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Die hohen Reliefvertikaldistanzen im Karakorum bedingen eine starke hypsometrische Differenzierung der geomorphologischen Prozesse und korrelaten Ablagerungsformen. Eine reale Höhenstufung mit linearen Abgrenzungen der einzelnen Gürtel ist naturgemäß nicht ausgebildet.

Vielmehr handelt es sich um in ihrer Höhenlage stark schwankende Höhenstufen, die untereinander eng verzahnt sind. Die geomorphologische Formenvielfalt nimmt mit abnehmender Höhe zu. In den Tieflagen sind insbesondere durch die Resedimentation vorzeitlicher Sedimente hochkomplexe, polygenetische Ablagerungen präsent. HEWITT (1989) erstellte eine Übersicht der geomorphologischen Massenbewegungsprozesse und ihrer Ablagerungen in Abhängigkeit von der Höhe. Diese Höhenstufung basiert hingegen auf dem klassischen Schema der alpinen Hochgebirgsgeomorphologie, in dem der Frostverwitterung eine bedeutende Rolle bei der Aufbereitung des Gesteinsmaterials sowie als Schuttliefergebiete für Massenbewegungsprozesse eingeräumt wird (HEWITT 1969). Die folgende Höhenstufung basiert auf dem Konzept des transglazialen Schuttkörperaufbaus (s. auch Tab. 6.1).

Die Gipfelregionen: die pergelide Stufe oberhalb von rund 6800 m

Die Gipfelregionen spielen eine bedeutende Rolle im Hinblick auf die Schuttproduktion. Die pergelide Stufe nimmt absolut gesehen die kleinste Fläche unter den Höhenstufen ein. Weltweit betrachtet ist sie aber im Karakorum – neben dem Himalaya - mit am großflächigsten vertreten. Die Durchschnittshöhe des Karakorum liegt bei 5500 m – 6000 m. Die Gipfel sind im Karakorum bei gleicher absoluter Höhe unterschiedlich stark vergletschert bzw. mit Flankeneis verkleidet. An der Süd- und Südwestseite des K2 (8611 m) treten großflächig Felsaufbauten zu Tage, die nur punktuell von Hängegletschern und

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Firnflächen eingenommen werden, z.B. die Gasherbrum-IV-Westseite, der Masherbrum und der Muztagh-Tower. Die ungegliederten Wandfluchten sind unmittelbar den Atmosphärilien ausgesetzt.

Weder Eislawinen noch Gletscher sind an diesen Wandpartien primär formungsaktiv.

In den Gipfelregionen liegen die Temperaturen permanent unterhalb des Gefrierpunktes. Für das Auftreten von Frostwechseln ist es bereits zu kalt, so dass Frostsprengung als eine Form der Gesteinsaufbereitung nicht mehr stattfindet. Die Gipfelregionen überragen die Gletscherobergrenze (KUHLE1987). Sie resultiert aus der Kombination von Steilrelief und negativen Temperaturen. Die Kompaktion des Neuschnees vollzieht sich bei Temperaturen von um die –30°C sehr langsam. Bevor es zur Setzung des Schnees kommt, die für eine Gletscherbildung Vorraussetzung ist, wird der trockene Schnee im exponierten Steilrelief bereits verblasen. Am K2 ist die Gletscherobergrenze in 6850 m erreicht (KUHLE1987 ebd.).

Ganz im Gegensatz zu den nackten Felsaufbauten der oben erwähnten Baltoro-Region sind die etwas weiter südlich gelegenen Gipfel des Baltoro Kangri (7300 m) sowie der Chogolisa (7668 m) vollständig in einen mächtigen Eispanzer eingekleidet. Hier werden kaum Felsflächen vom Eis preisgegeben. Diese Gipfel bieten aufgrund geringer Neigungsverhältnisse der Flankenpartien bessere Schneeablagerungsmöglichkeiten. Ein topographischer Gunststandort hinsichtlich eines höheren Feuchteinputs scheidet aus. Die glazigene Ausformung der Talflanken in Form des Gletschergrundschliffs dominiert an diesen Gipfeln über der morphologischen Wirksamkeit der Eislawinen. Die Schuttproduktion fällt wesentlich geringer aus.

Die Flankenvereisungen und die großen Steilwände: von den Gipfelregionen bis hinab in eine Höhenlage von rund 5000 m

Trotz der hohen Durchschnittshöhe des Karakorum verbleibt immer noch ein Großteil des Reliefs mit extremen Neigungsverhältnissen über lange Vertikaldistanzen. Die in Rede stehende Formungsstufe der Flankenvereisungen und großen Steilwände befindet sich unterhalb der Gletscherobergrenze, ist aber aufgrund extremer Neigungen trotz ihrer Lage oberhalb der Schneegrenze vielerorts gletscherfrei.

Es ist der Höhenbereich, in denen sowohl mächtige Eisbalkone die Felsflanken einnehmen als auch schutt- und eisfreie große Wandbildungen.

