4. Erfordernisse und Angebote im Vor- und Umfeld der Pflege
4.1 Beratung, Information und Koordination
Eine Vielzahl von Problemen, mit denen sich ältere Menschen konfrontiert sehen, basiert auf der Schwierigkeit, sich in der Angebotslandschaft zurecht zu finden. Damit der Ein-zelne möglichst frühzeitig die erforderliche Unterstützung erhält, müssen zusätzlich zum Vorliegen von entsprechenden Angeboten folgende Bedingungen erfüllt sein:
1. Der ältere Menschen findet Zugang zu den passenden Angeboten.
2. Die Angebote sind untereinander vernetzt. Schnittstellenprobleme sind minimiert.
3. Die Hilfeleistungen sind individuell und flexibel auf den Einzelfall abgestimmt.
Neben dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ist darauf zu achten, dass der Nachrang einzelner Sicherungssysteme gewahrt bleibt und der Grundsatz vom Vorrang der ambulanten vor den stationären Hilfen umgesetzt wird.
In Wiesbaden werden die übergreifenden Beratungs-, Informations- und Koordinierungs-aufgaben im Bereich der Altenarbeit und Altenhilfe von verschiedenen Stellen in Träger-schaft des Amtes für Soziale Arbeit mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung wahrgenommen. Einen Überblick gibt Tabelle 4.1.
Die Beratung im Einzelfall schließt - falls gewünscht - auch Angehörige oder sonstige Be-zugspersonen mit ein. In aller Regel beschränkt sie sich nicht nur auf die Frage nach den konkreten Erfordernissen und Wünschen und die Information über bestehende Angebote, sondern beinhaltet auch die Klärung von Fragen zur Finanzierung sowie gegebenenfalls die Organisation und Koordination der erforderlichen Einzelleistungen. Eine besondere Bedeutung kommt der Beratung im Einzelfall vor allem bei der Begleitung von Übergän-gen sowie in akuten Krisensituationen zu.
Zur Beratung zählen darüber hinaus auch die Durchführung von Informationsveranstal-tungen sowie der Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und die Mitwirkung in Arbeitskreisen und Gremien.
Auf der strukturellen Ebene liegen die Schwerpunkte der Koordination und Netzwerkarbeit in Wiesbaden (1) im Bereich des Zusammenwirkens von Pflege und Gesundheitswesen sowie (2) beim Thema Demenz. Einen weiteren Ansatzpunkt stellt die Arbeit auf klein-räumiger, regionaler Ebene in Arbeitskreisen und Stadtteilgremien dar.
Angesichts der demografischen und sozialen Entwicklung und der zu erwartenden zu-nehmenden Zahl an älteren Alleinlebenden, Demenzerkrankten sowie schwierigen Haus-halts- und Familienkonstellationen auf der einen Seite und der weiteren Ausdifferenzie-rung der Angebotslandschaft auf der anderen Seite ist für die Zukunft mit einem anwachsenden Beratungs- und Koordinierungsbedarf zu rechnen.
