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Periode der parlamentarischen Demokratie (1945-1959)

2.3. Politischer Entwicklungsgang nach der Unabhängigkeit

2.3.1. Periode der parlamentarischen Demokratie (1945-1959)

Dies ist die Epoche, in der die Indonesier zum ersten Mal auf sich gestellt sind, einen nach Bodenfläche und Bevölkerungszahl riesigen Staat zu verwalten.63 Die erste Aufgabe der indonesischen Führung war es, den Notstaat durch einen richtigen Staat und dessen Struktur zu ersetzen. Politisch hatten die Indonesier Erfahrung mit der Bildung und Konkurrenz (Wettbewerb) der Parteien in der niederländischen Ko-lonialzeit und mit der einheitlichen politischen Bewegung unter der japanischen Be-satzung. Die beiden politischen Systeme waren jedoch totalitär und erfüllten nicht die Funktion, die Interessen des Volkes zu vertreten, sie in die Tat umzusetzen, und vor allem konnten sie nicht die (koloniale) Regierung kontrollieren. Sie waren ge-schaffen worden, damit die Kolonialherren die indonesischen Gebiete zu ihrem Vor-teil effizienter bewirtschaften konnten und die politischen Aktivitäten der Bevölkerung sichtbar und daher kontrollierbar wurden, um Gefahren für ihre Machtstellung auf dem Archipel so früh wie möglich eindämmen zu können. Nach diesen zwei aufein-anderfolgenden autoritären Staatssystemen unter fremden Herrschern wollten die Indonesier das Ideal verwirklichen, für das sie während der kolonialen Unterdrückung gekämpft hatten, nämlich Demokratie und Gerechtigkeit für das indonesische Volk.

Diese Bemühung fand jedoch in einem Kriegszustand statt, als die niederländische Kolonialregierung versuchte, die ehemaligen Kolonialgebiete zurückzuerobern.

Nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung von Seiten der einheimischen Füh-rungselite in Jakarta unter Soekarno und Hatta, wurde das präsidentiale Staatssys-tem in ein parlamentarisches umgewandelt, wobei das EinparteiensysStaatssys-tem abge-schafft und die Bildung von Parteien erlaubt wurde. Dies war eigentlich keine be-wusst gewollte Veränderung, sondern nur eine Strategie gegenüber der

63 Vgl. zu dieser Periode Cady, John Frank: The History of Postwar Southeast Asia. Indepence Prob-lems. Athens, Ohio 1975, S. 241-246, 250-264; Legge, S. 203-309 und Ricklefs, S. 200-254.

schen Kolonialführung, die sich weigerte, mit Soekarno zu verhandeln, dem sie Kol-laboration mit den Japanern vorwarf. Sutan Sjahrir,64 der gegen die japanische Im-perialmacht Widerstand geleistet hatte, sollte als Premierminister die Verhandlungen mit den Niederländern übernehmen, während Soekarno mit eingeschränkter Rolle als Präsident blieb. In diesem Parlamentssystem bildete das Zentrale Nationalkomi-tee, KNIP (Komitee Nasional Indonesia Pusat), das ursprünglich nur Regierungshel-fer war, eine Art von Übergangsparlament, das den Premierminister wählte, und dem er und sein Kabinett verantwortlich waren.

Die ersten indonesischen Regierungen in diesem Staatssystem waren die Regierung Sjahrirs (1945-1947) und die Regierung Amir Sjarifuddins (1947-1948). Die nächste Regierung unter Premierminister Hatta (1948-1949) war eine Ausnahme, da sie in der kritischen Lage, in der die niederländischen Truppen eine Militäraktion zur Rück-eroberung indonesischer Gebiete starteten, durch den Präsidenten berufen wurde und nicht dem KNIP, sondern dem Präsidenten verantwortlich war. Dieses Notkabi-nett wurde später durch die Bildung der Bundesrepublik Indonesien (Republik Indo-nesia Serikat, RIS) dem Parlament verantwortlich.

