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3. Alkoholismus

3.3. Jellinek

Im Folgenden werden die Typologien und Phasenmodelle des Alkoholismus nach Jellinek beschrieben.

Jellinek wertete 2.000 Befragungen von ‚Anonymen Alkoholikern‘ aus und erstellte einerseits den Krankheitscharakter des Alkoholkonsums und andererseits ein Phasenmodell.

3.3.1. Typologien

Unter dem Krankheitscharakter des Alkoholkonsums werden nach Jellinek fünf Typen verstanden, die generell in nicht abhängige und abhängige Alkoholiker unterteilt werden können. Zur ersten Kategorie zählen die Alpha- und Beta-Alkoholiker/innen, da diese noch die Fähigkeit zur Abstinenz aufweisen. Die Gamma-, Delta- und Epsilon-Alkoholiker/innen können ihren Alkoholkonsum hingegen nicht mehr selbständig beenden und gelten daher als Alkoholkranke.

Der ' Alpha-Alkoholiker' trinkt hauptsächlich in Konfliktsituationen. (vgl. Schäfer 1984, S. 6). Durch den Konsum von Alkohol erfährt er in solchen Situationen Entspannung, Sicherheit und Enthemmung. Aufgrund dieser positiven Erfahrung mit dem Alkoholkonsum wird bei erneuten Konfliktsituationen wiederholt zum Alkohol gegriffen (vgl. Schmidt 1997, S. 31). Es entsteht keine körperliche Abhängigkeit, jedoch sind die Betroffenen seelisch abhängig. Beim ' Beta-Alkoholiker' handelt es sich um eine/n Gelegenheitstrinkerin (vgl. Schäfer 1984, S. 6), die/der nach Anlässen sucht, um überdurchschnittlich oft Alkohol zu konsumieren. Sie/Er kann alternativ als Gewohnheitstrinker/in bezeichnet werden (vgl. Schmidt 1997, S. 31), bei der/dem selten eine psychische oder physische Abhängigkeit entsteht (vgl. Schäfer 1984, S. 6). Des Weiteren kann der Konsum jederzeit eingestellt werden (vgl. Schmidt 1997, S. 31). Der ' Gamma-Alkoholiker' ist suchtkrank, da die hiervon betroffene Person den Alkoholkonsum nicht mehr regulieren kann. Sie erleidet einen Kontrollverlust bezüglich des Konsums sowie eine psychische Abhängigkeit. Charakteristisch für diesen Typus ist, über einen längeren Zeitraum abstinent vom Alkohol leben zu können (vgl. Schäfer 1984, S. 7). Für die/den Gamma-Alkoholiker/in erstellte Jellinek ein Phasenmodell, das im Anschluss (Kapitel 3.4.2.) genauer beschrieben wird (vgl.

Schmidt 1997, S. 32). Der ' Delta-Alkoholiker' lässt sich zu Beginn nicht von der/vom Beta-Alkoholiker/in unterscheiden, da auch sein Trinkverhalten mit Trinksitten und Gewohnheiten in Verbindung steht. Aufgrund der körperlichen Gewöhnung an den Alkohol (vgl. Schmidt 1997, S. 37) muss die/der Delta-Alkoholiker/in über den Tag verteilt große Mengen an Alkohol zu sich nehmen, um ihren/seinen Alkoholspiegel stabil zu halten (vgl. Schäfer 1984, S. 7). Bei diesem Typus, auch Spiegeltrinker/in genannt, erleidet die Person keinen oder über lange Zeit keinen Kontrollverlust und kann weiterhin am sozialen Leben teilnehmen (vgl. Schmidt 1997, S. 37). Sie/Er weist

aber eine intensive körperliche Abhängigkeit auf und kann auf den Konsum von Alkohol nicht verzichten (vgl. Schäfer 1984, S. 7). Selbst nach einem Rückfall nach jahrelanger Abstinenz erleiden Spiegeltrinker/innen heftige Entzugserscheinungen.

Ihre/Seine Organe weisen meist toxische Schäden auf, die auf die ständige Alkoholbelastung zurückzuführen sind (vgl. Schmidt 1997, S. 37). Im Gegensatz dazu trinkt der ' Epsilon-Alkoholiker' in zeitlichen Einheiten, gefolgt von Phasen der Abstinenz (vgl. Schäfer 1984, S. 7). „Deswegen werden sie auch als Quartalstrinker bezeichnet (Schmidt 1997, S. 38). In denjenigen zeitlichen Einheiten, in denen Alkohol konsumiert wird, geschieht dies exzessiv (vgl. Schäfer 1984, S. 7), was mit einem Kontrollverlust einhergeht (vgl. Schmidt 1997, S. 38). Das Ende einer Trinkphase markiert meist ein körperlicher Zusammenbruch infolge des Alkoholkonsums. Alle fünf Typologien lassen sich nicht eindeutig voneinander trennen. Übergänge und Wechsel zwischen den Typologien sind möglich (vgl. Schäfer 1984, S. 7).

3.3.2. Phasenmodell

Die Verlaufsphasen des Alkoholismus sind in vier Phasen mit insgesamt 45 Stufen unterteilt. Hervorzuheben ist hierbei die achte Stufe, denn ab dieser Stufe setzt der Kontrollverlust im Hinblick auf den Alkoholkonsum ein. Die erste Phase stellt die voralkoholische Phase dar, in der zunehmend in Gesellschaft getrunken wird (vgl.

