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Prozesse der sozialen Integration bei verschiedenen Nutzertypen Hybrider Sozialer Netze

Im Dokument The Strength of Very Weak Ties (Seite 176-182)

Aktive Kontakte:

6.1.4 Prozesse der sozialen Integration bei verschiedenen Nutzertypen Hybrider Sozialer Netze

Die zusätzlichen Kommunikationsmöglichkeiten in Hybriden Sozialen Netzwerken werden nicht von allen Menschen gleichermaßen genutzt. Dass es unterschiedliche Typen von Netzwerkmitgliedern bzw. -nutzern gibt, wurde sowohl bei den Interviews in nachbarschaftsbasierten als auch in Hybriden Sozialen Netzwerke in Bezug auf die Kontextfaktoren deutlich. Bei den nachbarschaftsbasierten Netzwerken ist der Kontaktwunsch zu anderen Nachbarn unterschiedlich ausgeprägt, was sich in einer unterschiedlichen Bewertung des nachbarschaftlichen Umfelds ausdrückt (vgl. Kapitel 4.1.1 und Kapitel 4.2.2).

Bei Hybriden Sozialen Netzwerken bestehen in ähnlicher Weise Unterschiede in Bezug auf den Kontaktwunsch zu den anderen Netzwerkmitgliedern (vgl. Kapitel 5.2.2). Hier spiegelt sich der Kontaktwunsch insbesondere darin wieder, inwiefern ein lediglich virtueller Kontakt gewünscht ist oder die persönliche Begegnung im Vordergrund steht. So nutzen einige Personengruppen das Hybride Netzwerk vor allem zur elektronischen Kommunikation, während andere insbesondere die realen Treffen reizen. Die folgende Tabelle illustriert das Spektrum an Nutzertypen je nach persönlicher Bedeutung der elektronischen bzw. face-to-face Kommunikation.

Tabelle 29: Nutzertypen Hybrider Sozialer Netzwerke

Bedeutung elektronischer Kommunikation Mittel Typ „Elektronisch

vernetzter“: Virtuelle

Gering Typ „Nerd“: Vor allem die virtuellen Kontakte

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Am aussagekräftigsten ist eine Gegenüberstellung der Typen „Konservativer“ und „Nerd“ da sie die Extreme hinsichtlich der Bewertungen der virtuellen gegenüber der face-to-face Kommunikation darstellen. Der Typus „Nutzenoptimierer“ zeigt in diesem Zusammenhang eine gleichwertige Bewertung von elektronischer und face-to-face Kommunikation und eignet sich daher ebenfalls, um eine Nutzer zu beschreiben, die relativ gleichwertig die virtuelle und die face-to-face Kommunikation nutzen. Anhand dieser drei Nutzertypen („Nerd“,

„Nutzenoptimierer“ und „Konservativer“) werden im Folgenden die im vorherigen Abschnitt erarbeiteten Faktoren der sozialen Integration in ihren verschiedenen Ausprägungen dargestellt.

Virtuelle soziale Integration

Was die Kontextfaktoren betrifft sind in Hybriden Sozialen Netzwerken gemeinsame Interessen relevanter als persönliche Merkmale und es wird ein stärkeres aktives Einbringen in das Netzwerk verlangt als in nachbarschaftsbasierten Netzen. Allerdings wirken für die unterschiedlichen Nutzertypen diese Tendenzen auf unterschiedliche Weise. Die folgende Tabelle verdeutlicht, welche Kommunikationsstrategien sich daraus für die drei ausgewählten Nutzertypen Hybrider Netze ergeben.

Tabelle 30: Kontextfaktoren für passive Kontakte nach Nutzertyp

Hinsichtlich der Kontextfaktoren ist es für Konservative und Nutzenoptimierer relativ gleich, welche Identität die Person hat, mit der sie virtuell kommunizieren. Da beim Nutzenoptimierer das Engagement jedoch höher als beim Konservativen ist, werden zum Teil auch persönlichere, jedoch vor allem sachliche Informationen übermittelt. Der Nerd hingegen behandelt die virtuellen Kontakte wie reale Kontakte, d.h. bringt sich stark auf virtueller Ebene in das Netzwerk ein und gibt damit vergleichsweise viele Informationen über sich preis. Durch das hohe Engagement entsteht bei den Nerds dabei auch ein Bild von den anderen Nutzern auf Basis der virtuell vermittelten Informationen.

Ob sich die Netzwerkbeziehungen auf virtueller Ebene festigen, hängt davon ab, wie spezialisiert das Netzwerk ist, wie die Gruppen gebildet werden und welche Möglichkeiten der Selbst-darstellung es gibt, da auch hier das Engagement der Mitglieder und deren SelbstSelbst-darstellung maßgeblich für die soziale Integration ist. Je nach Nutzertyp werden dabei die bindungsfördernden Eigenschaften der jeweiligen Netzwerke unterschiedlich genutzt.

