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3.1 Die Wissensökonomie als Untersuchungsgegenstand der Standortforschung

3.1.3 Räumliche Auswirkungen der Wissensökonomie

3.1.3.1 Räumliche Auswirkungen auf der Makroebene

Der Erfolg von Regionen bei einer auf Wissen basierten Wirtschaftsentwicklung hängt maß-geblich von ihrer Fähigkeit ab, neues Wissen zu erzeugen und in Form von Innovationen

35 MEIER (2011b, S. 29ff.) verweist in diesem Zusammenhang auf die große thematische Bandbreite und vielfältigen Unterscheidungsmerkmale der Studien, die lediglich eine eingeschränkte Vergleich-barkeit der Studien untereinander erlaubt. Da jeder Standortfaktor-Studie eine eigene Vorgehenswei-se und ein spezielles Studiendesign zugrunde liegt, ergibt sich eine weitreichende Kontextgebunden-heit der Ergebnisse, die eine entsprechende direkte Vergleichbarkeit mindert.

ökonomisch zu verwerten (vgl. HEBERLING 2012, S. 237).FLORIDA (2010, S. 20) spricht im Zusammenhang der räumlichen Ausdifferenzierung von einem neuen „spatial fix“, womit eine neue Raumlösung gemeint ist, die vor dem Hintergrund des sozioökonomischen Struktur-wandels hin zu einer wissensbasierten Ökonomie zu einer Aufwertung der urbanen bzw.

metropolitanen Räume führt. Diese urbanen Räume fungieren hierbei als Knotenpunkt inner-halb der vernetzten Welt der Wissensökonomie und gelten in der wissenschaftlichen Debatte als „sticky places“ (vgl. KUJATH/STEIN 2009, S. 372). BRANDT (2011, S. 161ff.) nennt sechs Argumente, warum sich trotz sinkender Transport- und Transaktionskosten sowie der rasan-ten Entwicklung der IuK-Technologien, die grundsätzlich den Wissensaustausch über größe-re Distanzen erleichtern, aus ökonomischer Perspektive eine weitegröße-re Aufwertung urbaner Räume vollziehen wird:

1. Urbane Räume fungieren als Knotenpunkte überregionaler und globaler Wissens-vernetzung. Hier kann folglich ein erleichterter Zugang zu externem Wissen stattfin-den.

2. In urbanen Agglomerationsräumen fällt es grundsätzlich leichter, kooperative Vernet-zungen einzugehen und damit Verbundvorteile zu realisieren.

3. Die räumliche Nähe und erhöhte Dichte an wissensbasierter Infrastruktur (universitä-re und außeruniversitä(universitä-re Forschungseinrichtungen, FuE-Abteilungen ande(universitä-rer Unter-nehmen) erleichtert die Entstehung von Wissensspillovers.

4. Aufgrund ihrer Wissensinfrastruktur und spezifischen Milieubedingungen (Urbanität, kulturelle Vielfalt, Toleranz) gelten urbane Räume als bevorzugte Lebensräume von Wissensarbeitern.

5. Urbane Arbeitsmärkte bilden einen umfangreichen Pool für spezialisierte Wissensar-beiter, wodurch sich Suchkosten beim Matching von Angebot und Nachfrage redu-zieren.

6. Die in der Wissensökonomie typischen kurzen Produktlebenszyklen erschweren den Diffusionsprozess der Herstellung der entsprechenden Produkte aus den urbanen Räumen in Richtung gering verdichteter Räume.

HEBERLING (2012, S. 231ff.) begründet die zunehmende räumliche Konzentration ökonomi-scher Aktivitäten mit vier besonderen Eigenschaften des Wissens. Erstens vergrößert sich aufgrund des kumulativen Charakters von Wissen der Abstand zwischen den Wissensres-sourcen hochverdichteter und gering verdichteter Räume nahezu exponentiell. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass das Wissenskapital in hochverdichteten Räumen tendenziell sowohl quantitativ als auch qualitativ besser ist als in gering verdichteten Räumen. Folglich ist in hochverdichteten Räumen auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass bestehende Wis-sensteile zu neuem Wissen kombiniert werden. Zweitens entfacht auch die Personengebun-denheit von Wissen eine entsprechende Raumwirksamkeit: In hochverdichteten Räumen