Der von den Niederländern vorgeschlagene und von nur wenigen Mitgliedern der indonesischen politischen Elite unterstützte föderalistische Staatsaufbau wurde am 17. August 1950 aufgegeben. Die indonesische Führungselite entschied sich für die einheitliche republikanische Staatsform. Das parlamentarische Staatssystem, das anfangs nur als diplomatische Notlösung gegen die eventuell zurückkehrende Kolo-nialmacht eingeführt worden war, wurde als passender Rahmen für eine Demokratie in Indonesien angesehen und weiterhin beibehalten. Bevor eine Volkswahl durchge-führt und ein Grundgesetz für das parlamentarische Staatssystem von dem berech-tigten Gremium verfasst werden konnte, wurde ein Übergangsgrundgesetz, Undang-undang Dasar Sementara 1950 (UUDS 1950) verabschiedet und ein temporärer Volksvertretungsrat, DPR (Dewan Perwakilan Rakyat) gegründet, in dem die Sitze je nach Parteigröße verteilt waren. Keine der damals größten Parteien, die

64 Sutan Sjahrir war ein gläubiger, jedoch westlich gesinnter Muslim aus Sumatra, ein politischer Weg-genosse von Mohammad Hatta, der unter der japanischen Besatzungszeit die Kollaboration mit den Japanern ablehnte, die Untergrundbewegung unterstützte und heimlich Kontakte zu den Alliierten pflegte.

sche Partei, Masjumi, die säkular-nationalistische Partei Soekarnos, PNI, die linksge-richtete sozialistische Partei, PSI (Partei Sosialis Indonesia), die kommunistische Partei, PKI und die konservative Muslimpartei, NU (Nahdlatul Ulama), die sich später von der Masjumi trennte, bildete die Mehrheit in diesem Parlament, so dass nur Koa-litionsregierungen in Frage kamen.

Unter diesem System gab es keine Regierung, die lange an der Macht bleiben konn-te; auch nicht die PNI-Masjumi-NU-Regierung unter der Führung von Ali Sastroamid-jojo, die aus dem Ergebnis der ersten Volkswahl gegründet worden war. Die Regie-rungen waren nicht in der Lage, die regionalen Militärputschversuche, Ressenti-ments und Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen sowie zwischenpar-teiliche Konflikte und Korruption der Staatsmänner zu bewältigen. Jedoch hatten sie in dieser Periode wichtige internationale und interne Beiträge geleistet, nämlich die Afroasiatische Konferenz zur Zusammenarbeit von Blockfreien-Ländern in Bandung (April 1955) und die Aufnahme einer diplomatischen Beziehung mit China unter der Führung des sogenannten „Kabinetts Ali”, was den Kommunisten Freiraum schuf und für die Verbreitung des Kommunismus in Indonesien sorgte, und schließlich die erste indonesische Volkswahl mit hoher Wahlbeteiligung (91,5 %) und freiem Partei-enwettbewerb65 unter der islamisch-sozialistischen Regierung Burhanuddins.

Nachdem Soekarno wegen zahlreicher Widerstände und Auseinandersetzungen zwischen Parteien und Volksgruppen den Kriegszustand über Indonesien verhängt hatte und eine neue parteilose Regierung, „Kabinet Juanda”, mit einem Nationalrat aus einer nichtparteilichen Volksvertretung, Dewan Nasional, gebildet hatte, über-nahm das Militär die Macht über die Sicherheit in den indonesischen Gebieten. Es startete ohne die Zustimmung des Parlamentes eine Angriffswelle gegen in Indone-sien lebende Niederländer und deren Firmen, weil die niederländische Regierung es abgelehnt hatte, mit Indonesien über Westpapua (Irian Barat) zu verhandeln. So

65 Obwohl manche Wähler Analphabeten waren und manche, die lesen konnten, keine Ahnung von Politik hatten, so dass sie Parteien wählten, auf die von Dorfvorstehern, Prominenten und Religions-führern hingewiesen wurde, gab es Freiheit, was die Gründung der Parteien, den zwischenparteili-chen Wettbewerb und die Wahl der Parteien betrifft. In dieser Wahl konnte keine von 28 beteiligten Parteien die Mehrheit bilden. PNI (22,3 %) und Masjumi (20,9 %) erhielten die meisten Stimmen, hinter ihnen waren NU mit 18,4% und – für die anderen Politiker überraschend und zugleich bedroh-lich – die Kommunisten, PKI mit 16,4 %, während die anderen Parteien jeweils unter 5 % der Stim-men blieben.

cherte die Armee ihre Einkommensquelle, da später die niederländischen Firmen beschlagnahmt und vom Militär verwaltet wurden.66 Da die Konstituante nach fast drei Jahren keine neue Staatsverfassung entworfen hatte und die zivilen Politiker wegen ihrer Zerstrittenheit und Sturheit keine politische Lösung fanden und auch weil die Armee durch ihre zunehmende Macht mit einem militärischen Putsch drohte, verkündete Soekarno am 5. Juli 1959 in einem Kompromiss mit Generalleutnant Na-sution die Rückkehr zum Grundgesetz von 1945 (UUD ’45) mit einem Dekret, das die erste Demokratie Indonesiens beendete.