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Periode der „Neuen Ordnung” (1966 - 1998)

2.3. Politischer Entwicklungsgang nach der Unabhängigkeit

2.3.3. Periode der „Neuen Ordnung” (1966 - 1998)

Mit der Verordnung vom 11. März 1966 begann de facto Soehartos Herrschaft. Sie war eine vom Militär dominierte Herrschaft, wobei auf der zentralen Ebene 19 - 40%

und auf der regionalen Ebene 40 - 75% der Regierungsposten von Militärmitgliedern besetzt waren.72 Soeharto veränderte Indonesiens kommunistische Ausrichtung hin zur westlichen. Der wichtigste Schritt, den er als Erstes unternahm, war der Aufbau der Wirtschaft. Diese Aufgabe vertraute er einer Gruppe von in den USA gebildeten Technokraten an, bekannt als „erkeley Mafia”.73 Sie versuchten, durch Stabilisierung der indonesischen Währung, der Rupiah, Senkung der Inflation, Öffnung der

72 Vgl. Legowo, Tommi A.: The Bureaucracy and Reform, in: Baker, Richard, et al: Indonesia. The Challenge of Change, Singapore 1999, S. 82.

73 Vgl. Liem, Jusiu: Einführung: Billiglohnland mit hohen „Nebenkosten” - Umrisse einer Wirtschaftspo-litik. In: Pasuhuk und Koesoemawiria, S. 95.

sischen Wirtschaft für Investitionen sowie Erlangung von Krediten aus dem Ausland und von internationalen Geldinstituten die von Soekarno vererbte, kaputte Wirtschaft auf die Beine zu bringen. Als Grundlage seiner Herrschaft wurde das Grundgesetz von 1945 und das System seines Vorgängers, Soekarno, das seine Macht uneinge-schränkt ließ, weiterhin verwendet. Auf politischer Ebene machte Soeharto Druck auf die politischen Parteien, um sie von Soekarno-Sympathisanten zu säubern und diese gegen seine eigenen Leute auszutauschen.74 Ausschlaggebend war die Gründung einer staatlichen funktionellen Gruppe, Golkar (Golongan Karya),75 zu der alle Arbeiter-, Bauern-, Angestellten- sowie Unternehmergruppen, und schließlich alle Mitglieder des einzigen Beamtenverbands, KORPRI, und der Armee gehören sollten, wobei sie die Funktion des Entwicklungsmotors Indonesiens übernehmen sollten. Obwohl Golkar angeblich keine politische Partei war, nahm sie trotzdem an der Volkswahl teil. Mit massivem Druck und Propaganda sowie Beeinflussung der Bevölkerung durch die Golkar-Mitglieder, die ja verschiedene Bevölkerungsgruppen und -schichten vertraten, gewann Golkar 1971 bei der zweiten Volkswahl die Mehr-heit der Stimmen (63 %).

Später forderte Soeharto die politischen Parteien auf – außer Golkar, da sie von der Regierung nicht als eine politische Partei eingestuft wurde – sich zusammenzu-schließen. Daraufhin schlossen sich die muslimischen Parteien zur Vereinigten Ent-wicklungspartei, PPP (Partai Persatuan Pembangunan) zusammen, während die nationalistische und nichtmuslimische Parteien sich in der Demokratischen Partei Indonesiens, PDI (Partai Demokrasi Indonesia) vereinigten. Diese Schrumpfung der Parteizahl war, so Soeharto, nötig, um einerseits den Wahlkampf zu vereinfachen, und andererseits die politische Stabilität vor zwischenparteilicher Rivalität und Wett-streit zu bewahren,76 so dass die Parteien sich mehr auf die indonesische Entwick-lung als auf die Durchsetzung ihrer eigenen Prinzipien in der Politik konzentrieren konnten. In der Tat erleichterte es die Wahl für die Bevölkerung, deren Mehrheit zu

74 Vgl. Schwarz, Adam: A Nation in Waiting. Indonesia in the 1990s. St. Leonards 1994, S. 30f.

75 Sie ging aus Sekber Golkar (Sekretariat Bersama Golkar) hervor, einer westlich orientierten Organi-sation von Zivilpolitikern und Militärmitgliedern, die im Oktober 1964 von den Offizieren der Armee gegen Soekarnos kommunistische Politik gegründet worden war. Vgl. dazu Ricklefs, S. 264f.

76 Vgl. Budiardjo, Miriam: Auf der Suche nach einem geeigneten Parteiensystem, in: Pasuhuk und Koesoemawiria, S. 40f.

Anfang analphabetisch und politisch ungebildet war. Jedoch wurde dies nach der Steigerung des Bildungsniveaus und der politischen Urteilsfähigkeit der Bevölkerung nicht von der Regierung Soehartos aufgehoben, da es außerdem ein guter Schach-zug war, um die Kontrolle über seine Gegner zu erlangen.77

Dadurch wurden seine politischen Gegner auch geschwächt, da der unfreiwillige Zu-sammenschluss der von Grund auf unterschiedlichen Parteien Disharmonie und Zer-rissenheit dieser neuen Parteien bedeutete, was ihr politisches Image auch trübte und zu Verlusten bei ihrer Anhängerschaft führte. Das Ergebnis dieser Politik zeigte sich bei den nächsten Volkswahlen.78 1977 siegte Golkar mit 62,11 %. Hinter ihr lag die PPP mit 29,29 % und die PDI mit 8,6 %. Bei der Volkswahl 1982 erlangte Golkar wieder die Mehrheit der Stimmen (64,34 %). Fünf Jahre später stieg die Prozentzahl der Stimmen für Golkar sogar auf 73 %, da die NU, die größte Moslemorganisation Indonesiens, 1984 aus der PPP ausgetreten war. Die späteren Volkswahlen wiesen kein anderes Bild auf als dieses, wobei Manipulationen nicht ausgeschlossen waren.

