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5.3 Sozialisation

5.3.2.5 Lebensalter

Die Statistik ergibt ein deutliches Bild. Dem Lebensalter wird Bedeutung zugesprochen. Sechs von sieben Interviewpartnern, die eine Aussage zum Thema Lebensalter machen, sind der Meinung, dass das Lebensalter eines Mitarbeiters einen entscheidenden Einfluss auf dessen Wissensnutzung hat. Der Wissensumgang verändert sich über die Lebensspanne.

Jüngere Mitarbeiter stellen aufgrund geringerer Berufserfahrung meist mehr Fragen, ältere Mitarbeiter geben aufgrund ihres Erfahrungswissens oftmals mehr Antworten.

Ältere Mitarbeiter geben jederzeit Wissen weiter, fragen aber umgekehrt bei Jüngeren selten nach. Die Jüngeren erleben die Älteren dadurch wenig an neuem Wissen, an neuen Herangehensweisen interessiert: „Es sind die Älteren, die wenig interessiert sind an neuen Ideen, die ihr Ding machen, da braucht es kein neues Wissen, keine neue Information. Die Jüngeren erlebe ich anders, man tauscht sich aus. Es sind mehr die Älteren, bei denen die Wissensweitergabe einseitiger verläuft. Ich sage dir etwas und das jederzeit, aber umgekehrt nicht nachfragen. Vielleicht erwarten sie von den Jüngeren nicht, dass sie Wissen kriegen, das ihnen etwas nutzt.“216 Ein idealer Austausch besteht aus einer Balance im Geben und Nehmen. Im Arbeitsleben hat jeder Mitarbeiter Wissen, welches er weitergeben kann.

Quelle T beobachtet, dass das Kooperationsverhalten im Alter zunimmt. Wer zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr Karriere machen möchte, verhält sich im Umgang mit Wissen bedeckter als am Ende seiner beruflichen Laufbahn. Die Angst, Wissen zurückhalten zu müssen, um auf der Karriereleiter nicht überholt zu werden, wird mit zunehmendem Alter geringer. Man denkt nicht mehr „was macht er mit diesem Ding, will er mich rechts überholen?“217 Mit dem Alter scheint die Grundeinstellung lockerer zu werden: „Es wird heute viel abgeschrieben, ich mache es selbst. Meistens erwähne ich den anderen, aber nicht immer. Wenn ich nur eine Folie einbaue eher nicht, ich sehe das heute nicht mehr so eng wie früher.218 Es lässt sich einen Zusammenhang zwischen Lebensalter und Vorbehalten gegenüber neuen EDV

216 Zitat Quelle F.

217 Zitat Quelle T.

218 Zitat Quelle T.

Anforderungen erkennen: „Die älteren Jahrgänge sind skeptischer gegenüber den immer wieder neuen Anforderungen der EDV.“219 Im Alter besteht Scheu, neue EDV Fertigkeiten, Handhabungswissen erwerben zu müssen „ich kannte die alte Version, jetzt kommt plötzlich ein Relaunch, jetzt muss ich alles umlernen und muss mich wieder einarbeiten!“ 220

Quelle Q hingegen geht davon aus, dass das Alter eine untergeordnete Rolle spielt.

Sie hat bereits die ganze Bandbreite an Verhalten erlebt. Ältere Kollegen, die viel Wissen weitergeben und welche, die nichts zur Verfügung stellen. Wobei „es bei älteren Kollegen zeitaufwendiger als bei jüngeren Kollegen war, etwas zu kriegen, weil ich erst Erklärungsmodelle fahren musste.“221

5.3.2.6 Geschlecht

Sechs der neun Interviewpartner erkennen geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Wissensnutzung: „Geschlechtsspezifische Unterschiede sind eindeutig. Ich gehe davon aus, dass Männer machohaft dazu neigen, Wissen weniger zur Verfügung zu stellen als es Frauen tun. Das hat mit der tradierten Männerrolle zu tun. Vielleicht ist es dieses archaische Modell des eigenen Machterhalts. Ich habe in unserem Bereich erlebt, dass es ein Revierverhalten mit dazugehörigen Fanclubs gibt.“222

