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4. Erfordernisse und Angebote im Vor- und Umfeld der Pflege

4.6 Ergänzende Hilfen

Die hier als „ergänzend“ bezeichneten Leistungen beziehen sich auf den Bereich der all-tagspraktischen Hilfestellungen. Sie reichen von der Organisation gegenseitiger Hilfen im Rahmen von Zeit-Tausch-Ringen, kleineren Reparatur- und hausmeisterlichen Diensten über so genannte Lebensmittel-Bringdienste und Essen auf Rädern bis hin zu Besuchs- und Begleitdiensten und der Häuslichen Hilfe durch frei-gemeinnützige Dienste sowie den Angeboten des Hausnotrufs und des Behindertenfahrdienstes (vgl. Tabelle 4.6).

Bei Menschen mit Mobilitätserschwernissen und eingeschränkter Alltagskompetenz tra-gen diese Hilfestelluntra-gen maßgeblich zur Stabilisierung der häuslichen Situation bei und helfen Schlimmeres wie Stürze oder Fremd- und Eigengefährdung zu vermeiden. Oftmals sind es nicht die großen, plötzlich eintretenden Schicksalsschläge, sondern die vielen kleinen Schwierigkeiten im Alltag und das Fehlen von sozialen Kontakten, die ältere Men-schen dazu bewegen, ihre selbständige und selbstbestimmte Lebensweise in der eigenen Häuslichkeit aufzugeben. Durch frühzeitige, niedrigschwellige Hilfen kann dem entgegen gewirkt werden. Nicht zuletzt entlasten diese Dienste auch die Angehörigen und helfen damit, Überlastungen und Eskalation zu vermeiden.

Sämtliche Angebote stehen mehr oder weniger auch marktvermittelt zur Verfügung, man denke beispielsweise an die Anstellung einer professionellen Haushaltshilfe oder an Fahrten mit dem Taxi. Allerdings bieten sich diese Alternativen nur denjenigen, die über ausreichende finanzielle Eigenmittel verfügen.

Ein Großteil der Hilfestellungen wird bereits jetzt schon auf ehrenamtlicher Basis erbracht.

Schon allein aufgrund der anwachsenden Zahl von älteren Menschen ist dies zukünftig sicherlich noch sehr viel stärker gefragt. Allerdings kommt der Einsatz nicht ohne einen gewissen institutionellen Rahmen sowie eine professionelle Begleitung und Unterstützung aus und setzt das Ehrenamt entsprechende Strukturen und eine finanzielle Förderung voraus.

Bei einem nicht unerheblichen Teil der älteren Menschen ist jedoch mehr gefordert und werden nach wie vor Leistungen professioneller Dienste benötigt werden, die beispiels-weise auch Aufgaben der Koordination oder einen gewissen Sicherstellungsauftrag wahr-nehmen. Die Gewährung von Zuschüssen für diese Dienste ist daher nach Möglichkeit beizubehalten.

Ein relativ neues Feld ist im Einsatz von alltagsunterstützenden Technologien zu sehen.

In diesem Zusammenhang bietet das 2014 in Wiesbaden gestartete und vom Bundes-ministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt zum Aufbau einer kommunalen Beratungsstelle "Besser Leben im Alter durch Technik" (Belle Wi) die Möglichkeit, Erfah-rungen zu sammeln und sich grundlegendes Wissen in diesem Bereich anzueignen.

Zum selbständigen und selbstbestimmten Leben und zur Lebensqualität gehört auch ein Sterben in Menschenwürde. Die Angebote im Bereich der Hospizarbeit sowie der Palliativ-Versorgung sind daher ebenfalls unter den ergänzenden Hilfen aufgeführt.

