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Pathogenitätsfaktoren von Mycoplasma bovis

2. Literaturübersicht

2.3 Pathogenitätsfaktoren von Mycoplasma bovis

Ob es zu einer klinisch manifesten Erkrankung kommt, ist abhängig von erregerspezifischen Faktoren einerseits und wirtsspezifischen Faktoren andererseits.

Dass erregerspezifische Faktoren eine Rolle spielen, zeigte sich nach einer Studie von Punyapornwithaya et al. im Jahre 2010: Die Autoren stellten fest, dass nur einer von vier in der Herde vorkommenden Bakterienstämmen Mastitis verursachte und schlussfolgerten daraus, dass dieser Stamm Virulenzfaktoren besitzt, der ihn von den anderen drei Stämmen unterscheidet und ihm eine Infektion der Milchdrüse ermöglicht (PUNYAPORNWITHAYA et al. 2010). Demgegenüber steht die Beobachtung, dass es keine genetischen Unterschiede zwischen M. bovis-Stämmen von an respiratorischen Symptomen erkrankten und nicht erkrankten Rindern gab (CASTILLO-ALCALA et al. 2012). Andererseits wiederum drückt sich die Relevanz der stammspezifischen Unterschiede durch einen besonders virulenten

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Stamm in Österreich aus, der von an Mastitis, Pneumonie und Arthritis erkrankten Rindern auf Schweine übersprang (SPERGSER et al. 2013). Dies ist bis dato der einzige Bericht über eine natürliche Überwindung der Speziesbarriere durch M. bovis (SPERGSER et al. 2013). M. bovis gilt wie andere Mykoplasmenspezies als streng wirtsspezifisch. Der nordamerikanische Bison (Bison bison) ist ebenfalls suszeptibel für eine M. bovis-Infektion. Die klinischen Symptome entsprachen im Wesentlichen denen nach einer M. bovis-Infektion von Rindern, wobei der Krankheitsverlauf schwerer und die Mortalität höher (bis 45 %) waren (DYER et al. 2008;

JANARDHAN et al. 2010; SULEMAN et al. 2016).

M. bovis besitzt die Fähigkeit Schleimhäute zu besiedeln, in Gewebe einzudringen und dort, trotz einer Immunantwort des Wirtes zu persistieren (MAUNSELL et al. 2011). Als mögliche Pathogenitätsfaktoren besitzt M. bovis verschiedene Strukturen zur Adhärenz, Invasion, Immunmodulation, Biofilmbildung, Produktion von für den Wirt toxischen Metaboliten und zeigt antigenetische Variation (MAUNSELL et al. 2011).

Zur Adhärenz besitzt M. bovis die Oberflächenproteine Vpmax, ein variables Oberflächen Lipoprotein (ZOU et al. 2013), P26 (SACHSE et al. 1996) und P68 (LYSNYANSKY et al.

2008; ZHAO et al. 2017). Auch die variablen Oberflächenproteine (VspA, VspB, VspE, VspF) sollen an der Adhäsion beteiligt sein (SACHSE et al. 1996; SACHSE et al. 2000). Die oben genannten Adhärenzstudien bezogen sich hierbei auf die Adhärenz von M. bovis an eine embryonale bovine Lungen-Zelllinie (EBL-Zellen). Thomas et al. testeten auch die Adhärenz verschiedener M. bovis-Stämme an primäre, bovine, bronchiale Epithelzellen (BBE-Zellen) und stellten fest, dass die Adhäsionsrate von M. bovis an primäre BBE-Zellen geringer ist als an Zellen der EBL-Zelllinie. Weiterhin stellten die Autoren fest, dass die Adhäsionsrate mit verminderter Pathogenität des M. bovis-Stammes (z.B. PG45) und mit erhöhter Passage des Stammes im Labor sinkt (THOMAS et al. 2003a; THOMAS et al. 2003b). Außerdem besitzt M. bovis eine Reihe von Enzymen, die an der Adhäsion beteiligt sind: Song et al. entdeckten eine α-Enolase, welche durch Bindung an Plasminogen zu einer erhöhten Adhäsionsrate an EBL-Zellen führt (SONG et al. 2012). Wird Plasminogen an das Oberflächen-assoziierte Protein α-Enolase gebunden, erfolgt dessen Aktivierung zu Plasmin (BHATTACHARYA et al.

