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5.1 Grundlagen der Conjoint-Analyse

5.1.2 Varianten der Conjoint-Analyse und allgemeine Ablaufschritte

5.1.2.1 Überblick über verschiedene Ansätze der Conjoint-Analyse

Auch wenn der Begriff der Conjoint Analyse eine geschlossene Methodik vermuten lässt, stellt das methodische Konzept keine geschlossene Verfahrensprozedur dar, sondern ist durch ein breites Spektrum verschiedener Ansätzen zur Präferenzmessung und deren Aus-wertung gekennzeichnet, die sich zum Teil erheblich voneinander unterscheiden (vgl. M ÜL-LER 2005, S. 3; NEIDHARDT et al. 2012, S. 15).

Abbildung 22: Prinzipielle Klassifizierung von Conjoint-Varianten

Quelle: eigene Darstellung nach MÜLLER 2005, S. 7; BAIER/BRUSCH 2009, S. 7

Abbildung 22 gibt einen Überblick über die verschiedenen Varianten der Conjoint-Analyse.

Hierbei kann zunächst nach traditionellen und neueren Ansätzen differenziert werden. Bei traditionellen Conjoint-Analysen werden die betrachteten Objekte bzw. Produkte in eine Rangordnung gebracht, die den persönlichen Objekt-Präferenzen einer Person entspricht.

Damit gehen diese Verfahren davon aus, dass der urteilende Untersuchungsteilnehmer über ein vollständig determiniertes Präferenzmodell verfügt, das ihm die Aufstellung einer solchen vollständigen Rangordnung ermöglicht (vgl. BACKHAUS et al. 2016, S. 518). Hinsichtlich der Datenerhebung erfolgt innerhalb der traditionellen Conjoint-Analyse eine Unterscheidung zwischen einer multiplen Zwei-Faktor-Bewertung (auch Trade-Off-Ansatz) und einer Profil-Bewertung (auch Full-Profile-Ansatz), wobei sich beide Varianten vorrangig in der Anzahl und der Vollständigkeit gleichzeitig zu beurteilender Stimuli unterscheiden. Dabei kommt es bei allen Auskunftspersonen zur Beurteilung der jeweils gleichen Eigenschaften und Eigen-schaftsausprägungen (vgl. BAIER/BRUSCH 2009, S. 6; BÖHLER/SCIGLIANO 2009. S. 102).

Während im Rahmen des Trade-Off-Ansatzes jeweils nur die Ausprägungen von zwei Ei-genschaften kombiniert und den befragten Personen in sog. Trade-Off-Matrizen zur Beurtei-lung vorgelegt werden, beurteilen hingegen die Untersuchungsteilnehmer innerhalb des Full-Profile-Ansatzes immer vollständige Produktalternativen (vgl. Abb. 23). Im Rahmen dieser Vollprofilmethode bekommt die befragte Person Karten vorgelegt, wobei jede Karte ein hypo-thetisches Produkt (Stimulus) mit seinen Eigenschaftsausprägungen beschreibt. Jeder Sti-mulus wird hierbei aus je einer Ausprägung aller Eigenschaften gebildet (vgl. MÜLLER 2005, S. 7; BAIER/BRUSCH 2009, S. 6)

Abbildung 23: Beispiele zum Full-Profile-Ansatz und zum Trade-Off-Ansatz

Quelle: MÜLLER 2005, S. 8

Allerdings erhöht sich im Rahmen des Full-Profile-Ansatzes bei steigender Anzahl der zu beurteilenden Eigenschaften samt ihrer Ausprägungen automatisch die kognitive

Beanspru-chung der UntersuBeanspru-chungsteilnehmer.64 Um diese zu minimieren, kommt es in der Regel zu einem sog. fraktionierten Design, bei dem lediglich eine Teilmenge der möglichen Produktal-ternativen betrachtet und in eine Präferenzreihenfolge gebracht werden muss. Die Grund-aufgabe für die Bildung von fraktionierten Designs besteht darin, eine Teilmenge von Stimuli zu identifizieren, welche die Gesamtheit aller möglichen Produktalternativen möglichst gut repräsentiert (vgl. MÜLLER 2005, S. 8; BACKHAUS et al. 2016, S. 526). Mithilfe entsprechender Software können solche fraktionierten Designs erstellt werden, wobei die Berücksichtigung sämtlicher Eigenschaftsausprägungen sicherzustellen ist. „Auf dieser Grundlage ist die Schätzung der Teilnutzenwerte aller Eigenschaftsausprägungen möglich, so dass auch die Gesamtnutzenwerte derjenigen Objektalternativen geschätzt werden können, die von den befragten Personen nicht explizit beurteilt worden sind“ (MÜLLER 2005, S. 9).

Da normalerweise bei Anwendung der Conjoint-Analyse der Realitätsbezug im Vordergrund steht und das Trade-Off-Verfahren durch seine isolierte Betrachtung von zwei Produkteigen-schaften nicht den realen Produktauswahlprozess wiedergibt, wird in der Praxis zumeist auf den Full-Profile-Ansatz zurückgegriffen (vgl. DIETZ 2007, S. 10; HIMME 2009, S. 285).