Tabelle 4.6: Ergänzende Hilfen Einrichtung ZeitTausch-Ring Aufbau/

Organisation An bestehende Einrichtungen angegliederte Angebote der gegenseitigen Hilfe - Erbenheim (Pluspunkt)

- Biebrich (Nachbarschaftshaus) Ziele/ Auftrag Austausch von

- Nachbarschaftshilfe

- Erfahrungs- und Wissensweitergabe gegen Verrechnung von "Zeitpunkten"

Leistungen/

Tätigkeiten

Einrichtung Klein-Reparatur-Service Aufbau/

Organisation Ehrenamtlich organisiertes Angebot „Rentner-Blitz“ des Pluspunkt der Ev.

Paulusgemeine Erbenheim

Ziele/ Auftrag Reparaturen an Haushaltsgeräten und Kleinmöbeln gegen Materialgebühr unter dem Motto "Rentner helfen Rentnern"

Leistungen/

Tätigkeiten

Einrichtung "Wohnbetreuer"

Aufbau/

Organisation Projekt der GWW

Ziele/ Auftrag Kleinere Hilfen im Alltag (s. LuWiA) Leistungen/

Tätigkeiten

Einrichtung Lebensmittel-Bringdienste Aufbau/

Organisation Verschiedene Angebote,

- an frei-gemeinnützige Dienste oder Kirchengemeinden angegliedert - Service einzelner Einkaufsmärkte

- Gewerbliche Anbieter

Ziele/ Auftrag Zustellung der Einkäufe nach Hause Leistungen/

Tätigkeiten

Einrichtung Essen auf Rädern Aufbau/

Organisation 6 frei-gemeinnützige Anbieter mit regionalen Schwerpunkten (ASB, Caritas, Diakonisches Werk, DRK, Johanniter Unfallhilfe, Malteser) und

1 privat-gewerblicher Anbieter (Frische-Dienst, Rüdesheim)

Ziele/ Auftrag Lieferung von warmen Essen täglich um die Mittagszeit oder von Tiefkühlkost einmal die Woche (finanzielle Zuschüsse können bei einzelnen Anbietern von der Stadt bei geringem Einkommen gewährt werden)

Leistungen/

Tätigkeiten

Einrichtung Besuchs- und Begleitdienste Aufbau/

Organisation Angebot der Dienste Häusliche Hilfen sowie zusätzlich auch - Besuchsdienst Biebrich

- Besuchsdienst Klarenthal (im Aufbau) Ziele/ Auftrag Unterstützung der sozialen Teilhabe

Bewahrung und Förderung der Alltagskompetenz Leistungen/

Tätigkeiten

Ergänzende Hilfen

Einrichtung Häusliche Hilfen Aufbau/

Organisation 8 frei-gemeinnützige Dienste mit regionalen Schwerpunkten

(ASB, AKSD, Caritas, Diakonisches Werk, DRK, EVIM, Johanniter Unfallhilfe, Kasteler Krankenhaus Verein)

Ziele/ Auftrag Alltagspraktische Unterstützung und Hilfestellungen im Bereich der - Alltagsorganisation (u.a. Begleit- und Einkaufsdienste)

- Haushaltsführung (u.a. Reinigen der Wohnung, Bügeln, Essensversorgung) - Sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe (u.a. Besuchs- und Begleitdienste)

Betreuung älterer Menschen mit Demenz durch qualifiziertes Personal (begleitetes Training in der Haushaltsführung, Hilfe bei der Tages-strukturierung und Orientierung, Entlastung pflegender Angehöriger) Leistungen/

Tätigkeiten 1.323 zeitgleich betreute Haushalte 2011, überwiegend über 80 J., Frauen, Alleinlebende

Durchschnittlich 9,4 Stunden pro Haushalt und Monat

2010: 74 Personen aktiv im Programm "Demenzseismograf"

(5 % aller Klienten), dav.: 70 % 80 J. u.ä.

