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Berufliche Neuorientierung für Frauen 50+ Master Thesis

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Academic year: 2022

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Andrea Gertrude Enzinger

Berufliche Neuorientierung für Frauen 50+

Ein Leitfaden für die Beratungssettings

Master Thesis

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science

Studium: Universitätslehrgang Business Manager/in

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Mitbetreuer

Mag. Dr. Gerhard Köstner MA MSD Gutachter

Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gernot Mödritscher Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Institut für Unternehmensführung

Klagenfurt, August 2020

(2)

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt, dass ich

- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe,

- die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstüt- zung, ein-schließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offenge- legt habe,

- die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder sinn-gemäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in Fußnoten) ersichtlich gemacht habe,

- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer Prüfungsbehörde vorgelegt habe und

- bei der Weitergabe jedes Exemplars (z.B. in gebundener, gedruckter oder digitaler Form) der wissenschaftlichen Arbeit sicherstelle, dass diese mit der eingereichten digitalen Version übereinstimmt.

Mir ist bekannt, dass die digitale Version der eingereichten wissenschaftlichen Arbeit zur Plagiatskontrolle herangezogen wird.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Andrea Gertrude Enzinger e. h. Salzburg, 24.08.2020

(3)

VORWORT

„Um etwas Neues zu verstehen, ist es immer hilfreich, eine Geschichte zu erzählen.“1 Der Wert des Geschichtenerzählens liegt darin, dass neue Ideen damit besser trans- portiert werden können und beim Zuhörer/-bei der Zuhörerin ein Bild generiert werden kann.

Deshalb soll ein aktueller Sachverhalt gleichsam als Folie im Hintergrund diese wis- senschaftliche Arbeit untermauern, anhand dessen die theoretischen und praktischen Zugänge erklärt werden sollen.2

Lena L. ist eine Frau Mitte 50 und arbeitet in einem global vernetzten Konzern. Sie hat durch Fleiß, Kon- sequenz und einer große Portion Loyalität in den letzten zehn Jahren ihrer Biografie in einer Geschäfts- führer-Position gearbeitet. Ihr All-in-Vertrag lässt sie über die 40 Stunden-Wochenarbeitszeit hinaus ar- beiten, und sie kann viele Ideen und Projekte gemeinsam mit ihren über 60 MitarbeiterInnen umsetzen.

Der Erfolg ist abzusehen. Die Zahlen sprechen für sich. Investitionen werden getätigt, und der Betrieb, in dem sie als Geschäftsführerin arbeitet, gleicht einem Flugzeug, das beinahe die perfekte Flughöhe er- reicht hat. Sie setzt sich unermüdlich für die Herausforderungen ein, bis sich plötzlich und völlig unerwar- tet von einem Tag auf den anderen alles verändert. Es gibt auch negative Change-Prozesse, die zu fas- sen kaum möglich sind. Ihre Arbeitshaltung und Loyalität, die gelungenen Projekte sowie die gute Freund- schaft, die sie mit dem CEO des Unternehmens verbindet, wird von dessen Kindern als Konkurrenz, mehr noch, als Bedrohung wahrgenommen. Anstatt, dass diese ihre Fantasie in die Mitgestaltung des Unter- nehmens einbringen und damit mit ihr gemeinsam für das Unternehmen arbeiten, wird eine hetzerische mediale Medienkampagne gegen Lena L. initiiert und durchgeführt, in der sie sich fingierte Vorwürfe in Bezug auf ihr unternehmensstrategisches Handeln sowie einen unmoralischen Lebenswandel öffentlich vorwerfen lassen muss. Nach elf Monaten medial diffamierender Beschuldigungen, die sie ohne öffentli- che Dementierung über sich ergehen lässt, gelingt ihr ein gedanklicher Ansatz, der ihr selbst und anderen, die unfreiwillig oder freiwillig in einen persönlichen Change-Prozess mit 50+ gekommen sind, eine Per- spektive eröffnen soll …

1 LALOUX 2016: 42

2 Um dies auch visuell zu verdeutlichen, wird immer dann, wenn es um die Geschichte geht, die Schrift auf Arial Narrow geändert.

(4)

Inhalt

1. Einleitung ... 1

1.1 Problemstellung ... 3

1.2 Zielsetzung ... 7

1.3 Erläuterung der zentralen Forschungsfragen ... 8

2. Generation der Babyboomer ... 10

2.1 Arbeitswelt 4.0 ... 12

2.2 Orientierung in der VUCA-Welt: Methode des Pitchens ... 13

2.3 Frauen 50+ – ein neuer beruflicher Lebensabschnitt ... 15

2.4 Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Kündigungen ... 17

3. M/O/T-Management-Modell – Adaption ... 20

3.1 Mindmap zur persönlichen Visionsentwicklung ... 22

3.2 Ziele der Neuorientierung: ABC-Analyse ... 24

3.3 Werte und Verhalten: Morphologischer Kasten ... 26

3.4 Design-Elemente der Neuausrichtung: SWOT-Analyse; Umweltanalyse ... 29

3.5 Marketingstrategien für „Unternehmerinnen“: Ansoff-Matrix ... 36

3.6 Diversifikation der Persönlichkeit... 41

4. Beratungssetting ... 46

4.1 Kompetenzprofil des Beraters/der Beraterin ... 49

4.2 Beratungsprozess – das Setting ... 50

4.3 Wahrnehmen ... 51

4.4 „Ein-Verständnis“ herstellen ... 52

4.5 Ressourcen nutzen ... 54

5. Persönliche Strategieentwicklung anhand eines Leitfadens ... 57

5.1 Meilensteine nach dem Stage-Gate-Modell® ... 58

5.2 Leitfaden für Beratungssettings ... 61

5.3 Leitfadeninterview ... 66

5.4 Aktionsplan ... 69

5.5 Masterplan zur beruflichen Neuausrichtung ... 70

6. Beratungssettings – Erstellung des Leitfadens ... 73

6.1 Vision finden durch Storytelling und Mindmap ... 73

6.2 Ziele definieren und mit ABC-Analyse strukturieren... 80

6.3 Verhalten, Werte und soziale Kompetenz mit dem Morphologischen Kasten ... 87

6.4 Design-Elemente I – SWOT-Analyse ... 98

6.5 Design-Elemente II – Umweltanalyse... 105

6.6 Unternehmerisch denken mit 50+-Matrix nach Ansoff ... 114

6.7 Masterplan als Portfolio finalisieren ... 123

7. Resümee und Ausblick ... 129

Literaturverzeichnis ... 133

Abbildungsverzeichnis ... 135

Anhang ... 136

1. Set 1/1 ... 136

(5)

2. Set 2/1 ... 141

3. Set 2/2 ... 142

4. Set 3/1 ... 143

5. Set 4/1 ... 145

6. Set 4/2 ... 147

7. Set 7/1 ... 149

8. Set 7/2 ... 150

9. Set 7/3 ... 151

(6)

1. Einleitung

Die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft zeigt, dass die heute 50+-Jähri- gen in den nächsten Jahren vermehrt in das Pensionsalter eintreten werden. Das bringt die Sozialversicherungsträger und die politisch Verantwortlichen in einen enor- men finanziellen Engpass. Hinzu kommt, dass es immer häufiger geschieht, dass Frauen3 ab einem Alter von 50 Jahren gekündigt werden und dann kaum noch eine Anstellung finden können bzw. dass sie durch die Kündigungen in Teilzeitarbeitsstellen gedrängt werden und damit in der bevorstehenden Pension zu wenig finanzielle Res- sourcen zur Verfügung haben. Sonja Ertl, Expertin für Arbeitslosenversicherungsrecht, begründet dies in ihrem Blog auf der Website „Arbeit und Wirtschaft“ wie folgt:

„Ein wesentlicher Grund dafür ist der hohe Anteil von Frauen in Teilzeitarbeit. Arbeits- lose Frauen sind in Österreich zu 90 Prozent nicht armutsfest abgesichert. Das erhöht in der Arbeitslosigkeit den Druck auf sie, erneut Teilzeitarbeit anzunehmen. So arbei- ten beinahe 50 Prozent der Frauen Teilzeit, und 60 Prozent der Frauen zählen zu den Geringverdienerinnen. In der Arbeitslosigkeit sinkt die Absicherung noch einmal dras- tisch ab. Das bestehende Arbeitslosengeld bietet faktisch für die Mehrheit der Frauen in Österreich keinen ausreichenden Schutz. Das Risiko, in der Arbeitslosigkeit rasch zu verarmen, ist hoch.“ (Vgl. Abb. 1)4

Abb. 1: Verteilung der Arbeitslosengeldhöhe von Frauen; Quelle: Arbeit&Wirtschaft blog

3 In dieser Arbeit wird hauptsächlich die weibliche Form verwendet, um das Thema besonders hervor- zuheben und den Lesefluss nicht zu stören. Lediglich dort, wo paraphrasiert oder zitiert wird, ist es möglich, auch beide Formen zu lesen. Selbstverständlich kann diese Thematik auch für Männer hilf- reich sein und ihnen bei der beruflichen Neuausrichtung dienlich sein.

