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4. Ressourcenorientierung

4.4. Ressourcenorientierung im Praxisfeld der Sozialen Arbeit

4.4.1. Ressourcenorientierung bei Personen mit Abhängigkeiten

In den 1970er Jahren relativierte McKeown (1976) die Rolle der Medizin im Hinblick auf die Sterblichkeit bei Infektionserkrankungen. Er zeigte auf, dass nicht nur die Medizin, sondern auch Umwelteinflüsse und materielle Lebensbedingungen einen erheblichen Einfluss auf die Lebenserwartung nehmen (vgl. Schmid/Wüsten 2012, S. 323). Das Center of Disease Control and Prevention bestätigt dies, indem

„nur rund 10 % der Gesamtvarianz von vorzeitigen Sterbefällen bezogen auf die zehn häufigsten Todesursachen durch das etablierte Behandlungswesen der verschiedenen Krankheiten erklärt werden kann, aber 50 % durch die Lebensweise, rund 20 % durch physische und chemische Umweltfaktoren und weitere 20 % durch biologische Prädispositionen aufgeklärt werden können“ (Schmid/Wüsten 2012, S. 323).

Diese Erhebung veranschaulicht, dass der Lebensstil eines Menschen einen maßgeblichen Einfluss auf seine Gesundheit hat. Diesen Einfluss soll die Soziale Arbeit nutzen (vgl. Schmid/Wüsten 2012, S. 323).

Neben der Genetik spielen für die Gesundheit eines Menschen also interne und externe

Ressourcen eine Rolle. Als interne Ressourcen werden in diesem Zusammenhang „Ich-Stärke, Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, physische und psychische Widerstandsfähigkeit und Optimismus [genannt]“ (Schmid/Wüsten 2012, S. 234). Als externe Ressourcen werden „Status, Einkommen, soziale Unterstützung, soziale Integration etc. [aufgeführt]“ (Schmid/Wüsten 2012, S. 234).

Interne Ressourcen

Wie bereits erwähnt ist es eine interne Ressource, mit herausfordernden Situationen umzugehen, was als Bewältigungskompetenz bezeichnet wird. Erfahrungen aus vergangenen Krisen, der alltägliche Umgang mit Stress und die Fähigkeit, sich Hilfe zu suchen, zählen hierbei als Ressource. Folglich kann ein Rückfall bei Alkoholikern künftig als Ressource für die Bewältigung potenzieller Rückfälle genutzt werden (vgl.

Schmid/Wüsten 2012, S. 324). Die Kontrollüberzeugung nach Rotter (1966) geht davor aus, dass die Ereignisse internalen oder externalen Kontrollüberzeugungen unterliegen.

Wesentlich hierbei ist, dass die/der Betroffene davon ausgeht, dass sie/er die Situation selbst beeinflussen kann und sie/er somit internale Kontrollüberzeugungen erlangt (vgl.

Schmid/Wüsten 2012, S. 325). Die Selbstwirksamkeit bedeutet, ein spezifisches Verhalten ausüben zu können, zum Beispiel nach einem Glas Bier kein weiteres alkoholisches Getränk zu konsumieren. Erhöhte Selbstwirksamkeit kann durch Erfolge, die auf sich selbst bezogen werden, erlangt werden (vgl. Schmid/Wüsten 2012, S. 325).

Unter Risikowahrnehmung wird die persönliche Einschätzung der Krankheitsintensität und der Verwundbarkeit verstanden. Durch eine Erhöhung der Risikowahrnehmung, die bei Abhängigen oft nur mangelhaft vorhanden ist, kann ein Umdenken in Bezug auf den Konsum vollzogen werden (vgl. Schmid/Wüsten 2012, S. 326). Eine fehlende Risikowahrnehmung zieht häufig einen optimistischen Fehlschluss nach sich, der einen selbst als weniger anfällig gegenüber den Risikofaktoren erscheinen lässt. Diesem soll die realistische Selbsteinschätzung entgegenwirken (vgl. Schmid/Wüsten 2012, S. 326).

Als weitere internale Ressourcen sind Widerstandsfähigkeit, Kohärenzsinn und Optimismus, der eine optimistische Grundhaltung injizieren soll, zu nennen (vgl.

