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7.3. Kontrastiver Fallvergleich: Kulturelle Ressourcen

Im Folgenden werden die vier Interviews kontrastiv verglichen. Hierbei bezieht sich das Aufsuchen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden auf die kulturellen Ressourcen, die im Kapitel 4.3. definiert wurden.

Im ersten Punkt werden die Grundschulzeit und die erste Ausbildung miteinander verglichen. Die auffälligste Gemeinsamkeit der vier Interviewpartner stellt die positive Absolvierung der Pflichtschulzeit dar. Stefan äußerte sich hierzu beispielsweise wie folgt: „[D]ann habe ich meine Schulausbildung gemacht, mit Volksschule, Hauptschule

und Polytechnikum“ (Stefan 2018, S. 1, Z. 8f.). Des Weiteren besteht eine Übereinstimmung darin, dass alle vier eine Ausbildung vollendeten. Der Unterschied ist hierbei jedoch in der Art der Ausbildung zu verorten. So erlernten Stefan, Leon und Rainer einen Lehrberuf, während Uwe eine weiterführende höhere Schule (HTL) besucht hatte, die er mit der Matura abschloss. Im Gegensatz dazu begannen Stefan und Rainer direkt nach der Pflichtschulzeit mit ihrer Lehre zum Rauchfangkehrer beziehungsweise Gas-Wasser-Heizungsinstallateur. So hielt Stefan bezüglich seiner Lehre Folgendes fest:

„Ja, hab dann meine Lehre gemacht, hab bei der ganzen Berufsschule vier Zweier, also alle drei Jahre lang vier Zweier, sonst alles Einser, habe dann meine Lehrabschlussprüfung mit Auszeichnung gemacht“ (Stefan 2018, S. 1, Z. 22–24).

In diesem Kontext besteht der Unterschied zwischen den beiden und Leon darin, dass Leon nach seiner Pflichtschulzeit zunächst eine weiterführende höhere Schule besucht hatte, diese dann aber abbrach, um eine Lehre als Einzelhandelskaufmann zu absolvieren. Hierzu meinte Leon: „Und deswegen habe ich nach drei Monaten dann gesagt, HTL ist nichts für mich, habe dann eine Einzelhandelskaufmannslehre angefangen, habe sie auch durchgezogen“ (Leon 2018, S. 2, Z. 54f.).

Im Hinblick auf den beruflichen Werdegang ist festzuhalten, dass alle vier Interviewpartner nach ihrer Ausbildung einen Beruf ausübten. Stefan und Leon weisen diesbezüglich Gemeinsamkeiten auf, indem sie nach Beendigung der Lehre ihrem Lehrberuf nicht weiter nachgingen und kündigten. Bei einer weiteren Gemeinsamkeit handelt es sich um den Geldmangel während dieser Zeit, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Für Stefan war der schlechte Verdienst und der Ausblick, in einem anderen Beruf mehr zu verdienen, ausschlaggebend dafür, seinen Lehrberuf schlussendlich nicht weiter auszuüben. Er äußerte sich hierzu folgendermaßen:

„[A]ber habe nur mehr, ja gut, ein dreiviertel Jahr lang, naja, fast ein Jahr war es, länger gearbeitet nach der Lehre, weil ich einfach zu wenig verdient habe, ich habe damals 8.000 Schilling bekommen und bin dann am Bau gegangen, weil dort habe ich das Doppelte gehabt“ (Stefan 2018, S. 1, Z. 24–27).

Leons akuter Geldmangel hatte sich aufgrund seiner Alkohol- und Spielsucht komplexer

dargestellt. Der Grund für seine Kündigung konnte aus den Interviewaussagen jedoch nicht eruiert werden. Er stellte lediglich fest: „Also ich habe Einzelhandelskaufmann einmal gelernt, habe dann, wie ich ausgelernt war, sofort gekündigt“ (Leon 2018, S. 1, Z. 20f.).

Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden besteht darin, dass sie im Laufe ihrer Erwerbstätigkeit eine hohe Firmenfluktuation aufwiesen. Beide übten in ihrem Leben unterschiedliche Berufe aus. Dieser Unterschied besteht allerdings darin, dass Stefan Tätigkeiten ausübte, bei denen er keine weitere Ausbildung absolvieren musste:

„Ja, dann bin ich zu einer anderen Firma gegangen, dort haben wir, also wieder am Bau Verputzarbeiten gemacht“ (Stefan 2018, S. 2, Z. 39–41).