kommt es zur räumlichen Nähe vieler Wissensträger. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit von Face-to-Face-Kontakten, „sodass die Menschen häufiger die Gelegenheit haben, sich unter-einander auszutauschen und so auch implizites Wissen weitergegeben und neukombiniert werden kann“ (HEBERLING 2012, S. 235). Drittens besitzt Wissen den Charakter eines öffent-lichen Gutes, was einerseits bedeutet, dass es von mehreren Personen zeitgleich genutzt werden kann (Nicht-Rivalität), jedoch andererseits auch niemand von der Nutzung von Wis-sen ausgeschlosWis-sen werden kann (Ausschließbarkeit). Gerade die Nicht-Ausschließbarkeit macht den Austausch von Wissen hoch riskant. Viertens bestehen beim Handel mit Wissensgütern große Informationsasymmetrien zwischen den Transaktionspart-nern, da es nahezu unmöglich ist, vor Abschluss der Transaktion etwas über die Qualität und den zu erwartenden Nutzen zu erfahren, denn beim Anbieter reduziert sich sein Angebot, sobald er Wissensteile offenlegt. Sowohl der „Öffentliche-Gut“-Charakter als auch die Infor-mationsasymmetrien weisen somit eine gewisse innovationshemmende Wirkung auf. Ihre Raumwirksamkeit entfalten beide Wissenseigenschaften gemeinsam durch die Bildung von Netzwerken, die entsprechende Hemmnisse ausgleichen können und ihrerseits zu einem räumlichen Zusammenhang tendieren. Für den Wissenstransfer ist die Qualität persönlicher Kontakte maßgeblich. „Denn nur bei minimalem Risiko kommen Kooperationen zustande, und damit die Möglichkeit, Wissensteile, auch implizites Wissen, auszutauschen und neu zu kombinieren. Regelmäßige Face-to-Face-Kontakte, die im räumlichen Zusammenhang ein-facher zu organisieren sind und in räumlicher Nähe häufig spontan und zufällig passieren, sind dabei vertrauensfördernd“ (HEBERLING 2012, S. 238). Da in hochverdichteten Räumen die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass mehr potenzielle Kooperationspartner existieren als in gering verdichteten Räumen, wird auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es zu Neu-kombinationen von Wissen und entsprechenden Tätigkeitserweiterungen kommt.

Abbildung 13 und Abbildung 14 zeigen für das Jahr 2009 die Beschäftigungsanteile der wis-sensintensiven Dienstleistungen sowie forschungsintensiven Industrien an der Gesamtbe-schäftigung in deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten. Insbesondere für die wissens-intensiven Dienstleistungen zeigen sich hierbei in den urbanen Räumen deutliche Konzentra-tionstendenzen. Ein differenzierteres Bild ergibt sich bei Betrachtung der Hochtechnologieun-ternehmen, bei denen auch außerhalb der Großstadtregionen räumliche Konzentrationen auftreten.

Abbildung 13: Räumliche Verteilung wissensintensiver Dienstleistungen in Deutschland

Quelle: BRANDT 2011, S. 162

Abbildung 14: Räumliche Verteilung von Hochtechnologieunternehmen in Deutschland

Quelle: BRANDT 2011, S. 162

Die Ergebnisse einer Clusteranalyse von KUJATH et al. (2008), die sich mit der räumlichen Konfiguration der Wissensgesellschaft auseinandersetzten und hierzu eine Typisierung der Teilräume Deutschlands vollzogen, bestätigen die in den Abbildungen 13 und 14 dargestell-ten Entwicklungen einer räumlichen Ausdifferenzierung durch wissensindargestell-tensive Tätigkeidargestell-ten.

Metropolen bilden hierbei ihre Kerne sowohl als dominante Zentren mit überregionale Märkte bedienenden Transaktionsdienstleistungen als auch als Hochtechnologie- und

Wissen-schaftsstandorte. Als Regiopole innerhalb ihres ländlichen Umlands ergänzen zwischen Met-ropolen liegende Städte die MetMet-ropolen und profilieren sich häufig als Bildungs-, Wissen-schafts- und Hochtechnologiestandorte (vgl. KUJATH et al. 2008, S. 25; KUJATH/STEIN 2009, S. 376). Die infrastrukturelle Ausstattung und Agglomerationsvorteile der urbanen Räume können jedoch nicht alleine die unterschiedlichen sektoralen Spezialisierungen wissensin-tensiver Dienstleistungen erklären. „Diese spezifischen Profile verdeutlichen Entwicklungs-pfade, die sich tendenziell im zeitlichen Verlauf verstärken, bedingt durch das komplexe Zu-sammenspiel von kumulativen, lokalen Lernprozessen, Wissensspillovers und der Heraus-bildung von standortgebundenen Institutionen und Netzwerken“ (STRAMBACH 2011, S. 31).

Folglich ist es für Städte und Regionen schwierig, sich in wissensintensiven Dienstleistungs-branchen zu positionieren, in denen sie bislang nicht etabliert waren. Dies verdeutlicht der Blick auf die urbanen Räume Ostdeutschlands, die bis heute unterdurchschnittliche Entwick-lungen wissensintensiver Dienstleistungen aufweisen (vgl. ebd.).

Die Verteilung von Hochtechnologieunternehmen verdeutlicht, dass weniger verdichtete Kreise nicht per se von Wachstum und Fortschritt ausgeschlossen und somit im Standort-wettbewerb der Wissensökonomie chancenlos bleiben. Hochtechnologieunternehmen sind nicht zwingend auf die Erreichbarkeitspotenziale der Metropolen angewiesen, sondern benö-tigen v.a. branchenbezogenes Wissen, weshalb sie sich eher in überschaubaren Branchen-netzwerken bewegen (vgl. KUJATH/STEIN 2009, S. 377). Allerdings müssen im Vergleich zu verdichteten Räumen in den weniger verdichteten Räumen erhöhte Anstrengungen unter-nommen werden, um die Mobilisierung und Vernetzung der maßgeblichen regionalen Wis-sensträger zu ermöglichen, damit dort neues Wissen erzeugt und in Form von Innovationen ökonomisch verwertet werden kann (vgl. BRANDT 2008, S. 19; HEBERLING 2012, S. 238).