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2 Theoretischer Rahmen und aktueller Stand der Forschung

2.2.2 Die Pflegediagnostik

Der Begriff Pflegediagnose fand erstmals 1953 in den USA Verwendung, Virginia Frey sah darin einen wesentlichen Schritt für die Erstellung einer Pflegeplanung. Ende der 1960er Jahre existierten zahlreiche Veröffentlichungen über theoretische Modelle des Pflegeprozesses, somit begannen Pflegepersonen zu verdeutlichen, welche Maßnahmen und Ziele in deren Zuständigkeitsbereich fielen. Einheitlichkeit zur Thematik der Definition der Pflegediagnosen konnte erst 1992 im Rahmen der NANDA-Konferenz erarbeitet werden. NANDA definierte Pflegediagnosen als „die klinische Beurteilung der Reaktion von Einzelpersonen, Familien oder sozialen Gemeinschaften auf aktuelle, oder potentielle Probleme der Gesundheit, oder im Lebensprozess. Pflegediagnosen liefern die Grundlage zur Auswahl von Pflegehandlungen und zum Erreichen erwarteter Pflegeziele, für welche die Pflegeperson die Verantwortung übernimmt. Die erste Konferenz zur Klassifikation von Pflegediagnosen wurde 1973 von der Amerikanischen Krankenpflegegesellschaft (ANA) abgehalten, ihre Ziele definierten sich in der Erfassung, Klassifizierung und Kategorisierung von Aspekten, die Pflegekräfte diagnostizierten und bearbeiteten. Es wurde erstmals versucht, eine fachspezifische Sprache für diagnostische Einschätzung der Pflegenden zu entwickeln. Der Outcome zeigte sich in folgender Definition der Pflegediagnosen, diese sind laut Gebbie und Lavin als „Beurteilung oder Ergebnis einer pflegerischen Einschätzung“ zu verstehen. ANA definiert die Pflege als „Diagnosenstellung und Behandlung menschlicher Reaktionen auf vorhandene oder potenzielle Gesundheitsprobleme.“ Diese Definition zeigt auf, dass die Diagnostik einen relevanten Bestandteil des Pflegeberufes wiederspiegelt, da sie ein Part des Pflegeprozesses, der einen Teil des gesamten Behandlungsprozesses darstellt, ist.

Auch die Entwicklung von standardisierten Pflegediagnosen zeigt die Bedeutsamkeit für das Berufsbild (Herdman und Kamitsuru, 2019).

Seit der Existenz der Berufsgruppe der Pflege werden Daten über zu pflegende Personen gesammelt, um dann entscheiden zu können, auf welche Weise der Mensch zu versorgen ist. Während den letzten 30 Jahren hat sich die systematische Einschätzung des Gesundheitszustandes des Patienten/der Patientin zu einem etablierten Bestandteil der Pflegepraxis entwickelt. Jedoch wurde die Sammlung der Informationen zum Großteil ohne Struktur vollzogen, die Defizite der PatientInnen standen im Vordergrund der Einschätzungen und daraus resultierend waren die Pflegemaßnahmen zum Großteil orientiert an vorhandenen Defiziten. Ressourcen wurde anfänglich wenig Beachtung geschenkt, in der modernen, professionellen Pflege ist die Wichtigkeit allgegenwärtig, da eine verstärkte Individualität bei der Betreuung der PatientInnen ermöglicht wird.

Sie sind der Anhaltspunkt für die aktive Einbindung des zu betreuenden Menschen bei der Durchführung der Pflegemaßnahmen. Das unstrukturierte Verschriftlichen der Pflegeprobleme wurde von Pflegepersonen als sehr zeitintensiv empfunden, da die unterschiedliche Auslegung von sprachlich mehrdeutigen Aussagen und Formulierungen, welche die Gesamtsituation des Patienten/der Patientin nicht ausreichend beschrieben, als Schwierigkeit dargestellt wurde (Herdman und Kamitsuru, 2019).

Pflegediagnosen müssen durch Struktur ein Werkzeug für Pflegepersonen darstellen, um die Beschreibung der PatientInnensituation professionell wiedergeben zu können. Je nach Art der Pflegediagnose wird zwischen Pflegediagnosetitel, Ätiologie, Risikofaktoren, Voraussetzungen und Symptomen differenziert. Klassifizierte Pflegediagnosen bieten eine deckungsgleiche Definition von Begriffen, um eine gleiche Auffassung der Formulierung von Pflegepersonen zu ermöglichen. Daraus resultierend verwirklichen Pflegediagnosen eine sprachlich deutliche und fachlich korrekte Kommunikation. Sie spiegeln die Reaktion von Patienten und Patientinnen und deren Verhaltensmuster in Bezug auf gesundheitliche Probleme und Lebensprozesse (Herdman und Kamitsuru, 2019).

