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Aktivitäten der NSDAP in Leoben. Ein Überblick

nationalsozialistischen Bewegung nach 1918

4.5.6 Aktivitäten der NSDAP in Leoben. Ein Überblick

In seiner Darstellung des Werdegangs der NSDAP im „Eisenbezirk“ zeichnet der frühe Nationalsozialist Josef Freudenthaler, wie nicht anders zu erwarten, das schick-salhafte Bild einer Organisation, die, getragen von dem „stramm-völkischen“ Emp-finden und heroischen Tatendrang der Menschen im „südöstlichsten Grenzgau“, quasi zwangsläufig aus der Not und dem Elend der Nachkriegszeit geboren und durch das Auftreten des „gottgesandten Führers“ zur größten Bewegung, „die es je gegeben“,

558 StLA Staatsanwaltschaft Leoben K.1 (1921–1947): „Tagebuch Scharitzer Karl & Gen., 5.7.1931“.

559 StLA ZGS (BKA) K.78/5 (Fol.659): Bericht der Landesamtsdirektion (LaD) ans BKA, 3.5.1932.

560 Parteigenossinnen und Parteigenossen von Leoben und Umgebung. In: Arbeiterwille (10.9.1932) S. 7.

561 Josef Laß d. J. letzte Fahrt! In: Obersteirische Volkszeitung (13.9.1932) S. 4; Leobner Gemeinderat.

In: Ebda. (24.9.32) S. 7: Die Bluttat hatte noch ein Nachspiel in der Trauersitzung des Gemeinde-rates, als Karl Cerha die Sozialdemokratie als „viehische Mordorganisation“ bezeichnete. Nach ei-nem hitzigen verbalen Schlagabtausch verließen die sozialdemokratischen Mandatare aus Protest den Sitzungssaal.

gewachsen war.562 Dennoch stellt Freudenthalers pathetisches Elaborat eines der wenigen gedruckten Zeugnisse der damaligen Ereignisse in Leoben und Umgebung dar und soll daher mit entsprechender Vorsicht verwertet werden. Für die Zeit vor 1932 sind die Informationen jedoch nicht sehr ergiebig: Freudenthalers Bericht ist sehr knapp gehalten und enthält außer ausgesuchten Wahlergebnissen kaum kon-krete Zahlen und nur vereinzelt Namen von Ortsgruppen und deren Leiter. Vielmehr betont er allgemein die wachsende Begeisterung der national-orientierten Bevölke-rung Leobens für die nationalsozialistische Bewegung, die in dem Wahlergebnis des Jahres 1932 gipfelte. Die Zeit der Stagnation und Unsicherheit der Bewegung nach 1926 wird geflissentlich übergangen. Unter dem bezeichnenden Subtitel „Vor dem Sturm“ setzt Freudenthaler seine Schilderung über die gewaltsamen Ereignisse in Leoben mit dem Jahr 1932 fort. Der Autor widmet den Großteil seiner Erzählung den Ereignissen nach dem Verbot der Partei bis hin zum so genannten Anschluss im März 1938. Die Sympathisanten der Bewegung in und um Leoben werden als eine festgefügte nationalsozialistische Front dargestellt, die zunächst offen dann geheim gegen das furchtbare Unrecht der „Regierung in Wien“ kämpft und wiederholt unter Repression und Verfolgung zu leiden hat. Freudenthaler blendet die sozialdemo-kratische Mehrheit praktisch aus; sie wird nur am Rand, in Verbindung mit dem Februar-Aufstand, erwähnt. Im Hinblick auf die Opfer des Juli-Putsches heißt es in der besten Blut-und-Boden-Manier: Wir Steirer, wir Leobner dürfen mit Stolz sagen:

Bei uns war der Boden am besten bereitet für die Saat, für das Reifen. Das hat sich schon im Blutjahre 1934 gezeigt. Hier wurde der Boden mit Blut gedüngt, hier wurde kostbarstes Saatgut gesät.

Als Mann der ersten Stunde – er war ja bereits im Leobener Wohlfahrtsausschuss aktiv – kann der Eisenbahner Karl Cerha563 gelten. Freudenthaler nennt ihn einen

„alten Kämpfer“. Im Jänner 1919 berief Cerha die erste Besprechung der Leobener Nationalsozialisten nach dem Ersten Weltkrieg ein, der ab 1923 weitere regelmä-ßige nationalsozialistische Sprechabende folgen sollten. Im August desselben Jahres nahmen die Vertreter von Stadt und Bezirk am nationalsozialistischen Parteitag in Salzburg teil, „wo sie zum ersten Male Adolf Hitler sahen und reden hörten“. Auch die nationalsozialistische Jugend hatte sich zu sammeln begonnen und war 1923, laut Freudenthaler, auf etwa 300 Mitglieder angewachsen. Ab 1930 verzeichnete die NSDAP ansehnliche Zuwächse in der obersteirischen Industrieregion und anlässlich des Gauparteitages desselben Jahres in Leoben soll Gauleiter Oberhaidacher, nebst einem Parteimann aus München, die Bergstadt mit seiner Anwesenheit „geehrt“

haben. Das Jahr 1932 brachte neben den bekannten Wahlerfolgen auch eine Reihe gewaltsamer Ereignisse in und um Leoben. Freudenthaler führt dies auf die Agitation der „von Fremdstämmigen irregeleiteten obersteirischen Sozialisten“ zurück, die,

