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4. Regional-empirischer Teil

4.1 Die Gletscher der Batura-Nord-, Ost- und Südabdachung .1 Batura-Gletscher

4.1.3 Hassanabad-Gletscher (Shispar-Gletscher)

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4.1.3 Hassanabad-Gletscher (Shispar-Gletscher)

y asymmetrische Verbreitung der Eisrandtäler aufgrund topographischer Bedingungen y ausladende Ufermoränenterrassen y degradierte Eisrandtäler y intermoränales Ufertal (Mittelmoränenufertal) y Moränenzwickel und lateroglaziale Moränenbastionen

Der Hassanabad-Gletscher (Shispar-Gletscher) (17 km) ist ein typischer Lawinenkesselgletscher mit einem steilflankigen Einzugsgebiet (Photo 4.1.3.1). Eingerahmt wird der nur 500 m breite Gletscher von den Gipfeln Shispar Sar (7611 m), Passu I (7295 m), Passu II (7478 m), Bojohaghur Duanasir (7329 m), Ghenta (7090 m) und Sangemar Mar (7000 m), die einen engräumigen Kessel im Talschluss bilden (Photo 4.1.3.1). Hier fällt die S-exponierte Steilwand von 7295 m auf 4000 m über eine Horizontaldistanz von nur 3,5 km ab. Die Schneegrenze verläuft innerhalb der Steilwand in rund 4850 m Höhe. Das Nähr-/Zehrgebietsverhältnis ist stark zugunsten des Ablationsgebietes verschoben.

Trotzdem ist die Verbreitung der lateroglazialen Sedimente durch die extreme Reliefsteilheit vergleichsweise gering.

Photo 4.1.3.1: Im oberen Einzugsbereich des Hassanabad-Gletschers fallen die über 7000m hohen Steilflanken steil zur Shispar-Gletscheroberfläche hin ab. Die Eislawinen fördern beachtliche Mengen von Schutt, die zum Teil im lateroglazialen Sedimentationsumfeld abgelagert werden. Bedingt durch die Reliefsteilheit setzen die Eis-randtäler (…) erst weit unterhalb der Schneegrenze ein, die inner-halb der Wand verläuft. Aufnah-me: L. Iturrizaga 21.09.1992.

Der Hassanabad-Gletscher erregte durch spektakuläre Vorstoßbewegungen im vergangenen Jahrhundert die wissenschaftliche Aufmerksamkeit (CONWAY 1889, HAYDEN 1907, MASON 1935, VISSER 1938, GOUDIEet al. 1984, PILLEWIZER 1986, GERRARD1990, ITURRIZAGA 1994). 1889 lagen der Mutschual- und der Shispar-Gletscher in zurückgezogener Lage mit separaten Gletscherzungen in ihren Talgefässen (Abb. 4.2.3.1). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts soll der Shispar-Gletscher innerhalb von 2 1/2 Monaten um 9,7 km vorgestoßen sein und mit dem Mutschual-Gletscher eine gemeinsame Gletscherzunge ausgebildet haben (HAYDEN 1907, Abb. 24). Allerdings widerspricht die Kartierung vom International Karakoram Project (GOUDIE et al. 1984: 430) mit den Zwischengletscherständen um 1892 beobachtet von M. Conway, 1893 von Abdul Gaffar und 1895 von Neve, diesem außer-gewöhnlichen Vorstoß und weist darauf hin, dass es sich um einen phasenweisen Vorstoß gehandelt haben muss. Bis zum Jahre 1925 verharrte der Hassanabad-Gletscher in dieser maximalen neu-zeitlichen Eisrandlage, bis er sich in den darauf folgenden Dekaden rasch zurückzog (Abb. 4.2.3.2).