Wie alle anderen Diktatoren stützte sich Soeharto auf eine bestimmte Ideologie, die sein Herrschaftssystem legitimierte. Clever übernahm Soeharto das Produkt seines Vorgängers, des Volkslieblings Soekarno: die Pancasila als Regierungs- und später Staatsphilosophie. Damit wurde die Sympathie der Bevölkerung gegenüber Soekar-no durch die Pancasila auf die Soeharto-Herrschaft übertragen. 1984 verordnete die Regierung sogar, dass alle sozialpolitischen Organisationen inklusive Parteien, die Pancasila als Alleinigen Grundsatz (Asas Tunggal) annehmen müssten, was den Muslimen missfiel und zum Austritt der NU aus der PPP führte. Mit der Ernennung von Soehartos Herrschaftssystem als „Pancasila-Demokratie” wurden sämtliche Kri-tiken und Widerstände gegen Soeharto und die Regierung als Ablehnung der Pan-casila und somit als Ablehnung des originalen Kulturideals Indonesiens betrachtet, was zu Inhaftierung, Aktivitätsverbot und sogar Tötung der Kritiker berechtigte. Die Zeit der „Neuen-Ordnung“ war somit von den Maßnahmen zur Unterdrückung ihrer Opposition und Kritiker, sowohl im Kreis der Zivilisten und Studenten als auch in der Armee selbst, geprägt.

77 Vgl. Schwarz, S. 32.

78 Vgl. zu Wahlergebnissen Thoolen, S. 44-52 und Schwarz, S. 37ff.

In der Mitte der 90er Jahre sank die Popularität der Regierung und des Militärs im-mer mehr. Es war das Ergebnis der Ungerechtigkeiten, die sie dem Volk bereiteten:

seien es verschiedene willkürliche Handlungen der Regierung bzw. des Militärs auf politischer Ebene, wie auch die immer offener gewordenen Korruptionen, Vettern-wirtschaft und Begünstigungen bei den Vettern-wirtschaftlichen und politischen Tätigkeiten des Regierungsclans sowie Diskriminierungen der (finanziell) Schwächeren. Als 1997 die in Japan und Hongkong entstandene asiatische Wirtschaftskrise auch In-donesien traf und Anfang 1998 ihren Höchststand mit einem Verfall der indonesi-schen Währung bis zum Sechsfachen erreichte, kam es in Indonesien wegen der Verteuerung der Preise zu Ausschreitungen gegen die Chinesen und Reichen sowie zu Demonstrationen der Studenten. Als Soeharto zum siebten Mal von der MPR zum Präsidenten wiedergewählt wurde und danach ein Kabinett aus der Familie so-wie aus deren Geschäfts- und Freundeskreis bildete, wurden die Forderungen nach einer Reform immer lauter und fanden bei Opponenten Unterstützung, insbesondere bei Megawati Seokarnoputri, einer in der PDI aktiven Tochter Soekarnos, bei Abdur-rahman Wahid, dem Führer der größten Moslemorganisation, NU, und schließlich bei Amien Rais, dem Führer der modernen Moslemorganisation, Muhammadiyah.

Nachdem am 12. Mai 1999 vier Studenten von Soldaten bei einer Demonstration in Jakarta erschossen worden waren, brachen Massenaufruhre in Jakarta und später in anderen Städten Javas aus, wo tausende Menschen umkamen und mehr als 100 Frauen chinesischer Abstammung sexuell belästigt und vergewaltigt, tausende Ge-bäude und Autos verbrannt und Geschäfte geplündert wurden. Das Chaos griff schnell auf die anderen Inseln über. Das Militär, dessen Mitglieder laut Augenzeugen auch an den Aufruhren beteiligt waren und das die Massen sogar dazu provozierte, war gegen die wütenden Massen machtlos. Die Regierungsverbündeten im Parla-ment konnten später nicht anders als sich der Öffentlichkeit anzuschließen und Soe-hartos Rücktritt zu verlangen. Am 18. Mai 1999 sprach der Chef der MPR und der Golkar, der eigentlich ein enger Vertrauter des Präsidenten war, die Rücktrittsforde-rung an Soehartos aus. Am nächsten Tag bekam diese ErkläRücktrittsforde-rung die Zustimmung von allen Partei- und Militärvertretern im Parlament und wenige Tage später folgte die Kündigung von elf Ministern von Soehartos Kabinett. Soeharto, der in dieser

Si-tuation keine andere Wahl hatte, übergab, mit dem Versprechen des Armeechefs Wiranto, „die Ehre und Sicherheit der Präsidentenfamilie zu gewährleisten”,79 am 21. Mai 1999 sein Amt an den Vizepräsidenten, B. J. Habibie ab und beendete seine über 32-jährige Herrschaft in Indonesien.