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Konsequenzen aus flüchtigen nachbarschaftlichen Beziehungen

Im Dokument The Strength of Very Weak Ties (Seite 101-106)

Einflussfaktoren Phänomen

4. Face-to-face Kommunikation in städtischen sozialen Netzen

4.2 Passive Interaktionen in flüchtigen nachbarschaftlichen Beziehungen Während Interaktionen in engeren nachbarschaftlichen Beziehungen schon in verschiedenen

4.2.4 Konsequenzen aus flüchtigen nachbarschaftlichen Beziehungen

Die Konsequenzen aus passiven Interaktionen in Nachbarschaften bestehen in einem Gefühl von Sicherheit und einem Gefühl von Gemeinschaft sowie von Ortsbindung und wirken somit durchgängig auf der emotionalen Ebene. Als Konsequenzen aus passiven Interaktionen in

„netten Nachbarschaften“ werden dabei ein Zuhausegefühl, ein Gefühl von Zusammenhalt und ein grundsätzliches Vertrauen in die Nachbarschaft, verbunden mit einem Sicherheitsgefühl, beschrieben. Was das Zuhausegefühl betrifft, äußern zwar viele der Befragten, dass sie sich in der Nachbarschaft zuhause fühlen, aber dies wird nur in wenigen Fällen mit dem sozialen Umfeld in Verbindung gebracht. So meint eine Befragte z.B.: „Ja, mein Heimatgefühl hab ich auch hier. (Und ab wo fängt das bei ihnen an?) Naja, ganz schön kurz vor der Haustür, muss ich ihnen sagen“ (I 3, „Kontaktsuchende“) oder „Wenn ich die Tür aufschließe, weiß ich, ich bin zuhause“ (I 52, „Kontaktsuchende“). Lediglich bei einzelnen Personen wird dies mit den Nachbarn in Verbindung gebracht. So meint eine Befragte, die schon länger in der Siedlung lebt und viele Kontakte hat: „Wir sind sehr bekannt, weil die Familie B. [die eigene Familie] hier schon wohnt seit die Dinger hier gebaut worden sind“ (I 6,

„Kontaktfreudige Eltern“). Aber auch eine Befragte mit kürzerer Wohndauer und wenig Kontakten verbindet eine Art Zuhausegefühl mit ihren Nachbarn allgemein: „Also ich fühle mich im [Siedlungsname] so wohl, mit ganz vielen Leute kann ich gut“ (I 39,

„Kontaktsuchende“).

Dem gegenüber wird ein Gefühl von Zusammenhalt von vielen Befragten als eine zentrale Konsequenz hervorgehoben, die sich aus den passiven Interaktionen in der Nachbarschaft ergibt. Dies wird in der Regel vor allem von Personen hervorgehoben, die zum einen viele engere Kontakte in der Nachbarschaft haben, aber zum anderen aber auch allgemein eine enge Vernetzung beobachten: „Das ist so familiär (...). Jeder kennt jeden so zu sagen (...) also die wenigen mit denen man keinen Kontakt hat, warum weiß ich nicht , ist manchmal so, aber was hier so in unserer näheren Umgebung ist, ist schon recht gut (...) ich find es schlimm, wenn man so anonym irgendwie ja in so einem Hochhaus, wo also keiner keinen kennt“ (I 9, „Kontaktfreudige Eltern“). „Aber der Kontakt mit den Mietern ganz Klasse. Also sonst verstehen wir uns hier alle ganz gut.“ (I 40, „Kontaktfreudige Eltern“), „Und hier ist es ja mehr eng zusammen, die Siedlung ist ja so familiärisch aufgebaut“ (I 44, „Kontaktfreudige Eltern“). Offensichtlich wird das Gefühl von einem „familiären“ Zusammenhalt als Folge von passiven Interaktionen insbesondere bei den Personen, die keine engeren Kontakte besitzen, aber dennoch denken, dass der Zusammenhalt generell in der Nachbarschaft groß sei. So vergleicht ein Befragter, der keine nachbarschaftlichen Kontakte pflegt, sein nachbarschaftliches Umfeld wiederholt mit dem Zusammenleben auf dem Dorf: „Also wenn ich aus dem Bus aussteige, dann bin ich wieder in meinem Dorf“ (I 8, „Kontaktsuchende“).

