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7.2. Kontrastiver Fallvergleich: Ökonomische Ressourcen

Beim kontrastiven Fallvergleich der ökonomischen Ressourcen werden die einzelnen Interviews auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede bezüglich dieser Ressourcen (siehe hierzu Kapitel 4.3.) hin untersucht.

Als erster Schritt wird hierbei die Wohnsituation der vier Interviewpartner untersucht.

Nur Stefan hatte in seiner Lebenszeit nie auf der Straße wohnen müssen. Die restlichen Interviewpartner hatten zumindest für einige Tage auf der Straße gelebt, wobei innerhalb dieser Übereinstimmung ein Unterschied zwischen Rainer und den restlichen beiden Interviewpartnern festgestellt werden kann. Rainer hatte das Leben auf der Straße freiwillig gewählt, die anderen wurde von den Umständen dazu gezwungen. Bei Uwe waren Schicksalsschläge, der darauf folgende Alkoholkonsum und das daraus resultierende Ende seiner Ehe und des Jobs der Grund gewesen, weswegen er drei Tage lang auf der Straße leben musste.

„Und habe dann angefangen zum Trinken, um zu vergessen. […] Und das war meine Todesspirale, bis ich nicht mehr gewusst habe, wo oben und unten, links und rechts ist. Bin sogar drei Tage auf der Straße gewesen“

(Uwe 2018, S. 3–4, Z. 94–99).

Leon hatte in seinem Leben insgesamt zweimal auf der Straße leben müssen: beim ersten Mal für ein Jahr, beim zweiten Mal für 18 Monate: „Und wie ich dort aufgehört habe, bin ich wieder komplett abgefallen, war 18 Monate unter der Brücke“ (Leon 2018, S. 5, Z. 153f.). Rainer stellt zu den beiden obig Genannten einen kontrastiven Unterschied dar, da er das Leben auf der Straße freiwillig gewählt hatte: „Und dann bin ich auf die Straße gegangen, weil ich mir gedacht habe, dass muss irgendetwas Interessantes sein“ (Rainer 2018, S. 1, Z. 21f.). Insgesamt hatte er 20 Jahre auf der Straße verbracht und im Vergleich zu Leon, der es einmal aus eigenen Stücken wieder in eine Wohnung geschafft hatte, nicht zurück in eine geregelte Wohnsituation gewollt.

„In der Zeit, wo ich bei dem gearbeitet habe oder so, habe ich wieder eine Wohnung gehabt nachher“ (Leon 2018, S. 5, Z. 149ff.).

„I: […] hast du schon ein richtig geregeltes Leben gehabt mit einer Wohnung?

B4: Probiert habe ich es.

I: Probiert. Aber es war nie deins?

B4: Nein“ (Rainer 2018, S. 44, Z. 1200–1207).

Stefan und Uwe hatten für eine gewisse Zeit ein Haus mit dazugehörigem Grund bewohnt. Beiden war das Haus vom Schwiegervater gestellt worden. Der Unterschied besteht darin, dass Uwe mit seiner Frau einen Grund kaufen musste, auf dem der Schwiegervater ein Haus bauen ließ. Stefan zog hingegen mit seiner langjährigen Freundin und Mutter seiner zwei Kinder in ein Haus, das dem Vater seiner Freundin bereits gehört hatte.

„Der Schwiegervater hat gesagt, du, Burli, wenn du meine Tochter heiratest, kaufe ich euch ein Haus, Grund kauft ihr euch selber. So ist es dann auch geschehen“ (Uwe 2018, S. 2, Z. 59).

„[D]as Haus hat ihrem Vater gehört (Ja) und da haben wir drinnen gewohnt. Wir haben also keine Miete bezahlt, aber wir haben das alles instand halten müssen“ (Stefan 2018, S. 8, Z. 233ff.).

Im Gegensatz zu Stefan und Leon hatte Uwe vor dem ViziTel beziehungsweise ViziDorf insgesamt an zwei Wohnsitzen gelebt – in seinem Elternhaus und in jenem Haus, das er gemeinsam mit seiner Frau bewohnt hatte. Stefan und Leon hatten hingegen öfter ihren Wohnsitz gewechselt.

Des Weiteren verfügt Uwe ebenfalls als einziger der vier Befragten über einen gesicherten Arbeitsplatz. Er arbeitet nun in einer Firma und schaffte es, sich dort intern hochzuarbeiten. Stefan, Leon und Rainer verfügen im Gegensatz dazu nicht über eine solche Sicherheit. Allen drei ist gemein, dass sie zum Großteil selbst für ihre Jobwechsel verantwortlich gewesen waren. Allerdings bestehen innerhalb dieser übergeordneten Unterschiede Gemeinsamkeit. So ist Leon und Stefan gemein, dass beide Arbeitsstellen aufgrund ihres Alkoholkonsums verloren hatten. Zudem waren Leons Jobwechsel durch Straftaten begründet gewesen, durch die er entweder eine Haftstrafe antreten musste oder anschließend gekündigt worden war:

„[E]s ist halt so, wenn man, wenn man was trinkt, dann hat man auch keine Freunde mehr, dass man dann arbeiten geht oder was“ (Stefan 2018, S. 2, Z.

