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Rückzug nach Tromsoe

Im Dokument BIEI'\TEB'\ \ LEPnL\RFn n SCHL\G (Seite 35-38)

Der Eisgrenze entlang fahrend, drängte sich uns die Überzeugung auf, dass in den nächsten Tagen die Insel nicht erreicht werden könne; nach einer mehrtägigen Kreuzung kehrten wir nach Tromsoe znrüek, der Mannschaft Ruhe zu gönnen und die Vorräthe zu ergänzen.

Ein Telegramm berief Graf Wi1eZe k nach Wien. .

Hart war der Abschied von einem Manne, der sich mit der Unternehmung so innig verkörpert hatte, der gleich uns die Erkenntnis im Herzen trug, dass die ungünstigen Eisverhältnisse noch manche Zeitversäumnis nach sich ziehen werden.

Am 21. Juni Mittags verliessen wir zum zweiten Male die Küste Norwegens; die Mitglieder der norwegi-schen Beobacbtungsstation für Bossekop, sowie Sir Gore Bo o th, der mit seiner Yacht "Kara" und dem Gefährten Gran t auf der Fahrt nach dem Norden sich befand, um den damals noch verschollenen Franz Joseph-Land-Reisenden MI'. Leigh Smith aufzusuchen, sandten uns ihre herzlichen Grüsse nach, so herzlich wie sie nur Jemand empfinden und bieten kann, der einer gleichen unbekannten Zukunft in den Eisregionen entgegengeht.

Aus den Seheeren von Tromsoe dampfend, steuerten wir gegen den 72° Nordbreite, um an der Treibeis-grenze dann nach Westen zu gelangen, und so ttber die Ausdehnung der Eisbedeckung der See ein Bild zu gewinnen.

Im Eise.

Wir erreichten den

äusaeren

EisgUrtei, aus kleinen, stark verrotteten Brocken bestehend, am 26. Juni.

Da unser Schiff, wie bereits oben bemerkt, nicht {Ur den Kampf mit ~em Eise gebautwar~ mU8lhm ~r stets feststellen, nach welcher Richtung hin das freie Fahrwasser lag, um beim Andrängen des Eises, olqo VIel Weg zu verlieren, dahin unseren RUckzug nebmen zu können.

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass die Eisgrenze sieh zu Anfang des Sommerstäglicll um mehrere See-meilen gegen Westen verschiebt, weniger rasch auf dem72° Nordbreite, mit schnellerem

Ab~nss

gegen

~est

aber in dem zwischen Jan Mayen und Island gelegenen Gebiete, wo die Richtung des Verschwmdens des EIses durcbsclmittlich als eine südwestliehe und westsüdwestliche angenommen werden kann.

Scoresby gibt in seinemnAn Account ofthe Arctic Regions", I. Band, Seite

265,

für die Eisgrenze im Frftbjabre folgende Position an: .

After donbling tbe southern promontory, or Cape Farewell (SUdspitze Gr6nlands) it advances in a north-eastern direction along the east coast, sometimes envelopingIceland as it proceeds, nl1lil it reaches theisland of Jan Mayen. Passing this island on tbe north-west, but frequently enclosing it, the edge of the ice then trends a little more to tbe eastward, and usually interseets tbe meridian of London, between the 7lat snd 7Sd degree of latitude. Having reacbed the longitnde of

50

or6° east, in some Instauces as far as 8° or10

0

in the 73d or74th degree ofnorth latitude, it forms a remarkable promontory, and snddenly stretcbes 10 the north, sometimes proceeding on a meridian tothe latitnde of 800 • • • •

. . . ,That remarkable promontory, mid-way between Jan Mayen and Cherie Islands formed by tbe sudden streteh of tbe ice to the north, constitutes tbe line ofseparation between the east orwhaling sndwest orsealing iee of the fishers: And the deep bay laying to the east of this promontory, wbich may be eslled The Whale-fisher's Bight, invariably forms tbe only prerions track for proeeeding to fishing latitndes north-ward.

. S

coresby gibt dem aus Nordost kommenden Polarstrom eine Geschwindigkeit von

5-20

Meilen

per

Tag, spricht jedoch auch von plötzlichen Ortsverändernngen des Eises gegen Westen in Folge von Stnrmen und Driftströmungen.

