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Der Republikanische Schutzbund in den Bezirken Bruck an der Mur und Leoben

Rintelen, Pfrimer und Wallisch

4.1.4 Der Republikanische Schutzbund in den Bezirken Bruck an der Mur und Leoben

Doch nicht nur auf Landesebene, sondern auch parteiintern zogen dunkle Wolken auf. Laut einem Bericht des Landesgendarmeriekommandos (LGK) war es bereits

226 Beispielsweise in Judenburg. Dort wurde der aus der Haft entlassene Apotheker Dr. Friedrich Odelga am 17.Oktober 1931 von Sympathisanten feierlich empfangen, von der „anwesenden Ju-gend“ allerdings mit „Pfui“-Rufen geschmäht. Der Gemeinderat hatte zuvor den Putsch scharf verurteilt: StLA ZGS (BKA) K.77/4 BGK Judenburg/E.Nr.701 (19.10.1931).

227 Bericht des Landesparteivorstandes der Sozialdemokratischen Partei Steiermarks an den Landes-parteitag für das Jahr 1932 (Graz 1933) S. 16–20.

im Frühjahr 1932 zu erheblichen Spannungen innerhalb der Partei gekommen: Die Jungsozialisten und der Republikanische Schutzbund („Resch“) in Leoben machten maßgebliche Vertreter der Partei, Nationalrat Hartmann und den Leobener Arbei-tersekretär Schlager, für die „Wahlschlappe“ der SDAP bei den Gemeinderatswahlen im April 1932 verantwortlich.228 Sie seien „zu gemäßigt“ und „in jeder Hinsicht Bremser“ der revolutionären Bestrebungen. Die radikalen Wortführer verlangten die Absetzung der genannten Arbeitervertreter und ihre Unterstellung unter Kolo-man Wallisch. Doch auch dieser blieb nicht von scharfer Kritik verschont. Bei einer Mitgliederbesprechung des Schutzbundes soll Wallisch von Unzufriedenen, die sich nicht länger „an der Nase herumführen“ lassen wollten, ausgepfiffen und zum Auszug gezwungen worden sein. Dies sei das Ergebnis einer Intrige des Brucker Arbeiterse-kretärs und Schutzbundkommandanten Hermann Lackner, so der Konfident, der auch unter der Jugend „Propaganda“ gegen Wallisch mache, um ihn zu „verdrän-gen“ und sich selbst an seine Stelle als Bezirkssekretär zu setzen. Um den Konflikt zu beenden, habe die Parteileitung Wallisch die Stelle als Landesparteisekretär in Aussicht gestellt, und dieser sei nicht abgeneigt, hieß es, die Berufung nach Graz anzunehmen.229 In den Erinnerungen Lackners ist jedoch nirgends von irgendwel-chen Reibereien mit Wallisch, sondern lediglich von den positiven Aspekten der Zusammenarbeit die Rede. Fest steht, dass Lackner das ab November 1933 vakant gewordene Brucker Bezirkssekretariat von seinem vermeintlichen Kontrahenten Wallisch übernahm.230

In ihren in den Jahren 1932 und 1933 gemachten „Wahrnehmungen“ berich-tet die steiermärkische Landesbehörde laufend von massiven Aufrüstungen des Republikanischen Schutzbundes, dessen Organisation und Ausstattung der aktu-ellen Situation angepasst werden sollten. Nach dem gescheiterten Heimatschutz-Putsch vom September 1931 bereitete sich der „Resch“ auf die akute Gefahr eines neuerlichen gegnerischen Schlages vor.231 Das aus Wien gelieferte und von der

228 Bericht des Landesparteivorstandes der Sozialdemokratischen Partei Steiermarks an den Landes-parteitag für das Jahr 1932 (Graz 1933) S. 13–14: Von 5144 Mandaten in 470 Gemeinden (in den übrigen 548 wurde ein gemeinsamer Wahlvorschlag überreicht) gewann die SDAP 1348, d. i. ein Verlust von 58 Mandaten gegenüber 1928. Hingegen konnte die SDAP die von ihr besetzten Bür-germeisterposten von 72 auf 74 erhöhen. Die Sozialdemokraten beschuldigten die Kommunisten, ihre 21 Mandate auf Kosten der Arbeiterklasse, als „Helfershelfer der Bürgerlichen“, gewonnen zu haben.