4 ERTL 2019: o.S.

(7)

Ein weiterer Aspekt, der in diese Thematik einfließt, ist der Umstand, dass gerade Frauen, aber auch Männer, wenn sie über 50 gekündigt werden, seit 1. Juli 2017 kei- nen Kündigungsschutz mehr haben. Die Juristin Anna Mertinz schreibt dazu:

„Für Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt ihrer ab diesem Zeitpunkt erfolgenden Einstel- lung das 50. Lebensjahr vollendet haben, ist ,nur‘ mehr der allgemeine Kündigungs- schutz von Bedeutung, der auch für jüngere Arbeitnehmer anzuwenden ist.“5

Grund für diese Neuregelung war es, den älteren Arbeitnehmer/innen damit eine bes- sere Chance auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Denn oft war es bislang in der Vergangenheit so, dass Arbeitgeber davor zurückschreckten, ältere Arbeitnehmer/in- nen allgemein oder länger als zwei Jahre zu beschäftigen.6 Die Praxis zeigt jedoch, dass diese Neuregelung für viele ältere Arbeitnehmer/innen zu einer existenziellen Be- drohung geworden ist, die man im Jahr 2017 – nach Einführen dieser neuen arbeits- rechtlichen Veränderung – so noch nicht abschätzen konnte. (Vgl. Abb. 2)

Abb. 2: Arbeitslose Personen und Schulungsteilnehmer*innen im Juli 2019; Quelle: AMS, verwendet von Arbeitplus7

Die Gründe der Erwerbsbrüche sind vielfältig. Eine Neuorientierung mit über 50 Jahren wird für viele Betroffene zur existenziellen Notwendigkeit. Diese drei Komponenten,

5 MERTINZ 2017: o.S.

6 Vgl. ebd.: o.S.

7 ARBEIT.PLUS (b) 2019: o.S.

(8)

nämlich die demografische Entwicklung, die Armutsgefährdung – vor allem für Frauen – sowie der Anstieg der Kündigungen für Menschen über 50 nach dem Wegfall des Kündigungsschutzes, sind der Ausgangspunkt für die Überlegungen zu dieser Arbeit.

Aus eigener Erfahrung ist festzustellen, dass es zwar Angebote für Frauen 50+ gibt (in Salzburg geschieht das beispielsweise bei „Frau und Arbeit“ oder Fit2work). jedoch explizit Beratungssettings, die sich auf diese Zielgruppe spezialisieren.

1.1 Problemstellung

Brüche in der Erwerbstätigkeit sind, auch wenn sie freiwillig gewählt sind, immer eine Herausforderung. Besonders anspruchsvoll und kräftezehrend gestaltet sich jedoch die Arbeitssuche für Frauen 50+. Statistische Daten belegen8, dass Frauen immer häu- figer Teilzeitjobs annehmen, um Familie und/oder pflegebedürftige Angehörige be- treuen zu können.

Die Frauenarbeitslosigkeit im Alter von 50+ wurde von Statistik Austria erfasst, und zwar sowohl in absoluten als auch in prozentualen Zahlen. Diese sollen als Ausgangs- basis dienen, um zu verdeutlichen, wie viele Frauen davon betroffen sind. (Vgl. Abb.

3/rote Markierung) Wird die folgende Statistik betrachtet, so fällt auf, dass Frauen nur bis zum 60. Lebensjahr und Männer bis zum 65. Lebensjahr erfasst werden. Dies hängt selbstverständlich mit dem Eintritt in das Pensionsalter zusammen.

8 Vgl. DENK/HOLDER 2014: o.S.

(9)

F1 Arbeitslose (ILO) und Arbeitslosenquoten nach Alter, Migrationshintergrund, höchster abge- schlossener Schulbildung – Jahresdurchschnitt 2018

Unemployed persons and unemployment rates by age, foreign background, educational attainment,

Alter (in Jahren), höchste abgeschlossene Schulbildung – nationale und internationale Gliederung (ISCED 2011), Staatsangehörig- keit, Geburtsland, Migrationshintergrund, Merkmale der letzten Tätigkeit, Grund für die

Beendigung

Arbeitslose Arbeitslosenquoten1)

ins- ge- samt

Männer Frauen insgesamt Männer Frauen

in 1.000 in %

Insgesamt 220,1 121,4 98,7 4,9 5,0 4,7

Alter (in Jahren)

15–19 17,9 9,3 8,6 11,4 10,7 12,3

20–24 31,9 17,0 14,9 8,5 8,8 8,2

25–29 27,6 16,1 11,4 5,5 6,0 4,8

30–34 27,9 14,5 13,3 5,3 5,3 5,4

35–39 23,7 12,4 11,3 4,5 4,4 4,6

40–44 20,1 10,2 9,9 4,0 3,9 4,0

45–49 22,7 12,9 9,9 3,9 4,3 3,4

50–54 22,3 13,5 8,8 3,6 4,2 2,9

55–59 20,1 10,5 9,6 4,1 4,0 4,2

60–64 (5,3) (4,4) (x) (3,2) (3,8) (x)

65 und älter (x) (x) (x) (x) (x) (x)

Migrationshintergrund

Kein Migrationshintergrund 108,9 60,1 48,7 3,2 3,3 3,1

Migrationshintergrund 111,2 61,2 50,0 10,0 10,4 9,6

Höchste abgeschlossene Schulbildung – nationale Gliederung

Pflichtschule 71,1 40,9 30,1 12,1 13,7 10,5

Lehre 62,8 38,4 24,4 3,8 3, 6 4,1

BMS 18,3 6,9 11,4 3,3 3,3 3,3

Höhere Schule 38,7 19,8 18,8 4,6 4,8 4,3

Hochschulverw. Lehranst.,

Universität, Hochschule, FH 29,2 15,2 14,0 3,3 3,7 3,0

Q: Statistik Austria, Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2018, Jahresdurchschnitt über alle Wochen. – Bevölke- rung in Privathaushalten ohne Präsenz- und Zivildiener. – Zur Definition nach ILO-Konzept siehe Glossar. – Hochgerechnete Zahlen aus einer 0,6%-Quartalsstichprobe. – Stichprobengröße, Stichprobenfehler und Kon- fidenzintervalle siehe Überblickstabellen 8–16. – ( ...) Werte mit weniger als hochgerechnet 6000 Personen sind sehr stark zufallsbehaftet. – (x) Werte mit weniger als 3000 Personen sind statistisch nicht interpretierbar. – 1) Bezogen auf die Erwerbspersonen im Alter von 15 bis 74 Jahren.9

Abb. 3: Arbeitslose und Arbeitslosenquote Statistik Austria

Weiters fällt auf, dass der Anteil der Frauen mit Migrationshintergrund höher ist als jener ohne Migrationshintergrund. (Vgl. Abb. 3/gelbe Markierung) Hinzu kommt, dass zwar der Anteil der Frauen mit einem Pflichtschulabschluss die stärkste Gruppe der arbeitslosen Frauen 50+ bildet, jedoch ist auch der Anteil der Frauen mit einer akade- mischen Ausbildung verhältnismäßig hoch. Es ist eine unübersehbare Tatsache, dass Frauen (und auch Männer) mit dem Eintritt in die Pension nicht untätig sein wollen.

Genau das ist der Ausgangspunkt für diese Arbeit und seine theoretischen und prak- tischen Implikationen. (Vgl. Abb. 3/grüne Markierung)

9 STATISTIK AUSTRIA 2019: o. S.

(10)

Gründe für das Arbeiten in der Pension zeigt Leopold Stieger10 in einer Umfrage vom Institut Seniors4success auf (vgl. Abb. 4). Darin wird deutlich sichtbar, dass für 68,9 % der Betroffenen der Grund darin liegt, dass es Spaß macht. Gefolgt wird diese Motiva- tion von den Gründen, etwas Sinnvolles zu tun (43,2 %) und sich zu engagieren bzw.

der Gesellschaft etwas zurückgeben zu wollen (42,5 %). Ein weiterer Grund ist das Knüpfen bzw. das Aufrechterhalten der sozialen Kontakte (38,8 %) gegen die Angst zu vereinsamen. 35,2 % nennen als einen weiteren Grund die gute Beziehung zum Unternehmen. Weitere 31,5 % sehen darin die Möglichkeit, die eigenen Erfahrungen weiterzugeben. 26,5 % wurden gebeten, weiterhin im Unternehmen zu bleiben, und sind diesem Wunsch nachgekommen. Wiederum 21,5 % fühlen sich dadurch ge- braucht und nicht – wie oft beim Eintritt in die Pension wahrgenommen – abgeschoben.

Für 20,1 % steigert es das Selbstwertgefühl, und 19,4 % sehen darin die Möglichkeit, eine Beschäftigung zu haben. Für 17,4 % ist der Aspekt des Zuverdiensts ein Motiva- tionsfaktor, während für 7,0 % der Grund darin liegt, nicht so viel zu Hause sein zu müssen. 4,4 % glauben, wenn sie in der Pension nicht weiterarbeiten würden, könnte der Betrieb nicht aufrechterhalten werden.

