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In den heissen Julitagen des Jahres 1410 unterlag auf einem Feld zwischen den Dörfern Tannenberg und Grünfelde der Deutsche Orden unter seinem Hochmeister Ulrich von Jungingen einem Heer unter Führung des polni-schen Königs Wladyslaw II. Jagiello und des litauipolni-schen Grossfürsten Vytautas. Die Schlacht war ein Ringen um die Vorherrschaft im Ostsee-raum zwischen dem Ordensstaat und der aufstrebenden Jagiellonendyna-stie.5 Der «Grosse Krieg» (1409-1411) war ausgelöst worden durch die schemaitische Frage. Wiederholt waren die Ordensritter in die westlitaui-sche Region Schemaiten eingedrungen, hatten dort Burgen errichtet, doch keine dauerhafte Herrschaft aufrichten können. Als dann im Mai 1409 ein allgemeiner Aufstand ausbrach, der von Vytautas geschürt wurde, drohte der Besitz in Schemaiten verlorenzugehen. Nur ein Krieg schien das ver-hindern zu können. Aus dem begrenzten Konflikt entwickelte sich eine län-derübergreifende Auseinandersetzung, da sich neben Litauen auch Polen unter König Wladyslaw II. Jagielto gegen den Orden stellte. Seit der spek-takulären Hochzeit mit der polnischen Regentin Hedwig in Krakau 1386 bildeten Polen und Litauen eine Union, die sich trotz schwerer innerer Konflikte im entscheidenden Kampf mit dem Orden bewährte.

Das Heer des Vytautas zog durch die Wildnis Schemaitens und verei-nigte sich Anfang Juli mit den gross- und kleinpolnischen Heeren bei Czer-winsk an der Weichsel. Unter den Hilfstruppen befanden sich auf litaui-

Die Geschichte des Deutschen Ordens haben deutsche, polnische und litauische Nationalisten seit dem 19. Jahrhundert für ihre jeweiligen Ziele instrumentalisiert. Die prolitauische Minderheit Ostpreußens pflegte das grosse Erbe des litauischen Fürsten Mindaugas, der im Kampf gegen den Deutschen Orden obsiegte. Hier präsentiert sich die Laientheatertruppe der Gesellschaft Biruté anlässlich einer Auffüh-rung des historischen Dramas «ZerstöAuffüh-rung der Kaunas-Burg 1362»

im Jahr 1895 in Tilsit.

scher Seite Russen und Tataren, auf polnischer Seite Söldner vor allem aus Böhmen und Mähren sowie Moldauer und Walachen. Die grosse Heeres-säule drang in der ersten Julihälfte nach Norden in Richtung Preußen vor.

Jagielio und Vytautas hatten sich entschlossen, ihre Kräfte nicht an mehre-ren Fronten zu verteilen, sondern den Gegner durch einen einzigen Vor-stoss gegen die Marienburg im Landesinnern zu bezwingen.

Das polnisch-litauische Heer überschritt die Grenze Preußens im süd-lichen Teil der Komturei Osterode und versuchte, über den Fluss Drewenz in das Kulmer Land vorzudringen. Nach drei Tagen erfolgte die Erstür-mung und Einnahme der Stadt Gilgenburg. Die Schlacht fand auf den Fel-dern bei den Dörfern Tannenberg (Stębark), Grünfelde (Grunwald) und Ludwigsdorf (Lodwigowo) in der Komturei Osterode statt. Das Heer des Hochmeisters wurde umzingelt und vernichtet, wobei ausser Ulrich von Jungingen und anderen hohen Gebietigern mehr als zweihundert Ordens-brüder den Tod fanden, fast ein Drittel der Ordensritter in Preußen. Der neue Hochmeister Heinrich von Plauen (1410-1413) liess am Ort dieser schmerzlichen und vernichtenden Niederlage 1411 eine Marienkapelle er-bauen, deren Grundmauern bis heute überdauert haben.

