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D 1: Frustration - Gelassenheit - Zufriedenheit - Begeisterung . 110

5.7 Emotion

5.7.2.1 D 1: Frustration - Gelassenheit - Zufriedenheit - Begeisterung . 110

Die erste Emotionsdimension beinhaltet die in Abb. 51 dargestellten Ausprägungen Frustration, Gelassenheit, Zufriedenheit und Begeisterung.

Frustration

Abb. 51: Frustration - Gelassenheit - Zufriedenheit - Begeisterung

Für weiterführende Erkenntnisse wird diese Dimension anhand ihrer Häufigkeitsverteilung in Abb. 52 genauer betrachtet.

Das Thema Frustration spielt eine bedeutende Rolle. 17 Interviewpartner äußern sich hierzu einundvierzigmal. Das Thema Zufriedenheit wird von 14 Interviewpartnern hingegen nur halb so oft angesprochen. Fünf Interviewpartner vertreten mit sieben und fünf Antworten die Themen Begeisterung und Gelassenheit.

7 17

5

14

5 20

41

5 0

10 20 30 40 50

Frustration Gelassenheit Zufriedenheit Begeisterung Anzahl Interviewpartner Anzahl Antworten

Abb. 52: Frustration - Gelassenheit - Zufriedenheit - Begeisterung/ Verteilung

Zunächst wird das Thema Frustration beleuchtet. Die derzeitigen Personalanpassungsmaßnahmen werden von den Interviewpartnern als äußerst emotionsbehaftet wahrgenommen. In dieser Phase tritt das Empfinden, mit seinem Wissen nicht gefragt zu sein, verstärkt auf: „Jedes Ausscheidensgespräch signalisiert dem Mitarbeiter, dass das Unternehmen sein Wissen und ihn nicht braucht, dass es für das Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen besser wäre, wenn er die Ausscheidensvereinbarung in Anspruch nehmen würde. Der Mitarbeiter neigt nicht dazu, Funktion und Person zu trennen, sondern bei ganzheitlicher Betrachtung des Mitarbeiters […], sieht er sich in seiner Person nicht wertgeschätzt. Das gibt die psychologische Bandbreite von Aggression und Auflehnung, Frustration und innerem Rückzug.298 Der Kampf um Wissenshoheiten beginnt. In dieser Zeit werden Informations- und Wissensvorsprünge im Sinne von Machtausbau und -erhalt eingesetzt: „Stress, Ärger, Kampf und Adrenalinschübe sind eine Folge. Zeit und Energie gehen derzeit auf falschen Schauplätzen verloren.“299Diese Erkenntnis ist für Quelle X ernüchternd und deprimierend. Die Tatsache, dass sich das Management weder durch aktives Vorleben noch durch entsprechendes Feedback für die gegenseitige Wissensnutzung einsetzt, wird als desillusionierend und enttäuschend erlebt. Auch die Downsizing-Maßnahmen, welche die letzten Werkstudenten, Praktikanten und Diplomanden abbauen, lösen Emotionen aus. Ein Bildungsbereich,

298 Zitat Quelle N.

299 Zitat Quelle E.

der keinen Nachwuchs ausbildet, verliert an Glaubwürdigkeit. Der Loyalitäts- und Identifikationsfaktor sinkt.

Ein weiteres Thema im Umgang mit Wissen ist dessen Missbrauch: „Es kommt durchaus vor, dass jemand etwas zur Verfügung stellt, jemand anderer verwendet es, setzt sein Zeichen darunter und verkauft es unter seinem Namen und sammelt dadurch Pluspunkte..300 Der Missbrauch von Wissen löst extreme Verhaltensreaktionen aus:

Wut und Ärger stauen sich auf, vorhandene Frustrationen verstärken sich. Der Missbrauch durch Vorgesetzte, welche die Ideen ihrer Mitarbeiter für Eigeninteressen nutzen, bewirkt Widerstand. Misstrauisch wird von den Mitarbeitern nur noch das nötigste Wissen an die Vorgesetzten weitergegeben, was zu einem bruchstückhaften, stockenden Wissensfluss führt, zeigen die Ergebnisse: „Verschafft sich die Führungskraft auf unfaire Weise durch das Wissen ihrer Mitarbeiter Vorteile […]

reduziert […] ein Vorgesetzter für sich die Möglichkeit […] an das Wissen seiner Mitarbeiter zu kommen, weil ich auch als Mitarbeiter Informationen zurückhalten kann.“301 Wissensmissbrauch im Kollegenkreis wirft die Frage auf, wie man als Kollege unter Kollegen interveniert: Spricht man Wissensmissbrauch an oder zieht man sich resigniert zurück? Resignation muss nicht zwangsweise folgen: „Ich habe schon schlechte Erfahrungen gemacht, dass andere meine Sachen verkauft haben. Da fühlst du dich enttäuscht, hintergangen, unberücksichtigt, nicht wertgeschätzt, kurzzeitig frustriert.“

Eine Umgebung in der gute Laune, Spaß am Lernen, am Austausch besteht, motiviert weitere Mitarbeiter, sich an der Wissensexploration zu beteiligen. Neugierig und interessiert erweitert man den Wahrnehmungs- und Wissenshorizont. Dabei werden alternativen Herangehens- und Sichtweisen Raum gegeben. So verspürt Quelle J Vorfreude im Hinblick darauf, von den Ansätzen der Kollegen zu lernen und dasselbe Thema auf verschiedene Arten anzugehen. Quelle Y fühlt sich beim Wissensaustausch schlicht und einfach gut: „Es ist die Erfahrung, selbst nach Konzepten zu fragen und das Gefühl zu haben, dass das in Ordnung ist und umgekehrt selbst nach Wissen gefragt zu werden, zu antworten und sich dabei gut zu fühlen.“

Man entdeckt und testet Neues aus, was zur Erweiterung des Erfahrungsschatzes führt und letztlich in neue oder optimierte Bildungsprodukte mündet. Die Vermittlung von

300 Zitat Quelle S.

301 Zitat Quelle F.

Lösungswegen bringt Zufriedenheit. Allerdings kann Zufriedenheit, laut Quelle L, dazuführen, dass bei Neukonzeptionen nicht recherchiert wird, was Kollegen bereits zu diesem Thema erarbeitet haben. Das Rad wird neu erfunden: „Genauso, dass es vielen Spaß macht und gewisse Zufriedenheit bringt, wenn sie etwas selbst entwickeln.“302

Innere Ruhe und Muße fördern höchste Produktqualität zu Tage. Die Optimierung bereits guter Konzepte benötigt Ruhe, berichtet Quelle E. Quelle Z ist darüber erfreut, dass sie sich aufgrund ihrer Erfahrung mit vielen inhaltlichen Aspekten ihres Arbeitsthemas vertraut fühlt: „Wenn ich die Knackpunkte eines Projekts kenne, kann ich Vorsichtsmaßnahmen treffen. Ich bin viel cooler, ich laufe auf mehreren Zylindern und bin viel ruhiger, als wenn ich völlig unbedacht irgendwo reinlaufe und schon zwei Tage vorher auf Puls 180 bin.“

5.7.2.2 D 2: Misstrauen - Vorsicht - Vertrauen

Die zweite Emotionsdimension umfasst die emotionalen Ausprägungen Misstrauen, Vorsicht und Vertrauen.

Vorsicht Vorsichtig Bedenken Sorge

Wissen schützen müssen Kritisch

Auf der Hut Misstrauen

Zweifel Skeptisch

Vertrauen

Abb. 53: Misstrauen - Vorsicht - Vertrauen

Die Häufigkeitsverteilung dieser Ausprägungen ist in Abb. 54 zu finden.

Die bereits in Kapitel 5.2.2.2 beschriebene Bedeutung von Vertrauen spiegelt sich in Abb. 54 wieder. 16 Aussagen von 12 Interviewpartnern sind hierunter gebündelt. Das Thema Vorsicht wird im Vergleich von zehn Interviewpartnern dreizehnmal angesprochen. Sechs Interviewpartner sprechen siebenmal von Misstrauen. Diese Emotionen werden im Anschluss beschrieben.

