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4. Regional-empirischer Teil

4.1 Die Gletscher der Batura-Nord-, Ost- und Südabdachung .1 Batura-Gletscher

4.1.2 Die Eisrandtäler am Passu-, Ghulkin- und Gulmit-Gletscher

4.1.2.1 Passu-Gletscher

y Blankeisgletscher mit ausladender Ufermoränenbildung y Schuttliefergebiete y Firnkaskaden-Gletscher y scheibenförmige Ufermoränenanlagerungen y Ufermoränenaufbau aus resedimentierten Grund- und Hangmoräneny Moränentaschen

Der Einzugsbereich des 25 km langen Passu-Gletschers wird vom Shispar (7611 m) sowie dem Passu–

Ostgipfel (7295 m) eingerahmt und endet in 2500 m Höhe. Obwohl der Gletscher in einer tiefen Höhenlage endet, ist er ein Blankeisgletscher und hebt sich mit seiner weißen, stark zerspaltenen Oberfläche von seinen Nachbargletschern deutlich ab. Firnséracs, wie am Khurdopin- oder Yazghil-Gletscher, sind allerdings nicht ausgebildet. Die Kammumrahmung fällt nach 10 km Lauflänge unter eine Höhe von 6000 m ab. Der Passu-Gletscher gehört zu den Firnkaskaden-Gletschern mit zwischengeschalteten kleineren Firnmulden im Zehrgebiet. Der Anteil der Eislawinen an der Ernährung ist im Vergleich zum Ghulkin-Gletscher gering.

An seine nur wenig verschuttete Gletscherzunge schließt sich in dem vorgelagerten Zungenbecken ein proglazialer See von einigen hundert Metern Längserstreckung an. In der FINSTERWALDER-Kartierung (1954/1959) des Hunza-Tales ist zu dieser Zeit kein See vermerkt. In einem AKRSP-Bericht (AKRSP-Library Gilgit) Ende 1980 wird von einem Gletscherseeausbruch am Passu-Gletscher vor 70 Jahren berichtet, der das Siedlungsland von Passu zum Teil verwüstete. Der See ist einer der wenigen proglazialen (endmoränengedämmten) Seen im Karakorum.

Verbreitung der Eisrandtäler

Die Ufermoränen sind in beiden Expositionen durch ein Eisrandtal von der Talflanke abgesetzt. Die Eisrandtäler weisen jedoch keinen Bachlauf auf. Der Passu-Gletscher wird auf der linken,

südexponierten Talflanke von einem Eisrandtal ab einer Höhe von circa 4000 m begleitet und weist damit unter den drei in Rede stehenden Gletschern das höchstgelegene Eisrandtal auf (Abb. 4.1.2.3, Photo 4.1.2.2).

Abb. 4.1.2.3: Übersichtskartierung der Verbreitung ausgewählter lateroglazialer Sedimente am Passu-Gletscher (Legende s. Abb. 4.1)

In das Eisrandtal sind über nahezu seine gesamte Lauflänge Schutthalden eingestellt, die vornehmlich aus dislozierten Hangmoränen bestehen. Dies wird insbesondere am Unterlauf des Gletschers ersichtlich, wo Hangmoränen den steilen Talflanken tapetenartig anhaften und diese durch Gully-Erosion in sekundäre Schutthalden umgelagert werden. Wie oben ausgeführt, waren der Batura- und der Passu-Gletscher eiszeitlich miteinander verbunden. Im Laufe der Zeit werden die Hangmoränen gänzlich abgetragen sein und nur noch glazigene Schutthalden verbleiben. Die Ufermoränen setzen im Mittel- sowie Zungenteil des Gletschers streckenweise aus oder sind nur noch fragmentarisch als Ufermoränenleisten an den steilen Talflanken erhalten. Es lassen sich zwei Hauptufermoränenniveaus differenzieren (Photo 4.1.1.3). Zum Ufertalaufbau hat hier primär die Resedimentation der vorzeitlichen Moränenverkleidung und transglazialer Schutthalden eine Rolle gespielt und weniger Schuttlieferungen der Nebentäler.