Tabelle 4.1: Angebote der Beratung, Information und Koordination in Wiesbaden Einrichtung Beratungsstellen für selbständiges Leben im Alter
Aufbau/
Organisation Stadtteilbezogen arbeitender kommunaler Sozialer Dienst für Menschen ab 60 Jahre und ihre Angehörigen
Sachgebiet der Abteilung Altenarbeit im Amt für Soziale Arbeit, Wiesbaden
21 Mitarbeiter/innen auf 16 Vollzeitstellen in 8 regionalen Arbeitsgruppen Ziele/ Auftrag Zuständig für alle Schwierigkeiten und Problemlagen, die mit dem
Älter-werden in Zusammenhang stehen
Unterstützung der selbständigen und selbstbestimmten Lebensführung älterer Menschen auch im Falle einer Hilfs- und Pflegebedürftigkeit durch
- Beratung und Information
- Erschließen der erforderlichen Hilfen
- Koordination der Dienste und Einrichtungen und einzelner Leistungen
Umsetzen der Grundsätze (1) "ambulant vor stationär" und (2) "Prävention und Rehabilitation vor Pflege"
Sicherung des Nachrangs der Sozialhilfe Leistungen/
Tätigkeiten 2.517 beratene Personen 2013 (dav.: 66 % 75 Jahre oder älter) - Durchschnittsalter: 78,3 Jahre
- Von den über 75-Jährigen waren - 71 % Frauen (Bev.: 62 %) - 49 % Alleinlebend (Bev.: 36 %) - 8 % Ausländer (Bev.: 6 %) - Bezug der Erstanfrage
- 17 % allg. Beratung/Information - 18 % Bedarf Häusliche Hilfen - 19 % Finanzierungsfragen - 21 % Wohnen/Pflege/Demenz - Zugangsweg
- 56 % direkt oder über Angehörige
- 17 % Dienste/Krankenhaussozialdienst/Ärzte - 16 % andere Fachbereiche im Amt für Soziale Arbeit
Informationsveranstaltungen und Vorträge
Erstellen von Broschüren und Informationsmaterialien
Mitwirkung an Arbeitskreisen
Einrichtung Pflegestützpunkt Wiesbaden Aufbau/
Organisation Gemeinsames Beratungsangebot der Verbände der Pflegekassen und des örtlichen Sozialhilfeträgers
Zusammen 2 Stellen, anteilig finanziert
Ziele/ Auftrag Unabhängige Auskunft und Beratung nach § 92c SGB XI
Koordination der lokalen Hilfs- und Unterstützungsangebote
Vernetzung mit bereits vorhandenen Beratungsstrukturen
Schwerpunkt bei Zielgruppe der jüngeren, unter 60-jährigen Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung
Leistungen/
Tätigkeiten 539 beratene Personen aus dem gesamten Stadtgebiet (07/2010-06/2013) dav.: 61 % unter 60 Jahre
Zusätzlich 464 Kontakte mit ausschließlich telefonischem Beratungsbedarf
Informationsveranstaltungen/ Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Fachvorträge, Info-stände)
Arbeits- und Austauschtreffen (u.a. mit EVIM, der Behindertenkoordinations-stelle, dem Gesundheitsamt)
Beratung - Information - Koordination
Einrichtung Wiesbadener Netzwerk für geriatrische Rehabilitation (GeReNet.WI) Aufbau/
Organisation Kooperationsplattform von Diensten, Einrichtungen, Institutionen und Praxen der Altenhilfe und des Gesundheitswesens
Geschäftsstelle in der Abteilung Altenarbeit im Amt für Soziale Arbeit angesiedelt
Zusammen mit der Geschäftsstelle des Forum Demenz mit 2 Stellen besetzt
2000 als Modelprojekt gestartet, 2007 in Regelbetrieb übernommen
Ziele/ Auftrag Verbesserung/Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der Altenarbeit und des Gesundheitswesens im Hinblick auf:
- Zugänge zur geriatrischen Behandlung und Rehabilitation für ältere Menschen
- Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln
- Übergänge zwischen Krankenhaus und eigener Häuslichkeit - Prävention
- Medizinische Versorgung in Pflegeheimen - Entlastende Angebote für Angehörige Leistungen/
Tätigkeiten Entwicklung von standardisierten Instrumenten zur Verbesserung des Informationsflusses und der Informationslage (Infobriefe/ Infofaxe)
Jährliche Gesprächsrunden mit ausgewählten Kliniken zwecks Informations- und Erfahrungsaustausch und Weiterentwicklung der Kooperationen
„Checkliste für die Krankenhausaufnahme und -entlassung"
Adresskarte
Vorträge und Diskussionen zum Thema „Ärztliche Versorgung in Pflege-heimen“ mit dem Ziel, Impulse zu setzen
Einrichtung eines 3.000-Schritte-Pfades als Impuls für Bewegung und soziale Kontakte
Organisation der „Tour durch Wiesbadener Pflegeeinrichtungen“ als Kennen-lern-Angebot für die Bevölkerung
Organisation von Angeboten zur Prävention (Durchführung Präventions-woche)
Organisation von Schulungen zum ehrenamtlichen Seniorenbegleiter, Überleitung der Schulungen in § 87 b-Kurse
Organisation eines Pflegekurses für Migranten und Impulse für Fortsetzung des Angebots durch Dritte
Wissenschaftliche Begleitung der Aktivitäten und Maßnahmen durch das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg, Untersuchung an der Schnittstelle „Entlassung aus dem Krankenhaus“; Planung einer weiteren Schnittstellenuntersuchung (vgl. u.a. Schönemann-Gieck 2006).
