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4. Ressourcenorientierung

4.2. Vertreter der Ressourcenorientierung

4.2.1. Hobfoll

Hobfoll entwickelte Ende der 1980er Jahre seine ‚Conservation of Resources Theory‘, in der erstmals Stress als Resultat von Ressourcenverlust deklariert wurde. Seine Theorie besagt, dass durch Umwelteinflüsse Ressourcen bedroht werden und dass versucht wird, diese eigenen Ressourcen zu schützen und neue aufzubauen. Durch den drohenden oder tatsächlichen Verlust von Ressourcen durch ein Ereignis tritt

Stresserleben ein. Damit ein Mensch seine Ressourcen vermehren kann, müssen Ressourcen investiert werden. Erzielt diese Maßnahme nicht den erhofften Erfolg, entsteht auch hier Stresserleben. Nicht das auslösende Ereignis ist diesbezüglich für das Stresserleben verantwortlich, sondern lediglich der daraus resultierende Ressourcenverlust. Laut Hobfoll (1988) ist das Stressempfinden durch vier Komponenten wechselseitig beeinflusst. Hierbei handelt es sich um die individuelle Wahrnehmung der Ressourcen, die Wahrnehmung des Kontextes der Stressreaktion, persönliche Merkmale und Bewertungen durch die soziale Umwelt. Weiters formuliert er drei Personebenen (vgl. Schubert/Knecht 2012, S. 23f.):

„Auf der biophysiologischen Ebene werden Ressourcen (z. B. Nahrung, Flüssigkeit) in ihrer Bedeutsamkeit von allen Menschen relativ gleich bewertet. Auf der kognitiven Ebene werden Ressourcen hingegen in Abhängigkeit von individuellen Erfahrungen und persönlichen sowie sozialen Werten beurteilt und geschätzt. Auf der dritten Ebene werden Ressourcen über unter- und unbewusste Prozesse wahrgenommen oder abgewehrt, wodurch eine Ressourcenbewahrung individuell und interindividuell sehr unterschiedlich ausfallen kann […]“ (Hobfoll 1988, o.S. zit. n. Schubert/Knecht 2012, S. 24).

Des Weiteren teilt Hobfoll (1988) Ressourcen in folgende vier Grundformen ein:

objektive Ressourcen, Bedingungen, persönliche Charakteristika und Energien. Als objektive Ressourcen werden Wertsachen wie Nahrung, Unterkunft und Statussymbole bezeichnet. Hobfoll unterscheidet hierbei zwischen explizitem und implizitem Wert.

Unter dem expliziten Wert werden Objekte verstanden, die notwendig sind, zum Beispiel ein Auto für den Weg zur Arbeit. Als implizite Werte werden nicht notwendige Objekte bezeichnet, beispielsweise ein Kristallglas, da auch ein normales Glas seinen Zweck erfüllen würde. Weiters existieren Objekte, die implizit sind und deren Wert variieren kann, wie zum Beispiel Diamantringe (vgl. Hobfoll 1988, S. 72). Als Bedingungen werden Lebensumstände wie Familienstand, eigene Kinder, Gesundheit und die Arbeitsstelle angesehen. Diese Bedingungen sollen stabil gehalten werden. Um dies zu gewährleisten, werden viele Ressourcen investiert. Zudem ist oft eine jahrelange Investition von Zeit, Energie und Ressourcen nötig, um diese Bedingungen zu erlangen.

Zugleich können sie aber auch innerhalb kürzester Zeit verloren gehen, was Stress

bedeutet. Am Beispiel Ehe ist ersichtlich, dass eine Partnerschaft eine große Ressource darstellen kann, jedoch auch ein hohes Stresspotenzial aufweist, sollte die Beziehung auseinandergehen. Häufig sind Menschen für den Zerfall einer Bedingung selbst verantwortlich, indem zu wenige Ressourcen für deren Erhalt investiert wurden (vgl.

Hobfoll 1988, S. 72ff.). Der Aspekt persönliche Charakteristika umfasst Charaktereigenschaften, gleichbleibende Tendenzen und persönliche Fähigkeiten. Im Vergleich zu objektiven Ressourcen können persönliche Charakteristika, wie Selbstwertgefühl und Optimismus, jederzeit vom Individuum mobilisiert werden, da sie im Individuum als ‚personal baggage‘ vorhanden sind (vgl. Hobfoll 1988, S. 74f.).

Geld, Wissen und Versicherungen fallen hingegen in die Kategorie Energie. Diese Kategorie ist konvertierbar, so kann Geld beispielsweise für verschiedene Zwecke verwendet werden (vgl. Hobfoll 1988, S. 75). Mittels Energieressourcen kann darüber hinaus der Zugang zu anderen Ressourcen ermöglichen werden, weswegen sie als wertvoll angesehen werden (vgl. Schubert/Knecht 2012, S. 25). Auch das Nichtkonvertieren von dieser Kategorie kann den Wert erhöhen, dies ist beim Wissen der Fall: Demgemäß weisen Personen, die alleinig Kenntnis über einen bestimmten Vorgang haben, eine Basis an Macht auf. Teilen sie dieses Wissen, verlieren sie ihre Macht. Bei einer weiteren nicht finanziellen Energieressource handelt es sich darum, der Gesellschaft von Nutzen zu sein. Ist eine Person der Gesellschaft von Nutzen, wird sie in einer persönlichen Notlage eher Hilfe erhalten (vgl. Hobfoll 1988, S. 75f.).