10 STIEGER 2019: o.S.

(11)

Abb. 4: Gründe für das Arbeiten in der Pension; Quelle: Verfasserin11

Auf der Internetseite des Netzwerkes gemeinnütziger, arbeitsmarktpolitischer Unter- nehmen „Arbeit plus“ findet man zum Thema Langzeitarbeitslose folgende Aussage, die unter anderem auch statistisch belegt wird:

„Nicht alle Menschen tragen das gleiche Risiko, langzeitbeschäftigungslos zu werden.

Arbeitslose Jugendliche und junge Erwachsene finden in den meisten Fällen schnell wieder einen neuen Arbeitsplatz. Auch gut ausgebildete und gesunde Menschen fin- den in der Regel schnell wieder aus der Arbeitslosigkeit heraus. Im Gegensatz dazu sind ältere Menschen sowie Personen mit gesundheitlichen Problemen oder mit gerin- ger formaler Ausbildung (höchstens Pflichtschulabschluss) überdurchschnittlich oft von Langzeitbeschäftigungslosigkeit betroffen. Auf viele langzeitbeschäftigungslose Menschen treffen wohl mehrere dieser Risikofaktoren gleichzeitig zu. Sie werden es

11 Vgl. STIEGER 2019: o.S.

68,90%

43,20% 42,50%

38,80%

35,20%

31,50%

26,40%

21,20% 20,10% 19,40%

17,60%

7,00%

4,40% 1,10%

Warum arbeiten Sie in der Pension bezahlt bzw. ehrenamtlich?

Basis: Berufstätige Pensionisten/n=273/Mehrfachnennungen möglich

(12)

auch bei anziehender Wirtschaft schwer haben, eine stabile Beschäftigung zu fin- den.“12

Die Arbeiterkammer hat im Jahr 2014 in einer Studie auch den Aspekt der Frauen mit einer akademischen Ausbildung in den Blick genommen. Sie belegt, dass jene, die Bildungsgewinnerinnen sind, gleichzeitig Arbeitsmarktverliererinnen13 sind. Eine Neu- ausrichtung ist zunächst immer auch mit Lohneinbußen verbunden. Daraus ergibt sich ein enormer Druck, dem insbesondere Frauen über 50 unterliegen. Für sie wird es immer schwieriger, in der Pension gut versorgt zu werden. Diese Tatsache potenziert sich dann für alleinerziehende oder alleinstehende Frauen.

Ein weiterer Grund, warum eine Neuorientierung im Alter von 50+ sehr herausfordernd sein kann, ist die VUCA-Welt (Volatility | Uncertainty | Complexity | Ambiguity)14, in der sich viele der heute über 50-Jährigen nur mehr schwer oder kaum noch zurechtfinden.

Die Generation der Babyboomer, zu der die heutigen 50-Jährigen gehören, ist nicht in einem digitalen Zeitalter geboren und aufgewachsen, sondern musste sich mühsam hineinorientieren in den Umgang mit Computern und in digitales Denken.

Dennoch sind die unterschiedlichen Arbeitsplätze der Frauen 50+ sehr gravierend. Für manche kann eine Neuausrichtung bedeuten, dass man eine neue Anstellung sucht, für andere wiederum kann dies heißen, dass man den Weg in die Selbstständigkeit probieren möchte. Je nach Ausbildung gibt es hier völlig differenzierte Zugänge.

1.2 Zielsetzung

Für den persönlichen Change-Prozess braucht es die richtige Strategie, um sich mit jenen Fähigkeiten und Kompetenzen zu beschäftigen, von denen man weiß, dass man darin gut ist.

Daher ergeben sich für diese Arbeit drei mögliche Zielgruppen.

Zunächst geht es um jene Frauen, die mit 50+ ihre Arbeit verloren haben und eine neue Tätigkeit suchen, sei dies als Arbeiterin, Angestellte oder in der Selbstständigkeit.

Dann sollen sich auch jene angesprochen fühlen, die zwar einen Job haben, aber darin nicht (mehr) ihre Erfüllung finden und deshalb auf der Suche nach etwas Neuem sind.

Schließlich sollen auch jene Frauen in den Blick genommen werden, die in ihr

12 ARBEIT.PLUS (a) 2019: o.S.

13 Vgl. VÖLKERER/PIRKLBAUER/HAUER/PRENNER 2014: o.S.

14 Vgl. WILLMANN 2018: 30

(13)

Pensionsalter eintreten und dennoch nach einer neuen Aufgabe, Tätigkeit oder Be- schäftigung suchen.

Nachdem sich die Generation der Babyboomer derzeit immer mehr in die Pension zu- rückzieht, ist das Reflektieren über eine Neuausrichtung in dieser Lebensphase als produktiver Input für die heutige Gesellschaft zu betrachten.

Die Intention ist es, durch die daraus gewonnenen Erkenntnisse Ideen für das Bera- tungssetting zu generieren, die wiederum Beratern und Beraterinnen im Umgang mit der Zielgruppe Frauen 50+ auf der Suche nach einer neuen Arbeit zur Verfügung ste- hen können.

Das Ziel dieser Masterthesis ist daher die Entwicklung eines Leitfadens für Beratungs- settings, mit dessen Hilfe die persönliche Veränderung im beruflichen Umfeld initiiert wird. Dieses Konzept kann auch jenen Menschen eine Möglichkeit zur Neuausrichtung bieten, die am Beginn ihres Eintritts in die Pension stehen, sich jedoch noch fit fühlen und gerne etwas Neues ausprobieren und entwickeln wollen. Ein weiteres Ziel ist es, mit diesen Beratungssettings speziell die Gruppe der Akademikerinnen zu erreichen.

Aus eigener Erfahrung kann gesagt werden, dass es für diese Frauen im Alter von 50+

kein diesbezügliches Beratungsangebot gibt, und deshalb soll diese Arbeit unter an- derem dazu dienen, den Weg dorthin zu überprüfen.

Es ist nicht Ziel dieser Arbeit, der Klientin bei einer Unternehmensgründung behilflich zu sein. Das bedeutet, es werden hier keine Dienstleistungen im Bereich des Grün- derservice, kein Businessplan und keine gewerberechtlichen Grundlagen angeboten.

1.3 Erläuterung der zentralen Forschungsfragen

Diese Arbeit klärt die Forschungsfragen anhand der Analyse von Fachliteratur.

Folgende Forschungsfragen werden bearbeitet:

Welche Settings eignen sich, um Frauen 50+ auf der Suche nach einer neuen Arbeit zu beraten?

Welche Analyse-Instrumente eignen sich für die Strategieentwicklung?

Das Ergebnis soll ein Leitfaden für Beratungssettings zur Neuausrichtung mit 50+ sein, bei dem die Denkmuster, die persönlichen Rahmenbedingungen sowie die individuel- len Verhaltensweisen und Handlungsoptionen beleuchtet werden.

Dieser Leitfaden ist eine Grundlage für Berater/innen, die gemeinsam mit den Klienten und Klientinnen den Weg der Neuausrichtung erarbeiten.

(14)

Nach Einleitung und Zielsetzung befasst sich der theoretische Teil dieser Arbeit in Ka- pitel zwei mit der Generation der Babyboomer. Hinzu kommt ein Einblick in die Arbeits- welt 4.0 sowie die Besonderheiten und die Orientierung in der VUCA-Welt. Anschlie- ßend wird auf Frauen 50+ in Bezug auf einen neuen beruflichen Lebensabschnitt ein- gegangen und der Umgang mit Ängsten und Blockaden beleuchtet.

Im Zuge des dritten Kapitels erfolgt die Adaption des M/O/T-Management-Modells.

Darin geht es zunächst um die Klärung der Vision eines persönlichen Lebensmodells.

Mit Hilfe einer Mindmap werden die Ziele der Neuorientierung anhand der ABC-Ana- lyse definiert. In einem nächsten Schritt werden die Werte und das Verhalten mittels Morphologischem Kasten erarbeitet und schließlich die Design-Elemente der Neuaus- richtung generiert. Dies soll mit der SWOT-Analyse, aber auch mit der Umweltanalyse dargestellt werden.

Der Fokus im vierten Kapitel ist ein Zwischenschritt für jene Frauen, die sich entschlie- ßen, ihre Neuausrichtung in der Selbstständigkeit zu beginnen. Dazu sollen die Mar- ketingstrategien für Unternehmerinnen anhand der Umfeldanalyse und des Aktions- plans dargestellt werden. Schließlich soll eine Darstellung der Diversifikation der Per- sönlichkeit darin erfolgen.

In weiterer Folge wird im fünften Kapitel die persönliche Strategieentwicklung anhand eines Leitfadens mit Hilfe des Meilensteinplans, des Leitfadens, des Leitfadeninter- views, des Aktionsplans und des Masterplans der beruflichen Neuausrichtung darge- stellt.

