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4.2 Entwicklung des Erhebungsverfahrens

4.2.1 Aufbau des Interviews

Alle 26 Interviews begannen mit derselben Eisbrecherfrage, gefolgt von standardisierten, narrativen Fragen. Danach unterschieden sich die ersten sieben von den restlichen 16 Interviews. In den ersten sieben Interviews wurden bei Bedarf Erzählimpulse durch eingestreute beobachtete Nutzungssituationen aus der teilnehmenden Beobachtung94 eingebracht, in den restlichen Interviews waren es Memos95. Abb. 13 verdeutlicht diesen Aufbau.

93 Vgl. Mayring 1999, S. 48.

94 Eine begriffliche Erläuterung ist in Kapitel 4.2.1.3 zu finden.

95 Für eine begriffliche Erläuterung sei auf Kapitel 4.2.1.4 verwiesen.

Zunächst zur Eisbrecherfrage ‚Warming up’.

4.2.1.1 Eisbrecher

Begonnen wurde mit folgender Eisbrecherfrage:

Was verstehst Du unter Wissensnutzung?96

WM ist ein viel diskutiertes Thema der Abteilung. Jeder konnte diese Frage beantworten. Die Antworten lieferten bereits erste Informationen zum Begriffsverständnis der Interviewpartner.

4.2.1.2 Narratives Interview97

Wie in Kapitel 3.2.2 beschrieben, gewann ich zu Beginn meiner Promotion die Erkenntnis, dass das Wissenspotential des Bildungsbereichs vom Einzelnen teilweise ungenutzt blieb. Warum ist das so? Die Literatur macht hierfür eine Reihe von Einflussfaktoren verantwortlich. Es besteht Bedarf an empirischen Studien, wie bereits die Problemstellung der Studie beschreibt. Die vorliegende Studie setzt sich zum Ziel, diese Foschungslücke anzugehen. Hierfür wird der Mitarbeiter, als eigentlicher Wissensträger, in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt. Es wird ein qualitatives Verfahren als geeignet erachtet, welches sich am Erleben und Verhalten der Mitarbeiter orientiert, ohne mit zu vielen Annahmen in die Befragung zu gehen. Das Narrative Interview erfüllt diese Voraussetzung. Nach und nach baut der Forscher seine Theorie auf den Antworten der Befragten auf.98 Diese Technik eignet sich in besonderer Weise, um den vorliegenden Erzählgegenstand zu erschließen bzw.

möglichst viel über die vorliegende Themenstellung zu erfahren.99 Sie räumt genügend Freiraum zur Betonung eigener Themenbereiche, persönlicher Schlüsselerlebnisse und Eindrücke ein.100 Lamnek geht davon aus, dass die Aneinanderreihung von Ereignissen den Erzählenden in Zugzwang bringt, Einzelheiten eingehend zu erklären.

Werte, Einstellungen, Emotionen und auch Konfliktfelder werden transparent.101

96 Die Anrede (Sie, Du) wurde an den jeweiligen Untersuchungsteilnehmer angepasst.

97 Vgl. Bortz 1995, S. 292f, Mayring 1999, S. 54ff.

98 Vgl. Lamnek 2005.

99 Vgl. Mayring 1999, S. 54ff.

100 Vgl. Hopf 1991.

101 Lamnek 2005, S. 358ff.

Das Gespräch wird über Fragen stimuliert. Die Fragen sind offen formuliert, um die Interviewpartner möglichst wenig in ihren Erzählinhalten zu beeinflussen:

„Welche Erwartungen hast Du an PZ/OMP, damit Du vorhandenes Wissen nutzt? Wurden diese Erwartungen bislang erfüllt?"

„Welche Arbeitssituationen fallen Dir ein, in denen Du verfügbares Wissen genutzt hast?

Welche Emotionen entstanden bei Dir bei der Wissensnutzung?“

„Welche Faktoren beeinflussen in PZ/OMP die Nutzung verfügbaren Wissens?“

Zwangsläufig gibt der Interviewer damit eine grobe Orientierung vor. Die vorherigen Fragen verdeutlichen, dass angenommen wird, dass eine gewisse Erwartungshaltung an funktionierende Wissensnutzungsprozesse besteht. Es wird vermutet, dass die Erwartungen zumindest teilweise nicht erfüllt sind.

Wissensbestände liegen derzeit brach. Darüber hinaus wird angenommen, dass Emotionen das Verhalten der Mitarbeiter in Wissensnutzungssituationen beeinflussen.

