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Herbeischaffung von Trinkwasser

Im Dokument BIEI'\TEB'\ \ LEPnL\RFn n SCHL\G (Seite 90-93)

Die aufgerufene Mannschaft tritt in dichtes Sehneegestöber hinaus, der eisige Nordwind peitscht ihr Schnee ins Gesiebt; dünne Eisnadeln erfüllen die Luft, drängen sich überall ein, in jede Falte, in jede Kleid-öffnung; auf den Nähten sind kleine Ablagerungen und Gletscherzungen entstanden, die tropfenweise zur Haut dringen werden, sobald man in den Hausraum zurtlckgekehrt sein wird, ohne sie gründlieh abgeschUttelt und ausgelöst zn haben.

Die Ziehgurte aufder Schulter, dahinter der mit den Fässern bepackte Handschlitten, watet man bis zn den Hüften im Schnee; wirbelndes Schneetreiben, keine rechte Helle, kein Schatten, nur bie und da als (jrien-tirungspunkt ein dunkler Fels; vor uns das Gekläffe der Hunde, die jämmerlich winseln, wenn sie sich aus

einer Schneeversenkung nichtmehrselbst heraushelfen können.

Der Körper erwärmt sieb in Folge der Bewegung; im Gesichte nnd an den Schläfen, im Nacken, an dem Eiskrystalle schmelzen, ein GefUhl der Kälte; es herrscht eine ganz eigenthümliehe nüchterne Klarheit im Denken, so dass man sich an die Auflösung jedes noch so complicirten mathematischen Problems beranwagen möchte. Heute aber gilt es blos den Schlitten zu ziehen, der mit fUnf Fässern und einer Kiste beladen ist,

um Trinkwasßer und Eis ans der Lagune zu holen.

Es sind 1000 Schritte bis dahin; um diesen Weg zurückzulegen bedarf es zeitweilig bis zu zwei Stunden.

Sobald man den Sattel, der das Wilczek-Thal abscbliesst,

überschritten

hat, kommt man auf freigefegten Boden und die freilaufenden Hunde, welche nicbt die Wohlthat der Steigeisen geniessen maehen die ver-zweifeltsten Anstrengungen sich gegen den Sturm aufzuarbeiten. Ihre Pfotenklauen sind

l~ngst

abgeschliffen und das Eis zn glatt um einen Stl1tzpunkt zn gewähren.

Die fussdicke Eiskruste, mit welcher sich das durch eine Stange markirte Eisloch nachtsüber bedeckt bat, wird mit dem Beile aufgehackt; wie aus einem artesischen Brunnen gurgelt das Wasser in die Höbe; die Fässer werden rasch gefüllt, einige Milnner hacken Eis und stauen die Tafeln in die Kiste.

Da der Wind (~erHeimfahrt günstig ist, wird auf dem Maste des Schlittens das Segel gehisst, ein Lein-tuch nach Art der Kirehenfahnen getakelt; die unteren Schoten hält einer der Matrosen und läuft binter ber um die Segelstellung zu regnliren. Am geländerftlrmigen Gerüste des rUckWärtigen Schlittentlleiles steht der Offleier

um den Schlitten damit zu steuern. )

,

Vorbericht. 89

Ü.terr"khisehe E'j",dilion aur Juu Mayen. 12

Die Leute mit den Ziehgurten laufen nun seitwärts dem Schlitten voran, um nicht gelegentlich eines Windstosses überfahren zu werden.

So saust es den Hang hinauf; ein heftigerer Windstoss erfolgt, die Zugmänner werden geschleift und lassen die Zuggurten schlüpfen um nicht den Schlitten zu hemmen, der Matrose an den Tauen will das Segel streichen, der Schlitten besitzt aber bereits eine solche Geschwindigkeit, dass sich die Taue der Hand entrelasen und der Steuermann mitgeschleift wird. Keinen Halt finden die Füsse, um dem Schlitten noch eine letzte Drehung geben zu können, er rennt an einen Felsblock an und kippt um! Da rollen die Fässer dea Abhang hinab, die Spunde sind heransgestossen, Alles eilt um die Fässer noch aufzurichten und so viel a.ls möglich von dem kostbaren Nass zu retten; mit Schnee und Wasser als Mörtel sind die Spundlöcher rasch verkleistert. Hacke, Brechstange und Eimer wurden auch verstreut und müssenzusammengesucht werden.