„Ein Jahr war ich da beim [Firmenname], da haben wir Betonsanierungen gemacht“ (Stefan 2018, S. 2, Z. 49f.).

„[D]ann habe ich, in dieser Zeit habe ich dann als Verkaufsfahrer gearbeitet […] bei einer Bäckerei“ (Stefan 2018, S. 2, Z. 58ff.).

Leon hingegen hatte sich weitergebildet und einen neuen Lehrberuf oder ein Studium begonnen, um neue Berufe zu erlernen und sich in den einzelnen Berufen zudem bis zum Leiter hochzuarbeiten.

„[J]etzt gehe ich etwas Neues an und habe eine Elektrikerlehre drinnen angefangen“ (Leon 2018, S. 3, Z. 85f.).

„In der Zeit, wo ich in [Land] war, [war] ich als außerordentlicher Hörer auf die Uni [Uniname], wo ich Astrophysik belegt habe, eben erst mal Mathematik 1, 2 (Ja) habe ich nachholen müssen und dann eben das Physikstudium“ (Leon 2018, S. 2, Z. 58ff.).

„Bin dort, drei Wochen war ich dort auf der Baustelle und dann sind sie zu mir gekommen, sie bräuchten einen Bauleiter, der in der Lage ist, das Ganze zu koordinieren und so“ (Leon 2018, S. 4, Z. 119ff.).

Der Unterschied zwischen den beiden oben Genannten und Uwe besteht darin, dass Uwe nach seine Ausbildung bei einer Firma angefangen und sich intern zum Gesamtprojektleiter hochgearbeitet hatte und ausschließlich in dieser Firma blieb. Uwe sagte hierzu: „Habe mich dann hinaufgekämpft, gekämpft bis zum Gesamtprojektleiter, diverser Hoch- und Höchstspannungsleitungen“ (Uwe 2018, S. 2, Z. 44ff.).

Gemeinsamkeiten zwischen den drei Interviewpartnern Stefan, Uwe und Leon können

insofern festgestellt werden, als alle drei den Großteil ihres Lebens berufstätig waren.

Rainer hat diesbezüglich eine Sonderstellung inne, da er 20 Jahre lang auf der Straße gelebt hatte und anschließend ins VinziDorf zog, weshalb er in dieser gesamten Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen war.

Zurzeit erhalten Stefan und Uwe eine Pension und weisen aufgrund dessen eine Gemeinsamkeit auf. Im Gegensatz dazu geht Leon weiterhin einem Beruf nach.

„[J]a, aber jetzt bin ich seit 1. Februar in Pension“ (Stefan 2018, S. 10, Z. 279f.).

„Ist alles drinnen und nach drei, vier Tagen kommt ein eingeschriebener Brief: unbefristeter Pensionist“ (Uwe 2018, S. 13, Z. 360f.).

„[U]nd haben mich dann auf die Baustelle geschickt und dort hänge ich jetzt im Moment, die sind eigentlich auch sehr zufrieden mit mir, am dritten Tag haben sie gesagt, dass sie […]einen Vorarbeiter [bräuchten] (Ja) und die haben mir jetzt schon angedroht, dass ich nicht wegkomme von ihnen, sondern dass die Folgebaustellen für mich schon programmiert sind“ (Leon 2018, S. 6, Z. 197–201).

Rainer, Leon und Uwe weisen eine Vielzahl an erlerntem Wissen vor. So hatte Rainer eine große Anzahl an Schriftstücken und Zeichnungen angefertigt. Er stellte hierzu fest:

„Ja, mich hat Kunst schon immer überhaupt interessiert. Malen, das siehst du eh, (Mhm) und das Schreiben, das ist dann irgendwann einmal gekommen“ (Rainer 2018, S. 9, Z. 247f.). Auch Leon hatte aus eigenem Interesse weitere Berufe sowie Sprachen erlernt und ein Studium begonnen. „Habe meine Sprachen gelernt, also: bisschen Italienisch, Kroatisch und Englisch sowieso“ (Leon 2018, S. 2, Z. 57f.). Uwe geht ebenfalls zahlreichen Hobbys nach. Zum einen besteht hierbei eine Übereinstimmung mit Rainer, da beide gerne schreiben: „Ich schreibe gerade ein Buch“ (Uwe 2018, S. 11, Z. 322). Weiters möchte er gerne das Gitarrespielen erlernen:

„Und das ist auch ein Ziel von mir, da tue ich jetzt. Ich bin jetzt einmal beim Sichten, beim Schauen einmal (Mhm). Ich lerne gerade die Anatomie der Gitarre“ (Uwe 2018, S. 12, Z. 344f.).