77 % Frauen 73 % Alleinlebend Einrichtung Hausnotruf

Aufbau/

Organisation 4 frei-gemeinnützige Anbieter in Wiesbaden (ASB, DRK, EVIM, Johanniter Unfallhilfe) sowie

Malteser, Oestrich-Winkel

Vitakt Hausnotruf GmbH, Rheine

Ziele/ Auftrag Erreichbarkeit von Helfern in Notsituationen

(Finanzierung über Pflegeversicherung, Zuschüsse über SGB XII möglich) Leistungen/

Tätigkeiten

Einrichtung Fahrdienste Aufbau/

Organisation Träger: DRK

Ziele/ Auftrag Förderung der Teilhabe durch Sicherung der Mobilität von Menschen mit Schwerstbehinderung

Leistungen/

Tätigkeiten Rund 10.000 Fahrten für 2.000 Nutzer pro Jahr

Einrichtung Projekt Besser Leben im Alter durch Technik in Wiesbaden Belle Wi Aufbau/

Organisation Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung für 2 Jahre gefördertes Projekt zum Aufbau einer kommunalen Beratungsstelle "Besser Leben im Alter durch Technik"

Mit 1 Stelle im Sachgebiet Netzwerke Alten- und Behindertenarbeit der Abteilung Altenarbeit im Amt für Soziale Arbeit angesiedelt

Ziele/ Auftrag Fundiertes Wissen über technische Hilfs- und Assistenzsysteme aneignen

Zugänge ebnen und Akzeptanz erhöhen

Aktivitäten auf örtlicher Ebene koordinieren und vernetzen Leistungen/

Tätigkeiten Arbeit 2014 aufgenommen

Ergänzende Hilfen: Palliativ-Versorgung und Hospize

Einrichtung HospizPalliativNetz Wiesbaden und Umgebung Aufbau/

Organisation Zusammenschluss unterschiedlicher Anbieter im Bereich Sterbebegleitung, Hospiz und Palliativmedizin

Ziele/ Auftrag Unterstützung und Versorgung schwerstkranker Menschen bis zuletzt in vertrauter Umgebung

Zusammenführung bereits bestehender Strukturen unter einem Dach Leistungen/

Tätigkeiten

Einrichtung Palliativ-Versorgung Aufbau/

Organisation Palliativstation des St. Josef Hospitals (6 Betten) und der HSK (10 Betten)

Schmerz- und Palliativzentrum Rhein-Main (10 Betten)

Zentrum für ambulante Palliativmedizin ZAPV

Ziele/ Auftrag Möglichst schmerzfreie Versorgung und Unterstützung schwerstkranker Menschen bis zum Lebensende und Begleitung ihrer Angehörigen Leistungen/

Tätigkeiten

Einrichtung Hospize Aufbau/

Organisation Hospize der Wiesbadener Hospizgesellschaft (advena)

Hospizverein Auxilium

Kinderhospiz Bärenherz

Gemeinnütziges Hospizium GmbH Erbenheim (16 EZ)

Ziele/ Auftrag Unterstützung und Versorgung schwerstkranker Menschen bis zum Lebens-ende

Leistungen/

Tätigkeiten

4.7 Besondere Angebote für einzelnen Gruppen von älteren Menschen

Unter der Vielzahl und Vielfalt von Angeboten für ältere Menschen im Vor- und Umfeld der Pflege haben sich bislang in Wiesbaden vor allem zwei Gruppen herauskristallisiert, de-nen eine besondere Beachtung zu Teil wird. Dies sind zum eide-nen die Menschen mit Mig-rationshintergrund und zum anderen die Gruppe der Menschen mit Demenz. Welche An-gebote diesbezüglich bestehen, kann Tabelle 4.7 entnommen werden.

