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Die vorliegende Studie erfolgte während einer Reorganisationsphase. Im Rahmen der Zentralisierung der Aufgaben, wurden die einzelnen Bildungsressorts zu einem

Bildungsanbieter konsolidiert, der ‚Daimler Corporate Academy’. Der Zeitpunkt der Datenerhebung dieser Untersuchung lag unmittelbar vor der Transitionphase. Wie die Ergebnisse zeigen, hatte dieser Veränderungsprozess einen bedeutenden Einfluss auf die Wissensnutzung der Abteilung.

Wie sorgfältig die Reorganisation der Bildungsbereiche vom Management auch vorbereitet und begleitet wird, für die Mitarbeiter besteht zunächst ein hohes Maß an Unsicherheit aufgrund der Nichtvorhersagbarkeit ihrer Auswirkung. Sie setzen sich in dieser Phase verstärkt mit emotionalen Themen auseinander: Habe ich morgen noch eine Arbeitsstelle und wenn ja, wie sieht diese aus? Bin ich den veränderten Arbeitsbedingungen mit meinem Wissen gewachsen?353 Äußere Bedingungen steuern persönliche Entscheidungen, berufliche Pläne ändern sich, Fachwissen alleine ist kein Erfolgsgarant mehr. Mitarbeiter machen sich Sorgen, ob sie mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten noch gefragt sind. Insbesondere Existenzängste, Gefühle des Ausgeliefertseins, der Verunsicherung, der Wut und des Ärgers entstehen. Emotionale Phänomene wirken sich, wie zuvor in Kapitel 6.1 beschrieben, darauf aus, wie der einzelne Mitarbeiter Wissensangebote nutzt. Mitarbeiter mit unterschiedlichen Interessen, Bedürfnissen und Meinungen positionieren sich. Konkurrenzdenken, ein Kampf um Wissenshoheiten beginnt. Gerüchte werden geschürt, eine Eigendynamik setzt sich in Gang bis hin zu Mobbing:354 „Es löst eine Kultur aus, die nicht in Richtung Teamfähigkeit und Kooperation geht […] Man verwendet seine Energie, um sich gegenseitig zu bekriegen.“ 355 „Stress, Ärger, Kampf und Adrenalinschübe sind die Folge. Zeit und Energie gehen auf falschen Schauplätzen verloren.“356 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass während massiver Restrukturierungsprozesse Wissensnutzungsprozesse quasi kollabieren. Strukturen, Prozesse, Verantwortlichkeiten ändern sich. Ein Kampf gegen Windmühlen beginnt, wenn in dieser Phase effiziente Nutzungsprozesse umgesetzt werden sollen: Eine Firma sollte sich bewusst sein, dass sie in dieser Zeit […] nicht das volle Potential der Ideen kriegt und das ist für die Zeit danach […] schwer. Da braucht es etwas, damit wieder Vertrauen gebildet werden kann.“357 Nach der Restrukturierung ist es deshalb umso

353 Vgl. Abb. 44.

354 Ausführlicher hierzu Kapitel 5.1, 5.2, 5.3.2.1 und 5.7.

355 Zitat Quelle X.

356 Zitat Quelle E.

357 Vgl. Spycher 2003, S. 1.

wichtiger, den Wissensaustausch neu zu kultivieren.358 Allerdings ist das Entwickeln einer wissensförderlichen Ausgangsbasis nicht einfach, weil zwischen den neuen Teamkollegen zunächst Vertrauen wachsen muss. Dies ist eine Vorraussetzung dafür, dass kollegiales Wissen aufgenommen, ausgetauscht und angewendet wird.359 In kleinen Schritten ist es dennoch möglich, die Wissenskultur eines Unternehmens wieder in eine positive Richtung zu lenken.360

Allerdings liegt in der Zentralisierung, in der Zusammenführung der bislang verteilten Bildungsbereiche, aus Wissensmanagementsicht enormes Potential. Vor der Reorganisation der Bereiche stellten die unternehmensinternen Bildungsressorts

‚Silos’ mit eigener Philosophie, eigenen Konzepten und methodischen Ansätzen dar.