302 Zitat Quelle L.

7

12 10

6

13

16

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

Misstrauen Vorsicht Vertrauen

Anzahl Interviewpartner Anzahl Antworten Abb. 54: Misstrauen - Vorsicht - Vertrauen/ Verteilung

Die misstrauische Grundstimmung der Mitarbeitern spiegelt das Zitat von Quelle S wieder: „Das sind sicher nur Unterlagen, die jeder kennt, die überholte Version wird zur Verfügung gestellt, die neuste Version ist auf dem Laptop abgelegt.In einer Misstrauenskultur floriert Wissen wenig: Die Mitarbeiter vertreten die Einstellung,

„meine Konzepte stelle ich nicht auf das Laufwerk, sonst kann jeder mit meinen Konzepten machen was er will.“303 Das Gefühl eines Kontrollverlust kommt auch in der Aussage von Quelle R zum Vorschein: „Mit der Suchfunktion des OMP.nets suchte ich nach einer Stichwortkombination. Es wurde in der Ergebnisliste eine Datei angegeben, die ich vor fünf Jahren selbst erstellt hatte. Diese Datei war vertraulich und hätte nicht auf dem Laufwerk stehen dürfen.“

Unter Kollegen besteht Sorge bezüglich der Weiterverwendung von Unterlagen.

Insbesondere bei Weiterbildungsthemen kann eine Aussage, die in diesem Moment richtig ist, sich in einem anderen Kontext anders darstellen. Ob dieser Aspekt bei der Weiterverwendung mitbedacht wird, bezweifelt der ein oder andere. Unterlagen werden teilweise missinterpretiert und falsch angewendet, was wiederum das Ansehen des Erstellers schmälert: „Die Voraussetzungen sind implizit. Beispielsweise, dass adäquat mit dem Wissen umgegangen wird. Das war am Anfang ein viel diskutiertes Thema. Nach dem Motto, wenn jemand mein Wissen nutzt und wendet es falsch an,

303 Zitat Quelle W.

fällt es schlecht auf mich zurück. Das ist eine Urangst von Trainern und Beratern.“304 Quelle P äußert sich ebenfalls hierzu: „Meine Unterlagen werden angewendet ohne den Hintergrund zu kennen. Es wird nicht in meinem Interesse genutzt, so wie ich es damals entwickelt habe, es führt für mich zu falschen Ergebnissen und ich kann es nicht beeinflussen.“ Diese Sorge ist auch auf Anwenderseite bekannt: Das implizite Wissen, welches hinter Konzepten steht, ist meist nicht verfügbar. Dies führt zu Unsicherheiten in der Anwendung. Anwender befürchten, dem Ersteller nicht gerecht zu werden, was in einer zurückhaltenden Wissensnutzung mündet. Die verbreitete Einstellung, online Dokumente sollten allen Mitarbeitern zur Verfügung stehen, stimmt Quelle M bedenklich. Sie erlebt sich bei der Bereitstellung erfolgskritischer Unterlagen vorsichtig. Sie verspürt den Drang, diese schützen zu müssen: „Ich nehme vertrauliche Dokumente vom öffentlichen Laufwerk. […] Ich weiß nicht, wer alles auf das Laufwerk freigeschalten wird: Praktikanten, Azubis, Ferienbeschäftigte. Nein, da habe ich kein gutes Gefühl dabei.“

Das Thema Vertrauen wird bereits unter kulturellen Aspekten ausführlich behandelt.

An dieser Stelle sei kurz zusammengefasst, dass Vertrauen eine Kultur der Offenheit schafft, in der Wissen ein Gemeingut ist. Durch Vertrauen erhöht sich der Partizipationsgrad am Erfahrungsaustausch. Es wird weniger misstrauisch beobachtet, ob eine Gegenleistung auf die Bereitstellung eigenen Wissens erfolgt. Darüber hinaus ermutigt Vertrauen zu Kreativität und Querdenken.