Tabelle 4.7: Angebote für einzelne Zielgruppen von älteren Menschen Gruppe Migrant/innen

Angebote Angebot an muttersprachlichen Informationsveranstaltungen zu unterschiedlichen Themen

- u.a.: - Ältere Migranten

- Selbständiges Leben im Alter

(im Rahmen des Projekts MiMi – Mit Migranten für Migranten)

Offene Angebote für Senioren mit und ohne Migrationshintergrund

im WIF (Wiesbadener internationales Frauen- und Mädchen-Begegnungs- und Beratungs-Zentrum e.V.) und

im BauHof Wiesbaden

Kooperation und regelmäßige Austauschtreffen zwischen WIF, Treffpunkt Aktiv Adlerstraße und Seniorentreff Westend

Gewinnung von Menschen mit Migrationshintergrund für den Pflegeberuf - Altenpflegekurse für Migrant/innen

- Sprachvorlaufkurse zur Altenpflegeausbildung

-Gewinnung vom Fachkräften aus dem Ausland (Polen, Spanien) Ziele/ Auftrag Schließen von Informationslücken und Abbau von Berührungsängsten

Inklusion älterer Migrantinnen und Migranten in Einrichtungen der Altenarbeit Gruppe Menschen mit Demenz

Angebote Angebote zur Diagnostik

(Gedächtnisklinik am Otto-Fricke-Krankenhaus, Memory Clinic-Asklepios Paulinen Klinik, Vitos Klinik Eichberg: Psychiatrische Ambulanz Wiesbaden)

Beratung

(Beratungshotline der Alzheimer Gesellschaft Wiesbaden, Fachberatungs-stelle Demenz im Diakonischen Werk, städtische BeratungsFachberatungs-stellen für selbständiges Leben im Alter)

Niedrigschwellige Hilfen

- Leistungen der Einzelbetreuung

(Helferkreis der Alzheimer Gesellschaft, ASB, AKSD, Caritas, Diakonisches Werk, St. Elisabeth, ZuHause GmbH (IfB), A. Wust, E. Flügge)

- Gruppenangeboten

(Betreuungsgruppen des Diakonischen Werks, Johanniter Unfallhilfe, IfB, GDA Hildastift, Erinnerungscafé Katharinenstift, A. Wust, Tanzcafé des Diakonischen Werks)

Diverse Angehörigengruppen

Forum Demenz (vgl. Tabelle 4.1)

Ziele/ Auftrag Stabilisierung und Verbesserung der Versorgungssituation von Menschen mit Demenz

Entlastung und Unterstützung pflegender Angehöriger demenziell Erkrankter durch Fachkräfte oder speziell geschulte Ehrenamtliche im häuslichen Umfeld oder ambulant als Gruppenangebot

5. Pflege- und Unterstützungsbedarf älterer Menschen in Wiesbaden und Struktur der bestehenden Angebote

Das Eintreten einer Hilfe- und Pflegebedürftigkeit stellt einen markanten Einschnitt in der Lebensführung und Lebensgestaltung des Einzelnen wie auch seiner nahen Angehörigen und sonstigen Bezugspersonen dar. Daher wird diesem Themenkreis ein eigenes Kapitel zuteil.

Bevor im Weiteren auf die Zahl und Struktur der Empfängerinnen und Empfänger von Pflegeleistungen in Wiesbaden, die bestehenden Angebote und die zukünftig zu erwar-tenden Entwicklungen eingegangen wird, wird zunächst der Hilfe- und Unterstützungs-bedarf älterer Menschen auf allgemeiner Ebene näher bestimmt und die Frage aufgegrif-fen, welche Rolle einzelnen Instanzen jeweils als Helfern zufällt.

5.1 Allgemeine Befunde zum Hilfe- und Pflegebedarf älterer Menschen

Wie in Abschnitt 3.2.5 ausgeführt, verschlechtert sich mit dem Alter in aller Regel der Ge-sundheitszustand. Mobilitätseinschränkungen nehmen zu. Nur vergleichsweise selten sind diese aber so schwerwiegend, dass sie in die basalen Aktivitäten des täglichen Lebens - wie Sich-Baden oder Ankleiden - hineinreichen. Über Schwierigkeiten in diesem Bereich berichteten im Rahmen der Deutschen Alterssurvey 18 % der befragten 70-85-Jährigen, bei 5 % waren sie stark ausgeprägt (vgl. Schaubild 5.1).