Der daran anschließende praktische Teil im sechsten Kapitel baut auf diesen Erkennt- nissen auf und ergänzt sie um die Vorbereitungen für das Beratungssetting. Mit Hilfe eines Leitfadens soll in der Beratung und im Coaching für die Zielgruppe „Neuorientie- rung für Frauen 50+“ dann ein Unterstützungsangebot erarbeitet werden. Hierfür wird die Vorgehensweise mit konkreten Unterlagen und Stundenvorbereitungen erklärt und dargestellt.

Im siebten Kapitel werden schließlich die zentralen Schnittstellen zwischen Theorie und Praxis zusammengefasst, bevor die Ausarbeitung kritisch reflektiert und in weite- rer Folge ein Ausblick gegeben wird.

(15)

2. Generation der Babyboomer

Die Generation der Babyboomer ist eine der sechs verschiedenen Generationen, die nach dem Zeitraum ihrer Geburt, beginnend mit dem Jahr 1922, klassifiziert wurden.

(Vgl. Abb. 5)

GENERATION GEBURTS- JAHRGÄNGE

ALTERSGRUPPEN Stand 2019

PRÄGENDE JAHRE

Traditionalisten 1922–1945 97–74 1933–1960

Nachkriegsgenera- tion

1946–1955 73–64 1964–1975

Babyboomer 1955–1965 64–54 1957–1979

Generation X 1965–1979 54–40 1976–1994

Generation Y 1980–1995 39–24 1991–2010

Generation Z 1996– … 23 und jünger 2007– …

Abb. 5: Übersicht der Generationen ab 1922; Quelle: nach Mangelsdorf15

Während die Nachkriegsgeneration noch zu den geburtenschwächeren Jahrgängen zählt, ordnet man die zwischen 1955 und 1965 Geborenen der Generation der Baby- boomer zu. Allerdings werden hier die Jahreszuordnungen in der Literatur nicht ein- heitlich verwendet, sondern sie variieren sehr stark. Die Tabelle wurde daher aus ver- schiedenen Quellen zusammengefügt. So wurde die Klassifizierung für die Babyboo- mer und die der Generation X (Vgl. Abb. 5/gelb) der Online-Zeitschrift Change-Ma- nagement des Berliner Teams16 entnommen. Die Klassifizierung der Traditionalisten, der Generation Y und die der Generation Z (Vgl. Abb. 5/grün) sowie die Tabellendar- stellung wurde aus Mangelsdorf17 übernommen, während die Zeile der Nachkriegsge- neration (Vgl. Abb. 5/blau) von der Autorin selbst eingefügt und ergänzt wurde.

In der amerikanischen Generationenklassifizierung nach den Autoren Ron Zemke und Bob Filipczak und der Autorin Claire Raines18 folgen die Babyboomer (1943–1960) der Gruppe der Veteranen (1922–1943). Diese Klassifizierung hängt mit dem historischen Kontext des jeweiligen Staates bzw. Kontinentes zusammen. Die meisten der Vetera- nen wurden noch vor dem Zweiten Weltkrieg geboren. Sie gelten als die „Hüter des

15 Vgl. MANGELSDORF 2014: 11f

16 Vgl. MIHOLOVIC/KNEBEL 2017: o.S.

17 Vgl. MANGELSDORF 2014: 11f

18 Vgl. ZEMKE/RAINES/FILIPCZAK 2000: o. S.

(16)

Grals“. Damit ist gemeint, dass Werte wie ziviler Stolz, Loyalität und Respekt vor Au- toritäten unter ihnen hochgehalten werden. Viele von ihnen sind bereits in Pension, jedoch bestimmt ihre Einstellung und ihr Geist noch weiterhin die Führungsetagen der großen Konzerne, so die Autoren und die Autorin. In den USA werden die Babyboomer in die Jahre 1943 bis 1960 eingeordnet. Diese Generation, die in Europa auch als Nachkriegsgeneration bezeichnet wird, hat die 60-Stunden-Woche erfunden. Sie lebt, um zu arbeiten, denn sie identifiziert sich über die Arbeit. Wenn man nun im Unterneh- men eine Gruppe von Babyboomern zu managen hat, dann sollte man, so Zemke, Filipczak und Raines, folgende Aspekte bedenken:

1. Es gilt herauszufinden, wie diese Mitarbeiter/innen geführt werden wollen. Sie möchten nämlich gefragt werden. Diese Mitbestimmung kann taktisch und stra- tegisch von Vorteil sein.

2. Es ist davon auszugehen, dass Dinge, die nicht gut laufen, von Babyboomern aufgegriffen werden. Allerdings geschieht dies meist nicht direkt, sondern in Form von Praktiken der „heimlichen“ Leitung. Daher ist es wichtig, die Dinge als Führungskraft anzusprechen und die Gruppe der Babyboomer zu führen.

3. Babyboomer brauchen Erfolgserlebnisse. Eine gute Führungskraft versteht es, solche für das Team zu generieren. Es gilt zu zeigen, wie und wodurch sie sich von anderen unterscheiden und damit ihre Leistung und ihr Einsatz besonders wird.

4. Babyboomer brauchen auch Motivation. Eine gute Führungskraft gibt den Mit- arbeiter/innen häufig Anerkennung und Wertschätzung für die bereits erfolgte Arbeit. Sie brauchen immer wieder die Möglichkeit, ihren Wert über Leistung steigern zu können, um dafür auch belohnt zu werden.

5. Babyboomer brauchen Mentoring bzw. Coaching. Dies soll taktvoll und respekt- voll geschehen. Es sollten Möglichkeiten der Übereinstimmung und des harmo- nischen Miteinanders geschaffen werden. An die Grundprobleme sollte fragend herangegangen werden.19

Wie der Begriff Babyboomer schon ausdrückt, sind diese Jahrgänge die geburten- stärksten, deren Höhepunkt in Deutschland im Jahr 1964 mit ca. 1,4 Millionen Neuge- borenen verzeichnet wurde. In der Mitte der 1960er-Jahre kam es dann zum soge- nannten „Pillenknick“, der die Geburtenrate kontinuierlich sinken ließ. Der Anteil der

19 Vgl. ZEMKE/RAINES/FILIPCZAK 2000: o. S.

(17)

Bevölkerung der Babyboomer-Generation ist im Vergleich zu den anderen Generatio- nen, wie etwa der X-, Y- und der Z-Generation, sehr hoch. Bedauerlicherweise kann man nur auf wenige Studien in Bezug auf Werte und auf das Lebensgefühl der in dieser Zeit Geborenen zurückgreifen. Da diese Altersklasse nun vermehrt in Pension gehen wird, sind die Unternehmen und Pensionskassen vor große Herausforderungen be- züglich der Pensionsfinanzierung gestellt.20 Die Eltern und Erziehungsberechtigten der Babyboomer gehörten der Generation der Traditionalisten an. Diese Gruppe wird den Jahrgängen 1922 bis 1945 zugeordnet. Sie hatten den Zweiten Weltkrieg miterlebt und ihren Kindern ein traditionelles Familienbild und eine ebensolche Erziehung vermittelt.

Die Familienstrukturen und die gesellschaftlichen Strukturen waren klar hierarchisch geregelt. Die Erziehung war geprägt von Zucht und Ordnung. Ein weiterer Umstand der Babyboomer-Generation ist die Tatsache, dass es in dieser Zeit zu einem enormen wirtschaftlichen Aufschwung gekommen war. Es gab immer mehr Möglichkeiten, vor allem auch im Bereich der beruflichen Ausbildung. Der Zugang zu Universitäten wurde einer breiteren Öffentlichkeit – und vor allem auch Frauen – ermöglicht. Auch die An- zahl der Auslandsreisen stieg kontinuierlich an.21

2.1 Arbeitswelt 4.0

Eine große Herausforderung der heutigen Gesellschaft ist die rasante Geschwindig- keit, mit der sich Berufe, aber auch Unternehmen verändern. Neue Anforderungen werden an den Berufsalltag von heute gestellt. Weiterbildungen in Industrie 4.0, App- Entwicklung, E-Commerce, Influencer-Management oder SAP, Excel- oder InDesign- Workshops, perfekte fachliche Englischkenntnisse oder Weiterbildung zur Maschinen- steuerung SPS werden vorausgesetzt.