Erstam 27.Juni 1882, 3 Uhr Nachmittags, kam znm allgemeinen Jubel das Land der Verheissung in Sieht - die halb in Nebelgehüllte Küste der Insel Jan Mayen!

Abends konnten wir den Beerenberg in seiner ganzen majestätischenGrösse bewundern.

(2545

Meter Seehöhe).

Bald aber überzeugten wir uns, dass nach dem Durchbrechen des äusseren losen Eisgürtels dicht an einander geschobene Eisbarrieren von 15 Seemeilen Breite uns die Erreichung der Insel gänzlich verwehrten

die wir denn auch vor dem 13. Juli nicht betreten sollten. '

Diese Navigation, deren Erfolg doch nur von dem Einflusse der zumeist von Nebel verhüllten Sonne und

de~

so.

l~ngsam ~riftenden

Strömung abhing, bereitete uns Tantalusqualen. Es bedurfte der ganzen Gross-artJ~ke1tJenerReize, welche die uns gänzlich neuen Naturerscheinungen einer Polarlandschaft boten, um wenigstens Oll' Momente der Eisfessel vergessen zu können.

.

I~

dem

~asse,

als wir uns der Insel näherten, lüfteten sich die Nebelschleier, uns eine mehr und

mehr

detaillitte AnSicht vonschneeumlagerten Kratern und cascadenartig abstürzenden Gletschernvor Augen führend . .die

~enkrec~t

ausder See emporstrebenden Lava- und Basaltwände zeigten sich von Millionen

Was8ervögel~

bevölkert,

~le,

aufgeschreckt durch das Geräusch der Dampfmaschine, ihre Nester verliessen und sehnee-gestöberartig uns umschwirrten.

B Bald

~ernten

wir selbst im Nebel aus dem Geräusche, welches diese Thiere vemrsachen und das dem drauwsen eines fernen Wasserfalles ähnelt, die Lage dieser Vogelberge zu beurtheilen : auch aus der Gattun·g

er asservögel welche die Tümpel .

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d E' f '

.. d L d ' · · ZWlSC en en IS eldern belebten, liess sich ein Schluss auf die

Ent-rernnng es an es ziehen, ~

Bei heiterem Wetter erschien die Insel . F I d

bei Nebel erschienen di . t G ,lD 0ge er Klarheit der Umrisse, stets bedeutend nlher gerUckt·

ie genngs en egenstände riesig vergrössert Mö . '

schollen zu Schiffen die Riesenlel'ber' GK

IU ;

ven verzerrten sich zu Booten,

Eis-, uer ron ll.nderwale de . . . . h f

liessen, dehnten sich ins Unabsehbare ' ren eimge.. SIC au 80 Fuss Länge abscblttzen

U~ab~ehba~

in der Tbat waren die Lagerplätze der Robben (Seehunde)aus.

WIeSICh die Robben im Westen Grönlands an de L .

Ostküste

die Jan Mayen-Gegend auf um auf d E'" r

1d abradorküste Rendez-vous geben, so sucben jene der , en 18.e ern zu kalben.

32 E. v. Wohlgemuth,

Vorbericht. 33

Nördlich der Insel haben wir diese Robbenherden nicht angetroffen; die Robbenkühe wählen die Plätze näher an der Allssenkante des Eises, damit die Jungen späterhin leicht nach dem Wasser gelangen können.

Letztere sind während der ersten sechs Wochen mit einem Wollkleide versehen und werden erst nach der Entwicklung des haarbedeckten Felles schwimmfähig.

Unsere eigene Ausbeute an Robben war eine geringe, da wir nur vereinzelte alte Robbeu schossen die

,

sogleich harpunirt werden mussten, um sie nicht durch Untersinken zu verlieren. Die Umgebung von Jan Mayen ist aber der Zusammenkunftsort von Robbenschlägern.