Auf der rechten Passu-Gletscherseite setzen die Eisrandtäler in ähnlicher Höhe wie auf der gegenüberliegenden Seite ein. Hier befinden sich im Lateroglazialbereich scheibenförmige Ufermoränenanlagerungen (Photos 4.2.1.3 & 6). Im mittleren Part treten wellenförmige Ausbuchtungen in der Ufermoränenfassung auf. Ehemals sind Eisloben vom Hauptgletscherstrom ausgebrochen und haben in der Ufermoräne kleine Moränentaschen hinterlassen. Weiter talabwärts zeigen die Ufermoränen eine im Tallängsverlauf versetzte Anordnung (Photo 4.2.1.6). Die Ufermoräne ist in Form der giebelförmigen Hauptufermoräne ausgebildet. Sie misst eine Höhe von 30 m bis 40 m am distalen Hang, während die Ufermoräneninnenhänge ebenfalls bis zu 50 m Höhe vom Eis entblößt sind. Die hohen Einsinkbeträge sind auch noch im oberen Ufertalabschnitt zu verzeichnen. Die Ufermoränenaußenhänge weisen zum Teil durch supraglaziale Schüttungen eine normale Gradierung auf.

Der Passu-Gletscher wird von hochaufragenden Ufermoränen eingefasst, obwohl seine Gletscheroberfläche kaum von supraglazialem Schutt bedeckt ist. Dieser Tatbestand weist bereits

4.1.2 Passu-, Ghulkin- und Gulmit-Gletscher 84

darauf hin, dass die Ufermoränenausbildung unabhängig vom supraglazialen Schutttransfer steht. Es sei dann, man geht von einer vorzeitlichen Schuttbedeckung aus.

2000

Abb. 4.1.2.4: Längsprofil Passu-Gletscher mit Verbreitung der Eisrandtäler (2-fach überhöht)

Unterhalb der rezenten Passu-Gletscherzunge, dort wo der neoglaziale-historische Passu-Gletscher sein Talgefäß verlassen hat, finden wir in dem nun weiträumigen Hunza-Tal ein komplexes und mehrere hundert Meter breites Arrangement von Ufermoränenanlagerungen vor (nach LI JIJUN et al.

1984: 500, Stadium t8 -t3). Bis zu einem Dutzend Ufermoränen sind hier scheibenförmig aneinandergestaffelt, in die auch vorzeitliche Ufermoränendurchbrüche integriert sind (Photo 4.2.1.3).

Im Gegensatz zum benachbarten Ghulkin-Gletscher handelt es sich hierbei nicht um eine akkurate Ufermoränendammfassung, sondern um eine breit ausladende, zusammengesetzte Moränenrampe, die sich vornehmlich auf der rechten Passu-Seite erstreckt (Photo 4.2.1.5). Diese Moränenkomplexe gehören in das neoglaziale Stadium (DERBYSHIRE 1984). Auf der linken Talseite hingegen, an der Konfluenz zum Hunza-Tal, ist der Felsriegel von Yunz großflächig vom ehemaligen Hunza-Gletscher überschliffen sowie unterschnitten worden und weist ausladende Abbruchstrukturen auf.

Jüngere Gletscheroszillationen: Die erste, in den Archiven vorgefundene Photoaufnahme des Passu-Gletschers stammt von Capt. J.B. MACKINTOSH aus dem Jahre 1905 (RGS, PR 088055) und zeigt im Vergleich zu heute eine weit vorgerückte Lage der Passu-Gletscherzunge. Sie weist eine Mächtigkeit von über 100 Metern auf und fällt im Frontbereich steil ab, der von einem Endmoränenkranz umgürtet wird. Spätere Photographien von Captain A.R.B. SHUTTLEWORTH (1909) (RGS 088604, 088589, 088587) zeigen das Ende des Passu-Gletschers ebenfalls als pralle, weiße und zerspaltene Gletscherzunge, die aus dem Talgefäß in das Hunza-Tal hinausragt. Heute ist dieses, ehemals vom Gletscher eingenommene Land mit einer hügeligen Endmoränenlandschaft versehen und zum Teil besiedelt.