Eine andere Neumieterin ohne Kontakte erklärt ihr Gefühl vom nachbarschaftlichen Zusammenhalt mit dem Fehlen von Konflikten: „Also man hört auch nie Geschrei oder so oder Streit. Das kann ich mir hier auch nicht vorstellen. Weil die alle aufeinander irgendwo Rücksicht nehmen. Da kann man nicht meckern“ (I 52, „Kontaktsuchende“). Hervorzuheben ist, dass beide Aussagen dabei lediglich auf der Beobachtung der anderen Nachbarn beruhen und dabei nicht durch aktive Interaktionen bestätigt oder widerlegt werden.

Als weitere wichtige Konsequenz aus passiven Interaktionen, die ein nettes Nachbarschaftsbild hervorrufen, wird ein grundsätzliches Vertrauen in das soziale Wohnumfeld genannt. Dieses resultiert vor allem aus einer als angenehm empfundenen

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sozialen Kontrolle sowohl bei Langzeitmietern mit vielen Kontakten („Mir würde keiner meinen Garten ruinieren, dafür sind wir ein bisschen zu bekannt“, I 6, „Kontaktfreudige Eltern“) als auch bei Kurzzeitmietern mit wenig Kontakten („Hier guckt ja jeder nach jedem (...). Da kommt auch nix weg oder so. Also ich meine, wir haben den Fahrradkeller offen stehen, da stehen die Fahrräder aus dem ganzen Haus hier drin und wie gesagt, also da hab ich schon Vertrauen“ I 8, „Also ich weiß, dass wenn meinem Kind was passieren würde, dass es ihm auch geholfen wird und in dem Fall mich jetzt jemand benachrichtigen würde“, I 8,

„Kontaktsuchende“).

Dieses Sicherheitsgefühl wird dabei zum Teil noch nicht einmal durch konkrete Erfahrungen mit Gewalt und Kriminalität erschüttert. Eine Bewohnerin, die ihre Nachbarschaft als nett bezeichnet, erzählt z.B.: „Letztes Mal wurde meine Schwester angefallen von ein paar Männern, die waren bei meinem Vater am Auto dran und das hat sie gesehen mit meinem Bruder und hatte dann gesagt sie möchten doch bitte da weggehen, das ist unser Auto und dann ist sie auch weiter gelaufen und dann kamen sie ihr hinterher und haben sie getreten und geschlagen und sie dann zurück und das läuft jetzt alles über's Gericht“ (I 13,

„Kontaktfreudige Eltern“). Eine andere Bewohnerin fühlt sich selbst von Drogendealern in der Nachbarschaft nicht bedroht: „Okay, die greifen uns nicht an, die tun uns so persönlich gar nichts. Die sitzen da und unterhalten sich, machen sich eigentlich gegenseitig das Leben schwer, muss ich sagen, weil sie das verkaufen“ (I 28, „Kontaktfreudige Eltern“) und eine weitere ältere Bewohnerin bestätigt ebenfalls: „Hier ist öfter mal die Polizei und so, aber wegen den türkischen, wegen den Jugendlichen. Naja, die werden wahrscheinlich hier mit Drogen oder irgendwas rum laufen, das interessiert mich nicht“ (I 5, „Kontaktfreudige Eltern“).

