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5.1 Grundlagen der Conjoint-Analyse

5.1.3 Anwendungsbereiche mit speziellem Blick auf die Raumwirtschaft

operati-ven Marketings einen zentralen Stellenwert bei der Messung von Nachfragepräferenzen so-wie den damit verbundenen Entscheidungsbereichen erlangt (vgl. MÜLLER 2005, S. 20). Mitt-lerweile hat die Conjoint-Analyse in Forschung, Praxis und Lehre ein weites Anwendungsfeld gefunden, das sich von Marktanteilsimulationen und -schätzungen über die Unterstützung von Neuproduktgestaltungen bis hin zur Ermittlung von Preisbereitschaften einzelner Leis-tungsattribute erstreckt (vgl. ERHARDT 2009, S. 5; WEIBER/MÜHLHAUS 2009, S. 43). Insbe-sondere für die Nutzenbewertung von Dienstleistungen erweist sich das Conjoint-Verfahren als äußerst vorteilhaft, „da Konzeptdarstellungen hier besonders realitätsnah mittels verbaler Produktbeschreibungen ermittelt werden können“ (DIETZ 2007, S. 50).

Das Spektrum der Anwendungsbereiche reicht von der Lebensmittel- und Automobilindustrie über Banken, Versicherungen und Telekommunikation bis hin zu Umweltschutz, Gesund-heitswesen und öffentlichen Einrichtungen, wobei sich der Einsatz der Conjoint-Analyse v.a.

auf die Gestaltung von Konsumgütern fokussiert. Allerdings wird sie zunehmend auch für die Konzipierung von Finanz- und andere Dienstleistungsbereichen eingesetzt. Insgesamt kön-nen durch das Conjoint-Verfahren vielfältige Problemstellungen aufgegriffen werden, wie im Marketingbereich bspw. die Ermittlung von Preis-Absatz-Zusammenhängen, die Gestaltung von Produkten oder die Optimierung des Serviceangebots (vgl. MÜLLER 2005, S. 20f.; DIETZ

2007, S. 51f.).

Abbildung 27: Anwendungsbereiche der Conjoint-Analyse

Quelle: eigene Darstellung nach TEICHERT et al. 2008, S. 681

Abbildung 27 gibt einen Überblick zur Vielfalt der Einsatzfelder von Conjoint-Analysen. Die Vielschichtigkeit der Anwendungsfelder kann als Resultat der weit gefassten

Verfahrensfunk-tionalität interpretiert werden, welche entsprechende Entscheidungshilfen für subjektiv-rationale Entschlüsse zur Auswahl optimaler Handlungsalternativen liefert (vgl. DIETZ 2007, S. 55).

Der Hauptgrund für die zunehmende Verbreitung der Conjoint-Analyse auch über den Markt-forschungsbereich hinaus ist auf die Einführung und die steigende Verfügbarkeit unterstüt-zender Computersoftware zurückzuführen. Die Software unterstützt und vereinfacht insbe-sondere die komplexe Konstruktion des Befragungsdesigns sowie die statistische Auswer-tung. Darüber hinaus wird der Conjoint-Analyse in der Fachliteratur eine hohe Ergebnisvalidi-tät bescheinigt. Aus diesen genannten Gründen kann zukünftig weiterhin von einer steigen-den Tensteigen-denz zur Nutzung dieser Methodik der Präferenzerfassung ausgegangen wersteigen-den (vgl. MÜLLER 2005, S. 20; BAIER/BRUSCH 2009, S. 8).

Gerade im Bereich der Raumwirtschaft und hier insbesondere im Rahmen der Standortfor-schung ergeben sich vielfältige potenzielle Einsatzmöglichkeiten für die Conjoint-Analyse, die allerdings bislang kaum ausgeschöpft wurden. Ein Standort stellt für ein Unternehmen ein Investitionsgut dar, dessen Eignung danach bewertet wird, welchen Beitrag es zur Produkti-on beitragen kann. Allerdings sind die komplexen Eigenschaften eines produktiven Standorts – gemessen an konventioneller Marktforschung für Konsumgüter – bis dato noch wenig be-stimmt (vgl. BONNY 1999, S. 46f.). „Das übliche, nur baurechtliche Angebot in Form eines Bebauungs- oder Entwicklungsplans bleibt unwirksam, wenn nicht auch eine konkrete Nach-frage nach den planerisch gebildeten gemischt genutzten Standorten besteht“ (ebd. S. 48).