Durch die Zentralisierung wurden die Mitarbeiter anderen Abteilungen und Teams zugeordnet. Diese Zuordnung bringt neue Netzwerke mit sich. Nun gilt es, diese neu gewonnene Vielfalt, sowohl innerhalb der Organisationseinheiten als auch dazwischen, verstärkt zu nutzen. Des Weiteren ist es wichtig, alte Beziehungen, die bereits vor der Reorganisation bestanden, nun auch über die Grenzen der Corporate Academy hinaus weiterhin am Leben zu halten und systematisch zu pflegen: „Auf der anderen Seite ist es gerade die Chance der Bereicherung, dass in unterschiedlichen Organisationseinheiten, unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Blickwinkeln, mit unterschiedlichen Kundensegmenten ähnliche oder artverwandte Themen bearbeiten. […] Nutzungsaktivitäten zielen darauf ab unabhängig von der organisatorischen Zuordnung, das vorhandene Wissen zur Verfügung zu stellen, zu bündeln, gemeinsam weiterzuentwickeln, gemeinsam auszutauschen."361

Die organisationsübergreifende Nutzung der Ressource Wissen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dieses vorhandene Potenzial wird bislang erst ansatzweise genutzt:

„Wir haben Mitarbeiter, die lange im Geschäftsfeld arbeiten, Mitarbeiter, die lange beim Daimler sind, auch beides und externe Leute. Wenn man die zusammen an die Arbeit schickt, wenn man darauf achtet, dass die mehr zusammenkommen und gemischt sind, dann braucht es das formelle Wissensmanagement nicht.“362

358 Vgl. Liebmann/Kraigher-Krainer 2003.

359 Vgl. Kapitel 5.2.

360Bei Fragen zur Veränderung der Kultur eines Unternehmens siehe Kapitel 5.1, 5.2, 5.7, Agyris 1997, S. 70ff, Doppler/Lauterburg 2005, S. 454-471.

361 Zitat Quelle X.

362 Zitat Quelle Y.

Insbesondere Netzwerke mobilisieren verteiltes Wissen. Für eine optimale Wissensnutzung ist es notwendig, geeignete Netzwerkarchitekturen aufzubauen, beispielsweise in Form von Projektteams. Je nach Bedarf werden unterschiedliche Kompetenzen aus dem verfügbaren Kompetenzpool in den Projektteams gebündelt.

Durch die Integration verfügbarer Wissenspotenziale kann die 'Corporate Academy' flexibel auf Kundenwünsche reagieren.

Nach einer gewissen Zeit bilden sich auch in der neuen Organisationsstruktur erneut Silos. Wichtig ist es, dass das Management diese in regelmäßigen Abständen überdenkt und neu aufbricht. Der effektive Umgang mit der Ressource Wissen über die Grenzen bestehender Organisationseinheiten ermöglicht, dass Mitarbeiter zusammenkommen und sich gegenseitig durch den Austausch von Wissen und Erfahrung bei der Bewältigung neuer Bildungsanforderungen unterstützen und inspirieren. Durch dieses Vorgehen vergrößert sich die Nutzung der immensen Wissensbasis, die in der Corporate Academy vorhanden ist. Diese neuartige Organisation von Wissensprozessen stärkt die Wettbewerbsposition der Corporate Academy.

7 GELTUNGSBEREICH DER ERGEBNISSE

Um dem Leser eine Einschätzung der vorliegenden Ausarbeitung und ihrer Ergebnisse zu ermöglichen363, wird die Studie im Hinblick auf sechs allgemeine Gütekriterien qualitativer Forschung beleuchtet: Verfahrensdokumentation, argumentative Interpretationsabsicherung, Regelgeleitetheit, Nähe zum Gegenstand, kommunikative Validierung und Triangulation.364