Tabelle 31: Einflussfaktoren für passive Kontakte nach Nutzertyp

Faktor „Konservativer“ „Nutzenoptimierer“ „Nerd“

Möglichkeiten der

Selbstdarstellung Kaum sachliche oder

persönliche Informationen Viele sachliche Informationen (Wikis, Forumsbeiträge etc.)

Viele persönliche Informationen

preisgeben Faktor „Konservativer“ „Nutzenoptimierer“ „Nerd“

Bedeutung

persön-licher Merkmale Unbedeutsam Bild vom Gegenüber auf Basis

virtueller Informationen Persönliches

Auftreten Anonymes Auftreten

(z.B. über Avatare) Rollenbezogenes Auftreten, weniger

das Netzwerk Geringes Engagement,

anonyme Beiträge Regelmäßig Viele Beiträge, eigene Gruppe

178 Art der

Gruppenbildung Eher temporäre Gruppen Nach Interessen Geschlossene, kohäsive Gruppen Grad der

Spezialisierung Großes Netzwerk, geringe

Spezialisierung Kleines Netzwerk/

Untergruppen Spezialisiertes

Netzwerk/ Untergruppe Für den Konservativen und den Nutzenoptimierer sind lediglich die sachlichen Informationen relevant. Die Einbindung in interessensbezogene Untergruppen ist vor allem für den Nutzenoptimierer von Belang. Der Nerd ist vor allem an kleineren, spezialisierten Gruppen interessiert und nutzt dort die Möglichkeiten, sich stark aktiv einzubringen und dabei auch persönliche Informationen (z.B. zu eigenen Projekten, Lieblingsbüchern etc.) anzugeben.

Die Kommunikationsstrategie auf passiver Ebene ist dementsprechend tendenziell auch durch ein intensives, aktives Einbringen ins Netzwerk und eher sachliche Informationen geprägt. Auch hier unterscheiden sich jedoch die drei Nutzertypen voneinander.

Tabelle 32: Passive Kommunikationsstrategien nach Nutzertyp

Während sich der Konservative auf virtueller Ebene nur wenig, eher unpersönlich und oberflächlich einbringt, bringt der Nerd sehr viel Zeit für die virtuelle Kommunikation auf und bringt sich auch persönlich stark mit ein. Für den Nutzenoptimierer wird die virtuelle Kommunikation vor allem für den nützlichen Austausch von Informationen und Wissen genutzt und so interagiert er regelmäßig mit den anderen Netzwerkmitgliedern.

Bei den Konsequenzen ergibt sich mit der vermehrten elektronischen Kommunikation eine Schwerpunktsetzung vom emotionalen hin zur informationellen Unterstützung. Dies betrifft jedoch ebenfalls die verschiedenen Nutzergruppen auf unterschiedliche Weise.

Tabelle 33: Konsequenzen aus passiven Kontakten nach Nutzertyp

Faktor „Konservativer“ „Nutzenoptimierer“ „Nerd“

Unterstützungsform Informationen, Risiko der Illusion Nicht vorhanden, Bewusstsein über „Virtualität

der virtuellen Integration“ Vorhanden Wechselwirkung mit

realen Kontakten Keinen Einfluss Ggf. leichte Einschränkung

wegen Zeitaufwand Ggf. Substitutions-wirkung

Der Konservative und der Nutzenoptimierer nutzen die passiven Kontakte vor allem für den Informationsgewinn, weswegen sie sie klar von den realen Kontakten abgrenzen und auch nicht emotional eingebunden sind. Wenn sich allerdings Nutzer auf virtueller Ebene emotional stark in das Netzwerk einbringen, besteht die Gefahr, dass reale Kontakte durch

Faktor „Konservativer“ „Nutzenoptimierer“ „Nerd“

Zeitaufwand/

Interaktionsintensität Wenig Zeitaufwand,

gelegentliche Nutzung Regelmäßige Interaktion Viel Zeitaufwand

Kommunikations-inhalt Quatschen, „virtuelles Geschwätz“: Chatten, Forumsdiskussionen

Austausch von Informationen:

Forumsdiskussionen, Wikis Über persönliche Dinge reden: E-Mails, Instant Messaging etc.

Kommunikations-verhalten Hemmungslos, da

anonym/ unpersönlich Netter Umgangston, in Bezug auf Interesse persönlich,

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die virtuellen substituiert werden sowie es Problem beim Übergang zu den aktiven Kontakten gibt.

