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Propaganda der NSDAP 544

nationalsozialistischen Bewegung nach 1918

4.5.5 Propaganda der NSDAP 544

Mit der Taktik des ständigen „Trommelns“ versuchten die Nationalsozialisten, Men-schen durch propagandistisch geschulte Redner aus Österreich und Deutschland zu beeinflussen. In Wahlkampfzeiten wurden öffentliche Versammlungen und Sprecha-bende massiv gesteigert und intensiv beworben. Für die Gemeinderatswahlen 1932 hieß die Order: Das Strassenbild am 24. April muss den ganzen Tag über von uns beherrscht sein. Wer ein Braunhemd hat, trägt es an diesem Tage. Parteigenossen und Funktionäre wurden aufgefordert, Plakate herumzutragen, mit der Aufforderung, die Liste der NSDAP zu wählen sowie alle „leicht beeinflussbaren Elemente“ bereits auf dem Weg zum Wahllokal abzufangen und im Sinne der NSDAP zu manipulieren.545 Die Partei forcierte ihre öffentliche Präsenz nicht nur mittels Versammlungen und Aufmärsche, so genannter „Deutscher Tage“546, „Hitler-Heimgärten“ und Presseer-zeugnisse, sondern auch durch gezielte Mund-zu-Mund-Propaganda, das Streuen und Befestigen von Plakaten, Zetteln und gestanzten Hakenkreuzen sowie das Beschmieren von Gegenständen mit nationalsozialistischen Symbolen. Der Fantasie

536 Ortsgruppen-Nachrichten. In: Deutsche Volks-Zeitung (4.4.1925) S. 3.

537 Freuden des Kampfes. In: Der Kampf (9.5.1931) S. 8.

538 StLA ZGS K.204: Verschiedenes (1932 – Hitlerbewegung NSDAP).

539 Ortsgruppennachrichten. In: Die Sturmfahne (7.2.1924) S. 4.

540 Dritte Führertagung der steirischen Hitler-Jugend in Trofaiach. In: Der Kampf (13.6.1931) S. 6.

541 StLA BH Leoben Gr.14: K.8 (206 T12, 1 1926).

542 StLA Magnesitbergbau Wald K.: 11, H.: 47–51.

543 StLA ZGS K.204: Verschiedenes (1932 – Hitlerbewegung NSDAP).

544 In seiner Analyse präsentiert Kurt Bauer detaillierte Ergebnisse zur Entwicklung und Aktivität der NS-Bewegung in der Steiermark von 1932 bis 1934: Kurt Bauer, „Steiermark ist einmal gründ-lich verseucht“. Regionale Unterschiede bei der Affinität zum Nationalsozialismus in der Phase des Durchbruchs zur Massenbewegung. Mögliche Ursachen und Erklärungsansätze. In: ÖGL 43 (1999) 295–316.

545 Steirische Gaunachrichten der NSDAP (16.4.1932).

546 „Deutsche Tage“ finden statt. In: Der Kampf (13.8.1932) S. 5: „Deutsche Tage“ waren Wochenend-veranstaltungen mit Platzmusik, Heldenehrungen, Kundgebungen und ev. anschließendem Som-merfest.

waren offenbar keine Grenzen gesetzt.547 Insbesondere nach dem Betätigungsverbot nahmen die nächtens von Geheimtrupps an öffentlichem Gut begangenen Schäden enorme Ausmaße an. Kaum ein Tag verging, an dem nicht irgendwo in der Steier-mark Gleise gesprengt, Telefonleitungen abgezwickt oder Böller gezündet wurden.

Aus platzökonomischen Gründen kann auf alle diese Erscheinungen und deren Folgen nicht im Detail eingegangen werden.

4.5.5.1 Die Presse in der Steiermark

Der medialen Verbreitung von Propaganda durch Presse, Rundfunk und Film wurde ein hoher Stellenwert beigemessen. Das offizielle nationalsozialistische Presseorgan der Steiermark, die „Sturmfahne“, erschien vom 6. Oktober 1923 bis 5. Oktober 1926.548 Das zweite Presseerzeugnis, „Der Kampf“, wurde vom Gauleiter Oberhaidacher vom 7. März 1931 bis 22. Juli 1933549 herausgegeben.

Die Berichterstattung befasste sich weniger mit tages- oder kulturpolitischen Ereignissen im herkömmlichen Sinn, sondern diente rein propagandistischen Zwecken. Der nationalsozialistischen Ideologie entsprechend basierte die politi-sche Berichterstattung auf Schuldzuweisungen und Verschwörungstheorien. Eines der meist strapazierten Themen in den frühen 1920er Jahren war die vermeintliche Abhängigkeit der „Sieger und Besiegten des Weltkrieges“ von der „jüdischen Welt-finanz“. Als selbst ernannte „Rächer“ behaupteten die Nationalsozialisten, einen Kreuzzug gegen den „Bank- und Börsenwucher“ sowie die durch die „schranken-lose Herrschaft des Großkapitals“ verursachte „Zinsknechtschaft des deutschen Volkes“ zu führen.550 Innenpolitisch richteten sich die medialen Angriffe gegen die vermeintliche Unfähigkeit und Verlogenheit der jeweiligen Regierungen, deren Anleihepolitik strikt abgelehnt wurde. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise wie die Verschuldung der Gemeinden, die hohe Arbeitslosigkeit sowie Hitlers Tausend-Mark-Sperre wurden ausschließlich der Politik der Regierung Dollfuß angelastet. Die Nationalsozialisten forderten daher den Rücktritt der Regierung und die Ausschreibung von Neuwahlen. Ihre Argumentation basierte auf dem Standpunkt, dass die Herrschaft der Regierung illegal sei.551 Der außenpolitische

