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Parlamentarische Enquete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“

Vier Mal hat die parlamentarische Enquete-Kommission zur „Würde am Ende des Lebens“, bestehend aus einer Auswahl an Parlamentariern und Experten von November 2014 bis Jänner 2015 öffentlich getagt. Im März 2015 wurde der Bericht beschlossen und präsentiert.

Die 51 Empfehlungen der Enquete-Kommission für die Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativbetreuung wurden vom Nationalrat am 26.3.2015 einstimmig angenommen. Diese Empfehlungen wurden auf der Grundlage von Beiträgen und Aussagen seitens der Experten der verschiedenen Institutionen, Parteien und Interessenvertretungen beschlossen. Unter Analyse des diesbezüglichen Ausschussberichtes des Nationalrates samt Anlagen287 sollen die Möglichkeiten für die Schaffung der genannten Rahmenbedingungen präsentiert werden. Die

286 Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen, Abgestufte Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich (2004), 32 - 33.

287 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/index.shtml.

102 folgenden Ansätze erschließen sich aus den Referaten der Experten in der fünften Sitzung288 vom November 2014 sowie der siebten Sitzung289 vom Dezember 2014.

Ein Kritikpunkt, der einen Großteil der Referate durchzog, ist die Zuständigkeitsfrage bezüglich der Finanzierung einer eigenständigen Hospiz- und Palliativversorgung.

Diese ist weder im österreichischen Sozialsystem noch im Gesundheitssystem sicher positioniert und liegt quasi noch in einem „Schwebezustand“. Grob kann gesagt werden, dass sich die Palliativversorgung im Gesundheitssektor findet, während Hospizversorgung im Pflegebereich angesiedelt ist. Für den ersteren ist der Bund zuständig, wohingegen Pflege in die Zuständigkeit der Länder fällt. Somit tragen die Länder die Verantwortung für Pflegeheime und für soziale Aufgaben. Allerdings obliegt es nach den aktuellen Normen der gesetzlichen KV die Kosten der Palliativversorgung als Teil einer „Kranken- und Heilbehandlung“ zu tragen, unabhängig davon, an welchem Ort sie stattfindet.

Neben das Problem der Kompetenzzersplitterung treten zudem noch weitere Abgrenzungsschwierigkeiten. Wie unter 4.2 (Abgrenzung zur Pflegebedürftigkeit) schon beschrieben kann ein Leidenszustand nicht strikt entweder als Pflegefall oder Krankheit eingestuft werden, Überschneidungen sind sogar häufig. Diese rein normativen Festlegungen können den Bedürfnissen Schwerkranker und deren Würde am Ende des Lebens nicht gerecht werden.290

Es wird nicht nur die Trennung zwischen Sozial- und Gesundheitssystem thematisiert, sondern auch die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Krankenfinanzierung. Die Unterschiede zwischen intramuralem, extramuralem und niedergelassenem Bereich verschärfen die gegebene Problematik. Eine Zusammenarbeit zwischen diesen Bereichen ist

288 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386919.pdf.

289 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf.

290 Vgl. Gisinger, in der fünften Sitzung vom 25.11.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A2, 30 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386919.pdf).

103 für die Palliativversorgung besonders von Relevanz, zumal die Trennung nicht mehr auf die Realitäten der Menschen heute zutrifft.291

Vor all diesen Hintergründen stellt sich nun die Frage welche Finanzierungsmöglichkeiten gegeben sind. Es werden zwei Optionen diskutiert. Einerseits wird eine

„Mischfinanzierung“292 vorgeschlagen, da die Hospiz- und Palliativversorgung eine

„Mischmaterie“ ist. Dabei würden die Mittel aus beiden „Töpfen“ der Ressorts aufgebracht werden, österreichweit sollen gleiche Tagessätze gelten. Die andere Seite strebt eine

„Regelfinanzierung“293 an. Die Finanzierung soll aus einer Hand erfolgen, indem die „Töpfe“

des Gesundheits- und Sozialsystems zusammengelegt werden. Die Mehrheit plädiert für diese Form der Finanzierung, sie scheint die optimalere zu sein. Ein flächendeckendes System könne am besten durch die Implementierung eines klaren Rechtsanspruches im ASVG und anderen Gesetzesmaterien verwirklicht werden. Die Zersplitterung wird damit beseitigt und Rechtssicherheit wird sowohl für das medizinische Personal als auch für die Betroffenen selbst geschaffen.294

Die derzeit fehlende klare „Zuordnung“ führt dazu, dass das System überstrapaziert wird bzw.

