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Ergebnisse zu generellen Kommunikationsstrukturen in Hybriden Sozialen Netzwerken

Im Dokument The Strength of Very Weak Ties (Seite 121-126)

Soziales Kapital

5. Elektronische Kommunikation in Hybriden Sozialen Netzen

5.1 Ergebnisse zu generellen Kommunikationsstrukturen in Hybriden Sozialen Netzwerken

Um die Prozesse der sozialen Integration in Hybride Soziale Netze zu untersuchen, wird als Grundlage das in der Umfeldanalyse für nachbarschaftsbasierte Netzwerke entwickelte Kommunikationsmodell genutzt, damit herausgearbeitet werden kann, welche Faktoren sich in nachbarschaftsbasierten und Hybriden Sozialen Netzwerken ähneln und welche sich unterscheiden.

5.1.1 Übersicht über das Sample „Hybride soziale Netzwerke“

Insgesamt wurden zusätzlich zum Vorinterview schließlich 23 Personen befragt, von denen drei weiblich waren. Damit ist allerdings der Anteil an Frauen im Befragten-Sampling mit 15 % immer noch höher als der durchschnittliche Anteil von 10 % bei Veranstaltungen des Chaos Computer Clubs (Trenkamp 2007). In der Gruppe der Befragten waren etwa zur Hälfte Personen zwischen 25 und 35 Jahren.

Abbildung 27: Alter der befragten Mitglieder Hybrider Sozialer Netze

Bis auf einen slowenischen Befragten kamen alle Befragten aus Deutschland. Nach weiteren persönlichen Merkmalen (z.B. Kinder) wurde nicht gefragt, sie wurden jedoch im Laufe der

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Interviews auch nicht von den Befragten im Zusammenhang mit dem Hybriden Sozialen Netzwerk geäußert. Bei diesen Interviews ist im Gegensatz zu den Interviews in Nachbar-schaften hervorzuheben, dass sie teilweise auch als Experteninterviews verwertet wurden, da die befragten Personen über ein größeres Wissen über Soziale Netzwerke als der Bevölkerungsdurchschnitt verfügen und in den Interviews auch Hintergrundinformationen zu Technik, Entwicklungsgeschichte und Nutzungsbedingungen von Online-Communities bzw.

elektronischer Kommunikation geben können.

Insgesamt ist die Gruppe der befragten Mitglieder Hybrider Sozialer Netzwerke weitaus homogener als die Befragten der nachbarschaftliche Netzwerke, was Alter, Lebenssituation, Geschlecht, Interessen und die Einstellung zum Netzwerk betrifft. Dennoch sind unterschiedliche Kommunikationsstrategien erkennbar, die in den folgenden Abschnitten näher beschrieben werden.

5.1.2 Abgrenzung von aktiven und passiven elektronischen Kommunikationsformen Elektronische Kommunikation kann wie auch nachbarschaftliche Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden und dabei mehr oder weniger aktiv sein. In Anlehnung an die Definition aktiver und passiver Interaktionen in Kapitel 4.1.3 soll auch bei den elektronischen Kommunikationsformen solche als passiv bezeichnet werden, bei denen kein engerer Kontakt angestrebt wird und die aus einzelnen kommunikativen Akten bestehen.

Alle elektronischen Kommunikationsformen haben zunächst einmal gemeinsam, dass sie schriftlich erfolgen und prinzipiell zeit- und raumungebunden sind. Auch wenn sie teilweise dennoch in Echtzeit erfolgen, z.B. bei einem Chat, ist dies zum einen nicht unbedingt nötig und zum anderen erfolgt wegen der schriftlichen Kommunikation stets eine gewisse Zeitverzögerung, die z.B. Telefongespräche nicht aufweisen.28 Dabei ist zu beachten, dass das Versenden einer E-Mail oder das alleinige Posten eines Beitrags bei einem Forum, Blog oder Wiki erst Teil eines kommunikativen Aktes wird, wenn auf eine bestehende E-Mail bzw.

ein bestehendes Posting reagiert oder wenn die Nachricht von einem Besucher gelesen und interpretiert wird (vgl. Schützeichels Kommunikationsmodell, Kapitel 2.2.1 bzw. Abbildung 3).

Wie bei den nachbarschaftlichen Kontakten ist eine elektronischer Kontakt enger, wenn der Kommunikationspartner bekannt ist, also schon einmal ein reales, privates Treffen stattgefunden hat und flüchtig, wenn man sich nur über das Netz „kennt“ oder sich lediglich auf einer größeren Veranstaltung kurz gesehen hat.