2012). Die Rekrutierung von Proteasen des Wirtes (wie Plasmin) hilft Bakterien die physischen Barrieren des Wirtes zu überwinden (BHATTACHARYA et al. 2012). Des Weiteren besitzt M. bovis eine NADH-Oxidase, welche neben der Fähigkeit der Reduktion von Sauerstoff zu

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Wasserstoffperoxid ebenfalls an der Adhäsion von M. bovis an EBL-Zellen beteiligt sein soll (ZHAO et al. 2017). Guo et al. fanden ein Fibronektin-bindendes Enzym (TrMFo), welches als Adhäsin fungiert (GUO et al. 2017). Diese Enzyme binden an Fibronektin, welches als Brücke zu Integrinen auf den Wirtszellen dient und so die bakterielle Adhäsion erleichtert (JOH et al.

1999; SCHWARZ-LINEK et al. 2004).

M. bovis besitzt mehrere variable Oberflächenproteine (variable surface proteins, Vsps) (BEHRENS et al. 1994; POUMARAT et al. 1994). Die Vsps zeigen sowohl eine Größen-, als auch eine Phasenvariation, wobei die phänotypische Änderung der Vsps auch mit hochfrequenten, nicht koordinierten Veränderungen in der DNA des M. bovis-Chromosoms einhergeht (BEHRENS et al. 1994; LYSNYANSKY et al. 1999; LYSNYANSKY et al. 2001).

Die antigene Heterogenität steht nicht mit einem bestimmten M. bovis-Stamm, einer bestimmten Herkunft oder einem bestimmten Krankheitsverlauf in Verbindung (BURKI et al.

2015). Die Variation der Vsps, welche auch zwischen verschiedenen Subklonen eines Stammes variiert, kann durch die Anwesenheit eines komplementären Antikörpers beeinflusst werden.

Sowohl Antikörper von experimentell infizierten Kälbern als auch monoklonale Antikörper, die gegen ein M. bovis-Vsp gerichtet sind, führen zu einer Veränderung desselben (LE GRAND et al. 1996). Dadurch ist dem Erreger eine effektive Evasion der adaptiven Immunantwort möglich (LE GRAND et al. 1996; BURKI et al. 2015). So führt auch die Koexpression verschiedener Vsps (z.B. Vsp A, B, C) zur Entstehung verschiedener Oberflächenstrukturen mit spezifischen antigenen Eigenschaften (LYSNYANSKY et al. 1999). Die Variation der Vsps ist auch in vivo im Respirationstrakt experimentell infizierter Kälber zu beobachten (BUCHENAU et al. 2010).

In experimentell infizierten Kälbern wurde M. bovis-Antigen sowohl im Zytoplasma von Immunzellen (Makrophagen, neutrophile Granulozyten) als auch von epithelialen Zellen (Gallengangsepithel-, Nierenepithel-, bronchioläre Epithelzellen) und anderen Zelltypen wie Hepatozyten und Axonen des Nervus facialis nachgewiesen (ADEGBOYE et al. 1995;

RODRIGUEZ et al. 1996; MAEDA et al. 2003; KLEINSCHMIDT et al. 2013). Der von M. bovis genutzte Mechanismus der Invasion in die Epithelzellen, ist bisher weitgehend unbekannt. Erste In-Vitro-Untersuchungen an primären, bovinen, embryonalen Nasenmuschelepithelzellen deuten auf eine Aufnahme von M. bovis über nicht klassische Endozytose hin (BURKI et al. 2015). Elektronenmikroskopisch konnte M. bovis hingegen nicht

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in den alveolären Epithelzellen des Euters dargestellt werden (STANARIUS et al. 1981).