Über die Art, wie diese die Jagd ausüben, sei mir gestattet, die drastische Beschreibung eines Mitgliedes der amerikanischen Nordpolexpedition, des Herrn Dr. Emil 13 e s seI s, wiederzugeben, der auf einem Neufund-landschiffe daran Theil nahm. Er sagt in seinem 1879 in Leipzig erschienenen Buche (Die amerikaaisehe Nordpol-Expedition) :

"In solchen Fällen gilt es rasch und mit Umsicht zu handeln. Mit Ausnahme des Befehlshabers und einer geringen Besatzung greift nun ein Jeder zu dem Robbenknüttel,einer festen Stange von etwa 5 Fuss Länge, welche an einem ihrer Enden einen schweren Doppelhammer trägt. Von wilder 1fordlllst erfüllt, zerstreuen sich Hunderte von Menschen nach allen Richtungen über das Eis, um mit jedem Schlage ein armes wehrloses Geschöpfzu vernichten.

Die 'I'hiere, gewöhnlich so scheu, dass es eines gewiegten Jägers bedarf, um sie zu sehiessen, und einer noch erfahreneren Hand, sie zu harpnniren, haben plötzlich unter der Sorge um die Jungen, die Furcht gänzlich abgelegt, und lassen sich widerstandslos tödten. Nur in Ausnahmsfällen, wo das Kleine zu klagen beginnt, wobei es Laute ausstösst, welche dem Blöcken eines Lammes oder dem Schreien eines Kindes gleichen, vertheidiget die Mutter es mit wilder Verzweiflung. Sie beisstwüthend um sich, kratzt und lässt es sogar nicht [In vergeblichen Versuchen fehlen, den Jäger in die Flucht zu schlagen,

Dieser jedoch kennt kein Erbarmen. Er wird nur von Gewinnsucht geleitet, welche ihn hier blind macht für die Leiden und Qualen der armen Geschöpfe und dort seinen Blicken die Schärfe des Fernrohres verleiht, dass er die Beute selbst dann noch erspäht, wenn sie weit von ihm ist und nur als dunkler Punkt sich an dem eisigen Horizonte zeigt.

Nicht ohne den tiefsten Abscheu zu empfinden kann man ihr zuschauen, dieser unwnidmännisehenJagd, welche diesen Namen kaum mehr verdient, denn sie ist niedriger als die niedrigste Ausjägerci, in einem Masse ausgeführt, welches Grauen erregt. Bis auf wenige Schritte nähert sich der Jäger dem Mutterthiere, welches, langsam das Haupt erhebend, ihn mit gros sen glanzvollen Augen wehmüthig anschaut, Ihr Blick ist zweifellos menschenähnlich. Wer diesen Ausdruck in dem Antlitz eines Menschen gewahrte, wurde zurUckschrecken \"(.1'

der unendlich tiefen Seelenqual, die mit grausamer Deutlichkeit sich darin spiegelt.

• Ihn jedoch rührt dieses Augenpaar nicht, von welchem die Sage meldet, dass es Thränen der Wehmnth vergiesst. Fester nur fasst er die Mordwaffe, erhebt sie alsdann zu wuchtigem Schlage und zerschmettert den Schädel seines Opfers. Dieses zuckt im grimmen Todeskampfe, oder sucht, wenn nur schlecht getroffen, mit ungelenken Bewegungen sich durch Flucht seinem Verfolger zu entziehen. Er aber wendet nur die Waffe, erhebt sie abermals und schlägt die scharfe Spitze des Hammers in den RUcken des gequälten Thieres. Und es so zum Halt bringend, erhält es einen zweiten Schlag auf den Schädel und einen dritten bis dieser zertrümmert ist. In diesem Moment bringt die Mutterhäufig ihr Junges zur Welt. Und das Thierehen, welches kaum -die Luft geathmet, die es umgibt, kaum das Licht geschaut, dessen Strahl sich zitternd an den Eisbauten bricht, stirbt im Augenblick, da es ins Leben tritt, während das Pochen seines Herzens fast noch geleitet wird von den Schlägen des rasch erlahmenden Mutterhersens. Ein Fusstritt auf das noch weiche Haupt bereitet ihm gewöhnlich ein rasches Ende; nur selten bedient sich der Schlächter des Hammers, dessen Handhabung mehr Kraft und Zeit verlangt als das Heben des Fusses, Nicht umsonst darf er sich ErmUdungen aussetzen, nicht nutzlos seine Zeit vergeuden, denn viele blutige Arbeit harrt seiner noch. So rasch er zum Schlage ausholen kann, so oft erlegt er eine Robbe, wenn dieser richtig geführt war. Und er steht nicht allein in diesem grausamen Vernichtungskriege, denn in derselben Weise wie er, wUtheu seine zahlreichen Genossen. Jeder