229 StLA L.Reg. Gr.384: Schu 2 (1932).

230 Koloman Wallisch, 50 Jahre „12. Februar 1934“. Zur Erinnerung an die Ereignisse des Februar 1934 im Bezirk Bruck/Mur, hrsg. SPÖ Bezirksorganisation Bruck/Mur (Bruck/Mur 1984) S. 20–22;

70–73.

231 Bei einem Treffen der Heimatschutzführer in Leoben sollen bereits im Oktober 1931 konkrete Plä-ne für eiPlä-nen zweiten Putsch geschmiedet worden sein. Ende November ließ Bundesführer Star-hemberg privat durchblicken, „er bereite mit einigen Bundesheergenerälen einen neuen Putsch vor, um eine reine Heimwehrregierung zu etablieren“; siehe: Pauley, Hahnenschwanz, S. 132; 135.

Anfang April 1933 behauptete ein Vertrauensmann der Gendarmerie aus Leoben, der Schutz-bund habe konkrete Nachricht erhalten, dass Starhemberg einen Plan habe, Wien und die Provinz gleichzeitig zu erobern. Mit seinem Angriff würde Starhemberg der Bundesleitung des „Resch“

den größten Gefallen tun, denn sie sei fest davon überzeugt, dass Starhemberg in Wien scheitern und somit seinen Untergang selbst herbeiführen werde: StLA L.Reg. Gr.384: Schu 2 (1932).

Arbeiterkammer vorfinanzierte Ausrüstungsmaterial war in größeren Depots in Graz, Bruck, Leoben und Knittelfeld gebracht worden. Spezielle Stoßtruppen, so genannte Alarmzüge und -kompanien, sollten für den Ernstfall flächendeckend aufgestellt und, zusätzlich zu den üblichen Schusswaffen, mit Flammenwerfern und Handgranaten ausgerüstet werden. Auch die Werbeaktionen trugen bald Früchte:

In Leoben und Umgebung konnte der neu aufgestellte „Jugendschutzbund“ inner-halb kurzer Zeit 400 Mann rekrutieren. Beinahe alle Ortsgruppen des „Resch“

im Bezirk verzeichneten starke Zuwächse. Steiermarkweit rechnete man mit der Mobilisierung von etwa 15.000 Mann und 5000 zusätzlichen Arbeitslosen. Zur Verstärkung des Landesaufgebots war die Entsendung von 10.000 Mann aus Wien vorgesehen. In Bruck an der Mur wurde ein „Führerkurs“ für Ordner des „Resch“

auch aus dem Gebiet um Leoben und Donawitz eingerichtet, während Frauen für Hilfs- und Sanitätsdienste ausgebildet werden sollten, um die Kampffront des „Resch“ freizuhalten. Mit dem Erstarken des Republikanischen Schutzbun-des konnten Umstrukturierungen vorgenommen werden. Die Kreisführung Schutzbun-des

„Resch“, die dem militärischen Kommando des Kreisleiters Dr. Köhler in Leoben unterstand, ordnete eine entsprechende Änderung der bisher bestehenden takti-schen Defensiv- und Offensivmaßnahmen an. Im Mittelpunkt der Alarmpläne stand die Verstärkung des Einsatzgebietes in der Umgebung von Leoben durch den Eisenerzer Schutzbund, der nun über mehr als 500 Mann verfügte. Durch Abbildung 5: Koloman Wallisch (Mitte in heller Jacke) und Funktionäre des 1923 gegründe-ten Republikanischen Schutzbundes Bruck an der Mur.

den Anschluss von Kommunisten und Arbeitslosen erwartete man einen Gesamt-stand von etwa 1500 Mann. Die Eisenerzer Ortsgruppe sollte also künftig nicht nach Norden in Richtung Selzthal abgehen, sondern nach Leoben vorstoßen, wäh-rend im Raum von St. Michael Einsatzkräfte für die Industriezentren im oberen Murtal zur Verfügung standen. Ziel dieses neuen Masterplans war es, vermehrte Kräfte ins Kerngebiet der Industrieregion zu schleusen, um nicht nur Bruck an der Mur, sondern auch die Stadt Leoben zu halten. Diese fieberhaften Aktivitäten des Schutzbundes richteten sich bekanntlich gegen einen neuerlichen Putsch des Steirischen Heimatschutzes.