In vitro konnte die Invasion von M. bovis in verschiedene Zelllinien (embryonale bovine Lungenzellen (EBL-Zellen), embryonale bovine Trachealzellen (EBTr-Zellen) nachgewiesen werden (SULEMAN et al. 2016). Weiterhin wurde M. bovis mittels Konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie in den verschiedenen Subpopulationen der mononukleären Immunzellen (T-Zellen, B-Zellen, Monozyten, natürliche Killerzellen (NK-Zellen), dendritische Zellen) sowie in Erythrozyten dargestellt (VAN DER MERWE et al. 2010).

Viele Bakterien können durch die Formation von Biofilmen im Wirt persistieren (DONLAN 2002). Ein Biofilm ist eine Ansammlung von Mikroorganismen, welche fest mit einer Oberfläche verbunden sind und sich in einer extrazellulären polymeren Substanz (EPS) befinden (DONLAN 2002). Die im Biofilm lebenden Organismen unterscheiden sich von den in Suspension befindlichen (planktonischen) Organismen durch eine vermehrte oder verminderte Expression verschiedener Gene, eine verminderte Wachstumsrate sowie der Produktion von EPS (DONLAN 2002). In chronischen Infektionen können Biofilme periodisch planktonische Bakterien freisetzen und so zu akuten Krankheitsausbrüchen führen (MCAULIFFE et al. 2006). Auch M. bovis ist in der Lage proliferative Biofilme zu formen, wobei die Fähigkeit zur Biofilmformation zwischen den Stämmen variiert (MCAULIFFE et al.

2006). Der in dieser Arbeit verwendete Stamm PG45 zeigt nur eine geringe Fähigkeit Biofilme zu formen (MCAULIFFE et al. 2006). Interessanterweise ist M. mycoides spp. mycoides, der Erreger der anzeigepflichtigen Lungenseuche der Rinder, nicht in der Lage Biofilme zu formen (MCAULIFFE et al. 2006). Die im Biofilm ansässigen Mykoplasmen sind weniger anfällig für Hitze und Austrocknung gegenüber planktonischen M. bovis, während sich die Suszeptibilität gegenüber Antibiotika nicht unterscheidet (MCAULIFFE et al. 2006). Die Abwesenheit einer Zellwand und das kleine Genom ließen lange Zeit den Trugschluss zu, dass Mykoplasmen kaum in der Lage seien in der Umwelt außerhalb ihres Wirtes zu überleben. M. bovis-Biofilme überleben überraschenderweise trotzdem über 30 Stunden auf Deckgläsern bei Raumtemperatur (MCAULIFFE et al. 2006).

Weiterhin ist M. bovis in der Lage für den Wirt toxische Metaboliten wie reaktive Sauerstoffspezies (reactive oxygen species, ROS), beispielsweise Wasserstoffperoxid (H2O2) zu generieren (KHAN et al. 2005; SCHOTT et al. 2014). Die Fähigkeit H2O2 zu bilden variiert stammspezifisch, wobei unklar ist, ob die Menge der H2O2-Produktion positiv mit der

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Pathogenität der Stämme korreliert (KHAN et al. 2005). In einer Studie korrelierte die Höhe der H2O2-Produktion verschiedener Stämme jedoch nicht mit dem Schweregrad der histopathologischen Veränderungen in den Lungen von Kälbern (SCHOTT et al. 2014). Die Höhe der Passagezahl von M. bovis korreliert negativ mit dessen Fähigkeit H2O2 zu bilden (KHAN et al. 2005). M. bovis vermindert die ROS-Produktion in bovinen Leukozyten, wobei der Effekt stammspezifisch ist: Während drei von sechs getesteten Feldisolaten die ROS-Produktion in den Leukozyten verminderten, beeinflussten die zwei hochpassagierten Laborstämme (Jasper und Emmerson) die ROS-Produktion nicht (WIGGINS et al. 2011).

2.4 Wirts-Determinanten der Pathogenität von Mycoplasma