Grundsätzlich bestehen für die Verfahren der traditionellen Conjoint-Analyse zwei zentrale Kritikpunkte: Zum einen können aufgrund der hohen kognitiven Belastung der Befragten nur wenige Stimuli berücksichtigt werden, was sie in vielen komplexen Entscheidungssituationen nicht anwendbar macht.65 In der Literatur wird vor diesem Hintergrund davon ausgegangen, dass die Anzahl der Produkteigenschaften nicht höher als sechs sein sollte, um eine Über-forderung der befragten Personen zu verhindern. Zum anderen simuliert eine Datenerhe-bung in Form von Ratings oder Rankings nur unzureichend die tatsächliche Situation einer Kaufentscheidung (vgl. KLEIN 2002, S. 33; HIMME 2009, S. 285). Letztlich eignen sich die Verfahren der traditionellen Conjoint-Analyse folglich nur bei einfachen Auswahlalternativen, die durch wenige Eigenschaften und Ausprägungen vollständig beschreibbar sind (vgl. B ÖH-LER/SCIGLIANO 2009. S. 111).

Aufgrund der erläuterten Kritikpunkte haben sich in den vergangenen Jahren eine Reihe von methodischen Weiterentwicklungen der Conjoint-Analyse vollzogen, welche die beschriebe-nen Limitatiobeschriebe-nen der traditionellen Conjoint-Verfahren überwinden sollen. Zum eibeschriebe-nen erfolgte eine Erweiterung um einen kompositionellen Befragungsteil, um eine größere Zahl von

64 So erhält man bspw. bei obigem Produktbeispiel aus Abbildung 23, das sich aus vier Eigenschaften zusammensetzt unter der Annahme von je drei Ausprägungen 34 (=81) Produktalternativen. Erfah-rungswerte aus der Marketingpraxis zeigen, dass die Beurteilung von Stimuli seitens der Untersu-chungsteilnehmer lediglich bis zu einer Anzahl von 20 Alternativen mit der gewünschten hohen Er-gebnisgüte bewältigt werden kann (vgl. MÜLLER 2005, S. 8).

65 Untersuchungen haben ergeben, dass befragte Personen bei Verwendung des Full-Profile-Ansatzes bei Produkten mit mehreren Eigenschaften dazu tendieren, eine Vereinfachungsstrategie zu entwickeln, indem sie sich lediglich auf subjektive Schlüsseleigenschaften konzentrieren und den aus ihrer Sicht eher unwichtigen Eigenschaften weniger Beachtung schenken (vgl. O 2010, S. 41).

genschaften und Ausprägungen verarbeiten zu können. Zum anderen wurde versucht, eine stärkere Integration des Verhaltens der Untersuchungsteilnehmer (v.a. ihrer Auswahlhand-lungen) in das Modell der Conjoint-Analyse zu ermöglichen. Diese methodischen Weiterent-wicklungen spiegeln sich in hybriden, adaptiven und wahlbasierten Ansätzen der Conjoint-Analyse wider (vgl. MÜLLER 2005, S. 7f.; RAO 2014, S. 61ff.).

Der hybride Ansatz der Conjoint-Analyse verläuft in zwei Phasen: In der ersten Phase wer-den zunächst im Rahmen eines kompositionellen Bewertungsansatzes sämtliche Eigen-schaften eines Objekts hinsichtlich ihrer subjektiven Wichtigkeit sowie deren Ausprägungen bezüglich deren Erwünschtheit erfragt. Anschließend erfolgt in der zweiten Phase im Rah-men eines dekompositionellen Bewertungsansatzes (Full-Profile-Ansatz) eine ganzheitliche Bewertung ausgewählter Eigenschaftskombinationen. Durch das hybride Verfahren können mehrere Eigenschaften in die Conjoint-Analyse einfließen, da durch den kompositionellen Teil die Anzahl der Eigenschaften und daraus resultierend die Anzahl der Stimuli verringert werden kann. In der Praxis wird der hybride Ansatz der Conjoint-Analyse jedoch kaum ein-gesetzt, da zum einen hohe Anforderungen an die Stichprobengröße und –homogenität ge-stellt werden und zum anderen bis dato keine Standardsoftware zur Auswertung am Markt verfügbar ist (vgl. DIETZ 2007, S. 20f.; HIMME 2009, S. 287).

Der adaptive Ansatz der Conjoint-Analyse, der ebenfalls zwei Phasen durchläuft, verbindet demgegenüber den kompositionellen Bewertungsansatz mit der dekompositionellen Trade-Off-Methode. Im kompositionellen Teil werden die befragten Personen zunächst zur Rele-vanz und Wichtigkeit sämtlicher Eigenschaften und Ausprägungen eines Objekts befragt.