nicht „richtig“ ausgeschöpft werden kann, weil sich Fehlbesetzungen sowohl im Gesundheits- als auch im Sozialsektor finden. So sind Alten- und Pflegeheime oft überlastet. Es kommt nicht selten vor, dass beispielsweise junge Krebspatienten (unter 60 Jahren) in diesen Heimen untergebracht werden, wo aber eigentlich nicht ihr Platz ist, weil sie zu „jung“ sind für ein Altersheim und dort auch nicht die entsprechende Behandlung erhalten können. Auch kann es sein, dass sie in Krankenhäusern, beispielsweise auf der Intensivstation oder Onkologie, untergebracht werden. Neben dem „normalen Krankenhausbetrieb“ können diese Patienten

291 Vgl. Gisinger, in der fünften Sitzung vom 25.11.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A2, 30 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386919.pdf).

292 Vgl. Grebe, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A3, 32 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

293 Vgl Mückstein, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A3, 23 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

294 Vgl. Knapp, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A3, 15 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

104 nicht in der Weise versorgt werden, die ihren spezifischen Bedürfnissen am Lebensende entsprechen würde. Für solche Patienten gibt es derzeit oft keinen wirklich „geeigneten“

Platz.295 Deswegen würde eine „eigenständige“ Hospiz- und Palliativversorgung Sinn machen. Was die Finanzierung anbelangt, könnte durch die Aufnahme eines Rechtsanspruchs im Gesetz und Ausgliederung als eigene Leistung, im Endeffekt eine Fehlbelegung vermieden werden. Auf diese Weise kommt es auf lange Sicht sogar zu Einsparungen, weil es zur Reduktion der teuren Krankenhausaufenthalte kommt.296 Dazu tritt, dass dadurch alle Patienten die für sie abgestimmte und angemessene Unterbringung und Behandlung „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ erhalten können.

Im Sprachgebrauch wird die Palliativbetreuung zumeist nicht mit dem Hospizdienst gleichgesetzt. Während die Palliation einen medizinischen Fokus hat, stellt der Hospizdienst die psychosoziale und spirituelle Betreuung in den Vordergrund. Eine strikte Trennung zwischen Palliativversorgung und Hospizversorgung würde aber im Grunde genommen eine

„Klassifizierung“ der Sterbenden bedeuten. Die adäquate Behandlung kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein Patient „nur“ schwer krank ist und daher palliativ versorgt wird, oder ob zu der schweren Erkrankung eine Behinderung hinzutritt und der Patient dann unter Umständen der Pflege unterliegt.297 Letztlich sind beide Formen Ansätze zur Ermöglichung eines Sterbens in Würde. Beide verfolgen das Ziel, eine allumfassende Betreuung zur Verfügung zu stellen, angepasst an die Bedürfnisse schwerstkranker und sterbender Menschen. Dies spricht auch für eine engere Vernetzung der beiden Sektoren, weil durch die Zusammenlegung die angemessene Behandlung am Lebensende gewährleistet werden kann.

295 Vgl. Grebe, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A3, 32 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

296 Vgl. Kronberger-Vollnhofer, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP -

Ausschussbericht NR - Anlage A3, 10

(https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

297 Vgl. Karner, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A3, 54 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

105 Ferner ist es wichtig, den ambulanten Sektor in der Palliativversorgung zu stärken, nicht nur weil dann im stationären Bereich gespart werden könnte, sondern weil es für Patienten, die nicht im Krankenhaus sterben wollen, auch möglich sein sollte den Zugang zu palliativer Behandlung zu erhalten.

Die Chefarztpflicht für bestimmte Medikamente durch die Krankenkassen führt weiters dazu, dass Patienten sich dieser „Bewilligungsbürokratie“ nicht aussetzen wollen oder können. Dies ist auch ein Grund, warum die ambulante Versorgung die „unattraktivere“ Variante darstellt und so den Patienten dazu bewegt ungewollt oder gezwungenermaßen ins Krankenhaus zu gehen (wo aber ein Patient über 1.000 Euro pro Tag kostet).298

Die Sozialversicherung nimmt die Gegenposition ein. Sie spricht sich gegen die Formierung

„einzelner Patientengruppen“ aus. Eine individuelle Honorierung für einzelne Patientengruppen würde nur den Verwaltungsaufwand erhöhen und zu einem ungewollten Splitting in finanziell attraktive und finanziell unattraktivere Patienten führen.299