Medizinisch betrachtet wird ein Mensch durch eine Erkrankung in den Status des Patienten/der Patientin gehoben. Im Gegensatz dazu wird ein Mensch im Falle von Selbstpflegedefiziten und daraus resultierend auftretende Probleme für die Pflege zum/zur Patienten/Patientin. In beiden Disziplinen wird der Bedarf durch Diagnosen erhoben und Maßnahmen abgeleitet. Für Mediziner und Medizinerinnen steht die Krankheit und sich daraus ableitende Behandlungsvarianten im Vordergrund, Pflegekräfte bearbeiten den Zustand des Erlebens der Krankheit und die daraus folgenden pflegerischen Maßnahmen.

Die Zusammenarbeit mehrerer Berufsgruppen ergibt eine mannigfaltige Auswahl an Diagnosen, denn jede Perspektive diagnostiziert Ansatzpunkte, welche auf den jeweiligen Bereich angepasst sind. Gesammelte Ansichten zeigen den Gesundheitszustand der zu behandelnden Person aus verschiedenen Blickwinkeln. Der bestmögliche Outcome kann nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit erreicht werden, um sicherzustellen, dass alle Diagnosen Beachtung im gesamten Behandlungsteam finden. Der Aufwand der Behandlung kann ebenfalls durch multiprofessionelle Zusammenarbeit und der gemeinsamen Zielbearbeitung reduziert werden. Viele Einrichtungen arbeiten bereits unter diesen Voraussetzungen, jedoch gibt es noch Krankenanstalten, die sich traditionell, nach medizinischen Vorgaben orientieren. Dies entspricht jedoch nicht mehr den Anforderungen des aktuellen Gesundheitssystems, welches vorsieht, dass die Behandlung vom gesamten betreuenden Team in Korrespondenz mit dem Patienten/der Patientin durchgeführt wird. Um diesen Zustand zu gewährleisten besteht eine Notwendigkeit über das Wissen der relevanten Begrifflichkeiten der einzelnen Berufsgruppen (Herdman und Kamitsuru, 2019).

Pflegediagnosen können sich in ihrer Typologie maßgeblich unterscheiden, so existieren frei formulierte Pflegediagnosen, aber auch jene, die bestimmten Regeln, wie beispielsweise einem PÄS (Problem, Ätiologie, Symptome) – Format Folge leisten. Freie Pflegediagnosen können bestimmten Pflegemodellen zugeordnet werden, als Beispiel kann Monika Krohwinkel mit ihrem Modell der Aktivitäten, Beziehungen und Erfahrungen des Lebens herangezogen werden. Weiters werden einheitliche, nach Klassifikationssystemen gestellte Pflegediagnosen unterschieden. Diese zeigen sich entweder theoriegeleitet oder nicht auf einer bestimmten Theorie beruhend wie beispielsweise NANDA (Ulatowski, 2016).

Das Format der in Österreich oftmalig verwendeten Pflegediagnosen beschreibt das Problem, die Ursache, eventuell eintretende Risikofaktoren und Symptome, aber auch vorhandene Ressourcen. Die Medizinischen Diagnosen dienen als Zusatzinformation in Betrachtung eventuell eintretender Komplikationen von Menschen mit Pflegebedarf (Stefan et al. 2013).

Die Relevanz der Pflegediagnosestellung für den Pflegeberuf zeigt sich in mehreren Aspekten. Die Begründung für die Pflege eines Menschen und die Ableitung des Pflegebedarfes, aber auch die kurze und prägnante Beschreibung der Pflegesituation wird ermöglicht. Sie bieten der Berufsgruppe die Möglichkeiten einer einheitlichen

Sprache und der Argumentation des Pflegeaufwandes. Pflegediagnosen stellen ein relevantes Datenmaterial für Qualitätsmanagement und Forschung dar und ermöglichen eine Weiterentwicklung des Berufsbildes der Pflege. Im Bezug zu EDV-Dokumentation erleichtern standardisierte Pflegediagnosen die Integrierung in ein System (Stefan et al., 2006).

Aufbauend auf die bereits erhobenen Daten im Assessment kann der gehobene Dienst durch vorhandenes Fachwissen individuell beurteilen und daraus folgend Pflegediagnosen und Maßnahmen erstellen. Pflegediagnosen sind somit der Outcome der Einschätzung pflegerelevanter Zustände von Individuen, Familien oder anderen Gemeinschaften und das Ergebnis eines umfassenden Assessments. Liegt hingegen kein Problem in dem Aufgabenspektrum der Pflege beim Patienten / bei der Patientin vor, wird keine Diagnose gestellt. Anfänglich gestellte Diagnosen sind als vorläufig zu verstehen und werden während der Betreuungszeit kontinuierlich erweitert. Diese Kontinuität erfordert professionelle Informationssammlung und daraus abgeleitet, passende Interpretationen seitens der Pflegekräfte (Stefan et al., 2006).

„NANDA“ beschreibt vier Arten von Pflegediagnosen in der Praxis, Risikodiagnosen, aktuelle Diagnosen, Syndrompflegediagnosen und Gesundheitspflegediagnosen. In aktuellen Diagnosen werden momentane Reaktionen auf gesundheitliche Unstimmigkeiten oder Lebensprozesse dokumentiert. Risikodiagnosen beschreiben eventuell eintretende Phänomene, deren Auftreten durch Einwirkung bestimmter Komponenten als wahrscheinlich gilt, wenn von Pflegekräften nicht entsprechend reagiert wird. Die Beschreibung der Möglichkeiten einer Person, die aktiv zur Verbesserung des aktuellen Gesundheitszustandes verwendet werden können wird in der Fachsprache als Gesundheitsdiagnose tituliert. Nanda definiert Syndrompflegediagnosen als Möglichkeit der Pflege, komplexe Problemsituationen mit variablen Teilaspekten darzustellen. Das Inaktivitätssyndrom, aber auch das Verlegungsstresssyndrom und das Vergewaltigungssyndrom stellen spezielle Herausforderungen für die Pflege dar und wurden somit von NANDA als eigener, notwendiger Part gesehen (Herdman und Kamitsuru, 2019).

Bei der Bestimmung der Pflegediagnose wird für die Pflegeperson relevant, ob einzelne Pflegediagnosen, oder zusammenfassende Pflegediagnosen angewandt werden.

Beispielsweise werden Diagnosen, welche mit dem PÄS Format erstellt werden, als explizite Pflegediagnosen betitelt, da deren komplette Beschreibung angegeben ist. Sind Diagnosen in einer gestellten Pflegediagnose enthalten, jedoch nicht ausformuliert, liegt

eine implizite Pflegediagnose vor. Die Auswahl der angewandten Diagnose obliegt dem gehobenen Dienst der Gesundheits – und Krankenpflege und sollte im zuständigen Behandlungsteam verbalisiert werden. Von enormer Wichtigkeit zeigt sich die Beachtung der expliziten, als auch der impliziten Diagnosen im daraus resultierenden Pflegeprozess. Dabei gewährt die Dokumentation mehrerer expliziter Pflegediagnosetitel eine transparente Darstellung der PatientInnenensituation. Der Pflegeaufwand lässt sich keinesfalls rein an der Anzahl der expliziten Pflegediagnosetitel messen, denn auch implizite Pflegediagnosen müssen beachtet und somit gut erkennbar dokumentiert werden (Stefan et al., 2006).

Die individuelle Abstimmung auf das PatientInnengut mit einhergehenden adäquaten Interventionen von Seiten der Pflege soll sämtliche Bereiche abdecken. Somit definiert sich aus der Auswahl der passenden Pflegediagnose eine Handlungsstrategie, die bereits eine Aussage über den grundsätzlichen pflegerischen Zugang in spezifischen Situationen bietet. Passend zur Thematik der Pflegediagnose und der einhergehenden Planung der Maßnahmen müssen auch die Ressourcen der Patienten und Patientinnen beachtet werden. Diese können unterschiedlich gefächert sein, personenbezogenen Merkmale, soziale Beziehungen oder Umgebungsfaktoren der betroffenen Person können als Ressource oder Ansatzpunkt dienen. Die Pflegefachkraft unterteilt ebenfalls in direkte oder indirekte Ressourcen, direkte Ressourcen werden ohne besondere Vorbereitungen, oder Unterstützung, alleine durchgeführt. Für indirekte Ressourcen sind bestimmte Voraussetzungen oder Bedingungen zu erfüllen, um die Verwendung zu gewährleisten.

Diese werden von professionellen Pflegefachkräften geschaffen und als Pflegemaßnahme dokumentiert (Stefan et al., 2006).

Um eine qualitative Beurteilung durchzuführen, zeigen sich zwei Punkte als relevant, die Frage nach der inhaltlichen Korrektheit und der adäquaten Formulierung. Inhaltlich muss das Hauptproblem des gepflegten Menschen berücksichtigt werden und der Pflegeaufwand klar ersichtlich sein. Sowohl eine Begründung der Pflegemaßnahmen durch die Pflegediagnose, als auch die Beeinflussbarkeit durch Pflegemaßnahmen und die Vergleichbarkeit mit Begrifflichkeiten in der Fachliteratur sind von Bedeutung. Die Meinung von anderen Pflegepersonen zur gestellten Diagnose, aber auch die Aussagen des Patienten/der Patientin geben Auskunft über inhaltliche Formulierungen. Die Korrektheit der Pflegediagnosestellung erfolgt durch vergleichen mit dem verwendeten Format, beispielsweise können bei durchgeführtem PÄS - Format einzelne Schritte auf Vollständigkeit geprüft werden. Der Titel der Diagnose soll die betroffene Funktion beinhalten und deren detaillierte Beschreibung und Einschätzung durch das

Pflegepersonal und Formulierungen sollten moralisch und juristisch unbedenklich gestaltet sein (Stefan et al., 2006).