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7.4. Kontrastiver Fallvergleich: Soziale und relationale Ressourcen

Im Folgenden werden die sozialen und relationalen Ressourcen, die im Kapitel 4.3.

definiert wurden, zusammengefasst dem kontrastiven Fallvergleich unterzogen. Dies geschieht aus dem Grund, da relationale Ressourcen in dieser Arbeit eine Ergänzung zu den sozialen Ressourcen darstellen und sich diese in einigen Teilbereichen überschneiden oder ergänzen. Infolgedessen sind sie nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden, was in der Auswertung zu Wiederholungen führen würde.

Alle vier Interviewpartner weisen als eine Gemeinsamkeit auf, dass sie ausschließlich Beziehungen mit Frauen hatten. Rainer stellt hierbei im Vergleich zu den restlichen Interviewpartnern einen Unterschied dar, da er bisher keine längerfristigen Beziehungen eingehen wollte: „Ja, und der Mensch ist gar nicht geschaffen für die Zweisamkeit“

(Rainer 2018, S. 44, Z. 1227f.). Stefan, Uwe und Leon hatten in der Vergangenheit längerfristige Beziehungen gehabt, wobei zwischen Leon und Uwe dahingehend eine weitere Gemeinsamkeit besteht, indem beide mit der betreffenden Frau verheiratet gewesen waren. Im Gegensatz dazu weisen Uwe und Stefan als Gemeinsamkeit auf,

dass beide mit der jeweiligen Frau zwei Kinder haben. Auch Rainer hat zwei Kinder, jedoch von zwei unterschiedlichen Frauen. Leon ist im Hinblick auf Kinder als kontrastiver Unterschied zu nennen, da er keine Kinder hat, dies aber nicht freiwillig gewählt hatte: „[W]eil wir keine Kinder, wir wollten am Anfang Kinder haben, hat nicht funktioniert“ (Leon 2018, S. 10, Z. 284f.). Hinsichtlich der Konflikte kann festgehalten werden, dass drei von vier Interviewpartnern Konflikte offen ausgetragen hatten. Leon nimmt hierbei eine Sonderstellung ein, da er Konflikte nicht im Rahmen von Diskussionen versucht zu beseitigen. Vielmehr löst er Konflikte, indem er nicht auf diese eingeht:

„Konfliktlösung heißt für mich eigentlich, den Konflikt zu ignorieren.

(lachen B3) (Okay) Ich suche nicht die Auseinandersetzung oder so, sondern (Ziehst dich zurück) ich gehe dem aus dem Weg“ (Leon 2018, S. 9, Z. 209–263).

Stefan, Uwe und Rainer berichteten, dass in ihren Beziehungen Meinungsverschiedenheiten und Diskussionen aufgetreten waren:

„[D]ann haben wir am nächsten Tag halt wieder einen Streit gehabt“

(Stefan 2018, S. 21, Z. 588f.).

„Natürlich gibt es in der Ehe Konflikte, wenn man gemeinsame Kinder hat“

(Uwe 2018, S. 7, Z. 202).

„Dann bin ich der, der immer Frieden pflegt. […] Das kann man ja auch diplomatisch machen.

I: Du hast das dann quasi immer ausgeredet?

B4: Ausgleichen, immer ausgleichen (Rainer 2018, S. 37, Z. 1006–1014).

Stefan, Uwe und Rainer verwenden außerdem bestimmte Strategien, wie sie Konflikte lösen. Hierbei ist allen drei Interviewpartnern gemeinsam, dass sie Reden in Bezug auf eine Konfliktlösung als wichtig empfinden: „Sprechen ist das Wichtigste, miteinander sprechen (Ja). So kann man Konflikte lösen“ (Uwe 2018, S. 5, Z. 143f.). Der Unterschied zwischen diesen drei Interviewpartnern innerhalb dieser Gemeinsamkeit liegt darin, dass sie das Reden in Konfliktsituationen unterschiedlich ausführen. So versucht Rainer stets, eine diplomatische Lösung zu finden, die ohne Entschuldigungen auskommt. Wichtig ist ihm hierbei, dass beide Parteien gleich positiv aus dem Konflikt aussteigen: „Aber nicht bis zu einer Entschuldigung. (Mhm) Diplomatisch, weil

