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Die NSDAP in der Steiermark

nationalsozialistischen Bewegung nach 1918

4.5.2 Die NSDAP in der Steiermark

Auch wenn die Hitler-Bewegung in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre lediglich eine marginale Rolle in Österreich spielte, wirkte sich die Führung Adolf Hitlers

470 Carsten, Faschismus, S. 136–141.

471 Laut Haintz (=Wache, Deutscher Geist, S. 261–262) soll sich die Hitler-Bewegung dem völkischen

„Bund der Freien“ angeschlossen haben, der jedoch in der offiziellen Statistik nicht aufscheint. Laut Endbericht der NRW 1927 erzielte die NSDAP 705 gültige Stimmen im Wahlkreis 11 (Korneuburg):

http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_wahlen/nationalrat/files/Geschichte/NRW_1927.pdf, 18.12.2009.

472 Carsten, Faschismus, S. 144.

473 Einigung der Nationalsozialisten. In: Obersteirerblatt (2.10.1929) S. 3.

474 Carsten, Faschismus, S. 147–149.

475 Die Einigungsverhandlungen der NSDAP gescheitert. In: Obersteirerblatt (5.3.1930) S. 2.

476 Carsten, Faschismus, S. 154.

477 Pauley, Weg, S. 55.

in der Organisation der Struktur, die nach deutschem Muster erfolgte, aus. Nach parteiinternen Querelen um die von Hitler eingesetzten Landesführer Jankovic und Krebs wurde die österreichische Partei der Münchner Reichsleitung direkt unter-stellt. Erst nach dem Aufschwung der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1930 schien die Zeit für entscheidende Veränderungen in Österreich gekommen zu sein. Im Jahr 1931 ernannte Hitler den Linzer Gemeinderat Alfred Proksch zum politischen Landesleiter Österreichs und stellte ihm den Wiesbadener Theo Habicht als Landes-geschäftsführer zur Seite. Gegen Ende 1928 wurde der gebürtige Südtiroler Walther Oberhaidacher478, der bereits über organisatorische Erfahrung in der Grazer Orts-gruppe verfügte, als Gauleiter der Steiermark eingesetzt.479 Im Juni 1928 hatte die steirische NSDAP nur rund 900 Mitglieder zu verzeichnen; unter Oberhaidachers Leitung wuchs die steirische NSDAP (5453/rund 13 Prozent) nach Wien (28.708) und Kärnten (6592) bis Anfang 1933 immerhin zur drittgrößten Teilorganisation in Österreich (43.129).480 Mit der Erstausgabe seiner Zeitung „Der Kampf“ am 7.

März 1931, welche der unverhohlenen Verherrlichung der Partei diente, rührte Ober-haidacher auch kräftig die Propagandatrommel. Die Berichterstattung fiel je nach politischem Thema entsprechend euphorisch oder sarkastisch aus. Die öffentliche Wirkung der NSDAP (Hitlerbewegung) war Ende der 1920er Jahre dennoch relativ gering und die Partei profitierte zunächst kaum vom Aufschwung der NSDAP in Deutschland. In seiner Studie über die Entwicklung der Nationalsozialisten in Graz konnte Staudinger auf Grund von Wahlresultaten der einzelnen Grazer Bezirke aus dem Jahr 1929 nachweisen, dass die als „Arbeiterpartei“ definierte Bewegung in den klassischen Arbeiterbezirken Gries und Lend über den geringsten Rückhalt verfügte.

Ihre eigentliche soziale Basis bestand aus verschiedenen Beamten und Privatan-gestellten sowie Selbständigen aus dem städtischen „Mittelstand“, während jene

„deutsch-völkisch“ gewerkschaftlich orientierten Arbeitnehmer der alten DNSAP nicht gewonnen werden konnten.481

Bei den letzten Nationalratswahlen der Ersten Republik am 9. November 1930 konnte die NSDAP österreichweit mit rund 111.000 (rund 3 Prozent) Stimmen einen nicht annähernd so großen Erfolg wie die deutsche Bruderpartei bei den

