• Keine Ergebnisse gefunden

5.2 Immunhistologische Befunde und Befunde der In-situ-Hybridisierung

5.2.5 Matrixprotein, Glykoprotein und korrespondierende RNAs

BDV-M und BDV-GP stellen virale Strukturproteine dar (SCHNEIDER et al., 1997a;

GONZALES-DUNIA et al., 1998; KRAUS et al., 2001). BDV-M ist mit der inneren Schicht der Hüllmembran des Virions assoziiert und scheint durch die Ausbildung einer Gerüststruktur an der inneren Hüllmembran mit gleichzeitiger Bindung viraler RNA eine zentrale Rolle in der Viruszusammensetzung inne zu haben (KRAUS et al., 2005). BDV-GP stellt dagegen, wie andere Glykoproteine von Viren mit Lipidhülle auch, einen wesentlichen Faktor beim Viruseintritt in die Wirtszelle dar. Es vermittelt einerseits die Virusadsorption (attachment) durch Interaktion mit zellulären Rezeptoren und ist andererseits an der Penetration durch Fusion der Virusmembran mit der zellulären Membran beteiligt (SCHNEIDER et al., 1997a; GONZALES-DUNIA et al., 1998; PEREZ et al., 2001; 2.2.5.5).

BDV-M und +ssBDV-M wurden bei experimentell infizierten Lewis-Ratten und TNFα -transgenen Mäusen in Neuronen, Astrozyten, Oligodendrozyten und Ependymzellen vorwiegend im Zytoplasma, aber auch im Nukleus detektiert (WERNER-KEIŠS et al., 2002; KRAMER, 2006; WERNER-KEIŠS, 2006). In vivo-Studien über Zelltropismus und intrazelluläre Ausbreitung des BDV-M bei natürlich infizierten Pferden lagen bislang nicht vor.

Hinsichtlich des Zelltropismus sind die Ergebnisse der vorliegenden Studie mit den vorherigen experimentellen Untersuchungen vergleichbar. Darüber hinaus lag BDV-M, wie in experimentellen Studien auch, in allen Gruppen vorrangig im Zytoplasma vor. Da BDV-M durch eine Verbindung mit der inneren Hüllmembran einerseits und der viralen RNA andererseits eine zentrale Rolle bei der Viruszusammensetzung zugeschrieben wird (KRAUS et al., 2005), war eine derartige intrazelluläre Verteilung zu erwarten. Im Vergleich zu BDV-N, BDV-P und BDV-X war jedoch auffällig, dass sich die zytoplasmatischen Reaktionen des BDV-M in erster Linie auf das Perikaryon konzentrierten und in den zellulären Fortsätzen kaum zu detektieren waren. Legt man die Annahme zugrunde, dass positive Signale der BDV-Proteine in den Fortsätzen eine intraaxonale Ausbreitung des BDV in Form von RNPs widerspiegelt, dann bestätigt dieses Untersuchungsergebnis, dass BDV-M vermutlich keine Komponente der RNPs darstellt. Darüber hinaus lagen BDV-M-spezifische intranukleäre Immunreaktionen im Gegensatz zu denen des BDV-N, BDV-P und BDV-X ausschließlich diffus vor. Dies ist ebenfalls ein Indiz dafür, dass BDV-M kein Bestandteil der RNPs ist, da die punktförmigen Reaktionen im Nukleus vermutlich den Nukleolus als Ort der viralen Replikation darstellen (PYPER et al., 1998). Allerdings können die ebenfalls nachgewiesenen nukleären BDV-M-spezifischen Reaktionen auf eine Interaktion des BDV-M mit dem RNP hindeuten, wie dies bereits in früheren experimentellen Studien beschrieben wurde (CHASE et al., 2007; NEUMANN et al., 2009). Das Matrixprotein von Influenzaviren, die ebenfalls im Nukleus replizieren, ist unter anderem auch an der Steuerung des nukleären Exports beteiligt (MARTIN u. HELENIUS, 1991). Hinsichtlich seiner teils intranukleären Lokalisation könnte das BDV-M eine ähnliche Funktion innehaben. In Bezug auf die nukleären BDV-M-spezifischen Reaktionen ergab sich bei Gruppe II

gegenüber Gruppe I ein statistisch signifikant höherer Wert bei ungefähr gleich bleibenden zytoplasmatischen Reaktionen. Inwieweit diese Ergebnisse eine erhöhte Interaktion des BDV-M mit den RNPs darstellen und es sich um eine Wirkung auf Replikation/Transkription im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung handelt, muss anhand weiterer Untersuchungen natürlich infizierter Pferde abgeklärt werden.

+ssBDV-M war in der vorliegenden Studie bei allen Pferden unabhängig von deren Gruppenzugehörigkeit fast ausschließlich im Nukleus, vorwiegend in granulärer, teils punktförmiger Anordnung nachweisbar. Die nachgewiesene punktförmige intranukleäre Anordnung wird hierbei als Hinweis auf eine aktive mRNA-Synthese diskutiert (HERDEN, 2009). Eine zytoplasmatische Reaktion, wie sie bei experimentellen in vivo-Untersuchungen zu frühen Zeitpunkten p. i. zu beobachten war, lag weder bei Tieren der Gruppe I, noch bei den Pferden der anderen Gruppen vor. Da es sich jedoch bei den Pferden um natürliche BDV-Infektionen handelt, und somit der Zeitpunkt der Infektion nicht bekannt ist, ist eine frühere zytoplasmatische Akkumulation von +ssBDV-M nicht auszuschließen. +ssBDV-M stellt eine Intron I-haltige subgenomische RNA dar (CUBITT et al., 2001; DE LA TORRE, 2002). Der Kernexport solcher unprozessierter Transkripte wird normalerweise durch zelluläre Faktoren verhindert. Allerdings wurde bereits gezeigt, dass Exportfaktoren in der Lage sind auch unabhängig vom Spleißzustand mit der RNA zu interagieren (RODRIGUES et al., 2001; SANDRI-GOLDIN, 2004). Auch für das BDV wurde in in vitro-Untersuchungen bewiesen, das Intron I-haltige +ssRNA aus dem Nukleus exportiert wird (JEHLE et al., 2000). Obwohl +ssBDV-M fast ausschließlich nukleär zu detektieren war, weist der immunhistologische Nachweis von BDV-M darauf hin, dass auch bei natürlichen BDV-Infektionen un- oder teilgespleißte Transkripte aus dem Nukleus exportiert werden. Der fehlende Nachweis zytoplasmatisch lokalisierter +ssBDV-M könnte auf eine schnelle Degradierung der +ssBDV-M nach der Translation hinweisen. Die turnover-Rate von mRNAs ist unter anderem abhängig von zellulären RNA-bindenden Proteinen und deren Interaktion mit spezifischen Sequenzen innerhalb der mRNAs (MCKEE u. SILVER, 2007) und scheint somit für jede mRNA unterschiedlich zu sein. FINKE et al. (2000) diskutieren beim Tollwutvirus eine geringe Halbwertszeit der Polymerase-kodierenden mRNA als einen

Mechanismus zur Regulation der Polymerase-Expression. Eine schnelle Degradierung der +ssBDV-M könnte in Verbindung mit einer Retention der subgenomischen BDV-M-kodierenden Intron-I-haltigen +ssRNA im Kern, auf die die ausschließlich nukleäre Lokalisation der +ssBDV-M hindeutet, einen vergleichbaren regulativen Mechanismus zur restriktiven Expression des Strukturproteins BDV-M darstellen, ähnlich wie es auch für BDV-GP in experimentellen Studien bereits beschrieben wurde (WERNER-KEIŠS et al., 2008). Da die verwendete +ssBDV-M-spezifische Sonde eine Sequenz innerhalb des Intron I-kodierenden Abschnittes der +ssRNA erkennt, ist allerdings nicht vollständig auszuschließen, dass es sich bei den detektierten nukleären Reaktionsprodukten um primäre, noch nicht gespleißte Transkripte handelt, aus denen nach einem späteren Spleißen BDV-GP oder BDV-L translatiert werden sollte (SCHNEIDER et al., 1994; SCHNEEMANN et al., 1995;

SCHNEIDER et al., 1997b; 2.2.4).

BDV-GP war vergleichbar mit früheren in vivo-Untersuchungen an Mäusen, Ratten und Pferden lediglich bei einigen Tieren zu detektieren und ausschließlich im Zytoplasma von Neuronen nachweisbar (HERDEN et al., 1999; KRAMER, 2006;

WERNER-KEIŠS et al., 2008). Darüber hinaus war es das am geringsten exprimierte Protein. Das BDV-GP stellt als ein an der Oberfläche infizierter Zellen lokalisiertes Protein eine Zielstruktur für die antivirale Immunantwort des Wirtes dar. Durch eine Abregulation der initialen BDV-GP-Expression im Verlauf der Infektion wird eine effektive Virusabwehr unterlaufen (KIERMAYER et al., 2002; EICKMANN et al., 2005). Im Gegensatz zu vorangegangenen Studien, die eine Abnahme der BDV-GP-Expression im fortgeschrittenen Stadium der BDV-Infektion beschreiben, war in der vorliegenden Untersuchung eine statistisch signifikante Zunahme BDV-GP-positiver Zellen von Gruppe I zu Gruppe II bzw. von Gruppe I zu Gruppe III zu beobachten.