Die eroberten Fahnen des Ordensheeres gelangten als Siegestrophäen in die Kathedralen von Krakau und Wilna. Ihr Aussehen ist – jedenfalls was die in Krakau aufbewahrten Fahnen betrifft – durch farbige Abbildun-gen in der Pergamenthandschrift «Banderia Prutenorum» (Die Banner der Preußen) aus der Mitte des 15. Jahrhunderts überliefert. Das schwarze Kreuz auf weissem Grund, das Symbol des Deutschen Ordens, sollte im 19. Jahrhundert eine Renaissance erleben. Historisierend verfälscht diente es drei modernen Nationalismen zur Instrumentalisierung ihrer nationalen Ansprüche. Dem polnischen und litauischen Nationalismus galt das Or-denskreuz als Verkörperung des Bösen schlechthin. In diesem nach ihrer Ansicht urdeutschen Symbol kam der deutsche Eroberungsdrang, der im-mer wieder zitierte «Drang nach Osten», zum Ausdruck. Den Deutschen hingegen wurde der Orden nach der Neubewertung durch die deutsche Hi-storiographie zum Zeichen einstiger Glorie und zum Symbol der deutschen Kulturträgerschaft im Osten. Erniedrigung und Überhöhung, beide Ex-treme beriefen sich auf Ereignisse, die Jahrhunderte zurücklagen und deren genauer Hergang im Dunkel der Geschichte verborgen blieb. Dennoch ge-lang es Polen wie Deutschen, den Deutschen Orden phantasievoll im eige-

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nen Sinn einzusetzen. Kaum ein anderes historisches Phänomen spaltete die deutsche und polnische Nation so tief wie die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen.

Im 19. Jahrhundert tauchte in Polen die Metapher vom «Kreuzritter»

(Krzyzacy) auf als Synonym für die fremde Unterdrückung der polnischen Nation. Polens Nationalbarde Adam Mickiewicz (1798-1855), der in

«Grazyna» und «Konrad Wallenrod» ein für den Orden abträgliches Bild entwarf, hat viel dazu beigetragen. Dabei stand für den aus Litauen stam-menden Mickiewicz der Deutsche Orden eigentlich als Metapher für die russische Besatzung im Königreich Polen. Sein Epos «Grazyna», das 1823 entstand, spielt im Grossfürstentum Litauen:

Jedoch der Orden, diese Natternbrut, Wird niemals satt. Masowien hat gefressen Er wie das Prussenland mit Hab und Gut, Mit Land und Leuten, Geld nicht zu vergessend

Zur Zeit seines Erscheinens fand das Werk kaum Beachtung. Erst während der Auseinandersetzungen infolge der preußisch-deutschen Germanisie-rungspolitik in den Provinzen Posen und Westpreußen erhielt es geradezu prophetische Weihen. Auch in «Konrad Wallenrod» richtet sich der Hass der Litauer gegen die aggressiven Eroberer, die nach ihrer Heimat trachte-ten. Allerdings stand auch hier der Orden als politische Allegorie für das Polen drangsalierende Russland.

Schon hundert Jahre führt der Ritterorden Den Krieg gegen die Heiden aus dem Norden;

Entweder sind die Prussen Knecht geworden, Oder sie lassen sich berauben, morden;

Wer seine Seele retten will, der flieht, Verfolgt bis an das litauische Ried.

Hier trennen uns, die Gegner, Njemens Wogen;

Und während man dort Heidentempel sichtet, Der Urwald rauscht, durch den die Götter zogen, Ragt hier das Kreuz, am Himmel hochgerichtet.

Das Ordenswappen hebt den Kopf nach oben, Die Arme gegen Litauen gestreckt,

Als wolle es auch dieses Land erobern Aus purer Gier und ohne Gott-Respekt.7

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Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts richtete sich der Hass auf den Orden gegen Preußen als Teilungsmacht und das neue Deutsche Reich insgesamt, den vermeintlichen Hort preußischer Expansionsgelüste. In

«Jadwiga i Jagietto», einem 1861 von Karol Szajnocha veröffentlichten Werk, tritt der Orden als Verkörperung des deutschen «Drangs nach Osten» auf.8 Aber noch waren derartig ideologisierte Darstellungen in der polnischen Historiographie und Publizistik die Ausnahme.