Während der Begehung von MASONim Jahre 1913 lag das Zungenende des Passu-Gletschers 1100 m vom Hunza-Fluss entfernt, im Jahre 1925 bereits 1300 m mit einer weiter zurückgehenden Tendenz (VISSER 1938: 157). In der FINSTERWALDER-Kartierung (1954/1959) beträgt die Distanz bereits 2000 m, die auch in den Jahren 1992, 2000, 2001, 2002 und 2004 als Mindestentfernung konstatiert werden konnte. Als SCHOMBERG Ende Mai 1926 in das Shimshal-Tal aufbrach, musste er den Passu-Gletscher queren. Er beschreibt, dass der Weg 1932 nur noch zum Teil über den Passu-Gletscher verlief.

1934 war der Gletscher so weit zurückgegangen, dass der Weg 2,6 Kilometer von der Gletscherzunge entfernt war (SCHOMBERG1936: 24). Diese Distanz scheint jedoch etwas zu weit gegriffen.

Filialsiedlungsreste von Passu am rechten neoglazialen Ufermoränenaußenhang des Passu-Gletschers weisen auf einen einstigen Gletscherhochstand hin, als vom Gletscher noch sein Schmelzwasser zur Bewässerung abgeleitet werden konnte. Durch den Gletscherrückzug hat sich die potentielle Siedlungsfläche der Hauptsiedlungsfläche Passus taleinwärts vergrößert. Andererseits wurde Passu uferwärts von den Shimshal-Flutereignissen erheblich zerstört (ITURRIZAGA 1997).

Photo 4.1.2.2: Der obere Einzugsbereich des Passu-Gletschers aus einer Höhe von 4000 m aufgenommen zeigt die Ansätze der Eisrandtäler in N- und S-Exposition ( ). Auf der orographisch linken Seite zieht sich der vom Eis überfahrene Patundas-Rücken (Ø), der zum Batura-Gletscher hin überleitet, entlang. Die Talflanke ist mit glazigenen Schutthalden verklei-det, die in das Eisrandtal einge-stellt sind und streckenweise die Ufermoräne überschütten. Auf-nahme: L. Iturrizaga 14.10.2000.

Photo 4.1.2.3: Blick auf den mittleren Bereich des Passu-Gletschers. Die Ufermoränen-fassung ist durch einstige supra-glaziale Schmelzwasserabgänge ( ) sowie durch Eisloben wäh-rend eines Hochstandes über-arbeitet worden. Auf der linken Seite sind zwei Generationen von Ufermoränenleisten ersichtlich (), die vielerorts in Schutt-halden aufgelöst sind. Auf-nahme: L. Iturrizaga 14.10.2000.

Photo 4.1.2.4: Auf der rechten Passu-Gletscherseite sind im unter-halb des proglazialen Sees ein glaziofluvialer Schwemmfächer an, auf dem sich die Siedlung Passu befindet. In der Schotter-sohle des Hunza-Flusses ist durch einen Sedimentrest die einstige Reichweite der Siedlungsfläche zu erkennen, die sie vor den katastrophalen Gletscherseeaus-brüchen aus dem Shimshal-Tal einnahm (Ø). Aufnahme: L. Iturrizaga 14.10.2000/2/11.

4.1.2 Passu-, Ghulkin- und Gulmit-Gletscher 86

Photo 4.1.2.5: Zwischen dem Passu- und Ghulkin-Gletscher ist eine ausladende Moränenland-schaft im Hunza-Tal abgelagert, die teilweise aus der Zeit des Zusammenflusses von Passu- und Ghulkin-Gletscher stammt. Im Hintergrund ragt auf der linken Hunza-Talseite der Abdegar-Pass auf, der zum Shimshal-Tal hinleitet. Aufnahme: L. Iturrizaga 14.10.2000/2/35.

Photo 4.1.2.6: Der Passu-Gletscher von der Siedlung Passu (2500 m) aus gesehen. Die Ufermoränen auf der orogra-phisch rechten Seite sind gegen-einander versetzt und unmittelbar mit den Hangschutthalden ver-zahnt (). Die Ufermoränen können sich in diesem Falle aus vom Gletscher seitlich empor-gehobenem Hangschuttmaterial rekrutieren. Im Hintergrund ragt der Shispar (7611 m) auf.

Aufnahme: L. Iturrizaga 12.10.2000/29.