Schaubild 5.1: Anteil der 70-85-Jährigen mit Mobilitätseinschränkungen

Quelle: Deutscher Alterssurvey 2008

Sehr viel häufiger sind Einschränkungen in den alltäglichen Bewegungsabläufen zu ver-zeichnen. 85 % der befragten 70-85-Jährigen berichteten, anstrengende Tätigkeiten nur noch bedingt ausüben zu können. 55 % hatten Probleme beim Beugen, Knien oder Bü-cken, 44 % mit dem Tragen der Einkaufstasche. Je ein Drittel bis die Hälfte gab an, bei den einzelnen Aktivitäten jeweils stark eingeschränkt zu sein.

Auch unterhalb der Schwelle einer Pflegebedürftigkeit gibt es somit Bedarf für konkrete Hilfestellungen und Handreichungen. Dabei sind Veränderungen in den Kompetenzen und geistig-kognitiven Fähigkeiten, wie sie typischerweise ebenfalls mit dem Alter zu verzeich-nen sind, noch gar nicht berücksichtigt. So bereitet beispielsweise auch das Regeln von

finanziellen Angelegenheiten oder formal-rechtlichen Dingen im Alter zunehmend Schwie-rigkeiten (vgl. auch Schneekloth & Wahl 2005).

Nimmt man die in bundesweiten Studien ermittelten altersspezifischen Bedürftigkeitsquo-ten als Anhaltswert und ergänzt diese um die Angaben der amtlichen Statistik für Wiesba-den, erhält man einen Eindruck davon, wie hoch die Zahl der gegenwärtig in Wiesbaden lebenden älteren hilfs- und pflegebedürftigen Menschen zu veranschlagen ist (vgl. Schau-bild 5.2).5)

- Im Rahmen von verschiedenen Infratest Studien wurden die Personen in den Blick ge-nommen, bei denen keine Pflegebedürftigkeit vorlag, die aber auf alltägliche Unterstüt-zung bei der Haushaltsführung angewiesen waren (Schneekloth & Potthoff 1993, Schneekloth u.a. 1996, Schneekloth & Wahl 2005) Bezieht man die Ergebnisse auf die Bevölkerung Wiesbadens zum Stand 31.12.2013, lässt sich der Kreis für Wiesbaden auf um die 7.100 bis 8.500 ältere Personen über 65 Jahre beziffern.

Schaubild 5.2: Geschätzte Zahl der älteren Menschen über 65 Jahre in Wiesbaden mit Hilfebedarf im weitesten Sinne Ende 2013

- Ein besonderes Interesse gilt der Gruppe der älteren Menschen mit Demenz. Auch hier liegen unterschiedliche Angaben vor (Bickel 1999, Alzheimer Europe 2009, Ziegler und Droblhammer 2009). Je nachdem, welche Quoten man zu Grunde legt, beläuft sich die Schätzung für 2013 auf 4.100 bis 5.100 ältere über 65-jährige Menschen in Wiesbaden, die von einer mittelschweren bis schweren Demenz betroffen sind. Aktuell hin-zuzurechnen sind schätzungsweise 1.000 Ältere, die an sonstigen psychischen Er-krankungen leiden (u.a. Depressionen).

- Ebenso in die Betrachtung mit aufzunehmen sind die Empfängerinnen und Empfänger von Pflegeversicherungsleistungen in Wiesbaden, deren Zahl sich ausgehend von den

5) Wie sich diese Zahl aller Voraussicht nach bis zu Jahr 2030 weiterentwickelt, wird in Abschnitt 5.5.2 erörtert. Hier wird auch näher auf die einzelnen Studien eingegangen.

vorliegenden Angaben der amtlichen Pflegestatistik auf schätzungsweise 5.900 bis 6.400 im Jahr 2013 beläuft.