Österreirhlsche },:xpeditlon auf Jan Mayen. 5

34

E.

v.

lVohlgemllth,

. . . , nf dieser Thiere erlegen; und die Anzahl der Minnten i.Bt Einzelne kann im Laufe

einer

Mmute drei bIS fIl. Breit und ehe es dunkelt nimmt das Morden kein beträchtlich in einer Stunde, lang ist der Tag unter Jenen rei en ,

Ende." . h über den Zeitraum vom 25. Juni bis 13. Juli 1882 erstreckte, Unsere Kreuz- und Querfahrt, welcheSIC • • d nd Ausdehnuna der ist in einer anhangsweiseangefügten Skizze

veranscI1.auliCh\~S g;~tr:~~~:~:~~~~ec::::a~i:en

und wo

mij~lich

die Insel umschliessenden Eisfelder zu erforschen, die

an~a

ige I I d I der Karte sich als gUnstig eine Wakezu entdecken, um durch dieselbe an die WestsClte der nser, zu er nae I

darbietenden Englischen Bucht zu gelangen. . 0'

dl

Zeitweise konnten wir wahrnehmen, dass an jener Iuselseite Landwasser bestehe, eine Beobaehtnng, ie sich auch im Laufe des späteren Aufenthaltes als häufig zutreffend erwies. . h d

Am 9. Juli waren wir der SUdseite auf fünf Meilen nahegerüekt; es lief ein gegen Westen zie en er

Strom der das Eis dicht an dieKüste drängte. . . .

~ie

Strecke vom Südcap bis zu der nachher ,.Cap Wien" getauften Spitze ist steil

abfanen~; h~er

hegt em

Krater neben dem anderen, zumeist mnldenförmig, so dass man in das Innere schon von See aus .embhckenka~n.

Die Hänge dieser Mulden sind in allen Nuancen von roth, braun und grauschwarz gefärbt, stellenweise auch mit Vegetation bedeckt, ein prächtiges F a r b e n s p i e l ! . .

Die Luft ist ganz klar geworden, so das viele Wasserrinnen und Katarakte zuen~decken sind. . Die Klippe r,Leuchtthnrm" hat von einer Stelle aus betrachtet das Aussehen einer Asmramusehel, die senkrecht ans dem Eise ragt, das.Looteenboot- war nahezu ganz hinter den angehäuften

Eismassen

verborgen, die "Säule" hob sieh sehr charakteristisch vom Hintergrunde ab.

Der Höhenzug in der Mitte der Insel wurde von dem Vogelberge überragt, so dass die schlossartige Spitze deutlich erfasst werden konnte.

Tags darauf beobachteten wir bei klarem Wetter, das eine rasche Erwärmung der Luftschichten über der Jusel hervorrief, die sonderbarsten Verzerrungen der über die SUdseite herüberlugendenVogelbergspitze; kaleido-skopartig schien sie ersf ein dreithUrmiger gothischer Bau, dann wie ein Schloss, wie eine Gruppe von Häusern etc.; um 53/ 4Uhr gewahrten wir schon wieder der Sonne gegenüber den lästigen Nebelbogen, der Nebelvorhang senkte sich tief herab, nun hatten wir wieder kaum 10 Meter Sehweite!

Von Tag zu Tag war der Zustand des Eises ein mehr gelockerter, und am 12. Juli während der Stunden, welche demNachtbogen der nunmehr nicht mehrunter den Horizont sinkenden Sonne entsprachen, umschifften wir das nördliche Inselmassiv, gelangten Mittags zu dem am besten vom Hinterlande sich abhebenden Brielle-thurm und legten drei Viertelstunden später das Schiff iu der Englischen Bucht in 17 Meter Tiefe vor Anker.

Im Dokument BIEI'\TEB'\ \ LEPnL\RFn n SCHL\G (Seite 35-38)