Entschuldigung ist keine Diplomatie, da tut man ja seine Ding eingestehen, seinen (Ja) Fehler“ (Rainer 2018, S. 37, Z. 1007–1009). Uwe hatte mit seiner Frau vorwiegend über Anschaffungen diskutiert und immer gemeinsam mit ihr entschieden:

„Kleinigkeiten, aber es hat nie Streitereien oder irgendwelche Stillezeiten [Zeiten des Anschweigens] (Mhm) gegebene oder so was“ (Uwe 2018, S. 7, Z. 204f.). „Natürlich sind wir immer zusammengesessen, es hat nie Einzel- oder Soloentscheidungen gegeben“ (Uwe 2018, S. 2–3, Z. 65f.). Stefan beschrieb, dass Diskussionen hauptsächlich in seiner zweiten und dritten Beziehung stattgefunden hatten. Innerhalb dieser zwei Beziehungen und den daraus folgenden Konflikten ist ein kontrastiver Unterscheid zu erkennen: In der zweiten Beziehung waren Konflikte entstanden, da seine Freundin Alkohol konsumiert hatte und er sie zur Abstinenz bewegen wollte. Mit seiner dritten Freundin hatte er sich hingegen gestritten, weil er mehr als die vereinbarten Mengen an Alkohol getrunken gehabt hatte. Somit hatte sich Stefans Haltung innerhalb des Konfliktes bezüglich des Alkoholkonsums von der zweiten zur dritten Beziehung geändert:

„Wir haben zwar schon geredet, aber ich glaube, da habe ich zu viel Druck gemacht, dass sie das Trinken aufhören soll (Mhm). Jetzt im Nachhinein (Ja) denke ich mir das halt einmal so“ (Stefan 2018, S. 9, Z. 263).

„Ja, also ab und zu bin ich ihr schon ausgekommen (Ja), wenn sie heim gekommen ist, bin ich schon gar nicht mehr zuhause gewesen. […] Nur, das ist halt das, dann haben wir am nächsten Tag halt wieder einen Streit gehabt“ (Stefan 2018, S. 21, Z. 585–589).

Somit haben diese drei Interviewpartner als Konfliktlösung das Miteinandersprechen gemein, lediglich Leon weicht von dieser Gemeinsamkeit ab, indem er Konflikte vollständig ignoriert.

Der Kontakt zu den eigenen Kindern gestaltet sich bei Rainer und Stefan aus heutiger Sicht gleich: Bei beiden besteht kein Kontakt. Ein Unterschied ist hierbei allerdings, wie es zum Kontaktabbruch kam. Rainer hatte seine Ehefrau nach dreieinhalb Monaten Ehe verlassen, das Kind bei ihr zurückgelassen und keinen Kontakt gesucht. Gleiches gilt für sein weiteres Kind, dass er mit seiner zweiten Frau hat:

„[G]ewohnt mit einer Frau zusammen, also da ist auch ein lieber Sohn

entstanden, bleibt einen nicht erspart. Aber da habe ich mir gedacht, das ist das alles nicht, das ist es nicht“ (Rainer 2018, S. 44, Z. 1207ff.).

Stefan hingegen hatte bis zum dritten beziehungsweise vierten Lebensjahr seiner Kinder gemeinsam mit ihnen und seiner Freundin in einem Haus gewohnt: „[S]ind sie drei und vier Jahre alt gewesen, wie es auseinandergegangen ist“ (Stefan 2018, S. 7, Z. 208f.).

Danach hatte kein Kontakt bestanden. Von seiner Seite aus hatten Versuche, Kontakt aufzubauen, stattgefunden. Diese waren aber fehlgeschlagen, da seine Ex-Freundin dies unterbunden hatte: „[H]at sie ja immer unterbunden und ja, äh, es ist ja, den Kindern ist ja eingeredet worden, dass ich sowieso nur saufen kann“ (Stefan 2018, S. 8, Z. 222f.). Eine Tochter hatte ihn im VinziDorf besucht. Als er aber erfahren hatte, dass der Besuch lediglich aufgrund einer Unterschrift stattgefunden hatte, wollte er zu seinen Kindern keinen Kontakt mehr: „[D]ass sie nur eine Unterschrift von mir braucht (Mhm) und jetzt muss ich dir sagen, jetzt möchte ich auch gar keinen Kontakt mehr“

(Stefan 2018, S. 8, Z. 212f.). Sowohl Rainer als auch Stefan hatten somit schlussendlich aus eigenen Stücken den Kontakt zu ihren Kindern abgebrochen. Dies kann wiederum als Gemeinsamkeit gewertet werden.