„gestützt auf die gegnerische Einstellung der Wiener Regierung“, mit Gewalttaten gegen die Nationalsozialisten vorgingen. Insbesondere der Kommunismus, klagt

562 Freudenthaler, „Eisen auf immerdar!“ Bd.2, S. 9–10.

563 StLA L.Reg. Gr.384: Na 14 (1933): Laut Behördenbericht wurde der in Leoben wohnhafte Bahnbe-amte Cerha am 13. Juli 1889 in Prag geboren und hatte in Leoben das Heimatrecht.

Freudenthaler, begann sich zu rühren: Versammlungen wurden gestört und natio-nalsozialistische Parteigenossen auf der Straße überfallen.564 Im Juni 1932 schätzte die Behörde die Anhängerschaft der Nationalsozialisten in Leoben, die ständigen Zulauf aus den Reihen anderer nationaler Bewegungen, aber auch aus sozialdemo-kratischen Beamten- und Angestelltenkreisen erhielt, auf etwa 3000 Menschen.565

Durch das Anwachsen der Organisation konnten die Leobener Nationalsozialis-ten bald ein Parteiheim in der Erzherzog-Johann-Straße neben dem Parteisekretariat am Hauptplatz einrichten.566 Im August 1932 wurden die Wahlerfolge der NSDAP in Deutschland zu Propagandazwecken im ganzen Bezirk „ausgeschlachtet“. Die von politischen Gegnern inszenierten Krawalle und Störversuche forderten die Aufmerk-samkeit der Exekutive immer wieder aufs Neue heraus. In Leoben beispielsweise, wo Cerha und Oberhaidacher Anfang August vor rund 3000 Menschen auf dem Hauptplatz auftraten, mussten demonstrierende „Gesinnungsgegner“ durch einen Bajonettangriff zerstreut werden.567 Die Machtübernahme Adolf Hitlers Ende Jänner 1933, die von der Leobener Ortsgruppe mit Festkonzert und Fackelzug gebührend gefeiert wurde, bescherte der NSDAP neuerlichen Aufschwung. Zwar hemmten die nach der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 gesetzten repressiven Maßnah-men Wiens die öffentlichen Aktivitäten der Bewegung, konnten jedoch der Begeis-terung ihrer Anhänger kaum etwas anhaben, so Freudenthaler. Dies zeigte sich bei einer Feier im Leobener Postsaal anlässlich Hitlers Geburtstags am 20. April 1933, als Karl Cerha unter „Jubelstürmen“ und begleitet von den Fanfaren der SA-Musik unter Standartenführer Franz Kollenz die nahende Ankunft des Großdeutschen Reiches feierlich verkündete.568 In seiner Aprilnummer berichtet „Der Kampf“ von einem noch nie dagewesenen Mitgliederzuwachs in Leoben.569 Am 24. Mai fand die erste gemeinsame Versammlung der NSDAP mit der Ortsgruppe des Steirischen Heimatschutzes in der Leobener Sängerhalle statt. Mehr als 2000 gegen die Regierung demonstrierende Anhänger sollen danach durch die Stadt gezogen sein.570

Mit dem Ziel, der Tätigkeit der NSDAP wirksam entgegenzutreten, verbot die Regierung Anfang Mai 1933 generell das Tragen von Uniformen oder Stücken davon, die eine „politische Einstellung“ zur Schau stellten. Die Nationalsozialisten versuchten das Uniformverbot zu umgehen, indem ihre Formationen in weißen Oberhemden und schwarzen Krawatten auftraten. Doch auch dies wurde nicht tole-riert. Als die Leobener SA-Kapelle in ebensolcher Aufmachung ein Platzkonzert zu Ehren des 70. Gründungsfestes des Deutschen Turnvereines Leoben veranstaltete, wurden sämtliche Musiker wegen Übertretung des Verbotes angezeigt.571 Auch in Mautern veranstalteten lokale Nationalsozialisten eine politische Kundgebung

564 Freudenthaler, „Eisen auf immerdar!“ Bd.2, S. 11–32.

565 StLA ZGS (BKA) K.79/6 E.Nr.216 res.ad (9.6.1932).

566 StLA L.Reg. Gr.384: Na14 (1933).

567 StLA ZGS (BKA) K.79/6 E.Nr.14.588 (19.9.1932).

568 Freudenthaler, „Eisen auf immerdar!“ Bd.2, S. 11–32.

569 Wir steigen trotz Haß und Verbot! In: Der Kampf (15.4.1933) S. 4.

570 Massenversammlung in Leoben. In: Der Kampf (3.6.1933) S. 5.

571 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.307): LGK an BKA 14.7.1933.