Der Mast ist zum so und sovielten Male gebrochen; auch der Wassereimer ist zerquetscht, wird zurecht.

gerichtet und gelöthet werden müssen.

Neue Arbeit

für

den Mechaniker, der eben ein subtiles Instrument aufzustellen hätte. Der Zimmermann wird wohl bis morgen einige neue Spunde verfertigen.

Plötzlich wird es helle und heller, die Sonne tritt hervor, der Wind legt sich, der Schnee reflectirt blendend das Licht.

Aus Dunst und Schneetreiben tritt das Bild des Vogelberges hervor. Flattern und schallendes Geschrei der Möven in den Lüften; oben steht ein Fuchs und beschleicht einen Schwarm Schneezeisige die von unserer Station hieher geflogen; ganz nahe sitzt auch die Schneeeule, auf die wir schon oft mit den allerkleinsten Schroten und auf die unglaublichsten Entfernungen geschossen haben, um das Exemplar mit wohlbehaltenem Gefieder für das Museum zu gewinnen.

Bei einem solchen Anlasse machten wir einmal die Bekanntschaft einer Fehe, die in einer Höhle der Südbucht hauste, Mutter von einem weissen und drei blauen Füchslein.

Aus Mangel an Käfigen konnten wir nur das weisse Junge in Gewahrsam bringen; es lebte später im schönen Harten von Schönbrunn, seine dunklenBrüderaber wurden in Spiritus der Nachwelt erhalten.

Die Mama (von grauer Farbe) kam "täglich auf Besuch und stahl die besten Stucke aus der KUche; am Abschiedstage wollten wir sie schiessen um das Fell directe zur Conservirung nach Hause zu bringen; aber sie hielt das letzte Rendezvous leider nicht ein.

Den Fuchsgemal sahen wir niemals; erfahrungsgernäss ist es seine Art nicht en famille zu leben.

Da schwirrt es in den Lüften; ein nahezu weisser isländischer Falke hat auf die Schneezeisige gestossen und trägt einen derselben vor der Nase des Fuchses in dieLüfte! - Lolo! Er ist schon wieder über alle Berge hinter dem Fuchse her, man kann ruhig seine l'tIittagsration aufheben. - Heute Abendvorstellung! Lolo betritt das Forum vor dem Atrium unseres Hauses mit einem AnuensUndergesicht; wiewohl er, den Doetor aus-genommen, keinen rechten Herrn kennt und sich unabhängig zu stellen gewusst hat, wirft er heute Abends Jedem von uns einen zärtlichen Blick zu, wischt sich die Schnauze an allen Beinkleidern und lässt mit Resig-nation gute Lehren und die unausbleiblichen PUffe übersich ergehen.

Um die Gesellschaft mild zu stimmen wird er auch zum Heuchler; wiewohl er erst gestern an seinem leidenden Behänge ärztlich behandelt wurde, reicht er es nochmals dar, lässt es reinigen, wedelt dank barst und erschleicht sich bald vomDoctor die Absolution für alle Sohandthaten 1 Er hat uns durch Brakiren den ganzen Fuehsbestand meilenweit um die Ansiedlung vernichtet; kommt man zu Wasser an eine entlegene Inselstelle, wo Lolo's Fussspuren nicht zu sehen sind, da sind die Füchse entgegenkommend, harmlos obne zu ahnen, dass nunmehr Feinde auf ihrer Welt existiren, die sie bisher allein beherrschten.

Und nun soll ich noch des Rettungsseiles aus Manila-Hanf Erwähnung thun, ohne welches die Versuche die Gletscher des Beerenberges zn erklimmen nicht zu beginnen sind? Ich könnte erzählen von waghalsigen Unternehmungen an den durchwitterten Hängen des Vogelberges, an welchen 100 Metei' in die Tiefe ein Menschenleben hinabgelassen wird, das sich kaum den Steinlavinen zu entziehen vermag,um die Eiersammlung im verborgensten Winkel eines Museums ZUvermehren.

Vogelberge.

Vogelbergl Nach einem so dornenvollen Abschnitte sei es mir gegönnt zu sagen, was der Vogelberg

UDSsonst noch war. d S ilk

"Vogelberge" werden im hohen Norden alle jene mehr oder weniger senkrecht abstürzen en tel üsten genannt, welche der polaren Vogelwelt zu Wohn- und Brntplätzen dienen. . . ' ..

In Folge der horizontalen Lagerung der Schichten oder in Folge theilweiser ErOSIon bieten diese Felswände

zahlreiche treppenartige Absätze und Schlupfwinkel. . .

