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Gesellschaftliche Teilhabe Älterer

3. Lebenslagen im Alter

3.2 Lebenslage älterer Menschen

3.2.1 Gesellschaftliche Teilhabe Älterer

Erwerbstätigkeit ist eine der zentralen Schlüsselgrößen für die Partizipation und Integra-tion des Einzelnen. Sie ist Quelle des Lebensunterhalts und darüber hinaus ein wichtiger Bezugspunkt für das Selbstwertgefühl und die gesellschaftliche Anerkennung und Zuge-hörigkeit. Der Übergang in den Altersruhestand stellt nicht nur in finanzieller, sondern auch in sozialer Hinsicht einen markanten Einschnitt dar und erfordert nicht zuletzt auch zeitlich eine grundlegende Neuorientierung und Neujustierung.

Schaubild 3.8: Erwerbstätigenquote Älterer in Deutschland im Vergleich 2006 und 2012

Quelle: www.sozialpolitik-aktuell.de

Nach einem über Jahre anhaltenden Trend zur Frühverrentung setzte in den 1990er Jah-ren auf Bundesebene eine bewusste Gegensteuerung durch zahlreiche Jah-renten- und ar-beitsmarktpolitische Reformen ein (u.a. Einführung von Rentenabschlägen, Wegfall der 58er-Regelung im SGB III). Seitdem steigt das durchschnittliche Renteneintrittsalter bun-desweit wieder an und hat sich die Erwerbsbeteiligung der 55-64-Jährigen Älteren merk-lich erhöht (vgl. Schaubild 3.8).

Dennoch lag das durchschnittliche Renteneintrittsalter auch 2012 mit 64,1 Jahren noch leicht unter der vorgesehenen Regelaltersgrenze von 65 Jahren und 1 Monat. Zudem fällt die Erwerbsbeteiligung um das 60. Lebensjahr nach wie vor deutlich ab. Für die Alters-gruppe der 55-59-Jährigen ist für 2012 bundesweit eine Erwerbstätigenquote von durch-wegs über 70 % ausgewiesen, bei den 60-Jährigen geht sie auf 62 %, bei den 64-Jährigen auf 29 % zurück.

Wie aus Schaubild 3.9 hervorgeht, stellt der direkte Übergang aus einer sozialversiche-rungspflichtigen Beschäftigung in die Altersrente zudem eher die Ausnahme denn die Re-gel dar. Bundesweit befanden sich 2012 17 % der Männer und 12 % der Frauen davor bereits im Vorruhestand bzw. in der Altersteilzeit. Bei rund 10 % ging eine Phase der Ar-beitslosigkeit nach SGB III voraus.4)

Schaubild 3.9: Status vor Eintritt in die Altersrente 2012 in Deutschland

Quelle: www.sozialpolitik-aktuell.de

Die Zahlen für Wiesbaden untermauern den bundesweiten Trend (Amt für Strategische Steuerung, Stadtplanung und Statistik 2013). Von denjenigen, die 2010 in die Altersrente einmündeten, waren davor 15 % bereits in Altersteilzeit, 20 % waren arbeitslos. Die Er-werbsbeteiligung lag bezogen auf die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsver-hältnisse in Wiesbaden bei den 55-59-Jährigen bei 59,7 %, bei den 60-64-Jährigen bei 37,0 %.

Sowohl beim Zeitpunkt des Übergangs in den Ruhestand als auch bei den näheren Um-ständen ist somit eine erhebliche Streuung und Variationsbreite zu verzeichnen. Hinzu-kommt ein weiterer Trend, der sich seit einigen Jahren abzeichnet, nämlich die zuneh-mende Erwerbsbeteiligung über das Rentenalter hinaus, wobei es sich zu einem hohen Anteil um so genannte Minijobber handelt. 2012 gingen bundesweit 4,9 % der 65-Jährigen und älteren mindestens einer Stunde pro Woche einer Erwerbstätigkeit nach, im Jahr 2000 waren es mit einem Anteil von 2,6 % nur halb so viele (vgl. www.sozialpolitik-aktu-ell.de). Die Gründe hierfür sind sicherlich mannigfaltig und reichen von finanziellen Erwägungen und der Notwendigkeit eines Zuverdienstes bis hin zum Wunsch, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und sich auch weiterhin beruflich einzubringen.