Dem gegenüber äußern andere Befragte, die ihre Nachbarschaft als anonym betrachten, durchaus ein größeres Unbehagen in Bezug auf den Verkauf von Drogen: „Bei uns vor der Tür hat man Drogenverkauf. Meine kleine Tochter hat eine Spritze gefunden und hat sie mit nach Hause gebracht. Mein Mann hat gesagt, wir müssen sofort umziehen“ (I 38,

„Kontaktsuchende“). Es gibt jedoch auch einige Bewohnerinnen und Bewohner, die ein Gefühl der Unsicherheit aufgrund der als anonym erachteten Nachbarschaft haben, ohne dass es bisher einen konkreten Vorfall oder Anlass gegeben hat: „Doch, das beängstigt mich. wenn keine gute Nachbarschaft vorhanden ist oder gar keine. Wie oft klingelt das hier wegen der Reklame und weiß ich, ob das jetzt wirklich Reklame ist?“ (I 4,

„Kontaktsuchende“).

Die Bewohnerinnen und Bewohner, die aufgrund einer sozialen Grenzziehung zwischen deutschen und nicht-deutschen Bewohnergruppen ein Bild von einer anonymen Nachbarschaft (I 5, 22, 43, „Kontaktfreudige Eltern/ Kontaktsuchende“) haben, finden dies zwar schade, aber äußern keine weiteren Emotionen. Die Kontaktprobleme zwischen alten und neuen Mietern lösen bei den neueren Mietern hingegen offensichtlich Ärger aus: „Man merkt, die sind sehr arrogant. Sie schaffen es kaum, ‚Guten Tag’ zu sagen“ (I 1,

„Kontaktsuchende“), „Ich kann nicht sagen, dass wir hier eine Nachbarschaft haben“ (I 41,

„Kontaktsuchende“). Eine Mieterin, die allerdings ihre Nachbarschaft dennoch für nett hält, beschreibt auch das Gefühl der Einsamkeit in einer anonymen Nachbarschaft: „Manchmal, da fühl ich mich hier sehr, sehr einsam, weil ich kenn wirklich überhaupt niemanden außer Helmut. Hier gibt es so viele Leute und wenn Sie rausgehen, sind Sie immer fremd und alle Leute sind Ihnen fremd. Ja, klar, Sie kennen wirklich überhaupt kein Gesicht und die ersten

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Wochen waren wirklich so ganz, ganz schlimm“ (I 2, „Isolierte“). Das Bild von einer anonymen Nachbarschaft führt bei einigen Bewohnerinnen und Bewohnern durchaus dazu, dass sie einen Wohnortwechsel in Erwägung ziehen: „Ich habe vor kurzem, gerade Anfang des Jahres den Mietvertrag gekündigt gehabt, weil ich hier weg wollte. Mittlerweile hat sich das ein bisschen geändert, weil, liegt daran, dass ich eine neue Freundin habe.“ (I 1,

„Kontaktsuchende“), „(Würden Sie lieber mehr Kontakte haben?) Na ja, sagen wir mal so, da ich nicht die Absicht habe hier zu bleiben, ist mir das eigentlich egal“ (I 4,

„Kontaktsuchende“).

Während die Emotionen in Bezug auf eine nette oder eine anonyme Nachbarschaft eher verhalten geäußert werden, werden bei einem unangenehmen Bild von der Nachbarschaft sehr starke Gefühle geäußert. Diese entladen sich zum Teil auch in stereotypischen, vorurteilsbehafteten Äußerungen: „Also ich hab nichts gegen Ausländer, aber wenn die alle auf einen Schlag so sich so vermehren, also wenn die zusammen sind so in einer Gruppe und sich dann so aufspielen, da hab ich ein Problem mit“ (I 54, „Verschlossene Eltern“), „Die Nachbarschaft ist total spießbürgerlich geworden. Durch den Umbau denken sie, sie sind alle was Besseres geworden“ (I 34, „Kontaktfreudige Eltern“). Auch eine türkische Bewohnerin (I 25, „Verschlossene Eltern“) stellt fest: „Hier kommt immer mehr Gesocks in die Siedlung. (...) Also ist es übervölkert mit Ausländern, hier vorne“ und lässt aber auch kein gutes Haar an ihren deutschen Nachbarn: „Also ich finde die hier hinterfotzig!“.