Wie PILLEWIZER (1986: 125) im Jahre 1954 beobachtete, lagen die beiden Gletscher wieder getrennt voneinander in ihren Talkammern. Danach erfolgte bis Ende der 70er Jahre ein Zusammenschluss der Gletscher, wie dieser auch heute noch vorhanden ist. Die Photographien von HAYDEN (1907) und VISSER (1925, 1928: 224/225, Abb. 4.3.2.3) zeigen eindrücklich das weit vorgerückte Ende des Hassanabad-Gletschers am Anfang des 20. Jahrhunderts. Durch das sehr schmale Talgefäß

L. Iturrizaga

Abb. 4.1.3.1: Geomorphologische Skizzierung der lateroglazialen Sedimentlandschaft am Hassanabad-Gletscher mit den Gletscherschwankungen (Legende s. Abb. 4.1)

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und die damit bedingte Kanalisation des Gletschers machen sich plötzliche Ernährungsschübe durch Eislawinen in merklichen Längenänderungen deutlich. Hinzu kommt, dass der Gletscher bereits eine sehr tiefe Höhenlage durchläuft, so dass die subglazialen Schmelzwässer hier als Gleitschicht dienen können. Gletschersurges sind sehr verbreitet im Karakorum (KICK 1958, GARDNER& HEWITT1996, WAKE& SEARLE1993) (S. Kap. 4.2.1.8).

Die Schuttkörperlandschaft im Vorfeld des Hassanabad-Gletschers ist heute geprägt von den jüngsten kurzfristigen Gletscheroszillationen. Der Gletschervorstoß Anfang des 20. Jahrhunderts hat zwischen rezenter Gletscherzunge und Endmoränenlage keine subrezenten Eisrandtäler hinterlassen. Lediglich zerrunste Ufermoränenleisten zeugen von dem Gletschervorstoß (Photo 4.1.3.2 & 3). Die Abtragung des jungen Moränenmaterials erfolgte zügig, wobei Starkregenereignisse einen beträchtlichen Beitrag dazu geleistet haben können (ITURRIZAGA 1994, 1999a). Die steilwandigen, glatten Trogtalflanken des Hassanabad-Tals bieten dem vom Gletscher deponierten Moränenmaterial keine günstige Akkumulationsfläche. Bei Durchfeuchtung gerät das Moränenmaterial durch die geringe Haftreibung bei gleichzeitig hoher Neigung der Talflanken großflächig ins Rutschen. Weiterhin säumen moränale Schuttkegel mit einem Grundmoränenfundament oder Moränenkern die Talflanken.

Verbreitung der lateroglazialen Sedimente

Die lateroglazialen Sedimente setzen im Vergleich zu den benachbarten Lawinenkesselgletschern in rund 3900 m – 4000 m relativ hoch ein. Sie sind fast ausschließlich auf der linken, West- bis Nordwest-exponierten Talseite abgelagert. Der Hassanabad-Gletscher wird von mächtigen Ufermoränenterrassen begleitet. Sie weisen in ihrem Topbereich ebene Terrassenböden auf, die in einzelne Terrassenkörper segmentiert sind (ITURRIZAGA 1994). Sie ragen bis zu 150 m über die Gletscheroberfläche auf und sind bis zu 250 m breit. Diese Ufermoränen werden von MEINERS (1996:

106) in Anlehnung an die Chronologie von KUHLE(1994: 260) ins Spätglazial eingeordnet (15 000-13 500YBP). Das Hassanabad-Talgefäss ist so schmal, dass sich keine Eisrandtäler wie am Ghulkin- oder Gulmit-Gletscher auszubilden vermocht haben. Bei den Ufermoränenterrassen handelt es sich um Überreste eines degradierten Ufertales. In dem engen Talkessel verstürzte die steilaufragende Ufermoräne durch die Unterschneidung des Gletschers und die hohen Einsinkbeträge der Gletscheroberfläche rasch. Auf die Ufermoränenterrasse sind Blockschutthalden eingestellt, die an ihrer Basis von Koniferen besiedelt werden. Die angrenzenden Talflanken sind mit Abbruchnischen gemustert, die durch den Entzug des Eiswiderlagers entstanden sein können.

