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4. Erfordernisse und Angebote im Vor- und Umfeld der Pflege

5.5 Zu erwartende Entwicklungen und Veränderungen im Bereich der Pflege

5.5.1 Relevante Einflussgrößen

Die Zahl der älteren hilfs- und pflegebedürftigen Menschen bestimmt sich im Wesent-lichen aus der Stärke der Besetzung einzelner Altersgruppen und den altersspezifischen Hilfs- und Pflegebedürftigkeitsquoten, die sich unter dem Begriff der Morbidität einordnen lassen (vgl. Schaubild 5.16). Die Altersstruktur der Bevölkerung stellt keine feste Größe dar, sondern befindet sich in stetigem Fluss und hängt maßgeblich von der Entwicklung der Geburten- und Sterberaten sowie von den zu verzeichnenden Zu- und Fortzügen ab.

Die vom Amt für Wahlen, Statistik und Stadtforschung vorgelegte Bevölkerungsvoraus-berechnung für Wiesbaden bis zum Jahr 2030 basiert auf einer Fortschreibung der dies-bezüglich für die Jahre 2007 bis 2011 ermittelten Durchschnittsangaben.

Während in der Literatur nahezu einhellig davon ausgegangen wird, dass sich die durch-schnittliche Lebenserwartung aufgrund des medizinischen Fortschritts und der verbes-serten Lebensbedingungen weiter erhöht, gehen die Auffassungen, was die Entwicklung der Morbiditätsraten betrifft, auseinander (vgl. auch Abschnitt 3.1.1). Zumindest für die nahe Zukunft erscheint es am plausibelsten von keinen nennenswerten Veränderungen in den altersspezifischen Hilfs- und Pflegebedürftigkeitsquoten auszugehen.

Nicht jede Bedürftigkeit begründet einen Bedarf. Vielmehr ist Letzteres eine Frage der rechtlichen Normierung und kommt es zudem darauf an, inwieweit der Einzelnen seine Ansprüche realisiert. Bereits seit Längerem wird über eine grundlegende Reform der Pfle-geversicherung nachgedacht, die u.a. eine Neugestaltung der Pflegebedürftigkeitskriterien und eine stärkere Berücksichtigung von kognitiven Einschränkungen bei der Bedarfsfest-stellung zum Gegenstand hat. Über die möglichen Auswirkungen lässt sich hier an dieser Stelle nur spekulieren. Weder ist klar, ob und wann eine umfassende Reform des Pflege-bedürftigkeitsbegriffs kommen wird noch ist absehbar, wie die Regelungen im Einzelnen aussehen werden. Im Folgenden bleibt dieser Punkt daher außen vor.

Welche Leistungen in Anspruch genommen werden, ist zunächst eine Frage der objekti-ven Erfordernisse. Werden lediglich zu bestimmten, planbaren Zeiten Handreichungen benötigt, wie z.B. Hilfen beim An- und Auskleiden oder beim Baden, lässt sich eine Pflege in der eigenen Häuslichkeit sicherlich einfacher organisieren als im Falle einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung und -Versorgung. Entsprechend verlagert sich die Art der nachgefrag-ten Leistung mit zunehmender Pflegestufe weg vom Pflegegeld hin zu einer vermehrnachgefrag-ten Inanspruchnahme von Pflegediensten und stationären Leistungen (vgl. Abschnitt 5.2).

Wie verschiedene Untersuchungen aufzeigen, gilt dies umso mehr, wenn zusätzlich Des-orientiertheit, Harn- oder Stuhlinkontinenz sowie Selbst- und Fremdgefährdung eintreten (vgl. u.a. Schneider 1998).

Darüber hinaus ist das abrufbare Angebot an ergänzenden und vorgelagerten Dienstleis-tungen, technischen Hilfsmitteln sowie informellen Unterstützungspotenzialen in Rech-nung zu stellen, die diese Leistungen komplementieren und unterfüttern. Ob sie zum Ein-satz kommen bzw. zum EinEin-satz kommen können, hängt allerdings - wie die Wahl der Hil-feart generell - von den persönlichen Lebensumständen und den individuellen Präfe-renzen ab:

Schaubild 5.16: Relevante Bestimmungsgrößen für die Zahl der älteren hilfs- und pflegebedürftigen Menschen und die Nachfrage nach Unterstützung

Entwicklung der

- Der Zugang zu ergänzenden und vorgelagerten Dienstleistungen setzt Informationen und Kompetenzen voraus und - falls diese über den Markt bezogen werden - auch aus-reichende finanzielle Mittel.