Peter Haubner schreibt in seinem Artikel dazu:

„Die Arbeitswelt verändert sich weg von starren Gebilden hin zu mehr Selbstbestim- mung, Freiheit und Flexibilität.“22 Haubner beobachtet weiters einen Trend in der Ar- beitswelt, der sich in Richtung mehr Selbstständigkeit bewegt. Er stellt zudem fest, dass auch die Anstellungskriterien neu überdacht werden müssen, um in der Arbeits- welt 4.0 einen attraktiven Platz innehaben zu können. Er plädiert dafür, den Fokus auf

20 Vgl. MIHOLOVIC/KNEBEL 2017: o. S.

21 Vgl. ebd.: o. S.

22 HAUBNER 2016: 14

(18)

jene Menschen zu setzen, die durch Kreativität und Innovation neue Perspektiven in die Wirtschaft bringen können.23

Hans Georg Willmann bringt es in seinem Buch „Durchstarten mit 50 plus“ auf den Punkt, wenn er schreibt:

„Den 23-jährigen IT Bachelor, der seit seinem elften Lebensjahr am Rechner sitzt und programmiert, holt kein Fünfziger mehr ein.“24

Das Nachjagen von Kenntnissen, die den 50+-Jährigen in der digitalisierten Welt feh- len, führt zu Misserfolg und Überforderung. Gerade Frauen, die zumeist auf Grund der Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen Unterbrechungen im Erwerbsar- beitsprozess erleben, gelingt das Einsteigen und Zurechtfinden in der neuen digitali- sierten Arbeitswelt oft noch viel schwerer. Deshalb liegt ein wesentlicher Aspekt darin, dass man sich zunächst einmal mit seinen Qualitäten und Stärken als 50-Jährige/r und darüber hinaus auseinandersetzen sollte.

Hans-Georg Willmann zählt zu den Stärken von 50+-Jährigen zunächst die Bereit- schaft, Verantwortung zu übernehmen, die gepaart ist mit Disziplin und Durchhaltever- mögen. Außerdem bringt diese Generation praktische Erfahrung und Branchen-, Spe- zial- und Fachkenntnisse sowie langjährig gepflegte Netzwerke mit. Verbindliches Ar- beiten, korrekte Umgangsformen, aber auch die Lebenserfahrung werden von Arbeit- geberinnen und -gebern geschätzt. Hinzu kommt, dass 50+-jährige Frauen zumeist ihre Familienplanung abgeschlossen haben und deshalb auch längerfristig planbar und einsetzbar sind.25

2.2 Orientierung in der VUCA-Welt: Methode des Pitchens

Wie bereits in der Problemdarstellung erwähnt, soll nun an dieser Stelle genauer auf die Bedeutung der VUCA-Welt (Volatility | Uncertainty | Complexity | Ambiguity), also Flüchtigkeit/Schnelllebigkeit, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit, einge- gangen werden. Diese Begriffe sind die neuen und wahren Herausforderungen unse- rer Zeit, nicht nur für Frauen aus der Babyboomer-Generation. Aber was bedeutet das eigentlich? Zunächst ist es so, dass VUCA ein Akronym darstellt. Die Anfangsbuch- staben der aus dem Englischen stammenden Begriffe bilden diese Abkürzung, die sich mittlerweile als eigenständiger Fachbegriff in der Wirtschafts- und

23 Vgl. ebd.: 15f

24 WILLMANN 2018: 29

25 Vgl. ebd.: 30

(19)

Managementsprache etabliert hat. Ursprünglich stammt dieser Begriff allerdings aus der Militärsprache, wo er erstmals in den 1990er-Jahren verwendet wurde.26

Um nun in der VUCA-Welt bestehen zu können, ist eine agile Haltung gefordert. Diese drückt sich darin aus, dass die Menschen proaktiv, flexibel und anteilnehmend agieren können. Es wird erwartet, dass man dazu in den unterschiedlichsten Situationen die Initiative ergreifen kann. Die Key Competence unserer Zeit heißt, neuen Veränderun- gen offen zu begegnen und mit ihnen umgehen zu können. Das bedeutet nun also für die Neuausrichtung mit 50+, dass sich die Zugangsvoraussetzungen zu einer interes- santen beruflichen Tätigkeit geändert haben. Das bringt mit sich, dass die Arbeitsbe- dingungen flexibler werden und die Sinnhaftigkeit der Arbeit eine neue Bedeutung er- reicht. Automatisierte Tätigkeiten im digitalen Bereich treten auf Grund der breiten Ab- deckung immer mehr in den Hintergrund, wohingegen das kreative Denken und das daraus resultierende Querdenken immer mehr an Bedeutung gewinnen. Außerdem zeigt sich eine Flexibilität in den Arbeitsstrukturen. Die neuen technischen Möglichkei- ten führen zu flachen Hierarchien, und die Menschen können in Folge dessen selbst- bestimmter arbeiten. Kritisches Denken, eine professionelle Kommunikation und ein zielführendes Selbstmanagement werden wichtiger als formale Ausbildungen bzw.

Studienabschlüsse.27

Auf Grund der Schnelllebigkeit unserer Zeit braucht es neue Formate in der Kommu- nikation. Es soll an dieser Stelle nun eine Methode vorgestellt werden, die zeigt, wie man sich für ein Bestehen in der VUCA-Welt rüsten kann. Es ist die Methode des Pitchens.

Ein Pitch wird eingesetzt, wenn man wenig Zeit zur Verfügung hat, um sich selbst sei- nem Gegenüber zu präsentieren. Dabei gibt es drei wesentliche Elemente, anhand derer man den Pitch vorbereitet: „Ich bin. Ich kann. Ich will.“ Da die Konzentration beim Zuhören sinkt, ist es notwendig, sich auf diese drei Inhalte zu beschränken.28 Hans- Georg Willmann schreibt dazu:

„Die Kunst ist es, unser Gegenüber innerhalb von 30 Sekunden zu überzeugen, dass es für ihn wertvoll ist, uns besser kennenzulernen – weil wir ein Teil der Lösung für seine Probleme sein könnten.“29

26 Vgl. ebd.: 30

27 Vgl. ebd.: 33f

28 Vgl. ebd.: 136ff

29 Ebd.: 136

(20)

Auf Grund der vielen Lebens- und Berufserfahrungen ist dies für Menschen über 50 meist eine große Herausforderung, die man aber vorbereiten und trainieren kann.

2.3 Frauen 50+ – ein neuer beruflicher Lebensabschnitt

Auch wenn der nun folgende Abschnitt ohne Weiteres auch für Männer gilt, soll er aber dennoch ganz besonders den Frauen gewidmet werden. Frauen haben in der Regel zusätzlich zu ihren beruflichen Tätigkeiten das Management für Familie mit oder ohne Kinder und/oder zu pflegende Angehörige zu bewerkstelligen. Diese unbezahlte Mehr- arbeit, die tatsächlich häufiger von Frauen ausgeübt wird, soll als Folie im Hintergrund der beruflichen Veränderung mitbedacht werden. Freilich gilt generell die Erziehung der Kinder für Frauen im Alter von 50+ als abgeschlossen. Meist tritt aber an diese Stelle dann häufig die Pflege ihnen nahestehender Menschen.

Bernd Slaghuis30 gibt in seinem Online-Blog zehn Tipps für die berufliche Neuorientie- rung, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden sollen, denn jede Veränderung braucht eine ausgereifte Vorbereitung, damit sie zu keiner unüberlegten Handlung führt oder gar scheitert und alles beim Alten belässt. Slaghuis erachtet folgende zehn Tipps als wesentlich:

1. Verantwortung übernehmen 2. Ressourcen wertschätzen 3. Eigene Werte erkennen

4. Motivation und Ziele definieren 5. Widerstände kennenlernen

6. Optimales Arbeitsumfeld definieren 7. Ins Handeln kommen

8. Recherche starten 9. Authentisch bewerben

10. Eigenverantwortlich entscheiden

Die Basis für jeden Neubeginn, so Slaghuis, ist die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Alle sind für die Wahl ihrer Entscheidungen selbst ver- antwortlich, aber auch dafür, falls keine Entscheidung für den Neustart getroffen wird.

30 Vgl. SLAGHUIS 2013: o.S.

(21)

Den nächsten Schritt sieht der Coach im Wertschätzen der Ressourcen. Dazu ist es nötig, sich an das zu erinnern, was man im Leben schon geschafft und geleistet hat, bzw. an das, was einem Kraft und Halt geben kann. Das Erkennen der eigenen Werte vermittelt Zufriedenheit, weil man an sinnerfüllten Inhalten arbeiten kann. Um diese Werte erreichen zu können, braucht es die Motivation und auch die entsprechenden Ziele.

Die Menschen sind unterschiedlich und gehen daher auch sehr differenziert mit den eigenen Blockaden und Ängsten um. Deshalb ist es, so Slaghuis, wichtig, die eigenen Widerstände kennenzulernen. Wer reflektiert, strukturiert und selbstbestimmt an den Veränderungsprozess herangeht, der sollte auch sein optimales Arbeitsumfeld definie- ren können. Gerade für Frauen ist dieser Punkt sehr wesentlich, denn die Kombination aus Familie und beruflichem Umfeld sollte zumindest im beruflichen Bereich optimal gestaltet sein.