Uwe hingegen pflegt momentan regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern:

„Ja, selbstverständlich, wie gesagt auch persönlichen Kontakt (Ja). Waren mich da, wie gesagt drei-, viermal im Monat da besuchen. Und das ist immer wichtig“ (Uwe 2018, S. 8, Z. 223f.).

Nur Stefan und Uwe hatten im Gegensatz zu Rainer auch während ihrer Beziehungen mit den Kindern zusammengelebt. Dies kann als Gemeinsamkeit betrachtet werden.

Uwe sprach davon, während dieser Phase viel Zeit mit den Kindern verbracht und gemeinsam diverse Aktivitäten unternommen zu haben:

„Oder Ausflüge in den Wald hinein. […] Die Zeit möchte ich nie missen, das war sowas, es hat auch mich selbst stark gemacht (Ja). Das ist meine Verantwortung, die ich da habe, das ist ja auch mein Sohn oder meine Tochter“ (Uwe 2018, S. 9, Z. 237–243).

Im Gegensatz dazu hielt Stefan hierzu fest, dass er gerne Zeit im Gasthaus verbracht hatte, worunter die Beziehung zu seinen Kindern gelitten hatte:

„Jetzt bin ich da halt Samstag, Sonntag halt gerne hingegangen, dort hatte ich auch Freunde, mit denen ich immer Karten gespielt habe und so (Ja).

Ja, miteinander irgendwas unternehmen, das ist ja eben durch die Kinder fast nicht gegangen“ (Stefan 2018, S. 8–9, Z. 237ff.).

Diesbezüglich kann festgestellt werden, dass der kontrastive Unterschied hierbei darin besteht, dass Uwe gern Zeit mit seiner Familie verbracht, Stefan einen Lebensmittelpunkt außerhalb der Familie hingegen vorgezogen hatte.

Die Beziehung zu ihren Geschwistern gestaltet sich bei drei der vier Interviewpartner durchwachsen. Nur Uwe stellt die Beziehung zu seinen zwei Geschwistern als durchwegs positiv dar – sowohl in der Kindheit als auch jetzt: „[I]in meiner Jugend oder (Ja) natürlich wenn man im gleichen Haus wohnt täglich, also grüß Gott, nicht?

Immer äußerst positiv, äußerst positiv“ (Uwe 2018, S. 5, Z. 149f.). Leon und Rainer haben die Gemeinsamkeit, dass sie zurzeit keinen Kontakt mehr zu ihren Geschwistern pflegen. Der Unterschied besteht hierbei allerdings darin, dass Leon zunächst einen guten Kontakt zu seinen Geschwistern gehabt hatte, was sich jedoch 2012, nach dem Tod seiner Mutter, verlaufen hatte. Hingegen besteht Rainers Verhältnis zu seinen acht älteren Geschwistern seit seiner Hochzeit nicht mehr:

„[D]en letzten Kontakt gehabt zu meinen Geschwistern [hatte ich]wie ich geheiratet habe. (Mhm) Natürlich, da waren alle dabei (Ja). Ja, und dann haben wir gesagt, ihr könnt mich am Arsch lecken (Ja), die wollten immer das so machen, wie sie wollten, das jüngere Brüderlein, ich war der Jüngste, muss dann so machen und so machen“ (Rainer 2018, S. 4, Z. 85–

88).

Stefan hatte in seiner Kindheit zu einem Bruder guten Kontakt gepflegt, als dieser ebenso wie er noch zuhause bei den Eltern gewohnt hatte. Zu den restlichen drei Geschwistern war das Verhältnis zwar vorhanden gewesen, jedoch nicht innig. Zurzeit besteht nur zu seiner ältesten Schwester Kontakt.