Dieser Übergang gestaltet sich ebenfalls je nach Nutzertyp unterschiedlich. Bei dem Konservativen werden die passiven und die aktiven Kontakte innerhalb des Netzwerks deutlich voneinander getrennt, d.h. die virtuellen, anonymen passiven Kontakte haben keine größere Bedeutung für das Knüpfen von aktiven Kontakten. Bei dem Nutzenoptimierer findet hingegen durchaus ein Abgleich der virtuellen Kontakte mit der realen Person statt. Da hier jedoch die Netzwerkkontakte vor allem für den Austausch von Informationen und Hilfestellungen genutzt werden, sind die persönlichen Charaktereigenschaften, die sich beim realen Kontakt offenbaren, weniger wichtig. Bei der hohen persönlichen Betroffenheit des Nerds hingegen ist der erste reale Kontakt ein wichtiger Wendepunkt in der Beziehung der Netzwerkmitglieder, da man sich ein genaueres Bild von den anderen gemacht hat und auch emotional stärker betroffen ist. Dieses Bild kann sich bei einem realen Treffen bestätigen, aber auch zu Enttäuschungen führen, wenn es nicht bestätigt wird.

Zusammengefasst ergibt sich der größte Unterschied zu face-to-face Netzwerken in Bezug auf die „virtuelle soziale Integration“ bei den Nerds, die schon auf virtueller Ebene eine hohe Bindung zum Netzwerk besitzen und daher viel Zeit und Energie für das Netzwerk aufbringen. Die Kommunikation selbst kann hier sehr persönlich genommen werden und somit besteht dann auch die Gefahr der Illusion, dass die Bedeutung des virtuellen Kontakts mit der Bedeutung eines realen Kontakts gleichzusetzen ist. Dem gegenüber nutzen Personen, die auf virtueller Ebene nur wenig in das Hybride Netzwerk integriert sind, dieses nur gelegentlich für eher oberflächliche Kommunikation. Zwischen den beiden Extremen gibt es Personen, die das Netzwerk regelmäßig insbesondere nutzenorientiert für den Austausch von Informationen nutzen.

Reale soziale Integration

Bei den aktiven Kontakten ist zunächst als Kontextfaktor von Belang, dass man sich aktiv am Netzwerk beteiligt, wobei die eigene (Sozial-)Kompetenz bzw. das eigene Wissen die Eigenschaften sind, die für die reale soziale Integration am relevantesten sind. Da in Hybriden Sozialen Netzwerken auch die Möglichkeit besteht, bei aktiven Kontakten weiterhin zusätzlich elektronische Kommunikation zu nutzen, unterscheiden sich die Ausprägungen je nach Bedeutung der face-to-face bzw. elektronischen Kommunikation wie folgt:

Tabelle 34: Kontextfaktoren für engere Kontakte nach Nutzertyp

Was das aktive Einbringen in das Netzwerk betrifft, ist auf Ebene der aktiven, realen Kontakte nun nicht mehr die Nutzergruppe des Nerds die aktivste, sondern die Konservativen, für die Hybride Netzwerke vor allem zur Erweiterung und Intensivierung realer Kontakte genutzt werden. Daher sind für den Konservativen als Kontextfaktoren für die

Faktor „Konservativer“ „Nutzenoptimierer“ „Nerd“

Aktives Einbringen in

das Netzwerk Nur bei realen Treffen,

hier auch Organisator Eher elektronisch, real eher als Teilnehmer

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sozialen Beziehungen Sozialkompetenz sowie das aktive Einbringen bei den realen Treffen von Bedeutung. Dem gegenüber bringt sich der Nerd weiterhin vor allem auf elektronischer Ebene ein und misst eher der fachlichen Kompetenz anderer Netzwerkmitglieder Bedeutung zu. Beim Nutzenoptimierer steht ebenfalls bei realen Treffen eher die fachliche Kompetenz im Vordergrund, obgleich die Sozialkompetenz allerdings dennoch nicht unwichtig ist, wenn engere Kontakte aufgebaut werden sollen. Der Nutzenoptimierer bringt sich wegen des geringeren Aufwands auch lieber auf elektronischer Ebene als auf realen Treffen in das Netzwerk aktiv ein.

Die Festigung realer Kontakte wird durch die Spezialisierung der Community sowie ihrem räumlichen Bezug bestimmt. Je nach Präferenz für eine Kommunikationsform (face-to-face oder elektronisch) werden dabei unterschiedliche Angebote genutzt:

Tabelle 35: Einflussfaktoren für engere Kontakte nach Nutzertyp

Die Konservativen nutzen vor allem die Netzwerke bzw. die Gruppen innerhalb Hybrider Sozialer Netzwerke, die an festen Orten oder bei regelmäßigen lokalen Treffen ein vielfältiges Angebot an sozialen Aktivitäten (Events, Weiterbildung, Zeitvertreib etc.) anbieten. Für Nerds sind hingegen vielmehr Treffen relevant, die dem Austausch von Informationen und Hilfeleistungen dienen wie Tagungen oder Konferenzen. Für den Nutzenoptimierer sind schließlich solche Communities am interessantesten, die eine Mischung aus sozialem und fachlichem Austausch bieten.