Anzahl Interviewpartner

3

6

Kein geschlechtsspezifischer Unterschied

Geschlechtsspezifischer Unterschied

Abb. 39: Geschlechtsspezifische Unterschiede

Ein Drittel der Interviewpartner beobachten im Wissensumgang Unterschiede

219 Zitat Quelle S.

220 Zitat Quelle S.

221 Zitat Quelle Q.

222 Zitat Quelle X.

zwischen Frauen und Männer: „Ich bilde mir ein, dass unsere Männer in PZ/OMP weniger bereit sind zu teilen und sich auszutauschen als es die Frauen sind. Ich glaube, es hat wirklich etwas mit Männer und Frauen zu tun, mit der Bereitschaft miteinander als gegeneinander zu arbeiten. Die Männer sind eher die Platzhirsche auf der Lichtung, so erlebe ich es momentan zumindest hier. Ich würde geschlechtsspezifisch unterscheiden wollen. Das trifft nicht auf alle zu, aber es ist mit Sicherheit ein Trend.“223

Männer legen unter Männern großen Wert darauf, dass ihr Wissen gewürdigt und wertgeschätzt wird. Sie verbinden mit Wissen Dominanz und Einflussnahme.

Nichtwissen wird strengstens geheim gehalten. Bei der Wissensweitergabe an Dritte wird taktiert und unter Umständen machohaft weniger Wissen zur Verfügung gestellt als möglich wäre. Männer gehen mit dem Thema Wissen ‚emotionaler’224 um als Frauen, ist Quelle R überzeugt: „[…] Ich denke […], dass Frauen lockerer damit umgehen, aber allerdings durchaus zum Teil weniger wertschätzend. Ich erlebe Frauengespräche bei der Wissensvermittlung, die bei Männern nicht funktionieren würden, weil ein Mann sich sofort als unfähig einsortieren würde, was bei Frauen anscheinend nicht passiert.“225 Frauen gehen mit Wissen unbefangener um als Männer. Unbefangener bedeutet, freigiebiger im Geben und auch viel lockerer im Nehmen. Sie erkennen bei sich nicht gleich ein Defizit „wusste ich halt nicht, jetzt weiß ich es, gut“226. Frauen tauschen sich unter Frauen im Sinne der unaufgeforderten, kollegialen Unterstützung aus. Das Miteinander ist ihnen vertraut, sie haben den Blick für die Kollegen frei. Sie gehen weniger in Konkurrenz als es Männer tun. Quelle Y vertritt hierzu eine andere Meinung: „Unter Männern funktioniert der Austausch leichter, da Männer unkomplizierter miteinander sind. Es findet weniger Beziehungsarbeit und somit weniger Zeit, Geist und Kapazitätsinvestition in das Umfeld statt als bei Frauen. Das umeinander Wandern ‚sind wir uns noch grün, wie grün sind wir uns gerade’, deshalb bleibt mehr Zeit für Wissensthemen.“

Ein Drittel erkennt keinen geschlechtsspezifischen Unterschied: „Nein, ich kann nicht sagen, dass es einen geschlechtsspezifischen Unterschied gibt. Ich habe im Kopf

223 Zitat Quelle C.

224 Näheres zum Thema Emotionen in Kapitel 5.7.

225 Zitat Quelle R.

226 Zitat Quelle R.

ein paar Leute durchlaufen lassen, nein.“227 Der Wissenskampf äußert sich bei Frauen und Männer anders. Die männlichen Kollegen kämpfen mit ihren Ellbogen sehr viel offensichtlicher. Sie kommunizieren Grenzen klarer. Bei den weiblichen Kolleginnen erfolgt der Kampf subtiler. Das Endergebnis ist letztlich gleich. Der Wissensaustausch hängt mehr von der Persönlichkeit der Kollegen als vom Geschlecht ab: „Ich würde keinen geschlechtsspezifischen Unterschied machen. Ich habe auf beiden Seiten positive und negative Erfahrungen gemacht. Ich glaube der Wissenskampf äußert sich anders, aber ich würde nicht sagen, dass weibliche oder männliche Kollegen oder Mitarbeiter automatisch freizügiger mit Wissen sind.“228