Insgesamt sind bestimmte elektronische Kommunikationsformen (vgl. Kapitel 2.3.2) eher als andere für aktive Interaktionen geeignet. So wird beispielsweise das Instant Messaging (IM) eher in bestehenden Beziehungen für den Kontakterhalt benutzt, da man vorher den Personen, die IMs senden können, definieren muss (z.B. über Aufnahme in das persönliche

„Egozentrierte Netzwerk“) und auch für E-Mails muss man vorher die Adresse des Kommunikationspartners kennen. E-Mails und Instant Messages dienen also nur im

28 Die Internet-Telefonie oder auch Voice over IP (VoIP) ist streng genommen aufgrund der digitalen Datenübertragung ebenfalls eine Form der elektronischen Kommunikation. Sie unterscheidet sich allerdings durch die sprachliche Interaktion von allen anderen elektronischen Kommunikationsformen und ähnelt der herkömmlichen Telefonie. Aus diesem Grund lassen sich anhand der Internet-Telefonie weniger eine Veränderung der Kommunikationsmuster durch elektronische Kommunikation erkennen und sie wird daher innerhalb der Dissertation nicht vertieft in die Analyse miteinbezogen.

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Ausnahmefall der passiven Interaktionen z.B. in Form von E-Mails über größere Verteiler oder anonyme Instant Messaging-Funktionen auf Dating-Seiten.

Dem gegenüber kommuniziert man in Chats, Wikis oder Foren in der Regel unter einem Pseudonym mit unbekannten Personen. Abgesehen von dem Versenden von E-Mails dienen asynchrone elektronische Kommunikationsformen generell eher der passiven Interaktion, d.h. sie finden nicht regelmäßig statt und dienen daher nicht dem Erhalt bestehender realer Beziehungen. Bei der elektronischen Kommunikation ist dabei die anonyme Kommunikation über ein Pseudonym oder einen Avatar ein deutliches Merkmal für passive Interaktionsformen, da hier (wissentlich) noch kein reales Treffen stattgefunden hat und die Beziehung damit nicht aktiv sein kann.

Allerdings gibt es durchaus Ausnahmen. Chatrooms werden z.B. ebenfalls für die Gruppenkommunikation mit engeren Bekannten genutzt, wenn diese z.B. nicht vor Ort sind.

In diesem Fall sind sie als aktive Kommunikation zu bewerten, da sie dem Erhalt der Beziehung dienen und regelmäßiger stattfinden. Außerdem zeigen die Interviews, dass zumindest in einer spezialisierten technikaffinen Community auch asynchrone Kommunikationsformen regelmäßig stattfinden und dem Erhalt einer (semi-professionellen) Beziehung dienen können. So schreiben und besprechen bestimmte Autoren, die sich auch gegenseitig kennen, zusammen einen Wiki-Artikel oder Mitglieder einer realen Community nutzen ihr Forum (wie z.B. die Community der Vespa-Fahrer um Small Talk zu halten oder sich zu verabreden.

Auch wenn bestimmte elektronische Kommunikationsformen tendenziell eher für aktive (E-Mail, Instant Messaging) bzw. für passive Interaktionen (Chat, Wikis, Foren, Blogs, Massen-E-Mails) genutzt werden, hängt es also auch hier von der Kommunikationsstrategie ab, ob die Interaktion aktiv oder passiv „gemeint ist“. Ein Befragter beschreibt den Unterschied zwischen passiver und aktiver Nutzung des gleichen Mediums wie folgt: „Es gibt Leute, die schreiben E-Mails an ihre 10 besten Freunde, wie es gerade Weihnachten war. Es gibt dann aber noch eine Mailing-Liste, wo die 50 Leute draufstehen, wo sie aber nur schreiben würden (...)‚ ‚Weihnachten war toll’, aber nicht in Details gehen, was sie genau gemacht haben“ (I 66).

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass nach der Definition in Kapitel 4.1.3 die Kommunikation mit persönlich bekannten Personen als aktive elektronische Kommunikation eingeordnet werden kann. Diese unterscheidet sich von der passiven elektronischen Kommunikation nicht durch die Kommunikationsform selbst, sondern dadurch, dass sie regelmäßig zwischen Personen stattfindet, die sich real schon getroffen haben und dass sie dazu dient, diese Beziehung aufrecht zu erhalten oder zu vertiefen. Dem gegenüber dient die passive elektronische Kommunikation dazu, sich anonym und ohne Verpflichtungen entweder über ein Thema auszutauschen oder einen ersten virtuellen Kontakt herzustellen.

5.1.3 Aktive und passive Interaktionen in engeren und flüchtigen Beziehungen

Zunächst ist festzustellen, dass es innerhalb von Hybriden Sozialen Netzwerken ähnlich wie in nachbarschaftsbasierten Netzwerken engere und flüchtige Beziehungen gibt, denn die Befragten differenzieren ebenfalls zwischen den Netzwerk-Mitgliedern, die sie besser kennen und denen, die sie nur flüchtig, d.h. in diesem Fall lediglich „über das Netz“ kennen.

