sie ein Krit-zelbuch als Tool dafür gestaltet?

Nohl: Sie merken ja schon, das Thema berufliche Veränderung ist für viele nicht leicht. Mit dem Kritzelbuch habe ich den Versuch gestartet, Veränderung einfach zu machen. Und das im doppelten Wortsinn: Legen Sie einfach los, schreiben Sie mal hier, mal dort etwas hinein.

Lassen Sie den Perfektionsanspruch sausen, jeder kleinste Reflexionsschritt zählt.

Und machen Sie es sich einfach, indem Sie sich führen lassen. Das Kritzelbuch führt Sie durch einen bewährten Prozess. Und da hat Veränderung tatsächlich ganz viel mit Kreativität zu tun.

Im kreativen Prozess gibt es Phasen der Öffnung, zum Beispiel des verrückten Brainstormens und Phasen der Verdichtung, der Fokussierung. Genauso führt Sie das Kritzelbuch durch Übungen, bei denen Sie aus dem Vollen schöpfen und jede Menge Ideen generieren und dann gibt es Übungen, mit deren Hilfe Sie diese Ideen filtern, sortieren und die brauchbaren auf ein Ziel hin zuspitzen.

Wenn wir davon ausgehen, dass wir alle kreative Veränderungsexperten sind, die das nur ein bisschen vergessen haben, dann kann es sein, dass das Kritzelbuch Sie wieder mit Ihrer ent-deckungsfreudigen, kindlichen Seite in Verbindung bringt. In dieser Haltung entwickeln Sie die besten Ideen und wer weiß, vielleicht ist die berufliche Idee für Ihre nächsten Jahre dabei?

Über die Autorin

Dr. Martina Nohl arbeitet als Laufbahnberaterin (ZML) und als Veränderungscoach in ihrer Praxis in der Nähe von Heidelberg. Sie setzt Visualisierungen in fast jeder Coaching-Session ein. Ihre Zielgruppe sind Menschen, die es nochmal wissen wollen und nicht nur irgendeinen Job, sondern einen Job mit Sinn suchen, der zu ihnen und ihrem Leben passt. Weiterhin bildet sie selbst Veränderungscoachs und Laufbahnberater ZML nach dem Zürich-Mainzer-Modell aus.

Bildnachweis: Creaturart Images / Shutterstock; Martina Nohl

Artikel Online unter: https://www.karriere.at/blog/berufliche-veraenderung.html