- Eine weitere Gruppe stellen Menschen mit Behinderungen dar. In der amtlichen Statis-tik sind 2013 für Wiesbaden rund 17.500 über 65-Jährige mit einem Grad der Behinde-rung von 50 und mehr ausgewiesen (Hessisches Statistisches Landesamt 2014).

Bei einem Teil der älteren Menschen fallen Hilfe- und Pflegebedürftigkeit, psychische Er-krankungen und Schwerbehinderung zusammen. Ein anderer Teil ist beispielsweise trotz Schwerbehinderung oder psychischer Erkrankung in der Lage, seinen Alltag selbständig ohne fremde Hilfe zu meistern. Eine genaue Quantifizierung ist nicht möglich. Grob ge-schätzt lässt sich aber sagen, dass in etwa jeder dritte oder vierte ältere Menschen über 65 Jahre mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat.

Festzuhalten ist darüber hinaus, dass diese Schwierigkeiten sich nicht allein am Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit festmachen, sondern in ganz unterschiedlichen Konstellationen auftreten, wobei zusätzlich gesundheitliche, finanzielle oder soziale Einschränkungen hin-zukommen können - zentrale Aspekte, die in der Grafik außen vor bleiben. Klar heraus-zustellen ist schließlich aber auch, dass sich Alter und Altern nicht auf diese Defizite redu-zieren lassen und die weit überwiegende Mehrheit der älteren Menschen über 65 Jahre in Wiesbaden ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben ohne größere Einschränkun-gen führt.

Der Großteil des Hilfe- und Pflegebedarfs wird innerhalb der Familien und privaten Haus-halte aufgefangen. Selbst wenn ambulante Pflegedienste oder andere Fachkräfte mit ein-bezogen sind, leisten diese in zeitlicher Hinsicht den überwiegenden Teil der Unterstüt-zung mit Schwerpunkt vor allem im Bereich der hauswirtschaftlichen Hilfe, der emotio-nalen Unterstützung und Alltagsbegleitung (vgl. Schaubild 5.3).

Schaubild 5.3: Durchschnittlich geleistete Unterstützung unterschiedlicher Instanzen in Wochenstunden beim Vorliegen eines „Pflegemix“

Quelle: Klie et al. 2008

Freunde, Nachbarn oder Bekannte leisten ebenfalls einen Beitrag. In aller Regel be-schränkt sich ihre Hilfe aber auf „kleinere Gefälligkeiten“, während insbesondere der Part-ner bzw. die PartPart-nerin sowie die eigenen Kinder und Schwiegerkinder sehr universelle Helfer darstellen (vgl. Bruckner et al. 1993). Allerdings setzt dies eine entsprechende phy-sische und psychische Belastbarkeit, freie Zeitkontingente und eine gewisse Nähe voraus, was angesichts des Alters der als Helfer in Frage kommenden Personen sowie der

zu-nehmenden Frauenerwerbstätigkeit und räumlichen Mobilität nicht durchgehend gewähr-leistet ist.

Prinzipiell gilt, je größer und stabiler das soziale Netzwerk ist, desto höher ist der zeitliche Umfang der erhaltenen Hilfeleistungen. Wie eine Studie von Blinkert und Klie (2008) be-legt, gibt es unabhängig davon stark ausgeprägte Stadt-Land-Unterschiede und sind die Zeiten auf dem Land fast doppelt so hoch wie in der Stadt (vgl. Schaubild 5.4).