Jede Veränderung verlangt es, aus der Komfortzone auszusteigen. Dies gelingt oft nur in kleinen Schritten. Das Tempo ist dabei nebensächlich: Ins Handeln zu kommen ist entscheidend. Danach, so Slaghuis, braucht es Zeit für die Recherche, entweder weil man sich selbstständig machen möchte, um herauszufinden, was man dem Kunden/

der Kundin anbieten möchte, oder weil man auf der Suche nach einem neuen Unter- nehmen sein will. Hat man also eine passende Stelle gefunden, dann ist der nächste Schritt die erfolgreiche Bewerbung. Sollte es dann zu einem Bewerbungsgespräch und zum Zuschlag der Stelle kommen, dann wird erneut die eigenverantwortliche Entschei- dung gefragt.31

Aus eigener Erfahrung kann gesagt werden, dass dieser Weg jedoch vor allem für viele Frauen oft unübersichtlich und alleine nicht leicht gangbar ist. Daher wird im Rah- men der vorliegenden Arbeit ein Leitfaden erstellt (vgl. Kap. 5), mit Hilfe dessen Bera- tungssettings zur Begleitung und Beratung zunächst von Frauen (und später auch von Männern) 50+ initiiert werden können. Neuorientierung und das damit verbundene Verlassen der Komfortzone des Bekannten und Vertrauten erfordern für viele Men- schen Unterstützung, aber auch Hilfe dabei, sich selbst weiterhelfen zu können. (Vgl.

Abb. 6)

31 Vgl. SLAGHUIS 2013: o.S.

(22)

Abb. 6: Grafik Komfortzone; Quelle: Verfasserin

Eine neue berufliche Herausforderung bringt, so Cornelia Topf und Rolf Gawrich, auch ein Zustimmen zu einer neuen Rolle mit sich. Eine Frau, die sich verändern möchte, so die beiden Autoren, „muss nichts weiter tun, als diese Rolle zu ergreifen und sie mit dem eigenen Drehbuch, den eigenen Ideen, der eigenen Weiblichkeit, dem eigenen Stil zu füllen“.32 Jede zugeschriebene Rolle ist immer das, was man selbst daraus macht. Dabei ist es nicht zielführend, sich Rollen aufdrängen zu lassen, vielmehr ist es der wirkliche Benefit für das eigene Leben der Neuorientierung, Rollen zu gestal- ten.33

2.4 Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Kündigungen

Nicht immer geschehen Neuorientierungen freiwillig, denn immer mehr 50+-Jährige werden aus dem Arbeitsprozess aus verschiedensten Gründen entlassen. Die Band- breite reicht von Mobbing, Bossing oder Personalabbau bis hin zu Unternehmens- schließungen.

Hans-Georg Willmann gibt dazu in seinem bereits erwähnten Buch „Durchstarten mit 50+“ wichtige Hinweise, die in solchen Situationen gleichsam als Erste-Hilfe-Maß- nahme helfen können.

Zunächst erarbeitet die Betroffene eine nachvollziehbare Wechselstory. Damit ist ge- meint, dass es klar sein muss, warum es zur Neuorientierung kommt. Dabei ist zu

32 TOPF/GAWRICH 2005: 21

33 Vgl. ebd.: 21f

Panik- und Frustrationszone

Lern- und Wachstumszone

Komfortzone

(23)

beachten, dass man keine Schuldzuweisungen ausspricht oder etwa die Opferrolle einnimmt, sondern eine positive Formulierung findet, warum der Berufswechsel in die- sem Alter erfolgt ist. Sollte es so sein, dass man selbst kündigen möchte, dann, so Willmann weiter, braucht es eine präzise Vorbereitung, wie beispielsweise das Einhal- ten der Kündigungsfrist, die damit verbundene Kenntnis über den Arbeitsvertrag, die Arbeitslosenmeldung oder darüber, wie die Sperrzeitenregelung beim Arbeitslosen- geld geregelt ist. Es ist ebenso zu überlegen, wie lange das Geld noch reicht, ohne dass die Existenz gefährdet ist. Vorteilhaft ist es auch, eine neue Erwerbsidee anzu- denken beziehungsweise eventuell bereits ein neues Berufsziel vor Augen zu haben.

Besonders für Frauen 50+ sollte unbedingt eine Vorbereitung bezüglich der Positio- nierung in der Arbeitswelt 4.0 unternommen werden. Eine Möglichkeit dabei wäre es, mit dem Unternehmen zu kooperieren und eine einvernehmliche Auflösung mit einer Abfindungszahlung zu verhandeln. Dazu sollte man sich jedoch rechtlich beraten las- sen. Als nächsten Schritt gilt es, so Willmann, ein Arbeitszeugnis einzufordern und auf ein eventuelles Nachbessern eines solchen zu bestehen. Schließlich ist darauf zu ach- ten, einen privaten Finanzplan zu erstellen, um nicht in die Schuldenfalle zu geraten.

Denn wer seine Ausgangssituation kennt, wer seine Wechselstory erzählen kann und die notwendigen Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen hat, wird spätere Schwierigkeiten bewältigen können.34

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die derzeit 50+-jährigen Frauen zur Generation der Babyboomer und zur Generation X gehören, wobei es hierbei nicht so sehr auf die genaue Jahreszahlenklassifizierung ankommt, denn es geht um die Tatsache, dass unterschiedliche Generationen auch ein differenziertes Verhalten auf- weisen. Gemeinsam ist ihnen jedoch der Umstand, dass die Arbeitswelt 4.0 neue Her- ausforderungen mit sich bringt und ein Nachjagen von Kenntnissen erforderlich macht.

Die Gesellschaft von heute ist charakterisiert von Schnelllebigkeit, Flüchtigkeit, Unge- wissheit und Komplexität. Diese Kriterien verändern auch die Kommunikation unterei- nander, denn es soll in immer weniger Zeit immer mehr an Information transportiert werden können (vgl. Abschnitt 2.2 „Die Kunst des Pitchens“). Dies alles erschwert ge- rade Frauen den Eintritt in den Arbeitsprozess, denn immer mehr von ihnen werden gekündigt und in Teilzeittätigkeiten gedrängt. Schließlich wurden auch die sogenann- ten Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Kündigungen angesprochen, die wichtig sind, um ein korrektes Beenden des Arbeitsprozesses sicherzustellen.

34 Vgl. WILLMANN 2018: 62ff

(24)

Im folgenden Kapitel soll nun ausgehend vom M/O/T-Management-Modell überlegt werden, wie diese Unternehmensstrategie in den persönlichen Berufsfindungsprozess übertragen werden kann.

(25)

3. M/O/T-Management-Modell – Adaption

Das M/O/T-Management-Modell35 ist ein strategisches Steuerungselement der Unter- nehmensführung und greift konzeptuelle Ideen zum Offenen Sozio-Techno-Ökonomi- schen Ansatz von Heijo Rieckmann und zum Design komplexer Organisationen von David P. Hanna auf. M steht für Management, O für Organizational Development und T für Technology. Diese grundlegenden Überlegungen nutzt Robert Neumann und ent- wickelt sie durch Forschungen im Bereich der Systemtheorie, der Lern- und Organisa- tionstheorie, des Wissens- und Veränderungsmanagements, der Management-Diszip- lin sowie in vielfältigen Praxiserfahrungen aus dem Trainings- und Beratungssetting weiter. (Vgl. Abb. 7)

Abb. 7: Bild: M/O/T-Management-Modell nach Robert Neumann36

Damit dient das M/O/T-Management-Modell einer theoretisch fundierten Führungsar- beit, die beim Aufbau, bei der Gestaltung, bei der Diagnose sowie bei Entscheidungs- und Verantwortungsanforderungen ein hilfreiches Steuerungselement in einem

35 NEUMANN 2011: 2ff

36 NEUMANN 2015: o.S.

(26)

Unternehmen darstellen kann, aber auch in der Leadership-Ausbildung eingesetzt werden kann. Ausgehend von der Suche nach einem Existenzgrund, also der Überle- gung, was der Kunde braucht, werden Ziele und Strategien entwickelt, die das Unter- nehmen mit Blick auf den Kunden initiiert. Damit die Ziele und Strategien jedoch um- gesetzt werden können, braucht es die sogenannten Design-Elemente, die Ergebnisse gewährleisten, die den Kunden zufriedenstellen können und damit dem Unternehmen die Existenzgrundlage sichern. Die Design-Elemente schaffen damit den Struktur- und Ordnungsrahmen, die Regeln, Richtlinien und Standards sowie die Messgrößen, an denen das Verhalten im Unternehmen festgemacht wird. Das Verhalten wirkt auf die Strukturen, und die Strukturen wirken auf das Verhalten.

Darauf folgen die sogenannten „feedback loops“, bei denen der Kunde rückmeldet, ob der Unternehmenskurs bzw. das Produkt zu seiner Zufriedenheit ausfällt. Dabei wird sowohl die Qualität als auch die Veränderung rückgemeldet.