Nach dem Austritt Walter Pfrimers aus dem Heimatschutz Anfang Mai 1932 und dem Führungswirrwarr auf oberster Heimwehr-Ebene ergab sich jedoch eine völlig andere Lage. Auch der Vormarsch der NSDAP bei den Gemeinderatswahlen im April hatte die politische Landschaft der Obersteiermark verändert. Angeblich forderten die Sozialisten sofortige Neuwahlen, um nicht weitere Wählerstimmen zugunsten der NSDAP zu verlieren. Nun wurden die Nationalsozialisten, nicht der durch Führerstreitigkeiten und Geldmangel geschwächte Heimatschutz, von den Sozialisten als politischer Hauptgegner betrachtet. Zu dieser Zeit drohte seitens der NSDAP weniger die Gefahr eines Putsches, sondern vielmehr eine Erstar-kung der antimarxistischen Kräfte in Österreich, wobei vor allem der gewagte Aktionismus und das forsche Auftreten der Nationalsozialisten einen ungeheuren Reiz auf immer mehr Jugendliche ausübten. Wenige Monate später, im Herbst 1932, gab es bereits deutliche Indizien dafür, dass sich die radikalen Mitglieder der „Jungfront“ von der älteren disziplinierten Garde trennen und die Führung des Schutzbundes an sich reißen wollten. Von einem lokalen Zusammengehen mit den Kommunisten war bald die Rede. Ende Dezember wurde eine erwei-terte Kreisleitungssitzung des „Resch“ in Bruck an der Mur abgehalten. Themen-schwerpunkt war die Vorgehensweise des Schutzbundes im Fall eines Putsches oder einer „gewaltsamen Ergreifung der Diktatur“ durch das Bürgertum. Für die Verteidigung Wiens standen angeblich 40.000 bestens ausgebildete und ausge-rüstete Männer sowie ein geschätztes Viertel der Bundespolizei zur Verfügung.

In der Steiermark, so der Informant, hätte der „Resch“ die geringste Zahl von Anhängern bei der gesamten Exekutive zu verzeichnen. Zur obersten Priorität des steirischen „Resch“ war die sofortige Sicherung der im Hochschwabgebiet befindlichen Hochquellen, die Wien mit Wasser versorgten, erklärt worden.

Nach der raschen Eroberung Wiens beabsichtigte man freigewordene Kräfte zur endgültigen Übernahme der „Provinz“ zu verwenden Die Behörden berichten von einem österreichweiten Mannschaftsstand von mehr als 78.000 Mann des Republikanischen Schutzbundes gegenüber 32.000 Exekutivkräften des Bundes.

Der „Resch“ traf offenbar nicht nur vorbeugende Maßnahmen gegen einen vom Bundesführer Starhemberg angedrohten Heimwehr-Putsches, sondern plante im Anlassfall selbst in die Offensive zu gehen. Doch selbst nach dem 15. März, als der Nationalrat von der Regierung Dollfuß am Zusammentreten gehindert worden war, geschah nichts dergleichen. Lediglich in den Bezirken Bruck an der Mur und Leoben war es zu einer „lebhafteren Tätigkeit“ gekommen. In Leoben

hatten sich die Jungsozialisten über die Führer des „Resch“ empört und sogar zum „Losschlagen“ gedrängt.232

Schon gegen Ende 1932 hatte man Wind vom bevorstehenden Ende des Schutz-bundes bekommen: Staatssekretär Emil Fey soll bereits Weisungen für die Auflösung der Formation vorbereitet haben. Einige Tage vor der tatsächlichen Auflösung des Republikanischen Schutzbundes, die am 31. März 1933 erfolgte, sollen die Ortsgrup-pen die Order erhalten haben, Schriftenmaterial zu verbrennen, Waffenbestände zu verbergen und Parteigelder abzuführen. Letztere, hieß es, hatte man rechtzeitig auf Konten in der Schweiz deponiert; für beschlagnahmte Bewaffnung kam „stets reichlicher Ersatz“ aus der Tschechoslowakei herein. Nach der Auflösung des „Resch“

fanden einige als Mitgliederversammlungen getarnte Besprechungen noch im Kin-derheim Tollinggraben und im „Alten Bahnhof“ in Donawitz statt. Die Leobener Arbeiterkammer, wo man das größte Waffendepot des Schutzbundes vermutete, hatte ihre Ausrüstungsbestände bereits vor den groß angelegten Waffensuchen der Behörde im März 1933 an dezentralisierte Stützpunkte wie die Judendorfer Arbei-terbäckerei, den Leobener Kinderfreundesaal und die Donawitzer Hauptschule verteilt. Auch in einigen Gasthäusern und Wirtschaftsgebäuden in der Umgebung von Leoben und Göss befanden sich Geheimdepots. Maschinengewehre wurden bei-spielsweise in ihre Einzelteile verlegt und von den zuständigen Männern außer Haus versteckt.233 Anfang April 1933 berichtete das LGK rückblickend, dass der „Resch“