- Technische Hilfsmittel kommen erst dann richtig zum Tragen, wenn das persönliche und soziale Umfeld stimmt und z.B. auch die Lage und Ausstattung der Wohnung den veränderten Anforderungen genügen.

- Ob und welche Unterstützung ältere pflegebedürftige Menschen innerhalb ihres sozia-len Netzwerks erfahren, hängt maßgeblich davon ab, über welche Bezugspersonen sie verfügen und wie sich deren Lebenssituation gestaltet.

Fasst man die Ausführungen zusammen, wird deutlich, wie hoch variabel das Geschehen in diesem Bereich ist und mit welchen Unsicherheiten Aussagen über die zukünftige Ent-wicklung behaftet sind. Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, dass es durchaus

An-satzpunkte gibt, um regulierend und steuernd auf diesen Bereich einzuwirken, sei es auf der Ebene von rechtlichen Normierungen oder auf der Ebene der Angebotslandschaft.

5.5.2 Fortschreibung der Entwicklung bis zum Jahr 2030

Die bis zum Jahr 2030 zu erwartenden Entwicklungen deuten sowohl in Richtung einer zunehmenden Zahl von älteren Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf als auch in Rich-tung einer veränderten strukturellen Zusammensetzung dieses Personenkreises. Dies soll im Folgenden zunächst getrennt nach einzelnen Bereichen näher herausgearbeitet wer-den, bevor auf die sich hieraus ergebenden veränderten Anforderungen an das Unterstüt-zungssystem eingegangen wird.

5.5.2.1 Hilfsbedürftige ältere Menschen

Die von Infratest im Rahmen von MUG durchgeführten Erhebungen liefern Anhaltspunkte dafür, wie viele ältere Menschen einen Hilfebedarf unterhalb der Schwelle einer Pflegebe-dürftigkeit im engeren Sinne aufweisen. Die ausgewiesenen Quoten stammen aus zwei unabhängigen Erhebungen aus unterschiedlichen Jahren und weichen leicht voneinander ab (Schneekloth & Potthoff 1993 sowie Schneekloth u.a. 1996, Schneekloth & Wahl 2005). Um eine Marge aufzuspannen, gingen die Angaben aus beiden Erhebungen in die nachfolgende Betrachtung mit ein.

Schaubild 5.17: Ältere Menschen mit Hilfebedarf in Wiesbaden

(Schätzung auf Grundlage unterschiedlicher Bedürftigkeitsraten)

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnung des Amtes für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (2012), Schneekloth & Potthoff 1993 sowie Schneekloth u.a. 1996,

Schneekloth & Wahl 2005

Folgt man diesen Angaben, wird die Zahl der hilfebedürftigen älteren Menschen über 65 Jahre in Wiesbaden von derzeit geschätzten 7.100 bis 8.500 Personen auf 8.500 bis 10.100 im Jahr 2030 ansteigen, was einer Steigerung um 19 % entspricht.

Für die Gruppe der 80-jährigen und Älteren errechnet sich ein Zuwachs um 1.300 bis 1.500 Personen, von derzeit rund 3.500 bis 4.100 Hilfebedürftigen auf 4.800 bis 5.600 im Jahr 2030, was einer Steigerung um 37 % entspricht.

Geht man davon aus, dass sich die Betroffenheit von Männern sowie von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit nicht grundlegend vom Durchschnitt in der

Bevölke-rung unterscheidet - oder zumindest nicht deutlich niedriger ausfällt - und legt die von Infratest 1991 ermittelte Quote im Sinne einer unteren Variante direkt auf diese beiden Untergruppen an, wird ersichtlich, dass hier eine noch deutlich stärkere Zunahme zu er-warten ist. So wird sich die Zahl der hochbetagten über 80-jährigen Männer mit Hilfebe-darf aller Voraussicht nach um die Hälfte erhöhen, die Zahl der über 80-Jährigen Perso-nen ohne deutsche Staatsangehörigkeit6) mit Hilfebedarf sogar verdoppeln (vgl. Tabelle 5.12).