Alle Befragten nehmen dabei eine starke Abgrenzung der flüchtigen Beziehungen zu den engeren, Beziehungen vor. Hierbei zieht sich die Abgrenzung entlang der Trennlinie

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zwischen lediglich virtuellen und der als „real“ bezeichneten Kontakten. So erklärt z.B. ein Befragter auf die Frage nach Freundschaften, die sich über den CCC entwickelt haben: „Ja natürlich, aber nicht per E-Mail, also richtige Freundschaften erst im Real Life“ (I 59). Ein anderer Befragter erklärt ebenfalls: „Es gibt auch immer User Treffen, wo die Leute sich analog treffen, face-to-face sich auseinandersetzen, zusammen aushängen und rumziehen, sich in dieser Richtung sozialisieren. Der Mensch braucht die soziale Kompetenz eines Gegenübers und das kannst du mit dem Netz nicht ganz abdecken“ (I 61). Im Weiteren wird dementsprechend der Begriff „virtuell“ für die flüchtigen Beziehungen in Hybriden Sozialen Netzwerken genutzt. Da aber nur Beziehungen in Hybriden, d.h. nicht komplett virtuellen Sozialen Netzwerken betrachtet werden, gibt es auch für (bisher) virtuelle Kontakte eine reale Option, dass sich die jeweiligen Netzwerkmitglieder persönlich treffen.

Die Aussagen zu Interaktionen innerhalb der engeren Kontakte gleichen dabei generell denen in Nachbarschaften. So beschreibt z.B. ein Befragter Netzwerktreffen wie folgt: „Wir spielen, wir trinken Bierchen, wir machen das, worauf wir Lust haben“ (I 55) und führt zu einem weiteren Netzwerktreffpunkt aus: „Wenn man schon ein paar Mal bei diesen öffentlichen Tagungen war und wenn man ein paar Leute kennt, kann man da jeden Tag hingehen, rumchillen, Spaß haben“ (I 55). Ein weiterer Befragter zählt weitere Möglichkeiten auf, sich mit engeren Bekannten aus dem Netzwerk zu treffen: „In einem Club, der gemietet wird, professionell organisiert oder dass man sich irgendwo einfach zum Essen trifft. Leute sagen, ich geh heute Abend in das Konzert, Feuerwerk angucken, Neujahr, dies und das.“

(I 65). Allerdings werden zusätzlich zu den face-to-face Interaktionen in engeren Beziehungen in Hybriden Sozialen Netzwerken ebenfalls elektronische Kommunikationsformen wie Chats oder Foren zum Beziehungserhalt genutzt: „Man kennt die Leute aus dem realen Leben, also ich jedenfalls. Kenne die aus dem realen Leben und schicke dann E-Mails“ (I 67).

Was die flüchtigen Kontakte betrifft, beschränkt sich die Kommunikation dann allerdings ausschließlich auf elektronische Interaktionen über Foren oder Chats, zum Teil auch Wikis.

Hier besteht zwar die Option, dass man sich trifft, aber man hat sich real noch nicht getroffen. Dabei nutzen die Befragten in der Regel entweder virtuelle Kontakte bewusst dazu, reale Kontakte anzubahnen („Erst mal im Netz kennen gelernt, ein bisschen beschnuppert“, I 55) oder sich themenbezogen mit anderen auszutauschen („Für viele Nerds, (...) ist das nicht nur eine Kommunikation mit jemand anderem, sondern auch, wie kriege ich jetzt Lösungsvorschläge von anderen für dieses oder jenes Problem her“, I 64).

Wie auch bei nachbarschaftlichen Beziehungen entsteht über die passive Interaktion ein Bild über die anderen Netzwerkmitglieder. Hier sind sich die jeweiligen Personen jedoch weitgehend bewusst, dass dieses Bild täuschen kann: „Genauso ähnlich ist das im Internet, wenn dir jemand etwas schreibt, du machst dir ein Bild - bloß anhand des Textes kannst du ja zum Beispiel schon mal irren“ (I 62)

Ebenso wie in Nachbarschaften gibt es kein fließendes Spektrum zwischen den beiden Beziehungsintensitäten, denn entweder man hat sich schon einmal privat getroffen und dann ist die flüchtige zur engeren Beziehung geworden oder man hat eben nur einen flüchtigen, virtuellen Kontakt. In den entsprechenden Aussagen zu Kommunikationsformen in realen und in virtuellen Beziehungen wird somit zunächst generell bestätigt, dass auch in Hybriden Sozialen Netzwerken passive und aktive Interaktionen sowie engere und flüchtige Beziehungen unterschieden werden können. Die folgende Tabelle gibt hierzu einen

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Überblick über die Interaktionsformen in realen und in virtuellen Beziehungen in Hybriden Sozialen Netzwerken:

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Tabelle 16: Gegenüberstellung von Interaktionen in realen und in virtuellen Beziehungen in Hybriden Sozialen Netzwerken

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass auch in Hybriden Sozialen Netzwerken engere, reale und flüchtige, virtuelle Beziehungen sowie aktive und passive Interaktionen unterschieden werden können. Ebenso wie in Nachbarschaften können die flüchtigen Beziehungen die Vorstufe zu engeren Beziehungen sein. Die aktiven Beziehungen in Hybriden Sozialen Netzwerken werden sowohl über elektronische als auch über face-to-face Interaktion aufrechterhalten, die virtuellen nur über elektronische Kommunikation.

Im Dokument The Strength of Very Weak Ties (Seite 121-126)