Damit wäre der operative Teil des Unternehmens abgedeckt. Nun folgt der zweite wichtige Schritt, nämlich der Part der Führungsqualitäten. Dabei geht es um das Be- trachten der gesamten Zusammenhänge und Wechselwirkungen in einem Unterneh- men. Es braucht jemanden, der den Überblick und damit die Gesamtschau auf das Unternehmen einnimmt. Im Leadership liegt die Verantwortlichkeit der Unternehmens- gestaltung und damit die Herausforderung, Bildungs-, Entwicklungs- und Verände- rungsprozesse in einem Unternehmen gewinnbringend zu implementieren und mit den entsprechenden Methoden dahingehend zu steuern. Es hängt auch von der jeweiligen Führungskraft ab, mit welchem Verhalten sich die Mitarbeiter/innen in Veränderungs- prozesse begeben.37

„Man schafft niemals Veränderung, indem man das Bestehende bekämpft.

Um etwas zu verändern, baut man neue Modelle, die das Alte überflüssig machen.“38

Das M/O/T-Management-Modell soll nun in dieser Arbeit als Ausgangsbasis für das Thema „Neuausrichtung für Frauen 50+“ herangezogen werden, und zwar in einer für den persönlichen Change-Prozess adaptierten Version. In der persönlichen Neuaus- richtung geht es zuallererst um die Frage der Existenz. Besonders dann, wenn die Hälfte der Lebenszeit bereits überschritten wurde, wird zunächst einmal die Sinnfrage

37 Vgl. NEUMANN 2011: 2ff

38 BUCKMINSTER FULLER o.J.: o.S.

(27)

wesentlich. Mindestens gleichbedeutend ist aber auch die Frage nach der finanziellen Absicherung und nach der Existenz im Zusammenhang mit dem Näherrücken der Pen- sionierung. Für Frauen, insbesondere dann, wenn sie Alleinerzieherinnen oder wenn sie lange zu Hause bei der Familie waren und nicht genug Jahre für die zustehende Pension aufbringen konnten, ist die Frage nach der finanziellen Situation existenziell.

Während im ursprünglichen M/O/T-Management-Modell die Kundenzufriedenheit den Existenzgrund des Unternehmens bildet, geht es nun in der Auseinandersetzung mit dem Thema in dieser Arbeit um den persönlichen Existenzgrund, der zu Zufriedenheit und Lebensqualität führt.

Dazu wird ein Methoden-Mix zusammengestellt, der für die jeweiligen Beratungsset- tings unterstützend eingesetzt werden soll. Das Ziel dieser Arbeit soll es nicht sein, auf die einzelnen Methoden präzise einzugehen, sondern diese Methoden in adaptierter und modifizierter Form zur Anwendung zu bringen und damit als Support-Tool einzu- setzen. Das genauere Analysieren dieser Methoden würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, und daher wird von einem ausführlichen Erläutern der einzelnen Methoden abgesehen, und zwar nicht, um ihre Bedeutung zu schmälern, sondern um den Fokus auf das innovative Herangehen an die jeweiligen Beratungssettings zu lenken.

3.1 Mindmap zur persönlichen Visionsentwicklung

Die beiden Gründer der Primas Consulting, Gerold Patzak und Günter Rattay, be- schreiben in ihrem Buch „Projektmanagement“ die Problemlösungs- und Bewertungs- methoden, die für die Arbeit in Projekten in den diversen Teams Anwendung finden können. Sie unterscheiden dabei die sogenannten Kreativitätsmethoden und die Me- thoden der Alternativenbewertung und Auswahlentscheidung.39 Zu den Kreativitäts- methoden zählen die Autoren das Brainstorming, das Brainwriting, die Kartenabfrage, die Methode der Synektik und das Mindmapping. Als Ziel bei den Methoden der Alter- nativenbewertung und Auswahlentscheidung heben Patzak und Rattay die Entschei- dungsempfehlungen beim Auswählen von mehreren Alternativen hervor. Darauf wird zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer eingegangen werden.

Während sich das Brainstorming des Prinzips der Assoziationen bedient, um damit möglichst viele Ideen generieren zu können, versteht sich das Brainwriting als Ver- schriftlichung des Brainstormings, mit Hilfe dessen man innerhalb einer Gruppe die

39 Vgl. PATZAK/RATTAY 2018: 373ff

(28)

Lösungsvorschläge potenzieren kann. Diese Methode kann auch mit Hilfe von Präsen- tationskarten durchgeführt werden. Das bezeichnen die Autoren dann als Kartenab- frage. Dabei werden die Moderationskarten an die Teilnehmer/innen verteilt. Diese schreiben zum Thema die individuellen Lösungsvorschläge bzw. Ideen auf jeweils eine Karte auf. Die Karten aller Teilnehmer/innen werden eingesammelt und für alle sicht- bar auf einer Pinnwand befestigt. Der Vorteil dabei ist, dass man die Karten immer wieder neu zuzuordnen und entsprechend gruppieren kann. So können Häufigkeiten und Schwerpunkte gezielt herausgearbeitet werden. Eine weitere Methode ist die der Synektik. Dabei wird das Vertraute entfremdet und das Entfremdete vertraut gemacht, da das Fremde möglicherweise zielrelevante Lösungsvorschläge impliziert.40

Schließlich zählen Patzak und Rattay vor allem auch das Mindmapping zu den Kreati- vitätsmethoden. Diese kreative Methode besteht aus zwei wesentlichen Elementen, einerseits aus dem Element des Brainstormings und andererseits aus der Methode der Kartenabfrage. Es werden also Assoziationen und Ideen gruppiert und visualisiert dar- gestellt.41

Eine Neuausrichtung kann auch im persönlichen Bereich als Projekt angesehen wer- den und eine Mindmap als der dazugehörige Projektergebnisplan. Das Ziel dabei ist es, so der Projektmanagement-Experte Christian Sterrer, einen Überblick über die Er- gebnisse des Projektes generieren zu können. Dazu werden die einzelnen Ergebnisse hervorgehoben, die entweder zu berücksichtigen sind oder erst entstehen sollen.42 Ausgehend von dieser Vision wurde die Überlegung angestellt, welche Säulen zur Vi- sionsentwicklung der Neuausrichtung für Frauen 50+ herangezogen werden. Im Be- wusstsein, dass es hierbei sehr unterschiedliche Zugänge gibt, fiel die Entscheidung auf folgende fünf Schwerpunktbereiche: Beruf (orange), Bildung (grau), Persönlichkeit (gelb), Zeit (blau) und soziales Umfeld (grün). (Vgl. Abb. 8) Diese Bereiche wurden dann in einer Mindmap festgehalten und gleichsam als Lebenssäulen verankert.

Schließlich wurden den Lebenssäulen die einzelnen Themenschwerpunkte zugeord- net, um so eine detaillierte Aufstellung der einzelnen Bereiche darstellen zu können.

40 Vgl. ebd.: 373ff

41 Vgl. ebd.: 373ff

42 Vgl. STERRER 2014: 81ff

(29)

Abb. 8: Ausgangssituation für eine Mindmap zur persönlichen Visionsentwicklung; Quelle: Verfasserin

Es sei an dieser Stelle betont, dass diese Darstellung nicht den Anspruch auf Vollstän- digkeit erhebt, sondern als eine von mehreren Möglichkeiten gesehen werden soll.

Jede dieser Lebenssäulen lässt sich beliebig ergänzen oder kürzen, je nach Bedarf der Klientin.

3.2 Ziele der Neuorientierung: ABC-Analyse

Um die richtigen Ziele der beruflichen Neuausrichtung finden zu können, hat man sich bislang die Frage gestellt: Wie will ich arbeiten? Das wäre in der Sprache der Schul- medizin der Symptom-Ansatz. Das heißt: Auf der Suche nach einer neuen Arbeit braucht es die Überlegung, wie man arbeiten möchte bzw. welcher Job zu einem passt.

Der „Life-Designer“ hingegen stellt die Frage aus dem ganzheitlichen Blickwinkel: Wie will ich leben? Dort hinein bettet sich dann auch die berufliche Art des Lebens. Die Reihenfolge eines neuen Lebensentwurfes sollte die Überlegung nach dem gewünsch- ten Leben und in weiterer Folge nach der Arbeit daran werden. Robert Kötter und Mario Kursawe bringen es auf den Punkt, wenn sie schreiben:

„Nicht der Job muss zu dir passen, sondern dein Leben!“43

Die beiden Autoren Kötter und Kursawe empfehlen, mit einem Briefing zu starten, um damit die eigenen Ziele definieren zu können, denn man braucht ein möglichst klares Bild davon, wie ein gelungenes Ergebnis aussehen soll. Der Kunde, für den man gleichsam die Ziele entwickelt, ist man in diesem Fall selbst. In diesem Prozess der Zielfindung geht es vor allem darum, möglichst viele Aspekte über die eigene Zukunft

43 KÖTTER/KURSAWE 2015: 49

Beruf

Bildung

Persönlichkeit Ziel

Soziales Umfeld

(30)

herauszufinden, die man dann in das entsprechende Lebensdesign hineinarbeiten kann. Folgende Fragen werden im Briefing gestellt:

Wann würde das Ziel erreicht werden?

Die Antworten sollten möglichst konkret und detailliert sein.

Woran kann man das bemerken?