Eislawinen durchlaufen unter den Massenbewegungsprozessen die größte Reliefvertikalspanne im Karakorum. Sie setzen in Höhen von über 7000 m an und können bis in Höhen von 3500 m - zumeist auf dem Gletscher - auslaufen. Ihre morphologische Wirksamkeit ist durch ihre hohe kinetische Energie gekoppelt an den langen vertikalen Transportweg entsprechend hoch. Der Eislawinenschliff modelliert zum einen charakteristische runsen- bis wannenförmige lineare Hohlräume in die Steilflanken, die kaskadenartig untereinander geschachtelt sein können. Diese Erosionsformen von Eis- und Schneelawinen stellen bei einer Anhebung der Schneegrenze die Einzugstrichter zukünftiger Steinschlagrunsen dar. Kleinere Eisbalkone und Firnfelder schaffen durch glazial-erosive Übertiefung an den steilen Felsflanken kleine, sehr flachgründige Gehängekare. Sie sind oftmals in der Form eines Hufeisenabdruckes in den Fels eingelassen. Eislawinen nehmen vor allem als Schuttlieferanten eine wichtige Stellung im geomorphologischen System ein. Der Schutt wird vorerst im Gletscherkörper talabwärts transportiert und taut dann unterhalb der Schneegrenze in Form unterschiedlicher Moränentypen aus.

Die Schuttablagerung in dieser Höhenstufe ist gering. Eine der höchsten, aus der Literatur bekannten flächigen Schuttablagerungen befindet sich am Everest-Südsattel in 7400 m Höhe.

Die Periglazialregion zwischen rund 5200 m und 3800 m: Alpine Matten und Schutthalden

In diesem Höhenbereich treten nun Frostwechsel auf, mindestens acht Monate im Jahr (HEWITT

1989). Die höchsten Eisrandtäler setzen in der Periglazialregion ein. Allerdings sind diese Ausräume in der Regel durch die Lageveränderungen des Gletschers zu instabil, als dass in diesen Bereichen Frostmusterformen auftreten. Der Großteil der Eisrandtäler liegt unterhalb der periglazialen Stufe. In trockenen Hochgebirgen verbleibt für die Periglazialregion eine große vertikale Verbreitungsspanne.

Schneegrenze und Solifluktionsuntergrenze liegen hier weit von einander entfernt.

PAFFEN et al. (1956: 28), FURRER(1986) und HEWITT (1989) bemerken für den Karakorum, dass das trockene Klima und das Steilrelief ungünstig für die Ausbildung von Solifluktionsformen sei. FICKERT

(1998) zeigt allerdings für den NW-Karakorum einen vielfältigen periglazialen Formenschatz, u.a.

Frostmusterböden im Naltar-Tal in 4500 m Höhe mit 1,5 - 2 m Durchmesser. Im Westteil des NW-Karakorum liegt die Solifluktionsstufe zwischen 3700 m – 5200 m in S-Exposition, zwischen 3750 m – 4800 m in N-Exposition; im Ostteil des NW-Karakorum verläuft die Untergrenze der Solifluktionsstufe in 4000 m in und N-Exposition, die Obergrenze liegt bei maximal 5300 m in S-Exposition und in 4900 m in N-S-Exposition (FICKERT1998). Die obere Verbreitung der Solifluktion wird hier durch die Schneegrenze angegeben.

Die eigenen Geländebeobachtungen zeigten Strukturböden zumeist auf Zwischengratscheiden oder in Passregionen oberhalb von 4000 m (z.B. in Yazghil in 4200 m Höhe im Schiefer). Steinstreifen wurden in 5000 m Höhe im Shimshal-Pamir oberhalb von Shurt im Kalksteinschutt gesichtet.

Blockgletscher kommen in einer Höhenlage von 3500 m bis 4500 m vor. Insbesondere in den nördlichen Teilen des Karakorum (Karambar-Tal, nördliche Shimshal-Region) sind sie weit verbreitet.

In den Gebieten, in denen die Gipfelhöhen unter 5500 m bleiben und moderate Reliefverhältnisse bestehen sowie die Niederschlagsverhältnisse nicht zu humid sind, sind Blockgletscher ausgebildet.

Als wichtigster morphologisch wirksamer Prozess wird in dieser Höhenstufe die Frostverwitterung angesehen (International Karakoram Project 1984, HEWITT 1989, 1993). Die Verbreitung von Schutthalden in dieser Höhenstufe ist jedoch im Vergleich zu den tieferliegenden Höhenstufen auffallend gering. Schutthalden gehen z.T. auf ehemalige Eislawinenkegel zurück. Schutthalden im lateroglazialen Bereich sind auch hier bereits auf glazial-induzierte Prozessvorgänge wie Unterschneidungen, Druckentlastung oder Resedimentation von hochlagernden Moränen zurückzuführen (ITURRIZAGA1999).

