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Prozessbezug

Im Dokument Frank & Timme (Seite 127-130)

3 Gespräch und Gesprächskompetenz im Kontext der professionellen

3.3 Gesprächskompetenz in der professionellen Telefonie

3.3.1 Überlegungen zum Begriff und zur Bestimmung von

3.3.2.2 Prozessbezug

Die Eigenschaft der Prozesshaftigkeit kennzeichnet Gespräche als zeitliche, of-fene, bewegliche, flüchtige und irreversible Prozesse. In diese Dimension zählen damit Prozesskompetenzen, die die Zeitlichkeit und prinzipielle Offenheit von Gesprächsinteraktionen in den Blick nehmen, ebenso wie Kompetenzen, mit der Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes und der Parallelität von Denken und Sprechen umzugehen (vgl. Deppermann 2015, 7 ff.; Nothdurft 2000, 266; Dep-permann 2004, 22 ff.; Becker-Mrotzeck/Brünner 2004, 33; Bendel 2007, 362).

Die Aspekte und Leistungen des Prozessbezuges wurden in der zugrundleigen-den Fallanalyse, der Chronologie der beizugrundleigen-den Gespräche folgend, an der sich an-schließenden Klärung des Interesses zum Versand des Informationsflyers deut-lich gemacht. Unternehmensseitig zählt zwar der Absatz des Informationsflyers nicht zu den Soll-Vorgaben der Kampagne, dennoch priorisieren viele Mitarbei-ter den Flyerversand als Gesprächsziel. Auf der Prozessebene ist diese Ge-sprächsphase deshalb von besonderem Belang, weil hier die Weiche für den weiteren Gesprächsverlauf gestellt wird. Bekunden die Kunden ihr Interesse an den Angeboten und möchten den Flyer zugesandt bekommen, lässt sich leicht

zum Datenabgleich oder wahlweise zur Frage nach der Kundenzufriedenheit übergehen, da die Kunden grundsätzliche Offenheit und Gesprächsbereitschaft signalisieren. Tun sie dies nicht, bleiben die Gesprächsaufgaben Datenabgleich, Kundenzufriedenheitsabfrage und das Einholen der Wiederanruferlaubnis als Pflichtelemente im Gespräch zwar weiter bestehen und die Agenten müssen die-se, gewissermaßen gegen den Widerstand der Kunden ‚abarbeiten’, dies birgt jedoch Konfliktpotential, dem im Gespräch auch auf der Prozessebene begegnet werden muss.

x Aspekte und Leistungen des Prozessbezugs

Unter dem Aspekt des Prozessbezuges lassen sich die folgenden Teilleistungen und kommunikativen Kompetenzen an den analysierten Gesprächspassagen der beiden Beispielgespräche ablesen: Grundlegend für die unter dem Prozessbezug möglichst erfolgreiche und effektive Gesprächsführung ist zunächst eine ange-messene Gesprächstandseinschätzung und -steuerung (vgl. dazu auch die Ausführungen bei Deppermann 2015, 7 ff.; Nothdurft 2000, 266; Deppermann 2004, 22 ff.; Becker-Mrotzeck/Brünner 2004, 33; Bendel 2007, 362). Die ange-messene Einschätzung des aktuellen Gesprächsstandes ist dabei notwendige Be-dingung für die erfolgreiche Gesprächssteuerung. Wichtig hierfür sind Aktivitä-ten, die zur einer Klärung des aktuellen Gesprächsstandes beitragen, wie beispielweise die Klärung der grundlegenden Gesprächsbereitschaft und Interes-ses. Wichtig ist in diesem Zusammenhang v.a. die Berücksichtigung kundensei-tiger Steuerungs- und Interventionsversuche, die aber als solche zunächst erst einmal erkannt werden müssen. Häufig kommt es im Callcenterkontext durch die Mitarbeiter zu einer unangemessenen Umdeutung kundenseitiger Interven-tionen (ein geäußertes ‚NEIN’ erfährt beispielsweise in der Ratgeberliteratur die Umdeutung: Noch Eine Information Nötig). Um das Gespräch in eine produkti-ve Richtung lenken zu können, sollte immer auch Raum für die Steuerungsprodukti-ver- Steuerungsver-suche der Kunden gelassen werden, um nicht an den eigentlichen Kundeninter-ressen vorbei zu argumentieren. Zugleich ist es wichtig, bei der Gesprächssteuerung dem Gesprächspartner bzw. Kunden Alternativen und Handlungsspieräume zu eröffnen. Ein stark direktives Gesprächsverhalten der Kundenberater ergibt sich häufig, wenn diese starr den Vorgaben und der Ver-laufsstruktur des Gesprächsleitfadens folgen und versuchen, Abweichungen von diesem Verfahrensmuster zu vermeiden. In der Folge sind häufig Schleifenbil-dungen zu beobachten, die Reparatur- und Imagearbeit notwendig machen, was die Ineffizienz dieses prozessualen Vorgehens belegt.