Bei dieser Frage stellt man sich vor, wie es wäre, wenn man das konkrete Ziel bereits erreicht hätte. Man macht sich Gedanken, wie sich das anfühlen würde und was dann im Vergleich zu heute anders wäre.

Woran kann das persönliche Umfeld das merken?

Bis wann soll das Ziel erreicht werden?

Es ist wichtig, dazu konkrete Daten zu nennen und nicht zu kurzfristig zu planen. Die Zeitspanne dafür kann zwischen einem Jahr und fünf Jahren liegen, bis ein Ziel erreicht werden kann.44

In der folgenden Statistik soll exemplarisch gezeigt werden, welche Lebenssäulen für die individuelle Zufriedenheit bedeutend sind. Weitere Säulen könnten sein: Geld, Ge- sundheit, Sport, Freunde, Liebe/Partnerschaft, Wohnen, Spiritualität, Inspiration, Frei- heit, Natur, soziales Engagement, Karriere u.v.m.45

Die wichtigsten Säulen sollen nun definiert und schließlich eine Wunschstatistik gene- riert werden. Dies könnte beispielsweise wie folgt aussehen. (Vgl. Abb. 9)

Abb. 9: Lebenssäule exemplarisch; Quelle: Verfasserin

Exemplarisch wurden hier die Lebenssäulen Familie, Sicherheit, Werte und Freizeit gewählt und im persönlichen Ermessen prozentuell bewertet. Gemeint damit ist, wie

44 Vgl. ebd.: 51

45 Vgl. ebd.: 54

0 10 20 30 40 50

Familie Sicherheit Werte Freizeit

Lebenssäulen Ist-Zustand

(31)

viel Prozent die Klientin in ihrer momentanen Lebenssituation der Familie, der Sicher- heit, den Werten bzw. der Freizeit beimisst.

In einem nächsten Schritt werden nun die Lebenssäulen interpretiert und gesammelt.

Zur Interpretation wird folgende Vorgehensweise empfohlen, und dazu dienen die nachstehenden Überlegungen:

1. Es wird überlegt, welche Säulen ausgewählt wurden, und es wird die Auswahl in einigen kurzen Sätzen begründet.

2. Danach wird reflektiert, in welchen Bereichen eine höhere und in welchen eine niedrigere Prozentangabe erfolgt ist.

3. Anschließend erforscht man, welchen Einfluss eine Säule auf die andere hat.

4. Schließlich gibt man ein Gesamtstatement zur Lebenssäulen-Grafik ab.

5. In einem nächsten Schritt wird überlegt, welche Säule dem Idealbild entspricht und welche Säule noch weit vom gewünschten Ziel entfernt liegt.

6. Dafür werden jetzt die Gründe gesucht: Dazu lautet die Frage: Was könnte man tun, um den Zielzustand zu erreichen?

7. Nun werden jene Säulen, mit denen man bereits zufrieden ist, den anderen, die noch verbesserungswürdig sind, gegenübergestellt und mit den Überlegungen ergänzt, die es noch braucht, um den Zielzustand erreichen zu können.46

Die Interpretation dieser gewonnenen Daten werden als Entscheidungsgrundlage für die weiteren Gestaltungsmöglichkeiten herangezogen.

3.3 Werte und Verhalten: Morphologischer Kasten

Dieter Thomä schreibt in einem Artikel über Werte, dass man den Begriff Wert/Werte vor allem mit der Ökonomie und mit der Ethik in Verbindung bringt, wobei ein Wert entweder einem konkreten Gegenstand oder einer Handlung bzw. einem Verhalten zugeschrieben wird. Dabei geht es im Verhalten, in der Handlung, im Gegenstand um jenen Aspekt, der geschätzt oder als wertvoll erachtet wird. Weiters erläutert Thomä, dass Werte deshalb entstehen, weil ihnen etwas zugeschrieben wird. Dies geschieht in der Beziehung zwischen einem Menschen und ebendem Gegenstand, ebender Handlung oder ebendem Verhalten, denen ein Mensch eine bestimmte Bedeutung bei- misst. Darin liegt gleichzeitig die Gefahr, dass jemand, der Wertungen vornimmt, sich damit auch selbst der Bewertung unterziehen muss. Dies kann in der Selbst- und auch

46 Vgl. ebd.: 53f

(32)

in der Fremdbewertung durch andere erfolgen. Dem Ethiker widerstrebt es, den Men- schen von außen zu beurteilen, weil der Mensch damit zum Objekt degradiert wird.

Wenn jemand als ethisch wertvoll erachtet wird, bezieht man sich dabei auf Handlun- gen und auf sein Verhalten, so Thomä weiter. Aus der Sicht der Ökonomie betrachtet, wird der Wert des Menschen danach bemessen, wie sehr sich sein Handeln auszahlt bzw. ob man daraus Kapital schlagen kann.47

Der emeritierte Professor für Pädagogik Hartmut von Hentig schreibt in seinem Buch

„Ach, die Werte!“, dass Werte etwas Kollektives darstellen. Er meint damit, dass Werte geteilt werden, um ihnen damit auch eine Verbindlichkeit zuteilwerden zu lassen. Von Hentig definiert die Werte im Kontext der Ethik folgendermaßen:

„Ethik bedenkt die Voraussetzungen und Folgen von Taten, die Kraft der Motive, die möglichen und notwendigen Konflikte. Ethik macht die uns bestimmenden Werte und die von diesen zu unterscheidenden Tugenden bewuß[ss]t, manchmal auch ihre Ent- stehung. Werte wie religiöse Vorstellungen und Bräuche gehen aus der geschichtli- chen Kultur hervor […] oder auch schlicht aus der Lebenserfahrung, oder sie sind ein Konstrukt der Vernunft. […] die Ethik ist deren Begründung.“48

Visionen und Ziele können generiert werden – und zwar von jedem Einzelnen von uns, wohingegen Werte mit dem Verhalten der Menschen untereinander zu tun haben und sich im gesellschaftlichen Wandel auch verändern. Werte und deren Bestimmung sind von der Ausrichtung nach Sinn und Orientierung abhängig bzw. werden mit deren Feh- len in Konnex gebracht.49

Im Blick auf die Wirtschaft schreibt Harald Mahrer über die Bedeutung des Wertes der Freiheit im digitalen Zeitalter Folgendes:

„In der Freiheit und Selbstbestimmung des Individuums liegt die hauptsächliche Inno- vationskraft individuellen und gesellschaftlichen Fortschritts. Nur eine Kultur der Frei- heit ermöglicht uns die Offenheit für das Neue und die Entfesselung des kreativen Potenzials in unserer Gesellschaft, auf das es für Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit mehr denn je ankommt.“50 Mahrer plädiert für ein neues Bewusstsein spe- ziell für den Wert der Freiheit. Er versteht darunter den Auftrag an die Politik und die Gesellschaft, die Bildung zur Freiheit zu initiieren, denn laut Mahrer ist sie der Treib- stoff für das wirtschaftliche Wachstum in der Zukunft.

47 Vgl. THOMÄ 2013: 211f

48 von HENTIG 2007: 71

49 Vgl. ebd.: 70ff

50 MAHRER 2016: 19

(33)

Im M/O/T-Modell geht es nun darum, die Visionen und Ziele mit den entsprechenden Werten zu verbinden. Dazu soll der Morphologische Kasten51 aus den Tools des Stra- tegischen Managements zur Veranschaulichung52 dienen. Ein weiteres Element wird dazu eingebaut, nämlich die „Theorie der Big Five“. Sie besagt, dass es fünf unter- schiedliche Dimensionen gibt, in der sich die Persönlichkeit eines Menschen verorten lässt, nämlich die Offenheit für Erfahrungen, die Extraversion (gemeint ist die Gesel- ligkeit), die Gewissenhaftigkeit, die Umgänglichkeit sowie die emotionale Sensibilität.53

Zur Veranschaulichung soll dies mit Hilfe eines Achtecks dargestellt werden. Dazu werden in die äußeren Felder des Achtecks die erarbeiteten individuellen Ziele einge- tragen, danach eine Gegenüberstellung der Big Five mit den Zielgruppen erstellt und mit den passenden Werten aus einer Liste (vgl. Anhang) erarbeitet.Die inneren Felder sollen einander gegenübergestellt werden. Dies könnte dann beispielsweise für den Bereich Gesundheit und Selbstständigkeit folgendermaßen aussehen: Wie viel Zeit möchte man für sich im Bereich Gesundheit und Bewegung im Falle einer Selbststän- digkeit einplanen? Schließlich werden die jeweils subjektiv bedeutendsten Werte jeder Zeile miteinander verbunden.

Es soll nun eine Darstellung veranschaulicht werden, mit deren Hilfe man das Bera- tungssetting zum Thema Werte und Verhalten individuell gestalten kann. (Vgl.

Abb.10):

51 Vgl. MUSSNIG/MÖDRITSCHER 2013: 557ff

52 Vgl. Abb.8

53 Vgl. KÖTTER/KURSAWE 2015: 84

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