478 Laut dem vom Deutschen Reichstag im Juni 1938 herausgegebenen Handbuch wurde Walther Oberhaidacher 1896 in Bozen geboren, besuchte die Realschule ebendort und studierte Maschi-nenbau in Graz. 1915 rückte er zum 4. Regiment der Tiroler Kaiserjäger ein und kämpfte in den Isonzo-Schlachten. Mitglied der „alten NSDAP. Österreichs“ seit 1. April 1924 war Oberhaidacher Geschäftsführer und Zahlmeister der Ortsgruppe Graz und trat der Hitler-Bewegung an dem Tag ihrer Gründung, dem 10. September 1926, bei. Ab 1. Mai 1928 fungierte er zunächst als stellver-tretender Gauleiter und Gaupropagandaleiter, ab 25. November 1928 als Gauleiter der Steiermark.

Ab März 1931 gab er die Zeitung „Der Kampf“ heraus, die legal bis Juli 1933 erschien. Nach seiner zweimaligen Verhaftung hielt er sich seit Ende Juni 1933 in München auf und wurde nach der

„versuchten Erhebung“ im Juli 1934 als Gauleiter beurlaubt. Mitglied des Reichstages seit der 3.

Periode 1936 für den Wahlkreis 30 (Chemnitz-Zwickau): Der Großdeutsche Reichstag IV. Periode (Berlin 1938) S. 330, http://mdz1.bib-bvb.de/~db/bsb00000146/images/index.html?nativeno=330, 18.12.2009.

479 Staudinger, Entwicklung, S. 48–49.

480 Karner, Steiermark im 3. Reich, S. 37; Carsten, Faschismus, S. 144.

481 Staudinger, Entwicklungen, S. 47.

Reichstagswahlen im September 1930 (rund 18 Prozent) erringen, doch immerhin ging es spürbar vorwärts. Im Wahlkreis Obersteiermark erreichte die NSDAP sogar einen Stimmenanteil von etwa 5,5 Prozent.482 Der Steirische Heimatschutz schien der Schlüssel zur Zukunft der NSDAP zu sein. Die Parteistrategen erkannten das deutschnational-völkische Reservoir des Steirischen Heimatschutzes und gedachten es für ihre Zwecke „anzuzapfen“. Einem Wahrnehmungsbericht der Grazer Polizei-direktion vom August 1931 zufolge soll die Tätigkeit der Heimatschutzbewegung in der Obersteiermark, vermutlich auch wegen des im Mai desselben Jahres verfügten Aufmarschverbotes, zum Stillstand gekommen sein. Hinter Pfrimer stünden haupt-sächlich noch die „nationalen Elemente des Bürgertums und die Bauern“, während sich die Anhänger und Sympathisanten der christlichsozialen Partei sowie Befür-worter des nationalsozialistischen Programms abgesplittert und Letztere eben zur NSDAP abgewandert seien.483 Konnten die beiden politischen Bewegungen vorerst noch zu keiner Einigung finden, fiel der Steirische Heimatschutz nach dem miss-glückten Pfrimer-Putsch im September 1931 und der dadurch ausgelösten internen Destabilisierung wie eine reife Frucht in den Schoß der NSDAP. Bei einer großen Führertagung des Heimatschutzverbandes, der am 30. November 1931 im Grazer Hotel Wiesler stattfand, soll Bundesführer Starhemberg erklärt haben, der „Ver-brüderung“ der NSDAP mit einem selbständig geführten Heimatschutz in einer Kampfgemeinschaft stehe „nichts im Wege“.484 Der „Durchbruch“ der Nationalso-zialisten bei den Gemeinderatswahlen in der Steiermark im April 1932, als sie ihre Mandatszahl auf lokaler Ebene verzehnfachen konnten, bestätigte diesen Trend ein-drucksvoll. Besonders in der Obersteiermark, wo der Kammerhofer-Flügel des Stei-rischen Heimatschutzes verankert war, kam es bereits im Jahr 1932, noch vor der im April 1933 zwischen der NSDAP und dem Steirischen Heimatschutz geschlossenen