Wenn sich das Bild vom Orden in dieser Zeit dennoch verdüsterte und der Ordensstaat in Polen zum Vorläufer des aggressiven, germanisierenden preußischen Staates wurde, so ist das auf die Wirkung polnischer Romane zurückzuführen. Der antideutsche Mythos des brutalen «Kreuzritters» tritt in den historischen Romanen von Józef Ignacy Kraszewski, Eliza Orzes-zkowa, Henryk Sienkiewicz, Boleslaw Prus, Stefan Zeromski und Wla-dyslaw St. Reymont deutlich zutage.

Besondere Bedeutung kommt Henryk Sienkiewiczs Roman «Die Kreuzritter» zu. Bis heute beeinflusst das von dem Nobelpreisträger und Autor des Epos «Quo vadis» entworfene Bild des Kreuzritters die polni-sche Sicht auf den Orden. Sein Werk wird noch immer in den Schulen ge-lesen. Sienkiewicz schildert Ordensritter von grosser Grausamkeit, die mit Freude Wehrlose foltern, Frauen und Pfarrer ermorden und Säuglinge ins Feuer werfen. Der Sieg von Tannenberg ist der Sieg über eine brutale Fremdherrschaft: «Nicht bloss der Deutschritterorden lag bezwungen zu Füssen des Königs, sondern der Sieg, den er erfochten, befreite Polen von dem fressenden Geschwür, das an seinen Grenzen genagt hatte.»9

In diesen Zusammenhang gehört auch die von Maria Konopnicka ver-fasste «Rota», das patriotische Lied des polnischen Widerstands gegen die preußische Teilungsmacht in Grosspolen bis 1918, denn die Dichterin be-zieht ihre antideutsche Metaphorik ebenfalls auf den Deutschen Orden:

«Der Kreuzritter wird uns ins Antlitz nicht spei’n/Unsere Kinder nicht ger-manisieren», und weiter heisst es: «... bis zum letzten Atemzug verteidigen wir des Geistes Gut. Bis sich zu Schutt und Staub zerschlug der Kreuzritter böses Blut.» Solche Töne lösten eine Welle nationaler Übersteigerungen aus, und sowohl Konopnicka als auch Sienkiewicz stiegen zu Ikonen des Widerstands auf.

Für die frommen Protestanten in Preußen repräsentierte der Orden bis zum 18. Jahrhundert dagegen das verkommene katholische Mittelalter, das erst durch die preußische Reformation von 1525 überwunden werden

konnte. Das änderte sich mit der Romantik. Mit der «Geschichte Preußens»

schuf Johannes Voigt damals die Grundlage für eine wissenschaftliche Be-schäftigung mit der Ordensgeschichte. Die Historiker Gustav Droysen und insbesondere Heinrich von Treitschke haben dann eine ideologische Neu-bewertung des Ordens vorgenommen. Heinrich von Treitschkes Artikel

«Das deutsche Ordensland Preußen» ist das Paradebeispiel einer Deutung im nationalistischen Sinn. In dem 1862 erstmals erschienenen Aufsatz stellte er Preußen in die Kontinuität des Ordensstaates. Die Inbesitznahme des Landes Preußen durch den Orden wird bei ihm zur Geschichte eines anscheinend mühelosen, zwangsläufigen Erfolges, die im deutschen Reich ihren Ursprung nimmt. Damit war der Orden in die deutsche Geschichte integriert: «Kaum ist ein Stück Landes von den Deutschen durchstürmt, so führen deutsche Schiffe Balken und Steine die Weichsel herab, und an den äussersten Grenzen des Eroberten entstehen jene Burgen, deren strategisch glückliche Lage Kriegskundige noch heute bewundern – zuerst Thorn, Kulm, Marienwerder. Diese vorgeschobenen Posten sind im Kleinen, was das Ordensland dem Reiche war: ein fester Hafendamm, verwegen hinaus-gebaut vom deutschen Ufer in die wilde See der östlichen Völker.»10