Tabelle 5.12: Geschätzte Zahl der älteren Menschen mit Hilfebedarf (untere Variante) Steigerung gegenüber 2013 in %

65 J. u.ä. 108 112 122 119 127 149

80 J. u.ä. 122 136 143 137 159 206

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnung des Amtes für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (2012), Schneekloth & Potthoff 1993 sowie Schneekloth u.a. 1996

5.5.2.2 Ältere Menschen mit Demenz

Eine Personengruppe, die nicht zuletzt im Zuge der Reformen zum Pflegeversicherungs-gesetz zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist, stellt der Kreis der Men-schen mit Demenz dar. Der Begriff „Demenz“ bezeichnet eine ganze Gruppe von Krank-heitsbildern, bei denen wichtige Gehirnfunktionen wie Gedächtnis, Orientierung, Sprache und Lernfähigkeit nach und nach verloren gehen. Mit rund zwei Drittel aller Fälle ist die Alzheimer-Krankheit die häufigste Form (vgl. Berliner Institut für Bevölkerung und Ent-wicklung 2011).

Anhaltspunkte für die Häufigkeit des Vorliegens von Demenzerkrankungen liefern zum einen die von Bickel (1999) anhand einer Meta-Analyse für Deutschland ermittelten al-tersspezifischen Prävalenzraten von mittelschweren und schweren Demenzen und zum anderen eine Untersuchung von Ziegler und Droblhammer (2009) auf der Basis von Kran-kenversicherungs-Daten. Einen Einblick vermittelt darüber hinaus auch die im Rahmen von Alzheimer Europe (2009) durchgeführte Erhebung.

6) Die Beschränkung auf Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist lediglich im Sinne einer Annäherung zu verstehen. Viele dieser Menschen leben schon seit Jahrzehnten in Wies-baden, beherrschen die deutsche Sprache fließend in Wort und Schrift und finden sich gut in den Strukturen zurecht. Hieran wird deutlich, dass bezogen auf diese Gruppe keinesfalls pau-schal von besonderen Zugangserschwernissen oder einem speziellen Hilfe- und Unterstüt-zungsbedarf auszugehen ist. Dies gilt noch stärker für die Gruppe der Menschen mit Migrati-onshintergrund, die per definitionem weiter gefasst ist und der insbesondere bei den Älteren auch viele Personen mit Vertriebenenstatus sowie (Spät-)Aussiedler zugeordnet sind.

Schaubild 5.18: Menschen über 65 Jahre mit Demenzerkrankungen in Wiesbaden (Schätzung auf Grundlage unterschiedlicher Prävalenzraten)

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnung des Amtes für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (2012), Bickel (1999), Ziegler & Doblhammer (2009), Alzheimer Europe (2009) Je nachdem, welche Prävalenzraten man zu Grunde legt, gelangt man zu etwas anderen Zahlen. Der Trend ist allerdings eindeutig. Die Zahl der älteren Menschen mit Demenz in Wiesbaden wird in den nächsten Jahren deutlich ansteigen - in der „Minimalvariante“ un-ter Heranziehung der Prävalenzraten von Ziegler und Doblhammer (2009) von derzeit rund 4.100 auf 5.200 im Jahr 2030, in der „Maximalvariante“ auf Basis der Prävalenzraten von Alzheimer Europe von 5.100 auf 6.400. Beides entspricht einer Steigerung um 26 %.

Tabelle 5.13: Geschätzte Zahl der älteren Menschen mit Demenz auf Basis der altersspezifischen Prävalenzraten von Ziegler & Doblhammer (untere Variante)

2013 2020 2030

Quote

2009 Insg. Männer Ausl. Insg. Männer Ausl. Insg. Männer Ausl.

65-69 J. 1,4 189 96 28 196 97 26 240 122 31

70-74 J. 3,1 464 214 43 405 187 51 445 208 52

75-79 J. 6,3 743 286 52 717 281 64 705 272 73

80-84 J. 11,8 822 290 54 1.163 419 74 1.053 388 95

85-89 J.. 21,4 1.052 290 38 1.069 339 56 1.293 429 86

90 J. u.ä. 31,1 828 137 19 991 229 31 1.419 391 58

65 J. u.ä. 4.098 1.312 234 4.540 1.552 302 5.156 1.810 395 80 J. u.ä. 2.702 717 112 3.222 987 160 3.765 1.208 239 Steigerung gegenüber 2013 in %

65 J. u.ä. 111 118 129 126 138 169

80 J. u.ä. 119 138 143 139 168 213

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnung des Amtes für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (2012), Ziegler & Doblhammer (2009

Schlüsselt man die Angaben nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit7) auf, zeigt sich, dass im Hinblick auf die Häufigkeit von Demenzerkrankungen ein ähnlich hoher Zuwachs unter den Männern sowie den Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zu erwar-ten ist wie bei der Zahl der älteren Menschen mit häuslichem Hilfebedarf.