auf Grund der Maßnahmen Adolf Hitlers gegen die Bruderpartei und des „Reichs-banners“ in Deutschland vielfach „deprimiert“ und „tief bestürzt“ sei. Letztlich sei die Auflösung des Schutzbundes nirgends auf ernsthaften Widerstand234 gestoßen, heißt es im Bericht lapidar. Die „Bremser“ in der Wiener Führung behielten nach wie vor die Oberhand. Ihr sehnlichster Wunsch war es, einen Putsch der bürgerlichen Opposition niederzuschlagen, um selbst die Staatsmacht zu ergreifen.235

Die Behörden ließen sich freilich nicht von dem ruhigen Verhalten des verbotenen Republikanischen Schutzbundes täuschen: Sie wussten, dass der „Resch“ noch voll einsatzfähig war und einen Großteil der Waffen an ausgesuchten Stellen versteckt hielt, um damit zum gegebenen Zeitpunkt zuzuschlagen. Im September 1933 berich-tete das LGK von einer intensiven „Wühltätigkeit“ der Sozialdemokratie und einer unerlaubten Fortsetzung des verbotenen Schutzbundes, dessen Aktivitäten haupt-sächlich in Eggenberg bei Graz von Brigadehauptmann Alois Rosenwirth sowie in

232 StLA ZGS (BKA) K.80/7: LGK E.Nr.67 res (10.4.1933) „Bericht über die Tätigkeit des Resch im März 1933“.

233 StLA L.Reg. Gr.384: Schu 2 (1932).

234 In Knittelfeld kam es am 2. April 1933 doch zu Ausschreitungen. Laut Bericht des LGK versammel-te sich eine etwa 1000-köpfige Menschenmenge, darunversammel-ter etwa 250 mit Uniformblusen bekleideversammel-te

„Schutzbündler“, auf dem Viktor-Adler-Platz. Der Bezirkshauptmann von Judenburg, Dr. Michl, forderte vorbeugend eine Halbkompanie des Bundesheeres an, die letztendlich auch eingesetzt wurde, weil die Menschen trotz mehrmaliger Aufforderung des Bezirkshauptmannes den Platz nicht verließen und weiterdemonstrierten: StLA ZGS (BKA) K.80/7: GPK Knittelfeld E.Nr.3041 (2.4.1933).

235 StLA ZGS (BKA)K.80/7: LGK E.Nr.67 res (10.4.1933) „Bericht über die Tätigkeit des Resch im März 1933“.

der Umgebung von Bruck und Leoben von Koloman Wallisch „geschürt und geleitet“

wurden. Bei Hausdurchsuchungen in Eggenberg fielen aufschlussreiche Informa-tionen über die Untergrundtätigkeit des Schutzbundes in die Hand der Behörde.

Demnach war es sofort nach Auflösung des „Resch“ zu einer Neuordnung, zunächst als Parteiordner, dann als „P.A.“ (Propagandaabteilung) gekommen. Die Zugehörig-keit der „alten“ Mitglieder zur neuen Organisation wurde durch ein ausgeklügeltes Abonnentensystem für das Parteiblatt „Der Pfeil“ aufrechterhalten.236 Im Jänner 1934 meldete das Gendarmeriepostenkommando Bruck an der Mur dem Sicher-heitsdirektor, dass die radikalen Sozialisten den Entschluss zum baldigen „Umsturz“

gefasst haben sollen. Die von ihnen „hinter dem Rücken ihrer Führer“ ausgearbeite-ten Pläne seien so gut wie fertig. Ausgangspunkt des Aufstandes sollte die Brucker Gendarmeriekaserne sein, die „in die Luft gesprengt“ werden sollte, um die darin befindlichen Gendarmen „unschädlich zu machen“. Mit den eigenen Leuten wollte man ebenso wenig zimperlich umgehen:

Alle dem Arbeiterstande angehörigen wehrfähigen Männer werden von den Terrorgruppen, die dazu bestimmt sind, aus ihren Wohnungen geholt, um am Umsturze mitzuwirken. Der sich aber weigern sollte, ist sogleich zu erschiessen.

Die Arbeiterschaft sei bereit, jeden Moment loszuschlagen. Nur werde noch das Ergebnis der gegenwärtig geführten Verhandlungen abgewartet und wenn dies wiederum ergebnislos sein wird, dann wird losgeschlagen werden.237