gegen das Uniformverbot. Die Teilnehmer zogen in kurzen Hosen, weißen Hemden mit schwarzen Krawatten und Hakenkreuzabzeichen durch die Straßen auf den Hauptplatz, sangen Spottlieder und skandierten Sprüche wie: „Österreich erwache!“,

„Trotz Verbot nicht tot“, „Dollfuss er wachse!“ und „Heil Hitler!“.572 Anlässlich der vorübergehenden Verhaftung nationalsozialistischer Führer, auch Karl Cerha wurde aus dem Bett geholt und in das Kreisgericht eingeliefert, und der Durchsuchung der Parteiheime am 13. Juni 1933 kam es in Leoben zu wiederholten Demonstrationen von Sympathisanten. Am Abend entstand ein Wirbel am Bahnhofvorplatz, als ver-haftete Nationalsozialisten aus dem ganzen Kreisgerichtssprengel Leoben per Bahn ankamen. Aus Protest schrien die etwa 250 Versammelten Parolen wie „Heil Hit-ler!“, „Deutschland erwache!“, „Österreich erwache!“ und „Dollfuß verrecke!“ und sangen lauthals das „Horst-Wessel-Lied“. Zur gleichen Zeit versammelten sich an die 700 Anhänger auf dem Leobener Hauptplatz, die schließlich durch einen Bajo-nettangriff der Gendarmerie vertrieben werden mussten.573 Nationalsozialistische Studenten versuchten mehrmals, eine Hakenkreuzflagge vor der Montanuniversität zu hissen, was der Rektor noch verhindern konnte. In jenen Tagen vor dem Verbot der NSDAP hatte die Gendarmerie im ganzen Bezirk alle Hände voll zu tun. Fern-sprechleitungen wurden abgezwickt, Erdkabel gesprengt, Häuser, Zäune und Straßen mit „regierungsfeindlichen“ Parolen beschmiert und beklebt. In Mautern, wo die Nationalsozialisten als radikal galten, hagelte es gegen 100 Anzeigen wegen Beleidi-gung von Regierungsmitgliedern, Störung der öffentlichen Ordnung, Übertretung des Aufmarschverbotes und anderer Gesetze. Nach dem Verbot ihrer Partei am 19.

Juni 1933 nahmen die Nationalsozialisten an den Feierlichkeiten legaler nationaler Vereine, wie den deutsch-völkischen Turnvereinen und dem deutschen Schulver-ein „Südmark“ teil, wo sie ihre Werbetätigkeit fortsetzten. In Mautern wurde der Deutsche Turnverein wegen „derartiger Umtriebe“ bald darauf, am 22. Juli 1933, verboten.574 Bei Leoben, Mautern und Vordernberg versuchten Nationalsozialisten Hakenkreuzfeuer abzubrennen, was von der Gendarmerie verhindert werden konnte.

Die Institution Kirche geriet ebenfalls in die Schusslinie der Nazis: Das katholische Vereinsheim Eisenerz wurde mehrmals Ziel mutwilliger Zerstörung; in Göss wurde die Stiftskirche mit Plakaten beklebt und der Kaplan von Trofaiach von aufgebrach-ten Nationalsozialisaufgebrach-ten misshandelt.575 In seiner Apologie wertet Freudenthaler die Sprengstoffanschläge, die sich nach dem Verbot der NSDAP häuften, als „Ausbruch der Verzweiflung“ im Angesicht der Gewaltherrschaft des „Systems“. Offiziell wegen Hörermangels, doch eher um das „nationale Leoben“ empfindlich zu treffen, sollte die montanistische Hochschule sogar geschlossen werden. Im „Blutjahr“ 1934 habe die Bewegung trotz heldenhaften Widerstandes den Kampf gegen die Übermacht der Regierung verloren, doch lebte sie, so Freudenthaler, in den Herzen der Men-schen weiter:

572 StLA L.Reg. Gr.384: U 8/4 (1933).

573 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.76–77): GPK Leoben an BKA 14.6.1933; Mit dem „Horst-Wessel-Lied“ ins Gefängnis. In: Der Kampf (17.6.1933) S. 5.

574 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.409–412; 423): LGK an BKA 14.8.1933.

575 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.306–308).

Der Opfertod hat auch in unserer Bergstadt Leoben reiche Saat gehalten. Aber aus den Gräbern floß Kraft und Mut und Zähigkeit, ergriff und ließ nicht locker und schmiedete und formte die Männer der ständig anwachsenden Bewegung zu den eisernsten Streitern der Steiermark, die nichts anderes kannten als kämpfen für Deutschland und seinen Führer Adolf Hitler bis zum Sieg!576

576 Freudenthaler, „Eisen auf immerdar!“ Bd.2, S. 47.

Abbildung 8: Das im Jahr 1910 bezogene Gebäude der „Montanistischen Hochschule“.

5. Die Radikalisierung des