Folgt man den Angaben in der Literatur, so wird die überwiegende Mehrzahl der älteren Menschen mit Demenz zu Hause durch nahe Bezugspersonen versorgt. Im Demenz-Report des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung (2011) wird der Anteil mit 75 % beziffert. Ein gutes Viertel davon nimmt zusätzlich professionelle Unterstützung in Anspruch (vgl. Rothgang et al. 2011). Bezogen auf die geschätzte Zahl von derzeit 4.100 bis 5.100 älteren Menschen mit Demenz in Wiesbaden würde das aktuell auf 900 bis 1.000 Personen zutreffen, im Jahr 2030 auf 1.200 bis 1.300.

Rund ein Viertel der älteren Menschen mit Demenz lebt den Angaben des Demenz-Re-ports zufolge in Pflegeheimen. Aktuell wären das in Wiesbaden zwischen 1.100 und 1.400 Personen und damit gut die Hälfte aller Heimbewohner. Bis zum Jahr 2030 würde sich diese Zahl gemäß einer einfachen Fortschreibung auf 1.300 bis 1.600 erhöhen.

5.5.2.3 Pflegebedürftige ältere Menschen

Um zu ermessen, wie sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Wiesbaden bis zum Jahr 2030 weiterentwickeln wird, wurden die sich aus der amtlichen Pflegestatistik ergebenden altersspezifischen Quoten auf die Bevölkerungsvorausberechnung übertragen. Dabei wurde prinzipiell unterstellt, dass sich die derzeitigen Pflegewahrscheinlichkeiten in den kommenden Jahren nicht wesentlich verändern werden, also beispielsweise von den 80-84-Jährigen ein ähnlich hoher Anteil pflegebedürftig sein wird wie heute.

Im Sinne einer Annäherung wurden zwei Prognosevarianten berechnet. Variante 1 basiert auf den altersspezifischen Pflegebedürftigkeitsquoten für das Jahr 2011, Variante 2 auf dem Durchschnitt der Jahre, 2007, 2009 und 2011. Zusätzlich wurde eine Toleranzmarge von ± 2,5 % bezogen auf das jeweilige Minimum und Maximum angelegt. Die Abweichun-gen zwischen den Prognosevarianten lieAbweichun-gen bei 8 % und beweAbweichun-gen sich in absoluten Zah-len in einer Größenordnung zwischen 530 und 690. In Schaubild 5.19 und Tabelle 5.14 sind die Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.

Gemäß den Prognosevarianten bewegt sich die Zahl der älteren Menschen über 65 Jahre mit Pflegebedarf in Wiesbaden aktuell in einer Größenordnung zwischen 5.900 und 6.400.

Bis zum Jahr 2030 steigt sie aller Voraussicht nach kontinuierlich um 1.800 bis 1.900 Per-sonen bzw. 30 % an. Zwischen 7.700 und 8.400 ältere Menschen über 65 Jahre werden dann dieser Personengruppe zuzurechnen sein.

Diese Entwicklung basiert fast ausschließlich auf einem Anstieg in der Zahl der Pflegebe-dürftigen über 80 Jahre, ausgehend von derzeit schätzungsweise 4.000 bis 4.300 Perso-nen auf 5.800 bis 6.200 im Jahr 2030. Die Zahl der jüngeren Pflegebedürftigen zwischen 65 und 79 Jahre bleibt hingegen nahezu unverändert.

7) Die Beschränkung auf Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist im Sinne einer zah-lenmäßigen Annäherung an die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund zu verstehen, bei denen sprachliche, kulturelle oder sonstige Besonderheiten zu beachten sind. (vgl. auch Fußnote 6).