Sobald die Insolation ihre Wirkung beginnt sind diese Absätze an den dunklen Wänden frei von dem etwa durch den Win« dahingewehten Schnee und damit auch zur Aufnahme der Eier bereit; nur wenige Mövenarten, so die dreizehige Möve bauen Nester aus Moos, Lehm, Pflanzenresten, von Guano durchtränkt;

die Mehrzahl der Wasservögel Jan Mayens brütet auf dem nackten Gestein.

Aus den Vogelbergen ertönt betäubendes Lärmen, von Ferne dem Tosen eines mächtigen Wasserfalles ähnelnd, in der Nähe so mächtig, dass es uns anfänglich trotz aller Müdigkeit am Einschlafen hinderte. Am heisersten, aber kräftigsten ist das Geschrei derBürgermeistermövenj diese sitzen zumeist auf den Zinken der Lava-Conglomerate oder schreiten gravitätisch am Strande einher, jeden guten Fang den Alken und Eissturm-vögeln abjagend.

In das Gequack und Gezänke der Eissturmmöven und Alken, in das Girren der dreizebigen Möven mischt sieh der schrille Ton der Krabbentaucher und der Pfiff des Strandläufers,

Andere Naturlaute tönen dazwischen: Der gellende Ruf des Polarfuchses, der heisere Schrei der lang-beschwingten Seeschwalbe; das Sausen der Flügel der Sturmmöven, wenn sie sich von der Höhe herabstürzen, ein Ton der demGeräusche ähnelt, wie es durch Glattstreichen einer Glanzleinwand verursacht wird ; Schmelz-wasser kommt an dem Oberrande der Felswand zum Durchbruche und stürzt in mächtigen Oascaden, von oft einigen Metern Breite die Felswand hinab, Alles mit sich fortreissend. Der Anstoss ist gegeben, die unter-waschene Schnee- und Gletscherwächte bricht zusammen, klirrend stürzen die Scherben zur Tiefe, Steinblöcke,

Alken, Junge, Eier mit sieh in die Tiefe reissend.

Entsetzt stiebt eine Vogelwolke ans dem Chaos, kreischend kehren die Mutterthiere zn den im Wasser zappelnden Jungen zurück, laden sie auf den Rücken und fliegen davon.

Bllrgermeistermöven und Füchse, die schon lange auf sicherem Standpunkte einer niedergehenden Laviue entgegenharren, sturzen sich an den Strand undflüchten mit der Beute.

Aus der Feme eilen zwei Sehmarotzermöven hinzu, stossen auf den Fuchs, der sich zur Webre setzt und den guten Bissen entschlüpfen lässt.

. Dieinnerstenu~dbestgelegenen Plätze werdenvon den Eissturmvögeln(Procellaria glacialis) eingenommen.

Die~e Möven überwintern auf Jan Mayen, und nur während langandauernder harter Kälte, die alle Waken s('hhes~t und.das Nahrungsuchen vereitelt, retten sie sich nach SUden an die Eisgrenze.

DIese EIssturmvögel tragen an der Vorderseite weisses, an der Rtlckenseite graues Gefieder die jungen Thiere sind

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der Brustseite grau; unter den Millionen dieser Art, welche wir auf Jan Ma;en antrafen, wurde nur

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emsiges ganz welsses Exemplar gesehen und erlegt. Werden sie von einem winterlichen Nord-sturme plötzlichüberrascht, so kommt es wohl vor, dass sie erfrieren und hunderttausende ihrer Leichen die Insel bedecken.

Diese Vogelcadaver bilden im schlimmsten Fall die Winternahrl1ng der Polarftjchse der I I

. An,den Schnabellöchern und an der Sohle der SchwimmtUsse befinden sich dann

Eisknon::~~s

zur Grösse

einer Fhntenkugel. Bei plötzlich einfallendem Froste geschieht es wohl h d S'

d St ~d b " ancn, ass ttnterwasser auf Flügel

un etosere ern a tropft und SIe mit einer Eiskruste üb . ht d di .

können. erzte ,so ass ie Vögel nicht mehr entfliehen

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Wohlgemuth}

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Vorbericht. 91

Zur Sommerszeit, wenn die ruhige See mit Milliarden von Krebsthierehen bedeckt ist und besonders längs den damit überspuhlten Sandküsten kann man Millionen dieser Möven, bis zu 60 auf den Quadratmeter, versammelt sehen.