Hinsichtlich der Kommunikationsstrategien werden die realen Kontakte zwar tendenziell über eine weitere räumliche Distanz aufrechterhalten sowie mehrere Kommunikations-möglichkeiten für den Kontakterhalt genutzt. Auch hier unterscheiden sich jedoch die Nutzergruppen voneinander:

Tabelle 36: Kommunikationsstrategien bei aktiven Interaktionen nach Nutzertyp

Faktor „Konservativer“ „Nutzenoptimierer“ „Nerd“

Räumlicher Bezug lokal Regional – national (inter-)national Art der Treffen feste, aber auch

wechselnde Treffpunkte Stammtische, gelegentliche

gemeinsame Aktivitäten Konferenzen/

jährliche Events Aktivitäten/ Angebot

der Treffen Vielfältige Angebote,

gemeinsame Projekte Einzelne gemeinsame

Aktion Austausch von

Hilfeleistungen/

Informationen

Faktor „Konservativer“ „Nutzenoptimierer“ „Nerd“

Zeitaufwand/ Ortsbezug Lokal, feste Treffpunkte Eher lokal, aber da oft

mobil auch wechselnd auch private Treffen

Eher überregionale Treffen und größere Events

Kommunikationsinhalt Freizeitaktivitäten Vor allem fachlicher Austausch, aber auch Freizeitaktivitäten

Fachlicher Austausch, Weiterbildung

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Beim Konservativen liegt der Schwerpunkt auf der face-to-face Kommunikation auf regelmäßigen Treffen oder an festen Treffpunkten, während die elektronische Kommunikation vielmehr für Verabredungen oder den Zeitvertreib (Bilder oder Filme ins Netz stellen etc.) genutzt wird. Der Nerd bevorzugt größere Treffen, die vor allem dem fachlichen Austausch und der Weiterbildung dienen und nutzt die elektronische Kommunikation auch weiterhin als wichtigste Kommunikationsform für aktive Kontakte. Der Nutzenoptimierer nutzt je nach Anlass die jeweils optimale Kommunikationsform sowohl für den fachlichen Austausch als auch für Verabredungen oder persönliche Kommunikation.

Aktive Beziehungen in Hybriden Sozialen Netzwerken bieten dem Einzelnen vor allem Hilfeleistungen und Informationen und regen ihn zum aktiven Engagement an. Zudem ist eine wichtige Konsequenz, dass das eigene soziale Netzwerk quantitativ erweitert wird. Der Wandel besteht in erster Linie darin, dass diese Konsequenzen aus Hybriden Sozialen Beziehungen gezielt für die eigene Person genutzt werden. Hieraus ergeben sich jedoch wiederum Unterschiede bei den einzelnen Nutzertypen:

Tabelle 37: Konsequenzen für engere Kontakte nach Nutzertyp

Der Konservative nutzt Hybride Netzwerke insbesondere, um aus den engeren, realen Kontakten emotionale Unterstützung zu erhalten und engagiert sich daher auch intensiv bei den persönlichen Treffen. Dem gegenüber sind die realen Kontakte aus dem Hybriden Sozialen Netzwerk für den Nerd nicht besonders relevant und werden vor allem für den Austausch von fachlichen Informationen und Hilfeleistungen genutzt. Da es für den Nerd jedoch nur eher wenige Sozialkontakte außerhalb der Community gibt, können diese Kontakte dennoch relativ gesehen eine emotionale Bedeutung für ihn haben. Für den Nutzenoptimierer stehen ebenfalls die Informationen und Hilfestellungen im Vordergrund, wobei bei gegenseitiger Sympathie auch die Erweiterung des Bekanntenkreises für den Nutzenoptimierer einen interessanten Zusatznutzen bedeutet.

Um ein umfassenderes Bild von den einzelnen Nutzertypen zu erhalten, werden im nächsten Kapitel die Ergebnisse zu den unterschiedlichen Ausprägungen der sozialen Integrationsprozesse je nach Nutzertyp zusammengestellt und anhand von fiktiven Porträts illustriert.

Faktor „Konservativer“ „Nutzenoptimierer“ „Nerd“

Informationelle/

instrumentale Unterstützung

Engere Teamarbeit Gezielter Einsatz für instrumentale/

Zusätzliche Bekannte Ggf. einziger

Sozialkontakt

Engagement Gelegentliches reales, intensiveres elektronisches Engagement

Hohes

elektronisches Engagement

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6.2 Fallbeispiele für unterschiedliche Prozesse der sozialen Integration in

Im Dokument The Strength of Very Weak Ties (Seite 176-182)