Schaubild 5.19: Menschen über 65 Jahre mit Pflegebedarf in Wiesbaden (Schätzung auf Grundlage unterschiedlicher Quoten)

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnung des Amtes für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (2012), amtliche Pflegestatistik für Wiesbaden (2007 bis 2011)

Geht man vereinfachend davon aus, dass sich die Häufigkeit des Vorliegens einer Pflege-bedürftigkeit nicht grundlegend zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Personen mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit8) unterscheidet, wird ersichtlich, dass hier eine noch deutlich stärkere Zunahme zu erwarten ist. So wird die sich Zahl der hochbetagten über 80-jährigen Männer mit Pflegebedarf aller Voraussicht um 75 % erhöhen, die Zahl der über 80-Jährigen Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit mit Pflegebedarf so-gar etwas mehr als verdoppeln (vgl. Tabelle 5.14).

Tabelle 5.14: Geschätzte Zahl älterer Menschen über 65 Jahre mit Pflegebedarf auf Basis der altersspezifischen Pflegequoten 2007-2011

Durch. 2013 2020 2030

Quote

07-11 Insg. Männer Ausl. Insg. Männer Ausl. Insg. Männer Ausl.

65-69 J. 2,4 324 153 47 336 154 45 411 195 53

70-74 J. 4,2 619 280 57 540 246 68 594 273 69

75-79 J. 8,6 1.023 442 72 989 434 90 971 420 100

80-84 J. 16,6 1.157 467 78 1.639 675 106 1.487 625 135 85-89 J.. 30,7 1.508 497 56 1.549 581 84 1.882 734 127 90-94 J. 50,6 1.100 236 24 1.172 366 42 1.729 598 79

95 J. u.ä. 66,2 326 53 11 578 120 13 804 234 27

65 J. u.ä. 6.057 2.128 346 6.803 2.576 448 7.879 3.080 591 80 J. u.ä. 4.090 1.252 169 4.938 1.742 245 5.902 2.191 369 Steigerung gegenüber 2013 in %

65 J. u.ä. % 112 121 130 130 145 171

80 J. u.ä. 121 139 145 144 175 218

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnung des Amtes für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (2012), amtliche Pflegestatistik für Wiesbaden (2007 bis 2011)

8) Die Beschränkung auf die Gruppe der Älteren mit ausländischer Staatsangehörigkeit dient dazu, zu verdeutlichen, dass keinesfalls pauschal bei allen älteren Menschen mit Migrations-hintergrund von speziellen Hilfe- und Unterstützungsbedarfen oder Zugangserschwernissen auszugehen ist.

Nimmt man die Schätzung getrennt nach Hilfearten vor, ergibt sich die in Tabelle 5.15 wiedergegebene Verteilung. Selbst wenn sich das Nachfrageverhalten nicht ändert, ist aufgrund der demografischen Veränderungen und der zu erwartenden starken Zunahme der Hochbetagten über 85-Jährigen mit einer Reduzierung der Inanspruchnahme von reinen Geldleistungen zu rechnen. Der Anteil an allen Empfängern von Pflegeversiche-rungsleistungen wird sich nach diesen Berechnungen um 2 Prozentpunkte verringern. Der Anteil der Bezieher von häuslichen Sachleistungen bleibt hingegen über den gesamten Zeitraum bei einem Wert von um die 26 %.

Tabelle 5.15: Geschätzte Zahl der 65-jährigen und älteren Bezieher

unterschiedlicher Pflegeversicherungsleistungen in Wiesbaden auf Grundlage der Minimal- und Maximalvariante

Ver-

Quelle: Bevölkerungsvorausberechnung des Amtes für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (2012), amtliche Pflegestatistik für Wiesbaden (2007 bis 2011)

Wie aus Tabelle 5.15 außerdem hervorgeht, wird sich die Zusammensetzung der Emp-fängerinnen und Empfänger in allen Bereichen deutlich in Richtung eines höheren Anteils an Männern sowie an Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit verschieben. Der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer erhöht sich voraussichtlich um 2 Prozentpunkte, der Anteil der Männer um 3 bis 5 Prozentpunkte.