Was die Versorgung mit den notwendigen Medikamenten, insbesondere Schmerzmitteln, betrifft, sei aus Sicht der Sozialversicherung ebenfalls eine bundesweit einheitliche Vorgangsweise gegeben. Diese müssten alle Versicherten in ausreichender Form durch die Krankenanstalt oder im niedergelassenen Bereich oder in der Pflegeanstalt im Wege eines Kassenrezeptes weitgehend problemlos erhalten.300 Komplexer wird es, so die Sozialversicherung, bei der Versorgung im Bereich Pflege, weil es da eine Zuständigkeit der Länder gibt und daher neun unterschiedliche Regelungen bestehen. Da sei es schwierig, eine gemeinsame Finanzierung im Interesse des Patienten zu finden. Den Patienten oder seine Angehörigen gerade in dieser schwierigen Lebensphase noch zusätzlich mit unnötiger

298 Vgl. Rasinger, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A3, 23 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

299 Vgl. Seiss, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A3, 44-45 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

300 Vgl. Seiss, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A3, 44 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

106 Bürokratie zu belasten, sei unwürdig und zu vermeiden, weshalb sich die Sozialversicherung für verhandlungsbereit erklärt.301

Mit diesen Überlegungen und den darauf basierenden 51 Empfehlungen liegt ein

„Wegweiser“ vor, den es aber umzusetzen gilt. Einige Punkte wurden schon verwirklicht. Der in den Empfehlungen enthaltene Stufenplan gibt in Etappen vor, was von 2015 bis 2020 geschehen soll. Zur unmittelbaren Finanzierung der ersten Etappe wurde schon ein Hospiz- und Palliativforum ins Leben gerufen und erste Finanzierungszusagen wurden gemacht, wodurch jeweils rund 18 Mio. Euro in den Jahren 2016 und 2017 zum Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung zusätzlich zum Status Quo eingesetzt wurden.

Aus dem Stufenplan geht auch hervor, dass die Hospiz- und Palliativversorgung nicht nur eine der humansten Formen der Medizin ist, sondern auch kostengünstig und kostendämpfend, mit Einsparungen durch Systemverlagerungen und Reduzierung von Folgekosten.

In dieser ersten Etappe soll die Finanzierung wie folgt aussehen: Die mobile Palliativ- und Hospizversorgung ist einerseits von den Krankenkassen (Krankenbehandlung) im Weg des Vertragspartnersystems und andererseits aus Mitteln der Pflegefinanzierung (Pflegefonds, Sozialhilfe der Länder) zu finanzieren. Die stationäre Hospizversorgung soll aus Mitteln der Pflegefinanzierung erfolgen (z.B. zweckgewidmeter, qualitätsgesicherter Sondertopf im Pflegefonds). Die stationäre Palliativversorgung in Krankenanstalten soll im bestehenden System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) konsequent ausfinanziert werden, einschließlich der dort benötigten palliativen Konsiliardienste. Das Ziel ist es im nächsten Schritt, im abgestimmten und konstruktiven Zusammenwirken von Ländern, Sozialversicherung und Bund mehr Planungssicherheit, Finanzierungsverlässlichkeit und eine österreichweit gesicherte Regelfinanzierung (entsprechend dem

301 Vgl. Seiss, in der siebten Sitzung vom 16.12.2014, 491 der Beilagen XXV. GP - Ausschussbericht NR - Anlage A3, 44 (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00491/imfname_386920.pdf).

107 Regierungsprogramm) für alle stationären und mobilen Hospiz- und Palliativeinrichtungen im Sinn einer generellen und allgemeinen Zugänglichkeit tatsächlich herzustellen, wobei Kompetenzfragen und Finanzierungsstrukturen kein Hindernis sein dürfen, um tatsächlich den Ausbau von „Hospiz und Palliative Care 2015 bis 2020“ voranzutreiben.

Ebenfalls wird empfohlen, die Aus- und Weiterbildung für diesen medizinischen Bereich zu fördern, um die Hospizkultur und Palliative Care umfassend in die Grundversorgung zu integrieren. Auch da wurden schon Universitätslehrgänge für Palliative Care in Österreich eingeführt.

Einige wichtige Punkte sind noch ausständig. So soll seitens der Krankenkassen die palliative Intensivbetreuung in den Leistungskatalog aufgenommen werden. Die Krankenkassen sollen notwendige Schmerz- und Hilfsmittel von bestehenden bürokratischen Hürden befreien (Entfall der Chefarztpflicht bei Schmerzmedikamenten). Weiters sollten bei Abwicklungen des Alltags im Verhältnis Patient-Arzt-Krankenkasse Optimierungen seitens der Krankenkassen in Angriff genommen werden, um Bewilligungen und bürokratische Hürden auf ein Minimum zu reduzieren (z.B. Etablierung von Case Managern der Kassen). 302