BDV-GP wird neben seiner zentralen Funktion beim Viruseintritt in die Wirtszelle auch als essentieller Faktor für die transneuronale Virusausbreitung diskutiert (BAJRAMOVIC et al., 2003; WERNER-KEIŠS et al., 2008). Derzeit ist nicht bekannt, in welchem Stadium der BDV-Infektion, welche der für BDV beschriebenen Ausbreitungsmechanismen (unbehüllte RNPs oder reife, kurzzeitig vorhandene Viruspartikel; vgl. 2.1.3.1) in vivo von Bedeutung sind. Die vorliegenden Ergebnisse

könnten jedoch darauf hinweisen, dass im fortgeschrittenen Stadium natürlicher BDV-Infektionen eine BDV-GP-vermittelte transsynaptische Virusverbreitung vermehrt auftritt. Da jedoch in Gruppe I lediglich ein Pferd überhaupt BDV-GP-spezifische Reaktionen aufwies, ist diese Ergebnisse vorsichtig zu bewerten und müssen durch weitere Untersuchungen untermauert werden. Zwischen Gruppe II und Gruppe III, in denen jeweils mehrere Tiere BDV-GP-positive Reaktionen zeigten, ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied in Bezug auf die Zahl positiver Zellen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Abnahme BDV-GP-spezifischer Immunreaktionen im fortgeschrittenen Infektionsstadium in der vorliegenden Studie aufgrund der geringen Gruppengröße nicht eindeutig darstellbar ist. Allerdings sollten auch andere Einflussfaktoren wie ein abweichender Immunstatus oder genetische Faktoren der Pferde in Betracht gezogen werden, die über ein Ausbleiben der antiviralen Immunantwort die BDV-GP-Expression begünstigen könnten.

+ssBDV-GP war im Gegensatz zu BDV-GP bei 83% der Tiere in Neuronen, selten auch in Astrozyten und Oligodendrozyten vorwiegend im Nukleus, vereinzelt auch im Zytoplasma zu detektieren. Zelltropismus und intrazelluläre Verteilung der +ssBDV-GP sind hierbei mit früheren experimentellen in vivo-Studien vergleichbar. Der vorwiegende Nachweis von +ssBDV-GP im Nukleus deutet auf eine Restriktion des nukleären Exportes hin, die eine Abnahme der BDV-GP-Expression zur Folge hätte.

Auffällig war, dass sich das intranukleäre Verteilungsmuster von +ssBDV-GP bei Pferden, die eine zytoplasmatische Reaktion aufwiesen zu Gunsten einer diffusen Anordnung der spezifischen Reaktionsprodukte im Kern verschoben hatte. Während also punktförmige Akkumulationen möglicherweise den Nukleolus als Ort der viralen Replikation darstellen (PYPER et al., 1998), könnte eine diffuse intranukleäre Verteilung auf einen nukleären Export hindeuten. Nicht alle Pferde, die +ssBDV-GP im Zytoplasma aufwiesen, zeigten auch BDV-GP-positive Signale. Dieses weist darauf hin, dass eine Regulation der BDV-GP-Expression auch auf Translationsebene stattfindet, wie bereits bei experimentellen in vivo-Studien diskutiert wurde (WERNER-KEIŠS et al., 2008).

In Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung ist zu beachten, dass die zum Nachweis von +ssBDV-GP verwendete Sonde eine Sequenz innerhalb des Intron

II-kodierenden Abschnittes der subgenomischen RNA erkennt. Daher ist nicht vollständig auszuschließen, dass die verwendete Sonde neben +ssBDV-GP auch ungespleißte primäre 2,8 kB, 7,2 kB oder 3,5 kB große RNA-Transkripte detektiert (vgl. Abb. 2), die je nach Bedarf für die Synthese von BDV-M, BDV-GP, BDV-L oder BDV-P genutzt werden können.

5.3 Persistenz

BDV weist mehrere Eigenschaften auf, die als begünstigende Faktoren für die Entwicklung einer Persistenz interpretiert werden (vgl. 2.3). Hierzu gehört unter anderem die Möglichkeit der Regulation viraler Transkription und Replikation. Die Mehrheit der Erkenntnisse über die Persistenzmechanismen des BDV wurden mittels experimentellen in vitro- und in vivo-Untersuchungen gewonnen. Inwieweit Erkenntnisse auch bei natürlichen BDV-Infektionen von Bedeutung ist bis dato nicht eingehend untersucht.