Schmid/Wüsten 2012, S. 326f.). Des Weiteren sollen das Gesundheitsverhalten und die Gesundheitskompetenz als Ressourcen gefördert werden. Unter Verhalten werden in diesem Zusammenhang Handlungen verstanden, die einem gesunden Lebensstil

entsprechen. Kompetenzen meint hingegen das Wissen über einen gesunden Lebensstil (vgl. Schmid/Wüsten 2012, S. 327).

Externe Ressourcen

Bezüglich der Gesundheit sind ökonomische Ressourcen vonnöten, um sich Gesundheit leisten zu können und Chancengleichheit im Zugang zum Gesundheitssystem zu erhalten (vgl. Schmid/Wüsten 2012, S. 328). Soziale Situationen, die negative Auswirkungen und Assoziationen hervorrufen, können einen Rückfall begünstigen.

Solche Situationen sollen aber nicht vermieden werden, vielmehr soll die Fähigkeit vermittelt werden, diese zu erkennen und mittels des Bewältigungsrepertoires zu meistern (vgl. ebd., S. 329). Als soziale Einbettung wird die „Integration und Partizipation in einem definierten sozialen Netzwerk“ (ebd., S. 329) verstanden.

Insbesondere die Einbettung durch das Zusammenleben mit einem Partner, den Aufbau eines stabilen Freundeskreises, das Nachgehen einer Arbeit und stabile Wohnverhältnisse wirken sich positiv auf die Rückfallhäufigkeit aus (vgl. ebd., S.

329f.). Unter sozialer Unterstützung wird hingegen die Hilfestellung vonseiten einer oder mehrerer Personen in einer Problemsituation verstanden. Diese Unterstützung zu erhalten beziehungsweise diese auch geben zu können, stellt für Abhängige einen wichtigen Schritt sowie eine Ressource dar (vgl. Schmidt/Wüsten 2012, S. 330). Wie bereits im Kontext der sozialen Einbettung erwähnt, ist eine berufliche Perspektive und Erwerbstätigkeit bedeutend, um nicht in eine wirtschaftliche Abhängigkeit zu geraten oder um bei Personen mit einer Abhängigkeit die Rückfallquote zu reduzieren (vgl.

ebd., S. 330f.).

Wechselwirkung zwischen internen und externen Ressourcen

Anhängige Personen verfügen über ungenutzte interne Ressourcen, die anhand der Sozialen Arbeit reaktiviert werden sollen. Dies geschieht unter anderem durch das Einbeziehen von externen Ressourcen, was zeigt, dass an beiden Ressourcenarten ganzheitlich gearbeitet werden soll, um dadurch einen größtmöglichen Ressourcenpool zu erhalten (vgl. Schmid/Wüsten 2012, S. 331f.). Die Aufgabe der Sozialen Arbeit besteht hierbei in der Stärkung der internen und externen Ressourcen der jeweiligen abhängigen Personen und dem Schaffen eines optimalen Umfeldes, um dies zu

erreichen – sei es dadurch, dass individuelle Ressourcen geschaffen werden, auf welche die Person zurückgreifen kann, oder durch das Schaffen von Räumen, in denen das Erlangen/Erlernen dieser Ressourcen möglich ist (vgl. ebd., S. 331f.).

Zusammenfassend zeigt sich, dass sich die Soziale Arbeit bereits seit den 1990/91 Jahren mit der Ressourcenorientierung beschäftigt. Sie wendet sich somit von einem defizitorientierten Blick auf die/den Adressaten/in hin zu einen Blick auf ihre/seine Ressourcen. Verschiedene Vertreter teilen Ressourcen in unterschiedliche Definitionsschemata ein, gemeinsam sind ihnen die ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen (siehe Kapitel 4.3). In Bezug auf Personen mit Abhängigkeiten zeigt sich, dass neben der Genetik auch interne und externe Ressourcen maßgeblich für die Gesundheit verantwortlich sind. Diese ungenützten internen und externen Ressourcen, die die/der Adressat/in innewohnen, sollen durch die Soziale Arbeit reaktiviert werden und somit eine gelingende Therapie und Abstinenz gewährleisten (siehe Kapitel 4.4.1.).