547 Etwa die nächtliche Kuhbeschmierungsaktion einiger NS-Aktivisten, welche die Rinder „regie-rungstreuer“ Besitzer in den Ställen wiederholt mit Hakenkreuzen verunzierten, entbehrt nicht einer gewissen Komik: StLA ZGS (BKA) K.85/12 (Fol.1638–1643).

548 An alle Parteigenossen in der Steiermark! In: Die Sturmfahne (6.10.1923) S. 1: Nach dem Erschei-nen der ersten Probenummer „Südwacht“ wurde der Name des offiziellen nationalsozialistischen Presseorgans der Steiermark „auf allgemeinen Wunsch hin“ in „Sturmfahne. Nationalsozialisti-sches Kampfblatt für Steiermark“ umgeändert und ab dem 28. März 1925 in „Deutsche Volks-Zeitung. Wochenblatt für Steiermarks ehrlich schaffende Stände“ unbenannt.

549 StLA ZGS K.221: „Der Kampf“ (1931–1935): Am 15.7.1933 erschien die Zeitung mit einer den Pres-senotverordnungen angepasster Berichterstattung unter dem Namen „Der Kampf. Deutsche Wo-chenzeitung für Steiermark, Südburgenland und Lungau“. In den Jahren 1934 und 1935 wurde sie im verkleinerten Format (etwa F5) herausgegeben.

550 Zinsknechtschaft. In: Die Sturmfahne (8.12.1923) S. 1.

551 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.148–149) „Der Fremdenverkehr in Gefahr“.

Schwerpunkt lag naturgemäß auf Entwicklungen in Deutschland beziehungsweise auf den Aktivitäten Hitlers und seiner NSDAP. Ein weiteres Schwerpunktthema beider Zeitungen war der Tätigkeit und dem Aufstieg der Partei in Österreich gewidmet. Als Messlatte des Erfolges kann der Annoncenteil in „Der Kampf“

gesehen werden, der innerhalb von zwei Jahren auf drei ganze Seiten anwuchs.

Mit dem Hinweis, wer beim Juden kaufe, sei ein Verräter, wurde die Leserschaft stets aufgefordert, bei „unseren Inserenten“ zu kaufen.552 Um eine möglichst breite propagandistische Wirkung zu erzielen, wurde der Vertrieb des „Kampf“ durch einen Wettbewerb um neue Abonnenten angekurbelt.553 Die hektographierten

„Gaunachrichten“, die vom 1. Jänner 1931 bis 30. Mai 1933 herausgegeben wurden, waren für den parteiinternen Gebrauch bestimmt. Sie enthielten Weisungen der Parteizentrale bezüglich Organisationsaufbau, Propagandamaßnahmen sowie Verhaltensmaßregeln zu aktuellen Entwicklungen. Im Hinblick auf das bevorste-hende Verbot der Partei rief Gauleiter Oberhaidacher Ende Mai 1933 ein letztes Mal zur unbeugsamen Parteitreue auf.554

4.5.5.2 Versammlungsterror

Meint man unter dem Begriff „politischer Kultur“ auch den Ton des öffentlichen Diskurses zwischen verschiedenen politischen Gruppierungen, so trug gerade dieser Austausch zur hasserfüllten Atmosphäre jener Tage bei, die in einer Verrohung des politischen Miteinanders kulminierte. Auf dieser Ebene provozierte der jeweilige politische Gegner Rededuelle und lärmende Auseinandersetzungen, um die Ver-sammlung des Kontrahenten zu „sprengen“. Der politische „Feind“ sollte mit dieser Taktik mürbe gemacht und letztendlich politisch „vernichtet“ werden. Kaum eine politische Kundgebung verging ohne die Inszenierung irgendwelcher Reibereien durch Gesinnungsgegner, die in Handgreiflichkeiten mit Personen- und Sachschaden endeten. So auch in der obersteirischen Industrieregion, wo radikale Tendenzen auch durch den spezifischen gesellschaftlichen Mix aus Proletariat und Bürgertum aufge-schaukelt wurden. Im November 1927 beispielsweise gerieten sich eine von Gustav Wegerer angeführte Gruppe von etwa 30 Kommunisten und geschätzte 150 aus der Umgebung zusammengekommene Nationalsozialisten bei einer von Franz Spätauf einberufenen Versammlung in der Leobener Sängerhalle kräftig in die Haare. Für gewöhnlich wurden eigene Kampftruppen als Parteiordner in und um die Versamm-lungsorte aufgestellt, um Störaktionen vorzubeugen. Die SA-Ordner sollten den Saal bereits vor dem Einlass besetzen und mögliche Unruhestifter stets im Visier halten, um „sofort wirksam eingreifen zu können“.555 Als nach einer Weile die kommunis-tischen „Gäste“ die Ausführungen des Redners durch wiederholte Zwischenrufe zu