Eine Gemeinsamkeit zwischen Leon und Stefan stellt die Tatsache dar, dass von beiden Geschwister bereits verstorben sind. So starb Stefans Bruder mit 50 Jahren, während Leon bereits zwei Brüder verloren hat: Einer starb, als Leon zwei Jahre alt gewesen war, der zweite im Jahre 2005.

Soziale Kontakte, die sich auf das Umfeld der vier Interviewpartner erstrecken und

nicht aus Verwandtschaftsverhältnissen oder der eigenen gegründeten Familie bestehen, werden im Folgenden einem kontrastiven Fallvergleich unterzogen.

Stefan berichtete in diesem Kontext davon, dass Freundschaften aufgrund seiner Umzüge zerbrochen waren. Außerdem hatte er zahlreiche Freunde gehabt, die ihren Lebensmittelpunkt ebenfalls im Gasthaus beim Kartenspielen und dem Konsum von Alkohol gehabt hatten:

„[D]a hat es immer wieder Freunde gegeben, nur durch das, dass ich so oft umgezogen bin (Mhm), dann verliert man sich aus den Augen und ja und dann sind halt dann meistens die Kontakte auch weg“ (Stefan 2018, S. 6, Z. 177ff.).

„[H]abe dort bei dem Gasthaus ja Freunde gehabt“ (Stefan 2018, S. 22, Z. 591).

Auch Rainer pflegt momentan keinen Kontakt zu Freunden und weist somit eine Gemeinsamkeit zu Stefan auf. Er berichtete, dass er nach seiner Entscheidung, auf der Straße zu leben, auch auf seine sozialen Kontakte bewusst verzichtet hatte.

Leon erzählte hingegen von Freunden, die ihn über einen längeren Zeitraum begleitet hatten, zu denen aber der Kontakt abgebrochen war, als er auf der Straße leben musste.

Aber dennoch besteht zu einigen Freunden noch heute Kontakt.

Uwe schilderte, dass er aufgrund seines Alkoholkonsums Freunde verloren hatte, da er von diesen als nicht mehr zuverlässig angesehen wurde.

Somit ist diesen drei Interviewpartnern gemeinsam, dass sie im Laufe ihres Lebens Freunde verloren haben, dies jedoch zum Teil aus unterschiedlichen Beweggründen.

Lediglich Rainer pflegt nach wie vor Kontakt zu Freunden aus seiner Zeit vor dem VinziDorf.

Leon kann Hilfe generell nicht annehmen, dies zeigte sich auch, als er auf der Straße gelebt und den Kontakt zu seinen Freunden abgebrochen hatte, da er deren Unterstützung nicht gewollt hatte. Auch Rainer hatte mit seinem sozialen Netzwerk abgeschlossen, seit er auf der Straße gewohnt hatte. Stefan hingegen hatte nie über ein Netz an Beziehungen verfügt, an das er sich in Krisensituationen hätte wenden können.

Die Gemeinsamkeit der drei besteht hierbei darin, dass sie mit ihrer jeweiligen Situation alleine zurechtkommen wollten. Allerdings hatte Stefan in seiner dritten Beziehung die

Hilfe seiner Freundin angenommen und es gemeinsam mit ihr geschafft, kontrollierter zu trinken.

Unter dem Punkt Empathie kann festgehalten werden, dass Leon seine Mutter gepflegt hatte und außerdem davon berichtete, dass er sich selbst als sozial betrachtet und anderen gerne hilft. Hierbei weist er eine Übereinstimmung mit Stefan auf, der ebenfalls davon erzählte, anderen Personen finanziell, aber auch anderweitig geholfen zu haben.

Hierzu hielt er jedoch fest, dadurch vor allem in seinen Beziehungen zu Frauen ausgenutzt worden zu sein.

Gemeinsam ist bei diesem kontrastiven Fallvergleich der sozialen und relationalen Ressourcen, dass alle Interviewpartner soziale Kontakte, die sich auf Familie, Bekannte und Freunde beziehen, aufweisen. Diese Kontakte werden nur zum Teil gepflegt, dies stellt somit eine ungenützte Ressource dar. Drei Interviewpartner weisen Strategien zur Konfliktlösung auf, die ebenfalls als ungenutzte Ressource vorliegen.