An der Basis der Hauptufermoräne des Shispar-Gletschers ist ein schmales rezentes, gletschernahes Eisrandtal ausgebildet, das durch das Wiederaufwölben der Gletscheroberfläche und der Resedimentation seitlich lagernder älterer Moränendeponien entstanden ist (Photo 4.1.3.6). Zum Teil sind hier mehrere Ufermoränenwälle aneinander gelagert und intermoränale lateroglaziale Seebildungen sind zwischengeschaltet.

Von orographisch links münden die Nebentalgletscher, Ghenta und Bojohaghur, zum Shispar-Gletscher ein. Hier grenzen die linke Ufermoräne des nördlichen und die rechte Ufermoräne des südlichen Nebentalgletschers aneinander und bilden ein intermoränales Eisrandtal aus. Dieses Eisrandtal geht aus den Akkumulationen einer mächtigen Mittelmoräne hervor (Photos 4.1.3.4 & 5).

Die ausladenden Moränenakkumulationen im oberen Shispar-Talkessel sind mit den lateroglazialen Sedimenten im Kukuar-Tal zeitlich korrelierbar. Am Shispar-Gletscher sind kaum Erdpyramiden entwickelt, sondern lediglich engstehende, flächendeckende Zerrunsungen und Erdpfeiler in den Moränenbastionen. Die Ausgangsmoräne ist grobblockig und weist einen hohen Sandanteil auf.

Am Ghenta I-Gletscher ist in S-Exposition ein tiefes, V-förmiges Eisrandtal ausgebildet. Die beiden Nebengletscher werden von der firstförmigen, bis zu 50 m hohen Hauptufermoräne begleitet. Sie ist gut konsolidiert und es ist auszuschließen, dass sie im letzten Jahrhundert vom Gletscher überfahren wurde. Die Gletscheroberfläche lag im Jahre 1992 mehrere Dekameter tief eingesunken unter dem Ufermoränenfirst. Ein historischer, subrezenter grobblockiger, einige Meter hoher Ufermoränenwall zieht sich am Innenhang der Hauptufermoräne entlang.

Auf der rechten Shispar-Talseite fehlen die ausladenden lateroglazialen Sedimente, sie sind nur lokal im oberen Einzugsbereich abgelagert. Steil ragen die aus Gneisen, Granodioriten und Marmoren bestehenden Trogtalflanken empor. Das Anstehende wird markant durch das anstehende Gestein vom Gletscher unterschnitten und sichelförmige Abrissnischen mustern den Hangfuß.

Die ebenen Ufermoränenterrassen am Shispar-Gletscher bieten einen guten Weidegrund für Ziegen- und Schafe (vgl. KREUTZMANN1989, ITURRIZAGA1994), so z. B. in Kaltar und Daltar (3600 m). Die höchste Almsiedlung liegt in Shispar in 3700 m in der Moränenzwickellage. Die neoglazialen bis historischen Ufermoränenwälle bilden am Fuße der spätglazialen Moränendeponien eine schmale ufertalartige Rinne aus, die für Almwege und Siedlungsplätze Raum gewährt. Es handelt sich hierbei um eher kurzlebige Siedlungsstandorte, da sie sich bereits im Grenzsaum der Gletscherschwankungsbreite befinden. Die hier befindlichen Durchgangsalmsiedlungsstandorte in den Ufertalrinnen sind durch die Rückverlegung der Moränenwände wesentlich gefährdeter durch hangdynamische Prozesse als die Almsiedlungen Kaltar und Daltar (3600 m).

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Abb. 4.1.3.2: Photo aus HAYDEN (1907, PLATE 32, von der Station 3 vom

Gamkin-Bewässerungska-nal): Der lateroglaziale Be-reich ist frei von Ufer-moränensäumen, während im proglazialen Bereich eine Schuttrampe aufge-schoben ist.