Treitschkes wilhelminische Interpretation schlug sich vier Jahrzehnte später in einem Gedenkstein nieder, der 1901 – zum 200. Jahrestag der Kö-nigsberger Krönung – auf dem Schlachtfeld von Tannenberg für den gefal-lenen Hochmeister enthüllt wurde. Er trug die Inschrift: «Im Kampf für deutsches Wesen, deutsches Recht starb hier der Hochmeister Ulrich von Jungingen am 15. Juli 1410 den Heldentod».11

Für die Deutschen wird der Ordensstaat zur ordnenden Grösse, zum beharrlichen, standhaften Bollwerk inmitten der slawischen Anarchie. Für Treitschke kündete er «von der grössten, folgenreichsten That des späteren Mittelalters, von dem reissenden Hinausströmen deutschen Geistes über den Norden und Osten, dem gewaltigen Schaffen unseres Volkes als Be-zwinger, Lehrer, Zuchtmeister unserer Nachbarn».12 Nicht mit einer christ-lichen, sondern mit einer deutschen Mission soll der Orden beauftragt ge-wesen sein: «Es weht ein Zauber über jenem Boden, den das edelste deut-sche Blut gedüngt hat im Kampfe für den deutdeut-schen Namen und die rein-sten Güter der Menschheit.» In diesem Sinne habe der Orden die slawi-schen Nachbarn bekehrt: «Die massiven Gaben deutscher Gesittung, das Schwert, der schwere Pflug, der Steinbau und die ‚freie Luft’ der Städte,

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die strenge Zucht der Kirche verbreiten sich über die leichtlebigen Völker des Ostens.»13

Dem deutschtumszentrierten Zivilisationsmodell wurde im wilhelmi-nischen Kaiserreich gerne das östliche, das slawische, gegenübergestellt.

Bewusst sprach man von Slawen, nicht von Polen. Den Deutschen, so soll-te suggeriert werden, stand kein ebenbürtiger Gegner gegenüber, keine ehr-bare Nation, sondern eine gestaltlose Masse, und diese Gestaltlosigkeit wurde noch durch das Bild vom Strom, von der Flut, akzentuiert.14 Ernst Wicherts «Heinrich von Plauen» ist ein Beispiel dafür. Bei Wichert sind alle ritterlichen Tugenden im Orden vereint, während das polnisch-litaui-sche Heer mit Lug und Trug vorgeht und das überlegene Ritterheer in der entscheidenden Schlacht von 1410 um den gerechten Sieg bringt. Dem bür-gerlichen Leser wird vor Augen geführt, wie grausam Vytautas (Witold) im Süden Preußens gewütet haben soll:

«Dorthin kam Kunde von Greueltaten, die von den Königlichen in dem Städtchen Gilgenburg verübt waren. Die Bürger hatten sich nicht er-geben wollen und ihre Mauern tapfer verteidigt; Witowd aber mit seinen wilden Litauern und Tataren hatte sie in heftigem Anlaufe erstürmt und die Stadt geplündert. Schrecklich hausten die rohen Horden; von Männern machten sie alt und jung schonungslos nieder, Frauen und Jungfrauen, die sich in die Pfarrkirche flüchteten, peinigten sie in viehischer Weise. Das Sakrament zerrieben sie in den Händen und warfen es unter die Füsse und trieben damit ihren Spott. Dann schleppten sie die schönsten von den Jung-frauen hinaus und liessen sie in die Sklaverei fortführen, die andern wurden in die Kirche eingeschlossen und mit derselben verbrannt.»15

In der «Ostmarkenpolitik», die immer als Präventivmassnahme gegen polnische Ansprüche gepriesen wurde, konnte man sich also in einer lan-gen Reihe mit den ersten Rittern sehen, die einsam und todesmutig mitten im «Slawenmeer» der feindlichen Übermacht trotzten. Nahtlos ging diese wilhelminische Ordensinterpretation über die Weimarer «Ostforschung»

in die Ideologie des Nationalsozialismus über. Das «Dritte Reich» bezog sich besonders gerne auf den Deutschen Orden, da dieser als rassisch rein galt und auf dem Führer- und Eliteprinzip basierte. Darauf beruhte nach der NS-Ideologie auch der Erfolg des Ordens, der seine historische Mission erfüllt habe mit der Eroberung und Zivilisierung des barbarischen Ostens.

Das Vorbild hatte Hitler schon in «Mein Kampf» bemüht: «Wollte man in Europa Grund und Boden, so konnte dies im Grossen und Ganzen nur auf

Im Zuge der wilhelminischen «Ostmarkenpolitik» entwickelte sich der Ordensritter zum Symbol der deutschen «Wacht im Osten», eine Mahnung, nicht nachzulassen in der Abwehr gegen die slawische Welt. Die Postkarte der Königsberger akademischen Vereinigung

«Tuiskania» von 1910 unterstreicht diese Wächterfunktion für das

«Deutschtum». Ernst Wichert hat in seinem Roman «Heinrich von Plauen» die Überhöhung besonders weit getrieben und damit viel Er-folg gehabt. Der Sieg in der Schlacht von Tannenberg 1410, so schrieb er, «wäre für Polen verloren gewesen, wenn Ulrich von Jun-gingen weniger ritterlich gedacht und gefühlt hätte. Drei Stunden lang stand nun schon sein Heer und der Mittag nahte heran. Von allen Seiten bedrängte man ihn, dass er des Feindes Zögern nützen und ihn überfallen solle, ehe er sich zur Schlacht geordnet hätte. Unwillig aber wies er diesen Rat zurück. Es ziemt uns nicht, sagte er, zu kämp-fen wie wilde Horden und den Feind anzufassen, ehe er gerüstet da-steht. Ein Ritter legt seine Lanze nur ein gegen den festen Schild des Gegners in Waffen; eine Ehre soll es ihm sein, zu siegen. Sie haben uns herausgefordert, und sie sollen uns auf dem Plan finden. Die ganze Christenheit sieht auf uns; ritterlich wollen wir ihre Sache ver-fechten.»

Kosten Russlands geschehen, dann musste sich das neue Reich wieder auf der Strasse der einstigen Ordensritter in Marsch setzen, mit dem deutschen Schwert, dem deutschen Pflug die Scholle, der Nation aber das tägliche Brot zu geben.»16 Nicht von ungefähr nannte man die nationalsozialisti-schen Eliteschulen «Ordensburgen».

Bis in die Frühphase der Bundesrepublik setzte die «Ostforschung»

die Traditionslinien der unkritischen Ordensforschung fort. Einer ihrer Pro-tagonisten, der ehemalige Königsberger Archivdirektor Fritz Gause, mein-te, es sei dem Orden gelungen, «durch die Staatskunst seiner Hochmeister, die gläubige Tapferkeit seiner Ritter und die Hilfe des christlichen Abend-landes im Widerspiel imperialer und kurialer Politik einen Staat zu grün-den, der beiden Mächten verpflichtet und von beiden doch wieder unab-hängig war». Damit sei der Orden «die Vormauer der Christenheit und der Eckpfeiler des Abendlandes» geworden.17

Was die deutsche Nationalhistoriographie seit dem 19. Jahrhundert als tiefe Schmach deutete, glorifizierte die polnische Seite als Sieg über die Deutschen, der unter schwierigsten Bedingungen errungen worden war.

Für Polen wurde Grunwald in der Zeit der Teilungen zu einem Ort des na-tionalen Gedenkens, mit dem sich die Hoffnung auf Befreiung und Wie-dererlangung der eigenen Staatlichkeit verband. Grunwald wurde zur deutsch-slawischen Schicksalsschlacht und der Kreuzritter zur Chiffre für die Ostmarkenpolitik. Nirgendwo fand das deutlicher Ausdruck als in Jan Matejkos monumentalem Gemälde der «Schlacht von Grunwald».

An der 500-Jahr-Feier der Schlacht von Grunwald nahmen 1910 in Krakau – gefeiert werden konnte infolge der preußisch-deutschen Germa-nisierungspolitik nur im nichtpreußischen Galizien – hundertfünfzigtau-send Menschen teil. Dabei kam es zur feierlichen Enthüllung eines Jagiello-Denkmals, gestiftet von dem Pianisten und späteren Staatspräsi-denten Ignacy Paderewski. Es trug auf Polnisch die Inschrift: «Den Vor-fahren zum Ruhm, den Brüdern zur Hoffnung». Nach dem Ersten Welt-krieg hat Polen seine Staatlichkeit wiedererlangt, und nach dem Zweiten Weltkrieg hat es den Sieg über Hitler-Deutschland als zweites Grunwald gefeiert.

Für die Deutschen bedeutete Tannenberg eine nationale Schmach, bis mit Hindenburgs Sieg über die Russen 1914 die Demütigung durch die

«Slawen» beseitigt wurde – so die deutsche Propaganda nach der Schlacht.

Nach dem deutschen Überfall auf Polen wollte das nationalsozialistische Regime die Schmach von 1410 dann ein für alle Male tilgen. Im Rahmen

Das monumentale Gemälde der Schlacht von Tannenberg/ Grunwald/Žalgiris im Jahr 1410, das der polnische Maler Jan Matejko 1871 anfertigte, beruht auf einem sorgfältigen Quellenstudium. Der Maler bemühte sich um eine genaue Wiedergabe dessen, was man von der Schlacht wusste. Und doch ist das Bild ein Zeugnis seiner Zeit: Der polnische König ist ein christlicher Held, der Hochmeister ein schwarzer Bösewicht. Die Schlacht wird nicht nur als Kampf der Nationen, sondern als Aus-einandersetzung zwischen Gut und Böse gezeigt. Das extreme Gegenbeispiel ist die nationaldeutsche Darstellung Heinrich von Treitschkes. Dieser beklagte entgegen aller historischen Erkennnis die unritterliche Behandlung des gefallenen Hochmei-sters Ulrich von Jungingen: «Mit der Leiche des HochmeiHochmei-sters trieb der Tatar und Kosak sein scheussliches Spiel.» In Wahrheit liess König Wladyslaw II. Jagietlo den toten Hochmeister suchen, behandelte den Leichnam ehrenvoll und sorgte für dessen Überführung in die Marienburg, wo der Ordensritter in der Hochmeistergruft beige-setzt wurde.

einer «Feier der Einholung der Fahnen des Deutschen Ritterordens von der Burg Krakau, dem Sitz des Generalgouverneurs für die besetzten polni-schen Gebiete, in die Marienburg im Reichsgau Danzig-Westpreußen» am 19. Mai 1940 wurden die im Krakauer Wawel aufbewahrten polnischen Nachbildungen der in Tannenberg 1410 eroberten Fahnen in die Marien-burg überführt. Das Grunwald-Denkmal in Krakau wurde zerstört. Wo es gestanden hatte, haben die Polen am 28. Januar 1945 – unmittelbar nach der Befreiung von der deutschen Zwangsherrschaft – eine Tafel angebracht mit der Inschrift: «Der niederträchtige Kreuzritter wollte die Spuren seiner historischen Niederlage verwischen ... An dieser Stelle wird das Volk ein Denkmal seines alten und neuen Grunwalds errichten.»18

Ludwig von Baczko, der frühe Chronist der Geschichte Preußens, hält eine wohl zutreffende Diagnose zum Niedergang des Ordens bereit: «Seit dem Verluste der unglücklichen Schlacht bey Tannenberg ist die Ge-schichte des deutschen Ordens der KrankengeGe-schichte des Schwindsüchti-gen gleich, den, bey den unzähliSchwindsüchti-gen Uebeln, die er täglich empfindet, im-mer noch die Hoffnung der Genesung aufrecht erhält, bis ihm endlich ein unerwarteter Schlag plötzlich ein Ende macht. Unsere Chroniken enthalten von nun an die grössten Beschwerden über den Orden.» Weiter führt er aus, dass das Nationale keine Rolle spielte beim Untergang des Ordens, sondern eine viel ältere Macht wie so oft auch hier den Ausschlag gab:

«Geld forderte der deutsche Söldner und diente jedem, der es ihm darbot:

und so schlugen vorzüglich deutsche Söldner, unter Jagello’s Fahnen, zu-erst den deutschen Orden.»19