4) Zu den sonstigen Personen mit aktiver Versicherung zählen neben pflegenden Angehörigen, die über das SGB XI rentenversichert sind, u.a. die Empfänger von SGB II-Leistungen, für die seit 2011 keine Beiträge mehr entrichtet werden, aber Anrechnungszeiten gelten.

Die größte Gruppe stellen die so genannten „passiv Versicherten“, bei denen direkt vor dem Übergang in die Altersrente keine Beitragszahlungen oder Anrechnungszeiten mehr angefallen sind, sei es aufgrund eines Wechsels ins Beamtenverhältnis oder der Aufnahme einer Selbständigkeit, eines kompletten vorzeitigen Rückzugs aus dem Erwerbsleben mit der Heirat und Geburt von Kindern oder aufgrund des Ausübens eines versicherungsfreien Minijobs, wo-bei der Frauenanteil deutlich überwiegt.

In Wiesbaden gab es 2011 knapp 484 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte über 65 Jahre. 2.288 Ältere gingen einer geringfügigen Beschäftigung nach. Gemessen an der Altersgruppe der über 65-Jährigen entspricht dies einem Anteil von 5,1 %.

3.2.1.2 Bürgerschaftliches Engagement, ehrenamtliche Tätigkeit und lebenslanges Lernen

Bürgerschaftliches Engagement, ehrenamtliche Tätigkeit und lebenslanges Lernen sowie generell der gesamte Bereich der aktiven Freizeitgestaltung sind eng miteinander ver-knüpft. Alle vier dienen der sozialen Integration und gesellschaftlichen Teilhabe. Sie bie-ten eine Plattform, um sich auch nach Abschluss der Erwerbsphase weiterhin sinnvoll einzubringen, individuelle Fähigkeiten und Kenntnisse unter Beweis zu stellen und soziale Bestätigung und Anerkennung zu erfahren. Die Einbindung in größere Zusammenhangs-strukturen bleibt erhalten. Alltagskompetenzen und vorhandenes Wissen werden gefestigt und erweitert.

In allen Bereichen hat sich die Einbindung der Älteren in den letzten Jahren erhöht:

- In der Altersgruppe der 65-69-Jährigen ist der Anteil der ehrenamtlich Engagierten bundesweit von 29 % im Jahr 1999 auf 37 % im Jahr 2009 angestiegen. Mit zunehmen-dem Alter flacht der Anteil etwas ab. Aber selbst von den 75-85-Jährigen übten 2009 immerhin noch 20 % ein Ehrenamt aus (vgl. Schaubild 3.10).

Schaubild 3.10: Anteil freiwillig Engagierter in ausgewählten Altersgruppen 1999 und 2009

Quelle: Freiwilligensurveys 1999 und 2009

- 2008 waren nach den Angaben des Deutschen Alterssurveys 61 % der 55-69-Jährigen Mitglied in mindestens einem Verein, einer Gruppe oder einer Organisation; 1996 lag der Anteil noch bei 51 %. Ein ähnlich hoher Anstieg ist bei der Altersgruppe der 70-85-Jährigen zu verzeichnen. Hier hat sich der Anteil von ursprünglich 43 % im Jahr 1996 auf 54 % im Jahr 2008 erhöht.

- Der Anteil derjenige, die außerhäusliche Bildungsangebote in Form von Kursen oder Vorträgen besuchten, hat sich zwischen 1996 und 2008 bei den 55-69-Jährigen von 26 auf 35 % erhöht und bei den 70-85-Jährigen von 12 auf 16 % (Deutsche Alterssurveys 1996 und 2008).

- Ein besonders hoher Stellenwert kommt darüber hinaus dem Bereich des „informellen Lernens“ zu (vgl. BMFSFJ 2010). In einer 2007 europaweit durchgeführten Erhebung gaben 45 % der 55-64-Jährigen und 38 % der 65-80-Jährigen an, sich im Verlauf des zurückliegenden Jahres bewusst etwas selbst beigebracht zu haben, sei es über Me-dien oder durch das Lernen von Personen aus dem persönlichen Umfeld (vgl. Statisti-sches Bundesamt 2011: S.30).

Lebenslanges Lernen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, um mit neuen Entwick-lungen und Veränderungen Schritt zu halten und die Teilhabe an der Gesellschaft weiter-hin sicherzustellen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Tech-nisierung unseres Alltags. Wer den Umgang mit Fahrkarten- oder Geldautomaten nicht beherrscht, nimmt sich selbst ein Stück „persönlicher Freiheit“ und ist in der selbständigen und selbstbestimmten Lebensführung eingeschränkt.

Auch wenn technische Neuerungen seit jeher eine Domäne der „Jungen“ sind, hat bei-spielsweise die Internetnutzung auch unter den Älteren deutlich zugenommenen. Lag der Anteil nach einer repräsentativen Befragung der Initiative D12 im Jahr 2001 bundesweit bei den 60-69-Jährigen noch bei 11 %, hat er sich 2012 mit einem Wert von 60 % mehr als verfünffacht. Von den 70-Jährigen und älteren nutzten 28 % das Internet.

Schaubild 3.11: Anteil der Internetnutzer in ausgewählten Altersgruppen 2001 und 2012

Quelle: Initiative D12 e.V. (2002 und 2012)

Einschränkend ist anzumerken, dass die Veränderungen im Zeitverlauf im Wesentlichen auch der Generationenabfolge geschuldet sind und dem Umstand, dass die jeweils nachrückenden Geburtskohorten andere Kompetenzen und Erfahrungen mitbringen. Die Bedeutung des „lebenslangen Lernens“ wird hierdurch aber nicht geschmälert.

Wie verschiedene Studien zeigen, gibt es zusätzlich zu diesem "Generationen-Effekt"

noch weitere Faktoren, die mit einer unterschiedlichen Einbettung und einem unterschied-lichen Engagement einhergehen:

- In allen genannten Bereichen hält sich der Einsatz der Frauen eher zurück. Sie enga-gieren sich im Alter seltener ehrenamtlich als die Männer, nutzen weniger oft außer-häusliche Bildungsangebote, sind seltener Mitglied in Vereinen oder sonstigen Organi-sationen und sind, was die Internetnutzung angeht, ebenfalls zurückhaltender.

- Personen mit höherem Bildungsabschluss sind bei der Ausübung von ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie beim Besuch von Kursen und Veranstaltungen oder auch im Bereich

des Sports fast viermal so häufig anzutreffen wie Personen mit niedrigem formalem Bildungsniveau. Mit zunehmendem Alter vergrößern sich die Unterschiede. In der Altersgruppe der 70-85-Jährigen sind sie am stärksten (vgl. BMFSFJ 2012: S.32).

- Auch die Höhe des verfügbaren Einkommens steht in positivem Zusammenhang mit der Einsatzbereitschaft. Mit steigendem Haushaltseinkommen nimmt der Anteil der en-gagierten älteren Menschen zu (Freiwilligensurvey 2004).

- Einen weiteren wesentlichen Faktor stellt der Gesundheitszustand dar: Ältere, die ihren Gesundheitszustand selbst als gut oder sehr gut einstufen, sind zwei- bis dreimal so häufig ehrenamtlich tätig oder in Bildungsangebote eingebunden wie Personen, die ih-ren Gesundheitszustand als schlecht oder sehr schlecht beschreiben (vgl. BMFSFJ 2012: S.33).

- Ältere Personen mit Migrationshintergrund sind in den bestehenden Strukturen bislang (noch) eher selten anzutreffen (vgl. u.a. Amt für Strategische Steuerung, Stadtfor-schung und Statistik 2011, Alisch & May 2013).

Auch in Wiesbaden engagieren sich nach den aktuellen Befragungsergebnissen des Am-tes für Strategische Steuerung, Stadtforschung und Statistik (2014) in der Generation 55 plus häufiger die Männer (26 %) als die Frauen (22 %) ehrenamtlich, Personen mit Abitur häufiger (28 %) als Personen mit Hauptschulabschluss (17 %) und Personen ohne Migra-tionshintergrund häufiger (27 %) als Personen mit MigraMigra-tionshintergrund (12 %). Ähnliche Abstufungen zeigen sich im Hinblick auf den Besuch von Kultur- und Fortbildungsveran-staltungen.

Insgesamt bestätigt sich somit das Bild einer sehr heterogenen Zusammensetzung mit deutlich ausgeprägten Unterschieden zwischen einzelnen Gruppen von älteren Menschen auch im Hinblick auf bürgerschaftliches Engagement, ehrenamtliche Tätigkeiten, lebens-langes Lernen und aktive Freizeitgestaltung.