52f.).

„[D]a habe ich mich auf das Dach gedreht irgendwie (Mhm). Mit dem PKW und da habe ich auch ein bisschen zu viel Alkohol gehabt (Ja) und seit

damals habe ich keinen Führerschein mehr nachher (Ah, okay). Ja, das war dann (Doppelt blöd) und ohne Führerschein habe ich für die Firma nicht mehr arbeiten können“ (Leon 2018, S. 4, Z. 113–116).

Rainer gab als Grund für seine Kündigung an, dass er nicht dazu gezwungen werden wollte, in ein parteipolitisches System integriert zu werden:

„[D]ort die Partei damals, die [Parteiname], hat die Leute da schon manipuliert (Kaufen quasi). Ja, kaufen, sicher, wenn du nicht dabei bist, dann hast du keinen Job.

I: Mhm, also war dir quasi die sichere Arbeitsstelle nicht so wichtig (Ja) oder (Völlig egal). Ja.

B4: Mir war das egal, wenn es dir gefällt, dann arbeitest du eh und wenn es dir nicht gefällt, dann gehst du eh. Aber unter solchen erpresserischen Umständen, verstehst? (Mhm) Das haut nicht hin“ (Rainer 2018, S. 8–9, Z. 221–228).

Bei den finanziellen Mittel besteht ein kontrastiver Unterschied zwischen Uwe und den restlichen Interviewpartnern. Uwe hatte durch seinen sicheren Job, bei dem er auch eine höhere Position innehatte, über ein hohes Einkommen verfügt und war infolgedessen abgesichert gewesen: „[N]atürlich habe ich viel, viel Geld verdient, Firmenauto und alle Späße, ist egal, was gewesen war“ (Uwe 2018, S. 1, Z. 50f.). Im Gegensatz dazu verfügen Rainer, Stefan und Uwe über keine großen finanziellen Mittel. Hierbei gilt es allerdings anzumerken, dass Rainer diesen finanziellen Engpass selbst gewählt hatte, indem er sich für ein Leben auf der Straße entschieden hatte. „Und dann bin ich auf die Straße gegangen, weil ich mir gedacht habe, dass muss irgendetwas Interessantes sein“

(Rainer 2018, S. 1, Z. 21f.). Bei Stefan und Leon hatte jedoch ihr schlechter Umgang mit Geld die Ursache für ihre geringen finanziellen Mittel dargestellt. So stelle Stefan fest, dass er trotz guten Verdiensts nichts ansparen hatte können. Diesbezüglich erwähnte er seine Freundin, die ebenfalls nicht mit Geld umgehen hatte können. In diesem Zusammenhang führte er den Grund an, weshalb nie etwas gespart hatte werden können:

„[I]ch habe da auch nicht viel Geld gehabt, weil sie hat ziemlich viel Geld gebraucht, und obwohl ich nicht so schlecht verdient habe, mit der

Provision bin ich dort dann auf 18.000 Schilling gekommen und, aber sie hat mit dem Geld nie umgehen können“ (Stefan 2018, S. 2–3, Z. 64-66).

Anders hatte sich die Situation bei Leon dargestellt, der selbst keinen Bezug zu Geld aufbauen hatte können. Er hatte in hohen Mengen an Alkohol konsumiert und war zudem spielsüchtig gewesen:

„Wegen den Finanzen, ich habe eigentlich nie eine Beziehung zu Geld gehabt, wenn ich eines habe, gebe ich es aus, (Ja) und wenn ich keines habe, fehlt es mir nicht. Also ich kann ohne Geld genauso gut leben (Leon 2018, S. 1–2, Z. 33ff.).

Die Gemeinsamkeit der beiden liegt im schlechten Umgang mit Geld, sei es selbstverschuldet oder durch das fehlende Kümmern um die Ausgaben der Freundin, wie dies bei Stefan der Fall gewesen war.

Zentral für den kontrastiven Fallvergleich der ökonomischen Ressourcen ist, dass alle Interviewpartner über ökonomische Ressourcen in ihrem Leben verfügt haben und diese unterschiedliche nutzten. Ein Interviewpartner verfügte durchgehend – bis zu einem Schicksalsschlag – über sichere ökonomische Ressourcen. Zwei Interviewpartner beschrieben, dass sie ausreichend Geld zur Verfügung hatten, damit jedoch nicht umgehen konnten. Somit bestand eine ökonomische Ressource. Dies zeigt sich auch bei den Arbeitsstellen. Beide Interviewpartner verloren selbstverschuldet ihre Jobs – dies stellt ebenfalls ein Potenzial in ökonomischen Ressourcen dar. Somit wurden vorhandene Ressourcen nicht genutzt. Dieses Potenzial an Ressourcen beziehungsweise der richtige Umgang mit diesen Ressourcen kann die Soziale Arbeit vermitteln.