Eine unangenehme Nachbarschaft wird dabei oft mit einem Gefühl der Bedrohung verbunden. So schildert ein älterer Bewohner ein grundsätzliches Gefühl der Bedrohung durch Jugendliche, die Kampfhunde besitzen: „Ausländische Mitbewohner hier, die halten sich sehr zurück (...) Jetzt aber noch mal zu der Problematik Jung und Alt. Hier wohnen eine ganze Menge junger Leute. Große kräftige, junge Leute, so ’ne Schränke zum Teil. (...) Wenn ich die sehe, gehe ich auf die andere Straßenseite“ (I 12, „Isolierte“). „Es bringt für mich als Älteren nichts, wenn ich dagegen was sage (...) ich will mich da vorsichtig ausdrücken: Irgendwelche Dinge muss ich dann befürchten. Und dann sag ich: Lass das mal lieber, das musst du eben ertragen. Das trägt natürlich auch nicht zum Wohlbefinden bei“

(I 12, „Isolierte“). Der selbe Bewohner deutet dabei auch an, dass jüngere Personen, die nach einer Sanierung neu in ein Gebiet ziehen, für Senioren generell eine Bedrohung bedeuten: „In diesem ganzen Block wohnten wenig junge Leute, also ein paar ja, aber überwiegend Ältere. Wir haben das schon geahnt. Der größte Teil ist, als sie das hörten:

‚Sanierung’, da sind die sofort ins Heim gegangen oder so, also jedenfalls ist der größte Teil weggezogen. Jetzt sind nur noch vier oder fünf ältere Menschen, also Paare, die hier leben.“

(I 12, „Isolierte“). Gerade bei diesem Bewohner wird also deutlich, dass es schwer ist, das grundsätzliche Unsicherheitsgefühl zu mindern, da er schon vor Einzug der „jungen Leute“

diese als Bedrohung empfand. Dieses Grundgefühl kann allerdings auch eine Folge aus einem generellen Gefühl der Ausgrenzung sein, da der Befragte sich generell ausgeschlossen zu fühlen scheint, wie aus dem folgenden Zitat über „Familien, die vom Sozialamt leben“ abgeleitet werden kann: „Die haben natürlich den ganzen Tag lang nichts zu tun und die breiten sich hier aus und machen einen Swimmingpool für die Kinder dahin und dann dahin, immer weiter und immer größer und die schöne Wiese geht schon zum Teufel. Die sind laut, unterhalten sich bis nachts um zwölf. Als wenn ihnen hier alles gehört (...) Naja, also ich bin wirklich am Überlegen, das nimmt ja immer größeren Umfang an. Ich fühl mich hier ausge... sagen wir mal so ein bisschen unwohl“ (I 12, „Isolierte“).

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Auch eine jüngere türkische Bewohnerin schildert ein generelles Gefühl der Unsicherheit, das sie allerdings mit dem vermehrten Zuzug von „Ausländern“ begründet: „S. (die Hauswartin] holt hier alles, alles was unbekannt ist, zieht hier in die Siedlung ein (...) als die alten Mieter noch alle hier gewohnt haben, hatten die nie irgendwelche Probleme oder so, dann kam immer wieder Neue, also die Alten sind alle weggezogen und es kamen immer wieder Neue, Neue, Neue und dann hier bei uns zum Beispiel, da wohnen mehr Ausländer als Deutsche. (...) also früher wurde hier nichts geklaut, also da hat zwar jeder mit jedem gespielt, aber es wurde dann wieder zurückgepackt, was heute nicht der Fall ist, also hier fehlen jetzt schon drei Fahrräder, die werden einfach mitgenommen“ (I 25, „Verschlossene Eltern“). Diese Person fühlt sich allerdings auch von den deutschen Bewohnerinnen und Bewohnern ausgegrenzt. Ein weiterer türkischer Bewohner schildert ein Gefühl der Ausgrenzung durch die deutschen Nachbarn: „Na ja, es gibt Ausländerfeindlichkeit, also jetzt speziell für diesen Wohnblock, wo anders weiß ich nicht. (Ist das ein Grund, warum Sie ausziehen möchten?) Unter anderem auch, ja“ (I 36, „Kontaktsuchende“). Eine andere Bewohnerin nennt ebenfalls als Grund, dass sie aus der vorherigen Siedlung ausgezogen ist, mit dem fremdenfeindlichen Verhalten der Nachbarn: „Und schon gar nicht mit ,echten’

Deutschen im Haus, wo denn der Vormieter zu mir meinte: ,Gott sei Dank sind Sie Deutsche’

und ich mich dann richtig blond gestellt hab:, Ja klar bin ich Deutsche und da gibt’s auch nichts dran zu rütteln, aber warum interessiert Sie das?!’, ,Na ja, auf der Etage wohnen eben nur Deutsche und die hätten gerne hier deutsche Nachmieter’, ,Toll’ sage ich, und wenn die Klassenkameraden meiner Tochter zu Besuch kommen, stelle ich mit einer MP in den Fahrstuhl, noch dazu, wo mein Vater ein Grieche ist!“ (I 33, „Kontaktfreudige Eltern“)

Aus den Zitaten zu Gefühlen der Unsicherheit wird deutlich, dass diese eng mit dem Gefühl der Ausgrenzung verbunden sind, denn andere Befragte, die viele Sozialkontakte in der Siedlung haben, empfinden trotz ähnlicher Beobachtungen ihre Nachbarschaft als nett. So meint z.B. eine ältere Mieterin zum Anblick von Jugendlichen: „Die sitzen denn da irgendwie auf der Treppe. Da traut sich denn sowieso keiner hin. So wenn die da ihre Bierdosen...“

(I 10, „Kontaktfreudige Eltern“) und eine türkische Bewohnerin (I 28, „Kontaktfreudige Eltern“) klagt ebenfalls über Diebstähle sowie darüber, dass die deutschen Nachbarn nicht auf ihre Einladungen zum Kaffee eingehen.

Eine weitere Konsequenz für die Personen, die ihre Nachbarschaft als unangenehm wahrnehmen, ist eine Feindseligkeit gegenüber anderen Bewohnergruppen, die auf einem als grundsätzlich erachteten Konflikt beruhen. Diese Feindseligkeit entsteht ähnlich wie bei dem Gefühl der Unsicherheit insbesondere bei der Konfliktpartei, die sich ausgegrenzt oder in der Minderheit sieht. Dieser Prozess kann auch bei den Befragten beobachtet werden, die ihre Nachbarschaft als nett erachten. Wie schon bei den Kontextfaktoren dargestellt, bestehen die nachbarschaftlichen Konfliktlinien zwischen Alleinlebenden und Eltern bzw.

Kindern sowie zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen. So ärgern sich einige der befragten Eltern, die einen Konflikt zwischen Senioren und Kindern beobachten, durchaus ebenfalls über ihre älteren Nachbarn („Also es wird sich hier viel auch über den Lärm der Kinder aufgeregt“, I 34, „Kontaktfreudige Eltern“). Allerdings äußern sich die Befragten, die sich durch Kinder in ihrer Ruhe gestört sehen, ungleich heftiger: „Mittlerweile bin ich wirklich schon manchmal auf neunhundert (...) das macht mich aggressiv langsam“ (I 16), „Man kommt irgendwo nicht raus aus dem ganzen Lärm“ (I 8, „Kontaktsuchende“).

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Bei den Konflikten zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen entsteht die Feindseligkeit insbesondere dann, wenn man sich in der Minderheit sieht. Diese Auffassung wirkt zum Teil absurd, wenn z.B. eine türkische Bewohnerin meint: „Es ist übervölkert mit Ausländern, hier vorne“ (I 25, „Verschlossene Eltern“) oder ein Deutscher zum Schluss kommt: „Also solange sie immer noch ein paar Deutsche hier wohnen lassen und man sich nicht entschuldigen muss, dass man hier wohnt“ (I 45, „Kontaktfreudige Eltern“). Sowohl das Gefühl der Unsicherheit als auch die Feindseligkeit gegenüber anderen Bewohnergruppen entsteht dabei vor allem bei den Bewohnerinnen und Bewohnern, die ihren Auszugswunsch nicht in die Tat umsetzen. Anders als bei den Personen, die ihre Nachbarschaft als anonym wahrnehmen, scheint hier offenbar aufgrund von Immobilität eine Art Verbitterung eingetreten zu sein.

Die Folge aus dem jeweiligen Nachbarschaftsbild ist je nachdem eine hohe Ortsbindung im Sinne eines Zuhausegefühls, eine niedrige Ortsbindung mit konkreten Auszugsplänen oder eine Art „Verbitterter Auszugswunsch“, wenn die jeweilige Person sich in der Nachbarschaft nicht wohl fühlt, aber nicht auszieht. Gerade beim Sicherheitsgefühl und dem Gefühl der gemeinschaftlichen bzw. anonymen oder sogar bedrohlichen Atmosphäre wird dabei deutlich, wie subjektiv die passiven Interaktionen in nachbarschaftlichen Netzwerken ausgelegt werden können. So erwähnen z.B. einige Bewohnerinnen und Bewohner kriminelle Aktivitäten oder sogar eigene Erfahrungen mit tätlichen Angriffen (z.B. bei I 30 oder 35, beide „Kontaktfreudige Eltern“), halten ihre Nachbarschaft aber dennoch für nett und besitzen auch ein Gefühl von Sicherheit, während andere Personen Situationen schildern, die für sie eine akute Bedrohung darstellen, tatsächlich aber aus objektiver Sicht

nicht wirklich bedrohlich zu sein scheinen (z.B. bei I 12 oder 25, „Isolierte“ bzw. „Verschlossene Eltern“). Auch was die Atmosphäre betrifft, wird beispielsweise bei der Bewertung von Konflikten zwischen bestimmten Bewohnergruppen deutlich, dass es einerseits Personen gibt, bei denen eine beobachtete Konfliktsituation das eigene, nette Bild von der Nachbarschaft nicht beeinträchtigt, während eine andere Personen sich in ihrer Einschätzung einer konfliktreichen Nachbarschaft bestätigt sehen. In der folgenden Tabelle werden die Konsequenzen aus passiven nachbarschaftlichen Interaktionen zusammengefasst:

Tabelle 9: Konsequenzen schwächerer nachbarschaftlichen Beziehungen

Zusammenfassend bestimmen die passiven Interaktionen, wie flüchtige nachbarschaftliche Beziehungen wahrgenommen werden. Das Spektrum reicht hier von einem Bild, das Vertrauen, Sicherheitsgefühl und Zusammenhalt vermittelt und so ein Zuhausegefühl fördert bis hin zu einem Bild, das mit Anonymität, Bedrohung und Feindseligkeit verbunden wird und so einen Auszugwunsch bewirkt. Auch hier ist jedoch zunächst grundsätzlich bestimmend, welche generelle Einstellung man zur Nachbarschaft hat: Wenn man offen und Kategorie Zugehörigkeitsgefühl Kein Zugehörigkeitsgefühl

Nette Nachbarschaft Anonyme

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kontaktsuchend ist („Kontaktsuchende“ und „Kontaktfreudige Eltern“) nimmt man tendenziell die passiven Interaktionen positiver wahr als wenn man generell eher keinen Kontakt hat in der Nachbarschaft wünscht („Isolierte“ und „Verschlossene Eltern“).

4.2.5 Fazit zu passiven Interaktionen in flüchtigen nachbarschaftlichen Beziehungen

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