Aus diesem Grund werden Standortplaner wiederkehrend mit Beginn der jeweiligen Planung ihres Gewerbestandorts vor die Frage gestellt, welche Eigenschaften und Qualitäten von den potenziellen Nutzern tatsächlich nachgefragt werden. Lassen sich neue Flächen so auf dem Markt positionieren, dass nur wenige Mitbewerber vorhanden sind oder lassen sie sich so entwickeln, dass ein Standort im Idealfall in einer „Marktlücke“ ohne Mitbewerber positioniert werden kann? Indem der Standort als multiattributives Produkt aufgefasst wird, das sich aus verschiedenen Standorteigenschaften zusammensetzt, können diese Fragen durch den Ein-satz der Conjoint-Analyse beantwortet werden. Im Unterschied zu konventionellen Verfahren der traditionellen Standortforschung werden hierbei jedoch nicht einzelne Standortfaktoren explizit zur Bewertung gestellt, sondern wesentlich realitätsnäher Standortkonzepte samt ihrer gebündelten Standorteigenschaften als quasi vollständiges „Produkt“ (vgl. BONNY 2001, S. 28). Da ein zentraler Kritikpunkt konventioneller Standortfaktor-Untersuchungen in der isolierten Betrachtung einzelner Standortfaktoren liegt, die auch mögliche Wechselbeziehun-gen missachten (vgl. Kap. 3.1.2.2), kann mithilfe der Conjoint-Analyse und ihres dekomposi-tionellen Ansatzes somit eine wesentlich realistischere Erfassung von Standortpräferenzen erfolgen.

BONNY (1999, 2001) war im deutschsprachigen Raum einer der ersten Wissenschaftler, der für die Raumwirtschaft das Potenzial der Conjoint-Analyse zur Gewerbeplanung erkannte. Er führte bei Unternehmen des produzierenden Gewerbes, von denen bekannt war, dass sie aktuell einen Produktionsstandort suchen, eine Untersuchung zur Bestimmung der jeweiligen Standortpräferenzen durch. Mittels der Conjoint-Analyse nahm er hierbei eine nachfrageori-entierte Perspektive für die Darstellung von Gewerbestandorten ein. „Gewerbegrundstücke werden entsprechend der Nachfrage und der möglichen Erträge für den Anbieter produziert“

(BONNY 1999, S. 51). In diesem Sinne fasste er Produktionsstandorte als multiattributive Produkte auf, die er mit sechs verschiedenen Standorteigenschaften (Nachbarschaft des Betriebes, Architektur des Betriebsgebäudes, Arbeitsmarkt, Grundstückspreis, Lage und Größe des Standortes) sowie zugehörigen Ausprägungen versah. Hieraus generierte er zwölf alternative Standortkonzepte, die er den Unternehmen zur Bewertung vorlegte und um Bildung einer Rangreihenfolge bat. Mithilfe eines computergestützten Auswertungsverfah-rens konnte er anschließend die Bedeutung der einzelnen Standorteigenschaften und die Nutzenbeiträge der einzelnen Ausprägungen ermitteln. Aus diesen Ergebnissen konnte er abschließend den Gewerbestandort mit dem potenziell höchsten Nutzen aus Unternehmens-sicht zusammenstellen (vgl. ebd. S. 48ff.).

BONNY (1999, S. 51) zieht trotz fehlender Vergleichsstudien im Planungsbereich ein positives Fazit zum Einsatz der neuartigen Methode für die Standortentwicklung. Die Einnahme einer nachfrageorientierten Perspektive erschließt der Raumplanung aus seiner Sicht das gesamte Instrumentarium der Marktforschung und des Marketings sowie der Wettbewerbsanalyse für die Erörterung der Gewerbeflächennachfrage. „Die Conjoint-Analyse leistet einmal eine Be-wertung alternativer Standortkonzepte, gibt gleichzeitig eine Gestaltungshilfe für die Konzep-tion von Standorten und schließlich kann sie auch zeigen …, welche Segmente im Gewerbe-flächenmarkt bestehen“ (ebd. S. 50).

ERTLE-STRAUB (2003) simulierte auf dem Gebiet der Immobilienwirtschaft mithilfe der Con-joint-Analyse die Anmietungsentscheidung von Unternehmen für Büroflächen. Mit ihrer Stu-die verfolgte sie Stu-die Zielsetzung, Standortpräferenzen potenzieller Nutzer messbar zu ma-chen und den Mietpreis als Entscheidungsvariable miteinzubeziehen. Zu diesem Zweck ge-nerierte die Autorin aus einem Set von acht verschiedenen Standorteigenschaften (u.a.