„Kampfgemeinschaft“, zu Solidaritätserklärungen der Liezener und Rottenmanner Gruppen des Heimatschutzes mit den Zielen der NSDAP.485

Neben der Bildung von Orts-, Frauen- und Jugendgruppen wurde möglichst früh mit der Anwerbung örtlicher SA-Einheiten begonnen.486 In den „Gaunachrichten“

erschien 1931 ein Aufruf zur Verstärkung von SA- und SS-Reserven: Kein stram-mer gesunder Pg. bleibe ferne! Mit Seicherln wird das 3. Reich nicht erkämpft!487 Die Stärke der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) in der Steiermark schätzte die Polizeidirektion Graz in einem Bericht vom März 1932 auf insgesamt 2500 Mann.

Laut einem „Gau-SA-Befehl“ vom 6. Jänner 1932 betreffs der Neuorganisation der SA-Steiermark wurde Standartenführer Friedrich Fenz zum Gau-SA-Führer bestellt.

Zwei neue Standarten, Nr. 3 und 27, die aus jeweils drei Sturmbannen bestanden,

482 Der antimarxistische Wahlsieg in Obersteier. In: Obersteirerblatt (15.11.1930) S. 2.

483 StLA ZGS (BKA) K.77/4 (Fol.52–53).

484 StLA ZGS (BKA) K.77/4 (Fol.789–793).

485 Karner, Steiermark im 3. Reich, S. 31.

486 Details zum Aufbau der Parteiorganisation bei: Heinz Cohrs, Das innere Gefüge der NSDAP Oes-terreichs. In: Wache, Deutscher Geist, S. 287–305. Die Ortsgruppe unterteilte sich wiederum in Sprengel und Zellen. Alle Unterorganisationen der NSDAP waren streng der Landesleitung und folglich der Reichsleitung untergeordnet.

487 Steirische Gaunachrichten der NSDAP (7.11.1931).

sowie ein selbständiger Sturmbann IX für das Ennstal, wurden aufgestellt. Karl Reschmann wurde mit der Führung des Sturmbannes I (Graz und Umgebung) und Professor Paul Geissler mit der Führung der Sturmbanne II und III (Mittel- und Südsteiermark) beauftragt. Die Stärke der Standarte 27 wurde von der Behörde auf etwa 1000 Mann geschätzt. Die Standarte 3, deren Stärke nicht bekannt war, umfasste den Sturmbann Leoben und Umgebung, der von Franz Kollenz aus Mautern geführt wurde, sowie die Sturmbanne Mürztal, oberes Murtal und den Lungau.488 Bei dem NS-Putsch im Juli 1934 spielte der Führer der Standarte 5 mit Sitz in Judenburg, Berndt von Gregory, eine Schlüsselrolle in der Steiermark.489 Einen weiteren wich-tigen Teil der Gesamtbewegung stellte die nationalsozialistische Betriebszellenor-ganisation (NSBO) dar, die jeden erwerbstätigen und arbeitslosen Parteigenossen,

„der dem Arbeitnehmerstande angehört“, erfassen sollte. Die NSBO hatte keine gewerkschaftlichen Funktionen wahrzunehmen, sondern verstand sich als eine reine antimarxistische Kampforganisation.490 Mitglieder der Betriebszellenorganisation hatten aber die Möglichkeit, von der angebotenen kostenlosen Arbeitsstellenvermitt-lung und der Rechtsberatung Gebrauch zu machen. Bei Betriebsratswahlen durften nationalsozialistische Betriebsräte nur in jenen Betrieben aufgestellt werden, wo eine Betriebszelle bereits existierte.491 Im Juni 1933 frohlockte die nationalsozialistische Presse über die „großen Siege unserer Bewegung“ in der obersteirischen Industrie-region. Der Liste der „Nationalen Sozialisten“ war es beispielsweise gelungen, bei den Arbeiterbetriebsratswahlen in Donawitz 11 von 15 Mandaten zu gewinnen; die restlichen 4 Mandate fielen der christlichen Gewerkschaft zu.492

4.5.3 Die Entwicklung der nationalsozialistischen Bewegung