Schäfer 1984, S. 8f.). Aufgrund einer Toleranzabnahme bezüglich seelischer Belastungen wird Alkoholkonsum zur Kompensation notwendig. Alkohol wird hierbei nicht als Genussmittel, sondern als Regulator der eigenen Stimmung eingesetzt. Dies führt zu einer erhöhten Alkoholtoleranz, weshalb in der Folge wiederum mehr Alkohol konsumiert wird. Symptome des Betrunkenseins stellen sich in dieser Phase nicht offensichtlich dar, weswegen eine Behandlung hier kaum möglich ist (vgl. Schmidt 1997, S. 32). Die zweite Phase bildet die Anfangsphase/Prodromalphase, in der sich die Krankheit andeutet (vgl. Schäfer 1984, S. 9). Diese Phase wird in einem Zeitraum von sechs Monaten bis fünf Jahren durchlaufen. Ihren Beginn kennzeichnen retrograde Amnesien (vgl. Schmidt 1997, S. 32):

„Bereits geringe Alkoholmengen, die 50 g nicht zu überschreiten brauchen und unter deren Einwirkung folgerichtiges Handeln möglich ist, können zu Erinnerungslücken […] führen“ (Schmidt 1997, S. 32f.).

Das Trinkverhalten wird verharmlost, jedoch nimmt die Person ihr abweichendes Trinkverhalten wahr, was zum heimlichen Trinken führt (vgl. Schäfer 1984, S. 9). Diese Verheimlichung bewirkt eine Isolierungstendenz (vgl. Schmidt 1997, S. 33). Des Weiteren wird der Gedanke an Alkohol zu einem festen Bestandteil des Lebens (vgl.

Schäfer 1984, S. 9), dies gilt insbesondere in Konfliktsituationen (vgl. Schmidt 1997, S. 33). „Bei der Symptomentrias Erleichterungstrinken, Gedächtnislücken und Alleintrinken sollte auch beim Fehlen von Rauschzuständen an die Entwicklung eines Gamma-Alkoholikers gedacht […] werden“ (Schmidt 1997, S. 33). Da hierbei ein Rauschzustand meist ausbleibt, werden Gamma-Alkoholiker/innen in dieser Phase nur schwer erkannt (vgl. Schmidt 197, S. 33). Wie obig bereits erwähnt, beginnt die kritische Phase mit der achten Stufe und somit mit dem Kontrollverlust über den Alkoholkonsum (vgl. Schäfer 1984, S. 9). Oftmals wird die Krankheit für das Umfeld erst aufgrund dieses Kontrollverlusts sichtbar (vgl. Schmidt 1997, S. 33). Jedoch besteht zu Beginn dieser Phase noch die Möglichkeit der Entscheidungsfreiheit, dies zeigt sich in abstinenten Phasen. Zunächst hält ein Erklärungssystem den Alkoholkonsum vor der Gesellschaft versteckt, was zu einem späteren Zeitpunkt jedoch nicht mehr gelingt (vgl.

Schäfer 1984, S. 9). Die/Der Alkoholiker/in kann zwar über den Beginn des Trinkens entscheiden, allerdings geht jeder Trinkbeginn mit einem Alkoholexzess einher, der zur sozialen Ausgrenzung führt. Forscher/innen identifizierten neurobiologische Mechanismen, die für diesen Kontrollverlust verantwortlich gemacht werden können (vgl. Schmidt 1984, S. 33f.). „Sie sind nicht vordergründig Ergebnis psychischer Konditionierung, sondern Folge neurobiologischer Programmierung“ (Schmidt 1997, S. 34). Aufgrund dieser neurobiologischen Programmierung ist kontrolliertes Trinken für Gamma-Alkoholiker/innen nicht umsetzbar, da bereits bei geringen Alkoholmengen ein Kontrollverlust ausgelöst wird (vgl. Schmidt 1997, S. 34f.). Die kritische Phase endet mit der letzten Verlaufsphase des Alkoholismus, der chronischen Phase (vgl.

Schäfer 1984, S. 10). Kennzeichnend hierfür sind das regelmäßige morgendliche Trinken und tagelange Rauschzustände (vgl. Schmidt 1997, S. 36). In dieser Phase wird die Person von einem ständigen Verlangen nach Alkohol beherrscht (vgl. Schäfer 1984, S. 10). „Nach freiwilligen oder unfreiwilligen Trinkpausen können nunmehr schwere Entzugsbilder in Form zerebraler Krampfanfälle, Halluzinationen oder eines Delirium tremens auftreten (Schmidt 1997, S. 36). Die Alkoholtoleranz nimmt ab und der

Euphoriezustand wird nicht mehr vor dem Rauschzustand erreicht, weshalb exzessiv getrunken wird, zudem kann die Nahrungsaufnahme ausgesetzt werden (vgl. Schmidt 1997, S. 36). Des Weiteren führt das sich Eingestehen der eigenen Alkoholsucht zu einem seelischen Zusammenbruch. Folglich stellen in dieser Phase Selbstmordversuche keine Seltenheit dar (vgl. Schäfer 1984, S. 10).

Im Anschluss wird ein weiteres Typologiemodell – die Typologie nach Lesch – beschrieben.