Die Beantwortung der geschilderten Fragen erfordert ein hohes Maß an Eigenleistung, Erzählkompetenz, Reflektionsfähigkeit und auch Offenheit des Interviewpartners. Diese Eigenschaften waren kein Auswahlkriterium bei der Zusammenstellung der Stichprobe. Auch wenn Schütze102 von einer schichtunabhängigen narrativen Kompetenz ausgeht, wurde vermutet, dass die zuvor genannten Eigenschaften bei den Einzelpersonen sehr unterschiedlich ausgeprägt sind.

Um das Gelingen der Gespräche zu unterstützen, wurde zu einem Hilfsmittel gegriffen, welches im folgenden Abschnitt näher erläutert wird.

4.2.1.3 Teilnehmende Beobachtung103

Während der ersten drei Monate meiner WM-Tätigkeit stellte ich eine Palette aus beobachteten, abteilungsinternen Alltagsszenen zusammen, in denen Mitarbeiter vorhandenes Wissen nutzen oder Wissenspotential ungenutzt blieb.104

102 Vgl. Schütze 1977.

103 Vgl. Becker/Geer 1979, Bortz 1995, S. 296f, Mayring 1999, S. 61ff.

104 Es wird davon ausgegangen, dass dieser Teil der Studie abgeschlossen war, bevor Prozesse des Vertrautwerdens mit der Abteilung Einfluss auf die Wahrnehmung hatten.

Diese unstrukturierten Beobachtungen fanden im offenen Feld statt. Dabei lautete die Faustregel: „Suche nach abteilungsinternen Situationen der Wissensnutzung“. Um vielfältige Nutzungsprozesse zu beobachten, suchte ich unterschiedliche Situationen mit diversen Zielgruppen auf. Ich nahm unter anderem regelmäßig an den

‚WissenKompakt’105 teil und beobachtete den Wissensaustausch im direkten Kontakt.

Bei der Implementierung des OMP.nets106 erläuterte ich den Kollegen die Systemfunktionen und erfasste ihr Feedback zu dessen Anwendung.

Wesentlich ist hierbei, dass die Mitarbeiter nicht über meine Forschungsabsicht informiert waren.107 Die schriftliche Aufzeichnung der Beobachtung erfolgte in Form eines nachträglichen Gedächtnisprotokolls. Dieses wurde am selben Tag der Beobachtung erstellt.108

In die ersten sieben von 26 Interviews wurden Themen aus den beobachteten Situationen einbezogen. Dadurch sollten Erinnerungen an Schlüsselerlebnisse, typische Geschehensabläufe, Handlungszusammenhänge, innere Bilder und Gefühle beim Gesprächspartner ausgelöst werden. Die Alltagsszenen sollten sowohl die rationale als auch emotionale Ebene ansprechen. Aus der Palette an Beobachtungen wurden verstärkt die Situationen ausgewählt, von denen angenommen wurde, dass sie einen Bezug zum Gegenüber hatten und dadurch Erzählimpulse auslösten.

Die in Kapitel 4.2.1.2 erwähnte Vermutung, dass die Erzählkompetenz nicht bei allen Interviewpartnern als gegeben angenommen wurde, erwies sich nur als teilweise zutreffend. Im Laufe der Interviewdurchführung kamen Annahmen und Überlegungen aufgrund der bereits ausgewerteten Interviews auf, welche im Sinne der Memos109 in die weiteren Interviews eingebracht wurden.110 Sie lösten ab dem achten Interview die beobachteten Situationen ab.111

4.2.1.4 Memos

Hypothesen, Fragen und Unklarheiten zu Kategorien, Dimensionen und Konzepten,

105 Erläuterungen hierzu finden sich in Kapitel 3.2.5.

106 Das OMP.net wird in Kapitel 3.2.5 beschrieben.

107 Vgl. Lamnek 1995, S. 247ff.

108 Vgl. Masberg 2004, S. 61.

109 Eine Erläuterung des Begriffs ‚Memo’ folgt im Anschluss.

110 Vgl. Kap 4.1.2.

111 Vgl. Abb. 13.

die beim Kodieren oder danach entstanden, wurden als Memos auf ‚Post-it Notes’

festgehalten.112 Durch Vergleiche, Überlegungen, zusätzliche Analysen und das Einbringen der Memos in nachfolgende Interviews wurden die Konstrukte strukturiert, miteinander verknüpft, erweitert, vervollständigt und verworfen. Die zeitgleiche Erhebung, Kodierung und Analyse der Daten erfolgte entsprechend den Grundsätzen der Grounded Theory.113

Abb. 15 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Memos und gegenstandsbezogener Theoriebildung.

Datenerhebung des Forschers im Feld

„Stop and Memo!“ Anfertigen von Merkzetteln über konzeptuelle Aspekte

Ausarbeiten und Vervollständigen von Memos

Vergleichen und Verknüpfen der Memos Gegenstandsbezogene Theorie

Abb. 15: Gegenstandsbezogene Theoriebildung114