Anschließens werden im dekompositionellen Teil die auf Basis dieser Bewertung erzeugten Stimuli bewertet. Hierbei liegt die Besonderheit des Verfahrens darin, dass der gesamte Be-fragungsablauf computergestützt und interaktiv abläuft. Eigenschaften, die in der kompositi-onellen Befragungsphase als weniger wichtig beurteilt wurden, werden im anschließenden dekompositionellen Trade-Off-Verfahren nicht mehr berücksichtigt (vgl. MÜLLER 2005, S. 8;

ORME 2010, S. 42). „Jede Information, die der Proband im Verlauf des Interviews liefert, führt also dazu, dass die Präferenzstruktur des Interviewten dem Analysten peu à peu offen gelegt wird“ (HERRMANN et al. 2009, S. 114). Da die Auswahl der Paarvergleiche im Rahmen des Trade-Off-Verfahrens von den zuvor gegebenen Antworten des kompositionellen Teils ab-hängen, wird das gesamte Conjoint-Verfahren als adaptiv bezeichnet (vgl. DIETZ 2007, S.

24).

Mithilfe der Adaptive-Conjoint-Analyse, die mittlerweile zu den am häufigsten eingesetzten Varianten gehört, kann – ebenso wie bei den hybriden Ansätzen – eine größere Anzahl von Eigenschaften (bis zu 30) und Ausprägungen (bis zu 9) in die Conjoint-Analyse einfließen. Im Vergleich zu den hybriden Ansätzen sind die Anforderungen an die Stichprobengröße und –homogenität weniger restriktiv und es existiert am Markt verfügbare Standardsoftware, die

sowohl den Entwurf des Untersuchungsdesigns als auch die Auswertung übernimmt (vgl.

HERRMANN et al. 2009, S. 124f.; HIMME 2009, S. 287). Allerdings muss die Adaptive-Conjoint-Analyse unter dem Gesichtspunkt der Realitätsnähe hinsichtlich der teilweise realitätsfernen Auswahlentscheidungen kritisiert werden. In der Literatur wird hierbei insbesondere die Paarvergleichsphase im Rahmen des Trade-Off-Verfahrens als unrealistisch kritisiert (vgl.

HENSEL-BÖRNER/SATTLER 2000, S. 707; HERRMANN et al. 2009, S. 125).

Im Rahmen der wahlbasierten Conjoint-Analyse (Choice-Based-Conjoint-Analyse) werden im Gegensatz zur traditionellen Conjoint-Analyse keine Präferenzurteile in Form von Rangord-nungen zu den untersuchten Stimuli abgegeben, sondern die befragten Personen treffen wiederholt (fiktive) Auswahlentscheidungen aus der Menge vorgegebener Stimuli, den sog.

Choice Tasks (vgl. BALDERJAHN et al. 2009, S. 130). Hierbei wird basierend auf der Zufalls-nutzentheorie bzw. Modellen der diskreten Wahlentscheidungen (vgl. MCFADDEN 1974; L OU-VIERE/WOODWORTH 1983) ein nutzenmaximierendes Verhalten der befragten Personen un-terstellt, so dass aus deren Auswahlentscheidungen Rückschlüsse auf die Nutzenbeiträge der Eigenschaften und deren Ausprägungen gezogen werden können (vgl. HIMME 2009, S.

286). Diese Vorgehensweise erlaubt zwar einerseits durch die Abfrage konkreter Auswahl-entscheidungen eine realistischere Präferenzerhebung und es existiert am Markt verfügbare Standardsoftware. Allerdings enthalten diese Auswahlentscheidungen andererseits nur rela-tiv wenig Informationen, da den Untersuchungsteilnehmern aufgrund kognirela-tiver Überlastung nur eine geringe Anzahl von Auswahlentscheidungen zugemutet werden kann. Dennoch hat dieses Verfahren aufgrund seiner stärkeren Realitätsnähe seit den 1990er Jahren verstärkt an Popularität gewonnen und kommt im Rahmen der Präferenz- und auch der Preiswir-kungsforschung immer häufiger zum Einsatz (vgl. BALDERJAHN et al. 2009, S. 129; HIMME

2009, S. 295).

Sowohl die traditionellen als auch die neueren Ansätze der Conjoint-Analyse besitzen die Gemeinsamkeit, dass aus der erhobenen ordinalen Rangordnung der zu beurteilenden Ob-jekte bzw. der vorgenommenen Auswahlentscheidungen sog. metrische Teilnutzenwerte für die einzelnen Eigenschaftsausprägungen der Objekte geschätzt werden, mit deren Hilfe sich anschließend durch Addition ein Gesamtnutzenwert für jedes Objekt ermitteln lässt. Dabei sind die Teilnutzenwerte pro Eigenschaftsausprägung so zu bestimmen, dass sie zu Ge-samtnutzenwerten pro Objekt führen, die es ermöglichen, die von der befragten Person auf-gestellte ordinale Rangordnung bzw. die vorgenommenen Auswahlentscheidungen wieder abzubilden (vgl. BACKHAUS et al. 2016, S. 518).