552 Der Kampf (17.6.1933) S. 6.

553 Aschacher, Presse, S. 190–196.

554 An alle NSDAP-Dienststellen im Gau Steiermark. In: Steirische Gaunachrichten der NSDAP (30.5.1933) S. 1.

555 Versammlungsschutz. In: Steirische Gaunachrichten der NSDAP (16.11.1931).

unterbrechen begannen, kam es schließlich zu einer wüsten Schlägerei, in deren Folge einige Kommunisten verletzt wurden. Letztlich konnte die Behörde die Schuldfrage nicht klären: Die beiden Parteien bezichtigten sich gegenseitig, zuerst zugeschlagen zu haben.556

Je erfolgreicher die NSDAP agierte, desto häufiger wurden ihre Versammlungen Ziel von Attacken. Eine weitere kommunistische „Störaktion“ fand im August 1931 in der nationalsozialistischen „Hochburg“ St. Michael ob Leoben statt. Als die Ortsgruppe der NSDAP eine geschlossene Mitgliederversammlung im Gasthaus Wimmer einberief, erhielt sie von etwa 40 örtlichen Kommunisten ungebetenen

„Besuch“. Laut dem offiziellen Bericht entstand ein Tumult, in dessen Verlauf einige mit Zaunlatten bewaffnete Kommunisten gegen die Eingangstür des Gast-hauses droschen und 7 Fensterscheiben und einen Türflügel zertrümmerten.557 Wie brutal die aufgebrachten Menschen aufeinander losgingen, zeigt ein weite-rer Vorfall, der sich in Trofaiach Ende April 1931 ereignete, in dessen Folge ein

„prominenter“ Nationalsozialist wegen Vergehens gegen das so genannte „Anti-Terror-Gesetz“ angezeigt wurde. Der Ortsgruppenleiter von Trofaiach und spätere Salzburger Gauleiter, Karl Scharitzer, hatte sich angemaßt, eine Versammlung der

556 StLA BH Leoben Gr.14: K.8 (LGK E.N.4407/21.11.1927).

557 StLA ZGS (BKA) K.77/4: GPK St. Michael Exh.Nr.2135 (28.8.1931).

Abbildung 7: Diese um 1890 gemachte Aufnahme zeigt die vom Leobener Männergesangs-verein im Park in der Au errichtete Sängerhalle.

Sozialdemokraten durch hartnäckige Zwischenrufe zu stören. Aus dem Bericht der Staatsanwaltschaft Leoben geht hervor, dass Scharitzer trotz Redeverbot des Veranstalters den Gastredner mit fortlaufenden Zwischenrufen unterbrach, was einige Sozialdemokraten zunehmend in Rage versetzte. Bei den darauf folgenden Handgreiflichkeiten wurden 15 Nationalsozialisten und ein Sozialdemokrat ver-letzt. Unter den Verletzten befand sich auch der um Vermittlung bemühte Gastwirt Ressmann, dessen Einrichtung zum Teil zertrümmert wurde. Der Staatsanwalt beantragte die Bestrafung von Scharitzer sowie drei Rauflustigen, die ihre „Gesin-nungsgegner“ mit Stahlruten, Ochsenziemern, Bierkrügen und Sesseln schwer verletzt hatten.558

Im Verlauf der Wahlkampagnen im April 1932 rollte eine neuerliche Welle gewalttätiger Konfrontationen zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten und Nationalsozialisten heran, die nur durch das energische Einschreiten der Exekutive zu bändigen waren. In Leoben wurden zwei Nationalsozialisten, einer davon auf Krücken gehend, von einigen jugendlichen Sozialdemokraten auf offener Straße niedergeschlagen. In der anschließenden Keilerei wurden mehrere Nationalsozialis-ten von SozialdemokraNationalsozialis-ten mit ZaunlatNationalsozialis-ten und Gummiknüppeln niedergestreckt.559 Ob es sich bei jenem Gewaltakt um Vergeltung oder blinden Hass handelte, geht aus dem amtlichen Bericht nicht hervor. Bei Zusammenstößen mit jugendlichen Sozialdemokraten im September 1932 wurde der junge Nationalsozialist Josef Laß getötet und ein anderer, Paul Helle, schwer verletzt. Zuvor soll Laß seinen Angreifer, den Jungsozialisten Franz Truppe, von hinten mit einer Stahlrute attackiert haben.560 Das Begräbnis des „Blutzeugen“ Laß, das unter Beisein hoher NS-Funktionäre – Hitler ließ sich von Theo Habicht vertreten – stattfand, wurde zu einem dem Anlass entsprechenden Propagandaereignis hochstilisiert.561