Des Weiteren hatte sich Uwe in seiner Jugend mit einer Sportart, Judo, beschäftigt und es dort bis zu den Staatsmeisterschaften gebracht.

Die Fähigkeit und Ressource, sich Wissen aus intrinsischen Motiven anzueignen, kann somit als Gemeinsamkeit dieser drei Interviewpartner angesehen werden, da sie außerhalb der Schulbildung und ihres jeweiligen Berufes sich aus eigenen Stücken zusätzliches Wissen angeeignet hatten beziehungsweise nach wie vor aneignen.

Im Hinblick auf den Glauben besteht bei Stefan und Uwe insofern eine Übereinstimmung, als beide einen religiösen Grundglauben aufweisen. Für Stefan stellt der Glaube einen wesentlichen Bestandteil seines Lebens dar, vor allem in Krisensituationen hatte er dadurch Halt erfahren:

„Der Glaube hat mich immer begleitet, ich denke, es hat so viele Sachen gegeben, wo ich wirklich nicht mehr gewusst habe, wie sollst du da jetzt wieder rauskommen, und dann ist irgendwo, irgendwo etwas hergekommen, wo ich mir denke, nein, das gibt es gar nicht, dass das einfach nur Zufälle sind (Mhm), sondern dass da ein Gott seine Hand im Spiel, das er mir irgendetwas geschickt hat“ (Stefan 2018, S. 23, Z. 635–639).

Uwe sprach ebenfalls Gott an, indem er von Schicksalsschlägen berichtete, aufgrund derer er Rat bei Gott gesucht hatte. Einen kontrastiven Unterschied zu Stefan und Uwe weisen in diesem Kontext Leon und Rainer auf. So ist Rainer bekennender Atheist:

„Ich befasse mich sehr viel mit Religion. (Mhm) Aber ich bin an und für sich ein totaler, wie sagt man so schön? (Atheist) Ja, ein totaler Atheist“

(Rainer 2018, S. 6, Z. 154f.).

Er steht der Kirche kritisch gegenüber, was mit der Haltung von Leon zu diesem Thema übereinstimmt, der hierzu meinte:

„Sonst aber eigentlich wenig Beziehung zu dem Ganzen, das haben sie mir auch abgewöhnt (Mhm) in der Kirche. Die erzählen das eine und verhalten sich dann aber konträr dazu“ (Leon 2018, S. 2, Z. 61ff.).

Rainer gab hierzu unter anderem an, dass die Kirche die Ehe als Konstrukt erstellt hatte, um weiter zu wachsen, da ein Kind zweier Christen auch ein Christ ist (vgl. Rainer 2018, S. 35, Z. 949–952). Weiters stellte es in Bezug zur Entstehung des Lebens fest:

„Bei dem hat alles (Ja) zusammengepasst und das lässt die Kirche nicht zu, Zufall. Der richtige Winkel zur Sonne (Ja), die Entfernung zur Sonne […], rundherum ist eh keines entstanden (Ja). Ist eh alles tot. Wegen dem kann

ich aber auch nicht sagen ‚Das hat ein Gott gemacht‘ (Mhm), uns erschaffen und die anderen acht, neun [Planeten] umkreisen die Sonne in unserem System und warum hat er die anderen acht leblos gelassen?“

(Rainer 2018, S. 36, Z. 977–982).

Auf diese Weise brachte er seine negative Meinung über die Kirche zum Ausdruck, die sich mit Leons entsprechenden Aussagen ergänzt.

Zusammenfassend zeigt sich in diesem kontrastiven Fallvergleich, dass alle vier Interviewpartner ihre Pflichtschulzeit und anschließend eine Ausbildung – als Lehre oder in Form einer weiterführenden Schule – absolviert haben. Zwei Interviewpartner weißen zusätzlich eine Vielzahl an Jobwechsel und dadurch an Erfahrung in anderen und/oder ähnlichen Berufen auf. Diese Erfahrungen und zusätzlichen Ausbildungen können als Ressourcen genutzt werden. Dies ist auch bei dem angeeigneten Wissen der Fall. Drei Interviewpartner haben aus intrinsischer Motivation zusätzliches Wissen angeeignet. Somit sind dieses Wissen, sowie die Fähigkeit sich selbst zu motivieren und eigenständig Wissen anzueignen zusätzliche Ressourcen.