Die Mittellagen: Die Regionen hoher Formungsintensität zwischen 4000 m und 2500 m

Wir treten nun in eine Höhenstufe ein, in der Schuttablagerungen aufgrund der Lage unterhalb der Schneegrenze und moderaterer Neigungsverhältnisse das Gebirgsrelief zu dominieren beginnen. In der hypsometrischen Kurve des Karakorum nehmen die Regionen zwischen 3000 m und 6000 m flächenmäßig den größten Raum ein (HEWITT 1989). Ab einer Höhenlage von 4500 m – 4000 m gehen viele der Gletscher in den Typ des Talgletschers über. Hier setzt schließlich der Bereich der lateroglazialen Eisrandtäler ein, der sich bis in Höhen von 2500 m hinab erstreckt.

Am hochfrequentesten unter den Massenbewegungen sind die Steinschlagabgänge. Das Lockermaterial wird oftmals durch glazigene Sedimente bereitgestellt. Unter den feuchten Massenbewegungen treten Murabgänge durch die Bereitstellung von leicht mobilisierbarem Lockermaterial in Form glazigener Ablagerungen häufig auf. Die Talflanken sind zum Teil flächendeckend mit Hangmoränen verkleidet. Der Ablagerungsraum setzt in den unvergletscherten Haupttälern bzw. Passbereichen bereits in rund 4700 m ein (Shimshal Pamir), in den vergletscherten Talabschnitten sind Murablagerungen zumeist erst unterhalb von 4000 m im lateroglazialen Bereich anzutreffen. Moränale Schutthalden zählen zu den markantesten Landschaftsformen in dieser Höhenstufe. Als typische Desintegrationsformen des Moränenmaterials treten die Erdpyramiden auf.

Es lässt sich generell zwischen nival-induzierten und pluvial-induzierten Murgängen differenzieren.

Die nival-induzierten Murgänge treten im Frühjahr und insbesondere im Hochsommer auf. Die pluvial-induzierten Murgänge sind zumeist an Starkregenereignisse im Hochsommer gekoppelt, die in Verbindung mit monsunalen Strömungen auftreten. Insbesondere Wolkenbrüche („cloudbursts“) mit Niederschlagsmengen von über 60 mm in einer Stunde - was im Karakorum einer Menge entspricht, die über die Hälfte des Jahresniederschlages beträgt - können der Auslöser für großmaßstäbige Murabgänge sein. Ihr Auftreten ist zumeist an enge Täler oder Talschlüsse gebunden, in denen es zu lokalen Staueffekten kommt. Durch einen einstündigen Platzregen am 31. Juli 2000 wurde die Trasse zwischen Gilgit und Skardu an mindestens 29 Stellen durch Mur- und Felssturzereignisse zerstört.

Die Formungsregion der Schneelawinen ist – nicht zuletzt aufgrund des kargen Waldbestandes - recht weit verbreitet. Die Schneelawinen haben ihren Ausgangspunkt in Höhen von rund 5500 m und laufen bis in Höhen von 2000 m aus. Die meisten Lawinenablagerungen konzentrieren sich in einer Höhe zwischen 3300 m und 4000 m. Im Karakorum wird von Schneehöhen von bis zu 12 m Höhe berichtet (KALVODA 1992: 36). In den Tallagen in 2000 m Höhe ist die Schneemächtigkeit nicht höher als kniehoch.

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Unterhalb von 3000 m sind die Gesteinsblöcke mit Wüstenlack in rötlich-brauner Farbe patiniert (von einer maximalen höhenwärtigen Verbreitung wird bis in 4000 m Höhe berichtet). Anhand der Gesteinspatinierungen lassen sich unterschiedlich alte Moränenstadien gut differenzieren, wie z.B. die neoglazialen Moränenstände am Batura-Gletscher. In Höhenlagen von rund 3300 m wird diese durch chemisch-physikalische Prozesse hervorgerufene Verwitterungsrinde durch das Vorkommen epilithischer Flechten (Xanthoria elegans) abgelöst. In Übergangsregionen können auf der N-exponierten (oder Schatten-)Seite der Gesteinsblöcke Flechten auftreten, während an der sonnenzugewandten die Gesteinsoberfläche mit Wüstenlack überzogen ist.

Die Tallagen unterhalb von 2300 m Höhe

Unterhalb von 2300 m befindet sich die rezent unvergletscherte Fußstufe des Karakorum. Diese Höhenregion liegt bereits außerhalb des Untersuchungsgebietes. Bei der Sedimentumlagerung und dem Abtrag spielen in den Tallagen äolische Prozesse eine große Rolle, insbesondere in den breiten Talkammern und Durchbruchstälern im Hunza-, Shigar-/Indus- und Karambar-Tal treten Sandstürme auf. Glazigen-induzierte Prozesse sind hier von geringerer Bedeutung für die Landschaftsgenese. Im Gegensatz zum Himalaya spielen Muren aufgrund des wesentlich geringeren Niederschlagsangebotes in den niederen Fußregionen des Karakorum nun eine geringere Rolle.