Wissen als Energieressource verhilft dem Menschen zum einen zu weiteren Ressourcen und zum anderen zur Handhabung bereits vorhandener Ressourcen. Dies kann der Grund dafür sein, dass Personen mit einem hohen sozioökonomischen Status im Vergleich zu jenen mit geringerem Status vermehrt dazu in der Lage sind, mit Stressfaktoren umzugehen. Wissen stellt eine Ressource dar, die an Personen und nicht an Gegenstände gebunden ist. Folglich kann sie überall hin mitgenommen und nicht gestohlen werden (vgl. Hobfoll 1988, S. 76). Zur Kategorie Energie zählen im Weiteren die sozialen Kompetenzen bestehend aus sozialen Regeln. Werden diese Regeln missachtet, erfolgt der Bruch von Beziehungen (vgl. Hobfoll 1988, S. 76f. zit. nach Argyle 1983; Argyle/Henderson 1985).

Bei einer weiteren Möglichkeit, Ressourcen zu kategorisieren, handelt es sich um die Unterscheidung in interne und externe Ressourcen. Interne Ressourcen wohnen der

Person inne: „These include aspects of individuals’ personalities, stable person styles, and ways of looking at problems“ (Hobfoll 1988, S. 77). Im Gegensatz dazu gelangen externe Ressourcen von außerhalb an das Individuum: „These include many aspects of social support, valued aspects of the physical environment, and material resources that are available to the individual“ (Hobfoll 1988, S. 77). Sowohl die internen als auch die externen Ressourcen überschneiden sich mit den zuvor genannten Ressourcenkategorien (vgl. Hobfoll 1988, S. 77).

Eine weitere Option ist es, den Ressourcen unterschiedliche Werte zuzuordnen, was eine Wertung von Ressourcen erlaubt. Wege, um Ressourcen zu werten, sind, sie anhand ihrer ‚replenishability‘ (Nachfüllbarkeit) oder ihrer ‚investibility‘ (Investierbarkeit) zu ordnen (vgl. Hobfoll 1988, S. 78f.).

Zentral für Hobfoll (1989) ist die Auswirkung von Ressourcengewinn und Ressourcenverlust, der über die ‚Ressourcenspirale‘ veranschaulicht wird (vgl. Hobfoll 1989, o.S. zit. n. Schubert/Knecht 2012, S. 25). Personen, die bereits Ressourcen verloren haben oder wenige Ressourcen besitzen, sind anfälliger dafür, Ressourcen zu verlieren und können diese auch schwerer wieder ersetzen. Durch Verlustereignisse müssen Ressourcen eingesetzt werden, was zu Stress führt, in dessen Folge wiederum weitere Ressourcen investiert werden müssen – hierdurch setzt eine

‚Ressourcenverlustspirale‘ ein. Hobfoll (1988) stellt die Identität eines Menschen in starken Zusammenhang mit dessen Ressourcen. Somit bedroht ein Ressourcenverlust auch die Identität der Person (vgl. Schubert/Knecht 2012, S. 25). Weiters ist der Umgang mit dem Ressourcenverlust stark individuell „vom Kontext, in dem Verluste auftretet, von den geltenden sozialen Normen und kulturellen Bedingungen und zudem den Erfahrungen, die eine Person mit Verlust gemacht hat“ (Schubert/Knecht 2012, S. 25f.) abhängig. Aufgrund dessen muss jene Person, die Ressourcenverlust erleidet, auch im Umwelt- und sozialen Kontext gesehen werden (vgl. Schubert/Knecht 2012, S. 26). Eine ‚Ressourcengewinnspirale‘ entsteht hingegen meist bei Personen, die bereits über zahlreiche Ressourcen verfügen und daher einfacher weitere Ressourcen dazugewinnen, indem sie Ressourcen investieren, um Verluste zu überwinden und neue Ressourcen zu erhalten (vgl. Schubert/Knecht 2012, S. 26). Laut Hobfoll existieren drei Möglichkeiten, um Ressourcenverluste zu vermeiden. Bei der ersten Option handelt es sich darum, den Fokus von den möglichen Verlusten hin auf die möglichen

Ressourcengewinne zu lenken. Zweitens kann den verlorenen Ressourcen ein geringerer Wert zugeschrieben werden, sodass noch vorhandene und mögliche Ressourcen an Wert gewinnen. Bei diesen zwei Möglichkeiten besteht jedoch die Gefahr des Realitätsverlustes, weshalb diese Möglichkeiten nur kurzfristig eingesetzt werden sollen. Drittens ist hierbei die Begrenzung der Ressourcenverluste durch Bewältigungsstrategien anzuführen (vgl. Starke 2000, o.S. zit. n. Schubert/Knecht 2012, S. 26). Dabei weisen Ressourcenverluste eine stärkere Gewichtung als Ressourcengewinne auf. Somit ist ein Ressourcenverlust nicht mit einem Ressourcengewinn aufzuwiegen (vgl. Hobfoll/Schumm 2004, o.S. zit. n.

Schubert/Knecht 2012, S. 26).

Hobfolls Theorie zeigt einen verhaltensökonomischen Ansatz, in dem „jedes menschliche Handeln darauf ausgerichtet sei, Gewinne zu maximieren und Verluste zu vermeiden. Psychologisch-motivationale Differenzierungen des menschlichen Erlebens und Verhaltens bleiben hierbei weitgehend unberücksichtigt“ (Schubert/Knecht 2012, S. 27).