Eine Regulierung der BDV-GP-Expression bei natürlich BDV-infizierten Pferden scheint vergleichbar mit experimentellen in vivo-Studien sowohl auf Proteinebene, als auch auf Ebene der mRNA durch herabgesetzte Translation und Restriktion des nukleären Exports kodierender RNAs zu erfolgen. Als ein an der Oberfläche infizierter Zellen lokalisiertes Protein stellt BDV-GP eine Zielstruktur für die antivirale Immunantwort dar. Durch eine restriktive Expression des BDV-GP entgeht das BDV daher einer effektiven Virusabwehr.

Eine restriktive Expression des BDV-L scheint auch bei natürlichen BDV-Infektionen von Bedeutung zu sein. Diese erfolgt wahrscheinlich durch eine nukleäre Retention der +ssBDV-L wie es bereits in in vitro-Studien vermutet wurde (Übersicht bei SCHNEIDER, 2005). Inwieweit eine nur geringe Generierung primärer, BDV-L-kodierender Transkripte als ein weiterer Mechanismus für eine restriktive Expression des BDV-L bei natürlichen BDV-Infektionen eine Rolle spielt, ist nicht abschließend zu beurteilen. In der vorliegenden Studie wurde durch qualitative Untersuchungen zunächst bestätigt, dass ein Durchlesen des Stoppsignals T3, das essentiell ist für die Generierung primärer Transkripte ist, die das ORF V für BDV-L enthalten (JEHLE et al., 2000) stattfindet. Um über diese qualitativen Ergebnisse hinaus weitere

Aussagen über die Menge dieser Transkripte zu treffen, muss in weiteren Studien eine Quantifizierung dieser Transkripte erfolgen.

Der Abhängigkeit des RNPs von der optimalen intrazellulären Stöchiometrie des BDV-N und BDV-P werden ebenfalls regulierende Einflüsse zugeschrieben.

(WATANABE et al., 2000; SCHNEIDER et al., 2003; Übersicht bei SCHNEIDER, 2005). In der vorliegenden Studie ergaben sich ebenfalls Hinweise auf Unterschiede des BDV-N/BDV-P-Verhältnisses im Verlauf der BDV-Infektion (5.2.1). Allerdings sollte auch in diesem Fall in folgenden Untersuchungen ein quantitativer Nachweis der entsprechenden Proteine erfolgen.

Die Daten dieser Studie deuten auf eine Kolokalisation des BDV-X mit den Proteinen des RNPs hin. Dies bekräftigt die Annahme, dass X auch in natürlichen BDV-Infektionen als Regulationsfaktor des RNPs fungiert und somit an der Ausbildung einer Persistenz beteiligt ist.

BDV-M wird ebenfalls eine Beteiligung an der Ausbildung der viralen Persistenz zugeschrieben. Im Gegensatz zu Matrixproteinen anderer NNS-RNA-Viren soll BDV-M zwar ebenfalls mit dem RNP interagieren, aber die Polymeraseaktivität dabei nicht beeinflussen, so dass möglicherweise die Zusammensetzung neuer Viruspartikel durch das Ausbleiben eines molecular „switch“ von Replikation zu Transkription verzögert wird (CHASE et al., 2007; 2.3). Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse weisen darauf hin, dass auch bei natürlichen BDV-Infektionen eine Interaktion zwischen BDV-M und dem RNP bestehen kann.

Inwieweit eine, durch die Ergebnisse angedeutete, erhöhte Interaktion im fortgeschrittenen Stadium der BDV-Infektion mit einer restriktiven Freisetzung maturer Viruspartikel in Zusammenhang steht muss anhand weiterer Untersuchungen natürlich BDV-infizierter Pferde abgeklärt werden.

Darüber hinaus weisen die vorliegenden Ergebnisse auf eine nukleäre Retention der subgenomischen BDV-M-kodierenden Intron-I-haltigen +ssRNA hin. Hierbei handelt es sich möglicherweise um einen regulativen Mechanismus zur restriktiven Expression des Strukturproteins BDV-M, und somit zur Verzögerung der

Viruszusammensetzung (KRAUS et al., 2005), ähnlich wie es für BDV-GP bereits beschrieben wurde (POROMBKA et al., 2006; WERNER-KEIŠS et al., 2008).