Mietpreis, Ausstattungsstandard sowie Erreichbarkeit mit ÖPNV und PKW) sowie den zuge-hörigen Ausprägungen zwölf alternative Bürostandortkonzepte, die sie im Marktgebiet Stutt-gart verschiedenen Unternehmen zur Bewertung vorlegte. Durch das Conjoint-Verfahren konnte die Anmietungsentscheidung realitätsnah dargestellt werden und somit die Kernfrage beantwortet werden, für welche Büronutzer ein Standort geeignet und welche Zahlungsbe-reitschaft hinsichtlich des Mietpreises zu erwarten ist. ERTLE-STRAUB (2003, S. 256f.) kommt zu dem Ergebnis, dass es im Rahmen der Bürostandortforschung mithilfe der

Conjoint-Analyse besser als mit konventionellen Methoden der Standortforschung gelingt, die Stand-ortbedingungen an die Standortpräferenzen von potenziellen Nutzern anzupassen, wodurch Fehlallokationen im Bereich der Raumplanung vermieden werden können.

Sowohl BONNY als auch ERTLE-STRAUB nutzten für ihre Untersuchungen die traditionelle Conjoint-Analyse, die allerdings aufgrund der hohen kognitiven Beanspruchung der befrag-ten Personen lediglich eine begrenzte Anzahl von Eigenschafbefrag-ten und Ausprägungen erlaubt.

Die unter Kapitel 5.1.2 vorgestellten neueren Verfahrensansätze ermöglichen für die Präfe-renzanalyse den Einbezug einer höheren Anzahl von Eigenschaften und Ausprägungen.

Diesen Vorteil machte sich BARTHEL (2008) mit seiner unter Kapitel 3.1.2.3 vorgestellten Studie über die Standortanforderungen thüringischer Hochtechnologieunternehmen zunutze.

Er bediente sich hierbei der adaptiven Variante der Conjoint-Analyse (Adaptive-Conjoint-Analyse), die es ihm ermöglichte, durch den Einsatz computergestützter Interviews den Pro-duktbeurteilungsprozess im Hinblick auf individuell wichtige Merkmale besser abzubilden. Da im Rahmen dieser Methodik keine Abfrage vollständiger Produktprofile erfolgt, sondern ledig-lich per Paarvergleiche Teilprofile abgefragt werden, konnte BARTHEL eine höhere Anzahl an Eigenschaften (insgesamt zehn) zur Formulierung seiner Standortkonzepte einbeziehen.70 Die drei vorgestellten Beispiele der Conjoint-Verwendung innerhalb der Raumwirtschaft wei-sen jeweils auf das hohe Potenzial dieser Methodik für die Durchführung von Standortanaly-sen hin. Im Folgenden werden vor dem Hintergrund der aufgezeigten Schwächen konventio-neller Instrumente zur empirischen Ermittlung von Standortfaktoren (vgl. Kap. 3.1.2.2) die konkreten Vorteile des Conjoint-Measurements aufgezählt:

1. Wesentlich realistischere Erfassung von Standortpräferenzen durch Bewertung voll-ständiger Standortkonzepte samt ihrer gebündelten Standorteigenschaften

2. Nachfrageorientierte Perspektive entspricht stärker der unternehmerischen Standort-wahl, die durch Kompromisse gekennzeichnet ist und die befragte Person kognitiv in-tensiver hinsichtlich ihrer tatsächlichen Bedürfnisse herausfordert

3. Flexible Nutzung metrischer und nicht-metrischer Skalenniveaus der zu untersuchen-den Standorteigenschaften ermöglicht die exakte Gewichtung von Standortpräferen-zen

4. Keine einseitige Betrachtung der Wirkungsrichtung von Standortfaktoren, da durch die Art der Fragestellung sowohl höchste als auch niedrigste Nutzenbeiträge der ein-zelnen Standortfaktorausprägungen messbar gemacht werden können

70 Allerdings wird in der Literatur besonders die Paarvergleichsphase der Adaptive-Conjoint-Analyse als unrealistisch kritisiert, wodurch teilweise realitätsferne Auswahlentscheidungen entstehen können (vgl. G et al. 1991, S. 220; H et al. 2009, S. 125).

Damit Standorte in einer Conjoint-Analyse bewertet werden können, gilt es zunächst ein Un-tersuchungsdesign zu entwickeln, das die relevanten Standorteigenschaften strukturiert und Standortvarianten im Sinne von Produktvarianten erzeugt (vgl. BONNY 2001, S. 28). Zudem muss darauf geachtet werden, dass sich der Befragungsumfang bzw. dessen Entschei-dungskomplexität jederzeit kognitiv bewältigen lässt (vgl. Kap. 3.1.2.2). Die Entwicklung die-ses Untersuchungsdesigns wird hierbei durch das strikte Ablaufschema der Conjoint-Analyse vorgegeben, das im vorangegangenen Kapitel vorgestellt wurde. Dieses gilt es nun im kom-menden Kapitel auf den eignen Untersuchungsschwerpunkt hinsichtlich der Gestaltung mo-derner Technologieparks zu übertragen, indem ein Technologiepark als multiattributives Produkt definiert wird, der sich aus verschiedenen Standorteigenschaften zusammensetzt.