Schaubild 5.4: Durchschnittlich geleistete Unterstützung in Wochenstunden in Abhängigkeit vom sozialen Netzwerk und der Wohnumgebung

Quelle: Blinkert & Klie (2008)

Um zu ermessen, was nahe Angehörige und sonstige Bezugspersonen im Bereich der Pflege leisten, ist neben dem reinen Zeitaufwand pro Woche auch zu berücksichtigen, dass sich die Dauer der Pflegebedürftigkeit im Zuge der gestiegenen Lebenserwartung ebenfalls erhöht hat. Gegenwärtig hält sie bei den Männern im Durchschnitt gut 3 Jahre an und bei den Frauen gut 4 Jahre. 60 % der pflegebedürftigen Frauen und 46 % der Männer weisen nicht nur körperliche, sondern auch kognitive Beeinträchtigungen auf. Gut ein Drittel benötigt regelmäßig auch nachts Unterstützung.

Nach wie vor ist die Pflege von Angehörigen überwiegend „Frauensache“. Bei 72% aller häuslichen Versorgungsarrangements stellen sie die Hauptpflegeperson. Bei 26 % über-nimmt eine Tochter diese Aufgabe, bei 10 % ein Sohn. Rund ein Drittel der Hauptpflege-personen hat selbst bereits das Rentenalter überschritten, ein Viertel ist zwischen 55 und 64 Jahre alt (vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2011).

Angesichts der herausragenden Bedeutung, die nahen Angehörigen und sonstigen Be-zugspersonen für die Stabilisierung der häuslichen Situation zufällt, sind es neben den fachpflegerischen Anforderungen insbesondere "soziale" Erwägungen, die Menschen dazu bewegen, in ein Pflegeheim umzuziehen. Von denjenigen in der Pflegestufe 1 lebten 70 % davor alleine, von denjenigen in der Pflegestufe 3 immerhin noch 46 %. Der Anteil der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner mit Demenzerkrankungen ist ebenso gestie-gen wie das Alter beim Einzug. Als besonders kritisch erweist sich insbesondere die un-mittelbare Phase nach dem Heimeintritt. 19 % versterben innerhalb der ersten 3 Monate.

Allerdings weist ein ebenso hoher Anteil eine Verweildauer von 5 Jahren oder länger auf und ist hierbei zusätzlich zu bedenken, dass rund ein Viertel direkt aus einem Akut-Kran-kenhaus heraus in ein Pflegeheim überwechselt (vgl. u.a. Schneekloth & Wahl 2007, BMG 2011, Rothgang et al. 2013).

5.2 Empfängerinnen und Empfänger von Pflegeversicherungsleistungen in Wiesbaden Ende 2011

Seit Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes werden regelmäßig amtliche Bundes-statistiken zum Stand und zur Entwicklung der pflegerischen Versorgung erhoben. Mitt-lerweile liegen im Rahmen einer Sonderauswertung durch das Hessische Statistische Landesamt die Ergebnisse für Wiesbaden aus der siebten Erhebung Ende 2011 vor. Im Folgenden wird dargelegt, wie sich die Pflegesituation in Wiesbaden ausgehend von die-sen Daten darstellt und welche Erkenntnisse sich hieraus gewinnen lasdie-sen.

Schaubild 5.5: Empfängerinnen und Empfänger von Pflegeversicherungsleistungen in Wiesbaden Ende 2011 und Vergleichsangaben für Hessen

WIESBADEN

7.302 Empfängerinnen und Empfänger von Pflegeversicherungsleistungen 5.200 zu Hause lebend 2.102 in Pflegeheimen

71,2% 28,8%

3.403 1.797 2.071 31

Empfängerinnen Empfängerinnen Bewohnerinnen Empfängerinnen und Empfänger und Empfänger und Bewohner und Empfänger

von von im Bereich der im Bereich der

Pflegegeld Pflegesach- vollstationären Kurzzeitpflege

leistungen Dauerpflege

46,6 % 24,6 % 28,4 % 0,4 %

LAND HESSEN

199.655 Empfängerinnen und Empfänger von Pflegeversicherungsleistungen 151.253 zu Hause lebend 48.402 in Pflegeheimen

75,8% 24,2%

109.787 41.466 46.964 1.438

Empfängerinnen Empfängerinnen Bewohnerinnen Empfängerinnen und Empfänger und Empfänger und Bewohner und Empfänger