Geht man davon aus, dass die Relation zwischen Leistungsempfängern und Beschäftig-ten im Bereich der häuslichen Sachleistungen auch zukünftig bei 2,27 zu 1 liegen wird, so entspricht dem bis 2030 zu erwartenden Zuwachs um 443 bis 495 Leistungsempfänger ein Mehrbedarf von 195 bis 218 Beschäftigten im Jahr 2030, was gemessen am derzeiti-gen Stand von 790 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste einer Stei-gerung von um die 25 % entspricht. Berücksichtigt man zusätzlich das derzeitige Verhält-nis zwischen Teilzeit- und Vollzeitkräften und rechnet Teilzeitkräfte durchschnittlich mit einer halben Stelle ein, wären das bezogen auf Vollzeitäquivalente zwischen 135 und 151 zusätzliche Stellen.

Für den Heimbereich ist losgelöst davon noch einmal eine eigenständige Fortschreibung vorzunehmen, wobei zusätzlich der Bereich der Kurzzeitpflege mit einzubeziehen ist.9) Folgende Varianten wurden berechnet:

(1) Minimalvariante: Die anhand der Pflegestatistik 2011 ermittelten altersspezifischen Heimquoten werden auf Grundlage der aktuellen Bevölkerungs-prognose für Wiesbaden fortgeschrieben. Die ermittelte Zahl wird pauschal um eine Toleranzmarge von 2,5 % verringert. Für Kurz-zeitpflege und die Versorgung jüngerer pflegebedürftiger Menschen unter 65 Jahre werden 70 Plätze hinzugerechnet.

(2) Maximalvariante: Die Fortschreibung basiert auf den für Wiesbaden ermittelten durchschnittlichen altersspezifischen Heimquoten der Jahre 2007 bis 2011. Pauschal wird eine Marge von 2,5 % hinzugerechnet. Der Bedarf für Kurzzeitpflege und die Versorgung jüngerer Pflegebe-dürftiger wird mit 130 Plätzen veranschlagt.

(3) Richtgröße NRW: Der für den stationären Bereich geltende Bedarfsanhaltswert in Nordrhein-Westfalen geht von 140 Plätzen pro 1.000 Einwohner im Alter von 80 Jahren oder älter aus. 70 Plätze für den Bereich der Kurzzeitpflege werden hinzugerechnet.

Wie Schaubild 5.20 verdeutlicht, liegt die Zahl der Ende 2013 in Wiesbaden im Bereich der stationären Pflege vorgehaltenen 2.336 Plätze10) leicht über dem prognostizierten Be-darf von 2.290 nach der Maximalvariante (+46). Nach gegenwärtigem Kenntnisstand kommen nach Abschluss bereits laufender Baumaßnahmen bis Ende 2014 in der Bilanz weitere 52 Plätze hinzu, so dass sich der Bestand dann auf 2.388 Plätze belaufen wird.

Ab 2022 reicht der Bestand auch unter der Minimalvariante nicht mehr aus, um den prog-nostizierten Bedarf zu decken (-34). Legt man die Maximalvariante zugrunde, ist dies be-reits ab 2016 der Fall (-54), nach der Richtgröße für Nordrhein-Westfalen ab 2018 (-42).

9) Da die ausgewiesenen altersspezifischen Bezugsquoten im stationären Bereich zwischen 2009 und 2011 leicht zurückgegangen sind, sind die geschätzten Empfängerzahlen auf Grundlage der Werte für 2011 geringer als anhand der Durchschnittsangaben für 2007 bis 2011. D.h. es gibt keine einheitliche Minimal- und Maximalvariante über alle Bereiche hinweg. Die dritte Rubrik in Tabelle 5.15 trägt daher auch die Bezeichnung „übrige Empfänger“.

10) Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass teilweise bei den neueren Pflegeeinrichtungen noch nicht alle Stationen in Betrieb genommen waren und dementsprechend nicht alle Plätze tatsächlich für eine Belegung zur Verfügung standen.

Schaubild 5.20: Prognostizierte Bedarfsentwicklung im Bereich der stationären Pflege

Jahr

2013 2015 2020 2025 2030

vorhandene Pflegeplätze 2.336 2.388 2.388 2.388 2.388 Minimalvariante 2.048 2.147 2.347 2.572 2.800 Richtgröße NRW 2.108 2.224 2.607 2.756 2.833 Maximalvariante 2.290 2.397 2.620 2.869 3.115 Differenz

Minimalvariante +288 +241 +41 -184 -412 Richtgröße NRW +228 +164 -219 -368 -445 Maximalvariante +46 -9 -232 -481 -727 Quelle: Bevölkerungsvorausberechnung des Amtes für Strategische Steuerung, Stadtforschung

und Statistik (2012), amtliche Pflegestatistik für Wiesbaden (2007 bis 2011)

Für den Zeitraum von 2020 bis 2024 liefern die Maximalvariante und die Richtgröße für Nordrhein-Westfalen nahezu identische Ergebnisse. Für 2020 errechnet sich ein Mehrbe-darf zwischen 219 und 232 Pflegeplätzen, für 2024 von 407 bis 428 Plätzen.

Während der Bedarf nach der Maximalvariante auch über diesen Zeitraum hinaus noch weiter ansteigt, ergibt sich nach der Richtgröße für Nordrhein-Westfalen eine weitgehende

Konstanz. Gleichzeitig nähert sich der errechnete Wert der Minimalvariante an. Für 2030 ist nach beiden Prognosevarianten von einem Mehrbedarf an 412 bis 445 Pflegeplätzen auszugehen.

Um den aller Voraussicht nach im Jahr 2020 zu verzeichnenden Mehrbedarf an 200 Pfle-geplätzen in Wiesbaden aufzufangen, sind 3 bis 4 zusätzliche Einrichtungen erforderlich in einer mittleren Größenordnung von um die 60 Plätze.

Geht man davon aus, dass die Relation zwischen Pflegebedürftigen und Beschäftigten im Bereich der stationären Pflege auch zukünftig bei 1,4 zu 1 liegen wird, so entsprechen 200 zusätzliche Pflegeplätze einem Personalbedarf von 143 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Berücksichtigt man zusätzlich das derzeitige Verhältnis zwischen Teilzeit- und Vollzeit-kräften und rechnet Teilzeitkräfte durchschnittlich mit einer halben Stelle ein, wären das bezogen auf Vollzeitäquivalente etwa 105 zusätzliche Stellen.

Soweit es sich gegenwärtig absehen lässt, ist darüber hinaus zwischen 2020 und 2024 noch einmal eine Aufstockung der Pflegeplätze in derselben Größenordnung erforderlich, wobei die erreichte Platzzahl dann bis 2030 ausreichen sollte.

5.6 Zusammenfassende Betrachtung zum Hilfe- und Pflegebedarf

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nur ein geringer Teil der älteren Menschen auf Unterstützung im Bereiche der Pflege angewiesen ist. Durch die Pflegeversicherung wird ein Teil der Kosten übernommen. Der Rest ist aus Eigenmitteln sowie gegebenenfalls aus Mitteln der Sozialhilfe aufzubringen.

Der Großteil der pflegerischen sowie insbesondere auch der begleitend und ergänzend dazu erforderlichen emotionalen, sozialen und hauswirtschaftlichen Unterstützungs- und Betreuungsleistungen wird gegenwärtig innerhalb der Familien und privaten Haushalte erbracht. Zusätzliche Leistungen eines Pflegedienstes oder stationäre Angebote werden je nach Alter, Geschlecht oder Pflegestufe unterschiedlich häufig nachgefragt.

Für die Zukunft ist schon allein aufgrund des demografischen Faktors und der aller Voraussicht nach zunehmenden Zahl von hilfe- und pflegebedürftigen älteren Menschen mit einer steigenden Nachfrage in diesem Bereich zu rechnen. Die Gewinnung einer aus-reichenden Zahl von Fachkräften für die Pflege bleibt daher auch weiterhin eine vordring-liche Aufgabe. Im stationären Bereich steht darüber hinaus eine Ausweitung der vorge-haltenen Platzkapazitäten an.

Ein besonderes Augenmerk ist darüber hinaus auf die Entwicklungen im Bereich der teil-stationären Pflege zu richten. Nach wie vor sind die vorgehaltenen Platzzahlen nicht nur in Wiesbaden, sondern bundesweit eher gering. Eventuell ergeben sich hier aus der

Ein besonderes Augenmerk ist darüber hinaus auf die Entwicklungen im Bereich der teil-stationären Pflege zu richten. Nach wie vor sind die vorgehaltenen Platzzahlen nicht nur in Wiesbaden, sondern bundesweit eher gering. Eventuell ergeben sich hier aus der