Zu den prozessualen Gesprächsfähigkeiten, die dem Phänomen der Parallelität von Sprechdenken und Hörverstehen sowie der Flüchtigkeit von Gesprächen Rechnung tragen, zählen zudem Fähigkeiten zur Gesprächsstrukturierung wie das Zuhören und Verfahren der Verständnissicherung. Das Zuhören sollte sich dabei nicht nur auf die verbalen Äußerungen der Gesprächspartner be-schränken, sondern auch das back-channel-behaviour beachten. Das Rückmel-deverhalten der Kunden gibt vielfach Aufschluss über ihre Gesprächsbereit-schaft und Akzeptanz, ihr Interesse und gilt zugleich als Dokumentation ihres Verstehens. In diesem Sinn kann das Rückmeldeverhalten auch als kooperative Bemühung betrachtet werden, um den akzeptierten Stand und die Richtung des Gesprächs zu dokumentieren. Die Agenten zeigen gegenüber diesen kundensei-tigen, indirekten Verlaufsdokumentationen oft mangelnde Sensibilität, insbe-sondere dann, wenn das (ausbleibende, zögerliche) Rückmeldeverhalten anzeigt, dass der Stand und die Steuerung des Gespächs nicht der akzeptierten Richtung folgen. Dokumentationen von Nicht-Verstehen müssen durch aktive Verfahren der Verständnisssicherung (nachfragen, paraphrasieren usw.) aufgegriffen wer-den, um den Gesprächsprozess im Sinne der Verständigung positiv zu steuern.

Abschließend sei auch hier der Blick auf die potentiell problematischen Rah-menbedingungen gelenkt, die die skizzierten Leistungen des Prozessbezuges steuern und womöglich erschweren. Dazu zählen die im Konzept der Kampagne und dem Gesprächsleitfaden angelegte überdominante Zielorientierung der Mit-arbeiter, die die Sensibilität und Flexibilität für die grundsätzliche Offenheit des Gesprächsprozesses verringert. Fehlt es den Mitarbeitern an Flexibilität im Um-gang mit dem Skript, laufen sie Gefahr, die einzelnen Bausteine und Aufgaben des Skripts ungeachtet der Prozessdynamik abarbeiten zu wollen. Aus Prozess-perspektive gleichermaßen problematisch scheinen bestimmte vorschnelle Typi-sierungen kundenseitiger Sprechhandlungen (hier z.B. als Einwand) und die ent-sprechende ‚Behandlungstechnik’ zu sein. Diese vorschnellen und mitunter zu kategorialen Zuordnungen verengen den Gesprächsprozess auf ebendiese Sicht-weise. Auch die generelle Parallelität von Kommunikations- und Sacharbeit er-weist sich häufig als problematisch. Dies belegen die vielen im Hintergrund be-trachteten Gespräche dieser und anderer Telefonkampagnen, in denen die Aufmerksamkeitsverschiebung zugunsten der Datenmaske ein typisches Prob-lem markiert. Der Abruf und die Eingabe von Kundendaten lenken vom Zuhö-ren ab und machen das erneute Erfragen bereits gegebener Informationen nötig.

Unter Prozessperspektive ist dieses mangelnde Zuhören problematisch, weil sich Kunden dadurch z.T. nicht ernst genommen fühlen.

Im Dokument Frank & Timme (Seite 127-130)