Abb. 4.1.3.3: Photo von VISSER 1925 (RGS 08880):

Die Gletscherzunge ist im Vergleich zum Jahr 1906 bereits eingesunken und lateroglaziale Moränensäu-me komMoränensäu-men auf der oro-graphisch linken Seite zum Vorschein.

Photo 4.1.3.2: Die Auf-nahme zeigt das Hassa-nabad-Tal rund 2,5 km vor seiner Einmündung in das Hunza-Tal in NW-liche Richtung von der End-moräne aus photographiert.

Der untere steilflankige Trogtalbereich ist mit jüngst deponiertem, hellgrauen, wenig verwittertem Morä-nenmaterial ({) verkleidet, das Ausgangsmaterial für die Schutthaldenbildung liefert. Ufermoränen konn-ten an den steilen Talflan-ken nicht überdauern. Eine regellose Niedertauland-schaft füllt den Talboden.

Die Abflussarme des Hassa-nabad-Nalas werden von Sanddornbüschen begleitet

(). Aufnahme: L.

Iturrizaga 22.09.1992/665.

Photo 4.1.3.3: Die Aufnahme von 1992 zeigt den Hassanabad-Talabschnitt mehrere Kilometer taleinwärts der einstigen Eisrandlage (s. Abb. 4.1.3.1). Vom dem surgeartigen Vorstoß sind lediglich seichte und inzwischen zerrunste Hangmoränen an den Talflanken überliefert (…). Die Sedimentationszeit war zu gering für die Ausbildung von Eisrandtälern. Junge Nachbrüche nach der Deglaziation haben zum Aufbau großer Felssturzhalden geführt (U). Aufnahme: L. Iturrizaga 19.09.1992/606.

Photo 4.1.3.4: Blick von der Alm Dudare Harag auf der linken Shispar-Gletscherseite gen N. An der Konfluenzlage von Ghenta- und Shispar-Gletscher türmen sich im Mittelmoränenbereich mäch-tige Moränenbastionen auf (…). Der abrupte Gefälls-knick im Talverlauf begünstigt die Ablagerungen des Schutt-materials. Die Moränen sind in zahlreiche Erdrippen und – pfeiler zerlegt, aber nur selten in Erdpyramiden. Aufnahme:

L. Iturrizaga 20.09.1992/ 615.

Photo 4.1.3.5: Blick von den bereits stark degradierten Eisrandterrassen (…) auf die Konfluenz von Shispar- und Mutchual-Gletscher (). An den steilen Talflanken haften weiter talabwärts zerrunste Moränenschleier. Aufnahme:

L. Iturrizaga 22.09.1992/ 637.

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Photo 4.1.3.6: Der Shispar-Gletscher wird auf der linken Seite von einer bis zu 150 m hohen spätglazialen Moränenterrasse (…) begleitet. Die Terrassenfläche spiegelt ein einstiges Eisrandtalniveau nieder. Die einstige Ufermoräne ist bereits abgetragen. Aufnahme: L.

Iturrizaga 21.09.1992.

Photo 4.1.3.7: Weiter talabwärts ist die Moränenterrasse bereits stärker degradiert. Die Moränen sind in sekundäre Schutthalden (U) umgelagert worden und bilden sukzessive das Ausgangsmaterial für eine neue tiefer gelegene Eisrandtalbildung. Die rechte Talseite ist gänzlich frei von einem Ausraum zwischen Gletscher und Talflanke. Die Shispar-Gletscheroberfläche ({) ist stark verschuttet. Dieser Schutt wurde nicht nur durch Eislawinen produziert, sondern auch durch die Unterschneidung der Moränen herbeigeführt. Auf der Terrassenoberfläche lässt sich noch das spätglaziale Eisrandtal in einer Höhe von 3600 m - 3700 m erkennen (). Aufnahme: L. Iturrizaga 21.09.1992.