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4. Regional-empirischer Teil

4.1 Die Gletscher der Batura-Nord-, Ost- und Südabdachung .1 Batura-Gletscher

4.1.4 Die Talschaft Bar

4.1.4.2 Baltar-Gletscher

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4.1.4.2 Baltar-Gletscher

Baltar- und Toltar-Gletscher sind stimmgabelförmig miteinander verbunden. Der Baltar-Gletscher ist stark verschuttet und im Rückzug begriffen. Das Baltar-Tal zeigt im unteren Abschnitt einen engen, trogförmigen Talquerschnitt von nur 500 m Breite. Talaufwärts verbreitert sich der Baltar-Gletscher auf 1 km, so dass hier günstigere Ablagerungsbedingungen zur lateroglazialen Sedimentation gegeben sind. Die in 2750 m stirnende Gletscherzunge ist im unteren Abschnitt frei von lateroglazialen Ablagerungen. Talaufwärts setzen Murkegelufertäler ein. Sie setzen sich bis in eine Höhe von 4050 m in Südexposition fort, in Nordexposition enden sie bereits früher. Der rund 3 km lange, unvergletscherte Talabschnitt ist ausstaffiert mit moränalen Sedimentkegeln, wobei auch hier ansatzweise ein 200 m über dem Talboden gelegenes Ufermoränenniveau verfolgt werden kann (Abb.

4.1.4.1). Die Einsinkbeträge der Baltar-Gletscheroberfläche sind geringer als am Kukuar-Gletscher.

Auch fehlt im unteren Abschnitt die Ufermoränenfassung. Ausladende Eisrandtäler insbesondere in der Konfluenzlage Toltar-Baltar vorhanden.

Photo 4.1.4.13: Der Baltar-Gletscher liegt heute weit zurückgezogen in seinem Talgefäß, während er vor rund 50 Jahren noch mit dem Kukuar-Gletscher konfluierte und damit den gesamten Tallauf erfüllte. Die Talflanken werden von re-likten lateroglazialen Sedimenten gesäumt. Eis-randtäler sind durch die Übersteilung der Ufer-moränen nicht erhalten oder kamen in dem schmalen Talgefäß nicht zur Ausbildung. In die Eisrandtäler sind wie am Kukuar-Gletscher Murkegel (U) eingestellt. Aufnahme: L.

Iturrizaga 20.08.2000/27.

Die Ausmaße der vorzeitlichen Vergletscherung vom Hochglazial bis zum historischen Stand lassen sich von Toltar (4300 m) gut einsehen (Photo 4.1.4.10). Das Bar-Tal ist in seinem gesamten Talverlauf mit mächtigen moränalen Sedimentkegeln und –terrassen ausgefüllt (Abb. 4.1.4.1). Zum Teil handelt es sich im Talgrund um stark vorbelastete Grundmoräne, zum Teil ist sie überlagert von Sedimenten des historischen Gletschervorstoßes. Aufgrund der Verschüttung durch hangiales Schuttmaterial entstehen Moränenkernschuttkörper (ITURRIZAGA 1999a & 1999b). Aus einem linken Nebental, dessen Einzugsbereich bis auf 6400 m hinaufreicht und rezent vergletschert ist, sind mächtige Lateralmoränen bis in das Bar-Tal hinein aufgeschüttet.

Im Konfluenzbereich Kukuar-/Baltar sind mehrere Moränenniveaus deutlich voneinander zu differenzieren: Eine historische Moränenleiste verläuft in rund 2700 m Höhe, 50 m – 30 m über dem Talboden (Lupghar-Stadium und jünger), in 3000 m Höhe, rund 200 m - 300 m über dem Talboden ist eine neoglaziale Gletscheroberkante ausgebildet (vermutlich Batura-Stadium und jünger), in 3800 m befindet sich die Obergrenze der Erdpyramidenserie, die dem Spätglazial (Yukshin Gardan-Stadium) zuzuordnen ist. Hangaufwärts folgen geschlossene Hangschuttdecken, die allerdings schwerlich vom Hochglazial zu differenzieren sind. Eine Mindestmächtigkeit von 1000 m Eis wird im Konfluenzbereich über die Erdpyramidenserie nachweisbar (s. auch SCHNEIDER 1957). Somit hatte der ehemalige Bar-Gletscher Anschluss an den eiszeitlichen Hunza-Gletscher. Relikte lateroglaziale Eisrandtäler sind am neoglazialen Gletscherlevel lokal auf der rechten Kukuar-Talseite in einer Höhe von 2800 m erhalten. Auch in Toltar lassen sich am spätglazialen Eispegel Ufertalsequenzen nachvollziehen. Generell verstürzen jedoch die vorzeitlichen Eisrandtäler angesichts der Steilheit der Talflanken recht schnell und sind nur recht dürftig erhalten.

Photos 4.1.4.14 und 15: Blick in das Baltar-Tal (links) und den Konfluenzbereich mit dem Bar-Tal (rechts), den der Kukuar- und Baltar-Gletscher Mitte des 20. Jhds. noch mit Eis verfüllten. Deutlich sind die die vorzeitlichen Ufermoränenleistenpegel (----) an der Talflanke ersichtlich. Die relikte lateroglaziale Sedimentlandschaft setzt sich primär aus Moränenkegeln zusammen. Aufnahmen: L. Iturrizaga 20.08.2000/14 & 15.

Das Bar-Tal zeichnet sich in seinem oberen Abschnitt - ähnlich wie das Hassanabad-Tal - durch eine ausgesprochen junge Gletscherrückzugslandschaft aus. Im unmittelbaren Konfluenzbereich Kukuar-Baltar ist eine ausladende Moränenhügellandschaft ausgebildet. Die flächigen Rückzugsmoränen sind zum Teil noch mit Toteis durchsetzt. Die junge Grundmoränenauslegung des Talbodens wird aktuell in einzelne Sedimentplatten durch die Schmelzwasserströme des Kukuar- und Baltar-Gletschers zerschnitten. Intermoränale Seesedimente zeugen von kleinen Eisstagnationsseen. Die randlichen Moränenakkumulationen in den basalen Talflankenabschnitten sind an ihren Steiluferkanten mit Zerrungsklüften durchzogen, die auf das jüngste Zurückweichen des Gletscherwiderlagers hinweisen.

Die historischen Gletscherschwankungen: Nach den Ausführungen von SCHOMBERG (1934: 133) befand sich die Eisrandlage des Kukuar-Gletschers (Kukuay-Gletschers) im August 1933 rund drei Meilen oberhalb des Dorfes Bar, wo die Ackerflächen damals ihr Ende fanden. Ab dieser Lokalität führte der Weg über den Gletscher, der sich aus dem Kukuar- und dem Baltar-Gletscher zusammensetzte. Sie bildeten eine gemeinsame Zunge aus. Wenig später schreibt SCHOMBERG(1934:

133) allerdings, dass der Baltar-Gletscher sich zurückgezogen hat und seine Zunge rund 1 Meile von der Konfluenz mit dem Kukuar-Gletscher entfernt liegt. In seiner Kartierung wiederum sind die beiden Gletscherströme als vereinigt eingezeichnet und von daher sind die Angaben mit Vorbehalt in die Rekonstruktion mit einzubeziehen. Es ist möglich, dass er den Toteiskomplex des Baltar-Gletschers in dem Konfluenzabschnitt nicht mehr dem eigentlich aktiven Gletscher zurechnet. Die Baltar-Gletscherzunge war zu diesem Zeitpunkt mit supraglazialen Seen versehen und stark zerfallen.

SCHOMBERG(1934: 136) schätzt den Beginn des Rückzugs anhand der Frische der morphologischen Situation auf 20 Jahre vor seinem Besuch ein. Auch den Kukuar-Gletscher beschreibt er mit seiner

4.1.4.2 Baltar-Gletscher 108

mächtigen Obermoräne als im Rückzug befindlich (SCHOMBERG 1934: 136 - 137). Der aktive Gletscherpart reichte lediglich bis Tokai Barri. Unterhalb war die Gletscheroberfläche mit supraglazialen Seen versehen und Toteiskomplexe vorhanden. Die Ufermoräneninnenhänge waren zwischen 100 und 200 Fuss (30 m – 60 m) vom Eis entblößt und genauso steil wie heute.

SCHOMBERG(1934: 138) berichtet, dass die Einheimischen davon ausgehen, dass sich vor 100 Jahren - außer im Talschluss bei Toltar - keine Gletscher in dieser Talschaft befanden. Dann sollte ein Gletschervorstoß beider Gletscherströme erfolgt sein, der das zuvor fruchtbare Land zerstörte. Bis circa 1927 / 1928 waren die Gletscheroberflächen bis zur Konfluenz noch weiß. Der Gletscher war bis Hukun, 2 Meilen oberhalb des Dorfes Bar, noch aktiv. Die heutigen bewaldeten Eisrandtäler werden als Relikte der einstigen gletscherfreien und mit Vegetation versehenen Tallandschaft gesehen.

Interessant hierbei ist, dass die Einheimischen verschiedener Talschaften unabhängig voneinander von einer gletscherfreieren Zeit rund 200 Jahre zuvor berichten (Kap. 6.6).

Der Kukuar-Gletscher wurde weiterhin von GYR (1947) erkundet, der ihn bis zu dem 5700 m hohen Pass, der zum Batura-Gletscher hinleitet, begangen hat. Er verzeichnet das Kukuar-Gletscherende unmittelbar an der Konfluenz zum Bar-Tal, während der Gletscher heute knapp 1 km zurückgezogen liegt. Nach Information des Dorfoberhauptes von Bar, dem Lambadar, reichte der Baltar-Kukuar-Gletscher Mitte des 20. Jhds. zu Zeiten seines Vaters zu der Siedlung Hugue (2500 m) herunter.

PILLEWIZER (1957: 187) berichtet, dass der Baltar-Gletscher zwischen 1915 und 1954 um 6 km zurückgewichen sei. Es ist wahrscheinlich, dass beide Gletscher im letzten Jahrhundert eine gemeinsame Gletscherzunge ausgebildet haben. Die Gletscherfluktuationen haben Ähnlichkeit mit denen des Mutschual- und Shispar-Gletschers im Hassanabad-Tal. Heute ist der Kukuar-Gletscher stark im Rückzug begriffen. Der verschuttete Kukuar-Gletscher zeigt selbst im Gletschermittelbereich Vegetationsinseln auf der Obermoränenbedeckung auf, die den Schaf- und Ziegenherden als Weideorte dienen.

4.2 Die Gletscher der Hispar-Südabdachung / Spantik-Sosbun-Gruppe