Papageitaucher und Krabbentaucher ziehen als Wohnsitze zerklüftete Felssehrofen vor. Die Alken mit schwarzbraunem Kopfe, schwarzen Flügeldecken und Rücken wohnen am dichtesten beisammen; sie stehen stundenlang gravitätisch auf den Felsstufen nebeneinander, militärisch in Reih und Glied ausgerichtet, so dass man von denselben mit einem einzigen Schrotschusse wohl bis zu 30 erlegen kann.

Jeder ihrer Rastplätze ist so gewählt, dass er zum mindesten zwei Meter über den ebenen Stellen liegt und keinen Zugang vom Lande aus besitzt.

Die Eier der Alken sind lichtgrün, schwarz gesprenkelt, jene der Sturmmöve weiss,

Die Eier der Krabbentaucher, Bürgermeistermöven und dreisehigen Möven sind ehamoisfarben, der Reihe nach in zunehmend dunklerer Färbung, die letzteren an der stumpfen Seite stärker braun gefleckt.

Die lichtbraunen Eier der Eiderenten, welche auf flachem Boden nisten, fallen auf Jan Mayen zumeist den Füchsen zum Opfer.

Die übrigen Wasservögel, darunter die Teiste, welche ziemlich zahlreich angetroffen werden, snchen ihre Nahrung nie ganz dicht an der Küste und zeigen sich nicht in Schwärmen, sondern stets paarweise.

Die Eier der Alken und Krabbentaucher sind sehr wohlschmeckend; hartgesotten sieht das Eiweiss gelatinartig durchscheinend aus, der Dotter hat eine ins Rosenrothe übergehende Färbung. Die weissen Eier der Eissturmvögel haben den üblen thranig ranzigen Geschmack, wie das Fleisch dieser Thiere selbst.

Wiewohl Füchse und Hunde gerade diese Thiere, frisch erlegt, gern verzehrten, konnten wir uns selbst an ihren Geschmack niemals gewöhnen.

Arme Bewohner der Nordküste von Island, zumal auf Grimsey, sollen wintersüber davon leben.

Unter den norwegischen Fischern geht die Sage, dass die Eissturmvögel, wenn sie zn sehr von Insecten geplagt werden, sich so lange mit den Flügeln schlagen, bis sie blutend wund werden.

Das Schlagen mit den Flügeln und eine stellenweise ziegelrothe Färbung des Gefieders bemerkten auch wir sehr häufig, bald aber fand dieser Proeeas darin seine Erklärung, dass durch die vehemente Bewegung, welche diese Vögel auf dem Wasser sitzend ausführen, der Mageninhalt heraufgewürgt wird; er ist ölig und mag auch zur Undurchdringlichkelt des Gefieders beitragen; dasselbe erhält durch das Secret eine schmutzig-weisse Färbung, während jenes der Elfenbeinmöve und Bürgermeistermöve von blendender Weisse ist.

Die hauptsächlichste Wirkung dieser Action ist aber wohl dem Gebrauche der Pfauenfedern bei den Schwelgern der römischen Kaiserzeit gleich zu halten, denn die

Eisstnrmmöven

füllen sofort ihren Magen mit frischer Nahrung.

Das Auswerfen des Mageninhaltes geht so leicht vor sich, dass diese 'I'hiere beim plötzlichen Auffliegen, bei Vcrwundungen und im Todeskampfe ihn sogleich von sieh geben und nur schwer ein unbeflecktes museum-würdiges Exemplar zu erlangen ist.

Die Vogelwände gegen West hin sind zum Revier der Hunde geworden; durch abstürzende Trümmer und angespühlten Sand hat sich längs der Abstürze, die bis ganz unten von Möven bevölkert sind, ein sandiger Strand gebildet; Freja und Lolo haben für sich ein eigenes Jagdverfahren ausgebildet.

Mit lautem Gebell eilt die Hündin voran dicht den Vogelwänden entlang, zehn Schritte hinter ihr der Leonberger. Die von den niederen Felspartien aufgeschreckten Möven stossen vom Felsen ab, um sich in die Luft zu schwingen; zu Anfang ihres Fluges streichen sie aber 80 nahe dem Erdboden, dass 1...010 sie noch zu erhaschen vermag und sie erwürgt; weiter geht die wilde Jagd, so lange die durch den scharfkantigen Sand abgeschliffenen Ballen und wunden Läufe es nur zulassen; zu gutem Ende wird Mahlzeit gehalten.

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