Einrichtung Forum Demenz Aufbau/
Organisation Freiwilliger Zusammenschluss von kommunalen, frei-gemeinnützigen und privaten Diensten und Einrichtungen mit Angeboten für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen mit mehr als 30 Partnern
Geschäftsstelle in der Abteilung Altenarbeit im Amt für Soziale Arbeit angesiedelt
Zusammen mit der Geschäftsstelle von GeReNet.WI mit 2 Stellen besetzt Ziele/ Auftrag Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren
An-gehörigen durch
- Öffentlichkeitswirksame Information und Aufklärung - Schulungen und Qualifizierung
- Eröffnen von Zugängen und Wegen für eine optimale Versorgung
- Informationen über Beratungs-, Betreuungs- und Versorgungsmöglichkeiten - Anregungen zur Vernetzung und Abstimmung der Angebote sowie zur
Ent-wicklung neuer Hilfsangebote
Beratung - Information - Koordination
Einrichtung Forum Demenz (Fortsetzung) Leistungen/
Tätigkeiten Organisation öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen für Bürger/innen (u.a.
„Zwischen Liebe und Wut“ im Pariser Hoftheater, „Mein Nachbar hat Demenz - Was nun?" im Rathaus, „Lebenslust bei Demenz“ im Murnau Filmtheater)
Organisation von Fortbildungen und Schulungen für - Angehörige („Hilfe beim Helfen")
- Fachkräfte der Pflege und Hauswirtschaft
- Sonstige Berufsgruppen (u.a. „ehrenamtlich Tätige", Mitarbeiter Senioren-treffs)
Durchführung von Fachtagungen u.a. „Menschen mit Demenz im Kranken-haus – Problemstellung – Lösungsansätze“, „Zentrale Ansätze in der Betreu-ung demenzerkrankter Menschen“
Vorträge in Altenpflegeschulen, Fachhochschulen und bei Kongressen
Aktionen für ärztliche Praxen (Bekanntmachung der Beratungshotline)
Organisation von Tagesausflügen sowie eines mehrtägigen Urlaubs für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen
Alle zwei Monate: Herausgabe der Netzwerkbriefserie mit Terminen und Vor-stellungen von Angeboten
Veröffentlichung von Terminen und Angeboten auf der eigenen Internetseite, der städtischen Internetseite und in mehreren Bundesdatenbanken
Gottesdienste insbesondere für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen
Wellnessangebot für Pflegende in der Wiesbadener Salzgrotte bei ergänzen-der Betreuung ergänzen-der an Demenz erkrankten Angehörigen
Mitwirkung bei der Entwicklung neuer Angebote wie Sport & Talk – Angebote für Menschen im frühen Stadium einer Demenz
Unterstützung therapeutischer Angebote (bildende Kunst, Musiktherapie)
Wissenschaftliche Begleitung der Aktivitäten und Maßnahmen durch das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg, „Untersuchung zur Inanspruchnahme von nichtpharmakologischen Hilfs- und Unterstützungs-leistungen bei Demenz“ (vgl. u.a. Schönemann-Gieck et al. 2011)
Einrichtung Stadtteilgremien Aufbau/
Organisation Freiwilliger Zusammenschluss unterschiedlicher Akteure auf Stadtteilebene unter kommunaler Beteiligung
Ziele/ Auftrag Erfahrungs- und Informationsaustausch
Koordination der Angebote
Realisierung gemeinsamer Projekte Leistungen/
Tätigkeiten
Die kommunale Altenarbeit ist in unterschiedliche Gremien auf Stadtteilebene eingebunden:
- Östl. Vororte (Erbenheim, Delkenheim)
Regionale Knoten Netzwerk 55+
- Nördl. Innenstadt
- Europa-/Künstlerinnenviertel - Klarenthal
- Bierstadt
- Östliche Vororte (Auringen, Medenbach) - Kastel/Kostheim
4.2 Angebote zur Förderung der sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe