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2.2 Ätiologie

2.2.4 Regulation der Genexpression

Transkriptionseinheit I (S1-T1) stellt die einzige monocistronische Transkriptions-einheit des BDV-Genoms dar. Sie enthält das ORF I, das für das BDV-N kodiert. In der bicistronischen Transkriptionseinheit II (S2-T2) liegen die überlappenden ORF II und ORF x1, die für BDV-P und BDV-X kodieren. Die Expression beider Proteine wird vermutlich am Ribosom durch Überlesen (leaky scanning) von stromaufwärts gelegenen Startkodons reguliert (WEHNER et al., 1997). Alternativ ist eine tricistronische Transkriptionseinheit (S1-T2) beschrieben, die durch Überlesen (readthrough) von T1 entstehen soll und sowohl ORF I, als auch ORF II und ORF x1 beinhaltet (POENISCH et al., 2008b).

Darüber hinaus ermöglicht sowohl in der ersten, als auch in der zweiten Transkriptionseinheit eine alternative Nutzung von zwei im Leseraster befindlichen Translations-Initiationskodons die Expression von zwei Isoformen des BDV-N (s.

2.2.5.1) bzw. des BDV-P (s. 2.2.5.2).

Die primären Transkripte der dritten Transkriptionseinheit haben ihren Ursprung am dritten Transkriptionsinitiationssignal (S3) und enden entweder am dritten oder am vierten Terminationssignal (T3/T4). Abhängig von der Lokalisation der Termination haben diese Transkripte primär eine Größe von 2,8 kb (S3-T3) bzw. 7,2 kb (S3-T4) und beinhalten die sich überlappenden ORF III und ORF IV für BDV-M und BDV-GP sowie bei einer Termination an T4 zusätzlich das ORF V für BDV-L. Üblicherweise endet die Transkription der dritten Transkriptionseinheit an T3. Nur in bis zu 5% der Fälle kommt es zu einem readthrough von T3 mit nachfolgender Termination an T4 (SCHNEEMANN et al., 1995; Übersicht bei SCHNEIDER, 2005).

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Abb. 2: Schematische Darstellung des BDV-Genoms und der subgenomischen RNAs (in Anlehnung an DE LA TORRE, 2002 und CUBITT et al., 2001)

Abb. 2 (Fortsetzung):

Die open reading frames (ORFs) des BDV sind als Rechtecke im Virusgenom dargestellt. Die Positionen der Transkriptionsinitiations- und Terminationssignale sind als gewinkelte Pfeile (S1-S3) bzw. als rote Marken (T1-T4, t6) eingezeichnet. Die ungewöhnliche Lage dieser Signale hat teilweise überlappende ORFs zur Folge: Das Signal S2 der Transkriptionseinheit II ist 18 Nukleotide stromabwärts des Terminationssignals der Transkriptionseinheit I (T1) lokalisiert, während das Terminationssignal der Transkriptionseinheit II (T2) dagegen in dem S3-Signal der Transkriptionseinheit III in toto inkorporiert ist. Neben der 1,2 kB großen, BDV-N kodierenden, subgenomischen RNA und den primären Transkripten, die ORF II (BDV-P) und ORF x1 (BDV-X) beinhalten (0,8 bzw. 3,5 kB) existiert eine 1,9 kB große subgenomische RNA, die sowohl ORF I als auch ORF II und ORF x1 enthält.

Die primären Transkripte der Transkriptionseinheit III (S3-T3/T4) werden alternativ gespleißt. Primär weisen diese Transkripte eine Größe von 2,8 kB bzw. 7,2 kB auf. Das 2,8 kB große Transkript enthält die sich überlappenden ORF III (BDV-M) und ORF IV (BDV-GP). 7,2 kB große Transkripte enthalten zusätzlich das ORF V (BDV-L). Das Überlesen des Terminationssignals T3 ist für die Synthese der 7,2 kB großen subgenomischen RNA und somit für die Expression des BDV-L essentiell.

Posttranskriptionelles Spleißen und Fehlen der Introns in den subgenomischen RNAs sind durch nach oben offene Kerben gekennzeichnet. Die Größe der jeweiligen subgenomischen RNA ist links im Bild angegeben (blaue Schrift = Spleißvarianten). Durch das Spleißen von Intron III sollen subgenomische RNAs entstehen, die für zwei weitere BDV-Proteine mit einer Molekularmasse von 8,4 kDa (S3-t6) und 165 kDa (p165; S3-T4) kodieren könnten (rote Schrift). Das p165 stellt hierbei möglicherweise eine neue Form der Polymerase dar.

N: Nukleoprotein; P: Phosphoprotein; X: X-Protein; M: Matrixprotein; GP: Glykoprotein; L: large protein (Polymerase); schraffierte Boxen: entsprechendes ORF wird nicht translatiert

In den primären polycistronischen Transkripten der dritten Transkriptionseinheit sind grundsätzlich drei Introns (I-III) lokalisiert (Abb. 2). Das nur 94 Nukleotide (nt) große Intron I liegt im ORF III, während das 1294 nt große Intron II im ORF IV lokalisiert ist.

Intron III (ca. 2150 nt) teilt sich die 5’-splice donor site mit Intron II, die entsprechende 3’-splice acceptor site liegt jedoch weiter stromabwärts als die des Intron II (SCHNEIDER et al., 1994; TOMONAGA et al., 2000; CUBITT et al., 2001).

Die posttranskriptionelle Modifikation in Form von alternativem Spleißen dieser Introns wird mit Hilfe der zellulären Spleiß-Maschinerie verwirklicht (BRIESE et al., 1992; SCHNEIDER et al., 1994, 1997b; SCHNEEMANN et al., 1994; DE LA TORRE, 2002) und erlaubt eine regulierte Expression von BDV-M, BDV-GP oder BDV-L.

Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass eine Synthese des BDV-M von allen subgenomischen RNAs ab S3 erfolgt, die Intron I enthalten. Hierzu zählen zum einen die bereits erwähnten primären, ungepleißten Transkripte mit einer Größe von 2,8 kb und 7,2 kb, zum anderen Intron II-gespleißte RNAs, die entsprechend ihrer Termination an T3 oder T4 eine Größe von 1,6 bzw. 6,1 kb aufweisen (Abb. 2).

BDV-GP wird von subgenomischen RNAs translatiert, die Intron II enthalten. Splei-ßen von Intron I soll dabei eine wesentliche Voraussetzung für eine effiziente Trans-lation von BDV-GP darstellen und führt zu subgenomischen RNAs mit einer Größe von 2,7 bzw. 7,1 kb (SCHNEIDER et al., 1994, 1997b; Übersicht bei SCHNEIDER, 2005) (Abb. 2). Nur ein geringer Anteil BDV-GP soll durch leaky scanning auch von Intron-I-haltiger subgenomischer RNA synthetisiert werden (SCHNEIDER et al., 1997b). BDV-L kann nur von Intron II-gespleißten Transkripten exprimiert werden, die an T4 enden, da erst durch diese Prozessierung das BDV-L kodierenden ORF geschaffen wird (WALKER et al., 2000; Übersicht bei SCHNEIDER, 2005). Eine effiziente Synthese des BDV-L scheint zudem nur nach zusätzlichem Spleißen von Intron I zu erfolgen (SCHNEIDER, 2005). Demzufolge entsteht hierbei eine subgenomische RNA mit einer Größe von 6,0 kb (Abb. 2).

Durch Spleißen von Intron III sollen subgenomische RNAs entstehen, die für zwei weitere BDV-Proteine mit einer Molekularmasse von 8,4 kDa (S3-t6) und 165 kDa (p165; S3-T4) kodieren könnten (Abb. 2).

Die Relevanz von Intron III bleibt jedoch unklar. Zum einen fehlt diese Spleißstelle im BDV-Isolat No/98 in toto (PLESCHKA et al., 2001), zum anderen wird bei den übrigen BDV-Isolaten die Nutzung von Intron III durch eine exon splicing suppressor sequence (ESS) unterdrückt. Theoretisch würde jedoch bei einer Termination an t6 die ESS aufgrund ihrer Lokalisation nicht mehr transkribiert, wodurch die Hemmung des Intron III-Spleißens aufgehoben werden könnte (TOMONAGA et al., 2000).

Die Regulation der Genexpression wird bei experimentell infizierten Tieren durch Differenzen in Bezug auf den Zeitpunkt der maximalen Expression viraler Proteine post infectionem (p.i.) deutlich (Abb. 3).

Bei intrazerebral infizierten Lewis-Ratten tritt die maximale Expression des BDV-GP früher ein, als die des BDV-N und BDV-M. Zu späteren Zeitpunkten ist eine Abnahme von BDV-GP und BDV-M zu beobachten, während BDV-N maximal exprimiert bleibt (WERNER-KEIŠS, 2006; WERNER-KEIŠS et al., 2008).

Auch hinsichtlich Zelltropismus, intrazerebraler und intrazellulärer Ausbreitung weist BDV-GP gegenüber BDV-N und BDV-M Unterschiede auf (s. 2.2.5).

prominenteste perivaskuläre und hochgradige parenchymatöse Entzündungszellinfiltrate

0 7 14 18 24 31 42 50 60

akutes klinisches Stadium Übergang zum chronischen klinischen Stadium

leptomeningeale

akutes klinisches Stadium Übergang zum chronischen klinischen Stadium

leptomeningeale

Abb. 3: Darstellung des zeitlichen Verlaufes von Klinik, Entzündungsreaktion und Expression der BDV-Strukturproteine sowie deren subgenomischen RNAs nach intrazerebraler Infektion von Lewis-Ratten (nach WERNER-KEIŠS, 2006)

Dargestellt sind klinischer Verlauf (schwarze Schrift), zeitlicher Ablauf der Entzündungsreaktion (blaue Schrift), Zeitpunkt des frühesten immunhistologischen Nachweises von BDV-N, BDV-M und BDV-GP, sowie der Zeitraum ( ) ihrer maximalen Expression (rote Schrift) und der Zeitpunkt des frühesten Nachweises BDV-N- und BDV-GP-spezifischer RNA mittels ISH, sowie der Zeitraum ( ) ihrer maximalen Expression (grüne Schrift) bei intrazerebral BDV-infizierten Lewis-Ratten.

p. i.: post infectionem; BDV-N: Nukleoprotein; BDV-M: Matrixprotein; BDV-GP: Glykoprotein;

Max.: maximale Expression

Auf RNA-Ebene (mRNA, genomische RNA) ist der Zeitraum der maximalen Expres-sion BDV-N- und BDV-GP-spezifischer RNAs bei experimentell infizierten Ratten identisch (Abb. 3), während sich in Bezug auf die exprimierenden Zelltypen und die intrazelluläre Verteilung Unterschiede ergeben. Während BDV-N-spezifische RNA im

gesamten Gehirn detektiert wird, ist BDV-GP-spezifische RNA in weniger Zellen und nur in bestimmten Gehirnarealen verstärkt nachweisbar. BDV-N-spezifische mRNA liegt vorranging im Zytoplasma und in den Fortsätzen, zum Teil auch in den Nuklei von Neuronen und Ependymzellen vor. BDV-GP-spezifische mRNA wird dagegen nur in Neuronen eindeutig im Zytoplasma nachgewiesen, während sie in anderen Zelltypen des ZNS nur im Kern zu finden ist. Genomische RNA tritt generell vor-wiegend in Zellkernen auf (WERNER-KEIŠS, 2006; WERNER-KEIŠS et al., 2008).

Die meisten der oben genannten Ergebnisse stammen aus experimentellen in vitro- und in vivo-Untersuchungen. Inwieweit eine gleichartige Expressionsstrategie viraler Transkripte und Proteine beim natürlich infizierten Pferd erfolgt, ist nicht detailliert untersucht.