von von im Bereich der im Bereich der

Pflegegeld Pflegesach- vollstationären Kurzzeitpflege

leistungen Dauerpflege

55,0 % 20,8 % 23,5 % 0,7 %

Anm.: Zu den Pflegegeldempfängern werden alle Personen gezählt, die ausschließlich diese Leis-tung beziehen und keine direkt mit den Pflegekassen verrechneten SachleisLeis-tungen in Form einer professionellen Unterstützung durch ambulante Dienste in Anspruch nehmen.

Personen, die sich für die Inanspruchnahme von sogenannten Kombinationsleistungen ent-scheiden und anteilig sowohl Geld- als auch Sachleistungen beziehen, werden ebenso wie Personen, die die Leistungen komplett in Form von professionellen Hilfen in Anspruch neh-men, dem Kreis der Sachleistungsbezieher zugerechnet.

Quelle: Sonderauswertung der amtlichen Pflegestatistik 2011 durch das Hessische Statistische Landesamt.

Zum 15.12.2011 bezogen insgesamt 7.302 Menschen aus Wiesbaden Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz. Der überwiegende Teil, nämlich 5.200 Personen bzw.

71,2 %, wurde in der häuslichen Umgebung versorgt. 3.403 Personen (46,6 %) nahmen Pflegegeld und 1.797 Personen (24,6 %) Pflegesachleistungen in Anspruch.

2.102 Empfängerinnen und Empfänger von Pflegeversicherungsleistungen (28,8%) waren in einem Pflegeheim untergebracht, davon 2.071 im Bereich der vollstationären Dauer-pflege. Lediglich 31 Personen nahmen zum Stichtag 15.12.2011 Leistungen der Tages- oder Kurzzeitpflege in Anspruch (vgl. Schaubild 5.5).

Tabelle 5.1: Empfänger von Pflegeversicherungsleistungen nach Art der Leistung in Wiesbaden und anderen Städten Hessens Ende 2011

Empf. Quelle: Sonderauswertung der amtlichen Pflegestatistik 2011 durch das Hessische Statistische

Landesamt und eigene Berechnungen.

Die Abweichungen vom Hessendurchschnitt erklären sich im Wesentlichen aus Stadt-Land-Unterschieden. Wie aus Tabelle 5.1 ersichtlich wird, werden in allen fünf kreisfreien Städten häufiger Pflegesachleistungen im häuslichen Bereich nachgefragt und ist der Anteil derjenigen, die ausschließlich Geldleistungen beziehen, dementsprechend gerin-ger. Offenbach bildet mit einem Anteil der reinen Geldleistungsbezieher von 57,8 % eine Ausnahme; gleichzeitig ist der Anteil der stationären Leistungen mit 17,2 % äußerst ge-ring. Das andere Extrem findet sich in Darmstadt mit einem geringen Anteil an Geldleis-tungsbeziehern von 44,5 % und einem hohen Anteil an Heimbewohnerinnen und Heim-bewohnern von 29,7 %. Auch zwischen den einzelnen kreisfreien Städten in Hessen sind somit deutliche Unterschiede feststellbar. Die Situation in Wiesbaden ähnelt dabei eher der in Darmstadt als der von Offenbach.

Tabelle 5.2: Empfänger von Pflegeversicherungsleistungen nach Art der Leistung in Wiesbaden und anderen Städten Hessens im Zeitvergleich

Empf. SGB XI Anteil der Empfänger in % mit …

je 100 Einw. Pflegegeld Pflegesachleistungen Stationärer Dau-erpflege

Quelle: Sonderauswertung der amtlichen Pflegestatistik 2011 durch das Hessische Statistische

Quelle: Sonderauswertung der amtlichen Pflegestatistik 2011 durch das Hessische Statistische