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4.2 Abgrenzung zur Pflegebedürftigkeit

4.2.1 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

Bezogen auf „Pflege“ in der Sozialversicherung, sind „Anstaltspflege“ (§ 144 ASVG) und

„medizinische Hauskrankenpflege“ (§ 151 ASVG) die hier relevanten Bestimmungen. Die medizinische Hauskrankenpflege ist als eine „krankenhausersetzende“ Leistung konzipiert.

74 Holzer, Der Leistungsanspruch unheilbar Kranker im System der gesetzlichen Krankenversicherung, in FS Krejci (2001) Bd II, 1549 (1552 ff).

29 Wenn und solange es die Art der Krankheit zulässt, ist zunächst medizinische Hauskrankenpflege zu gewähren.75 Die Anstaltspflege kommt also grundsätzlich nur dann in Frage, wenn die Erkrankung des Versicherten nach einer intensiveren medizinischen Betreuung verlangt, als sie im Rahmen der medizinischen Hauskrankenpflege möglich ist.76 Die Hauskrankenpflege wird nach § 151 Abs 2 durch Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege erbracht, die vom KV-Träger beigestellt werden, mit diesem in einem Vertragsverhältnis stehen oder die im Rahmen von Vertragseinrichtungen tätig sind, die medizinische Hauskrankenpflege betreiben.

Die medizinische Hauskrankenpflege besteht ausschließlich in der Erbringung medizinscher Leistungen und qualifizierter Pflegeleistungen. Darunter fallen die Verabreichung von Injektionen, die Sondenernährung oder die Dekubitusversorgung. Explizit ausgenommen sind die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung des Kranken. Mit dieser expliziten Ausgliederung schafft der Gesetzgeber eine Abgrenzung der qualifizierten Pflegeleistungen zu den „einfachen“ bzw. Grundpflegeleistungen.77 Allgemein versteht man unter einfacher bzw. Grundpflege das An- und Auskleiden, Essen, Trinken sowie Körperpflege.78 Somit deckt sich der Begriff der Grundpflege im Wesentlichen mit dem im BPGG und der Einstufungsverordnung verwendeten Begriff, sodass dadurch eine relativ klare Abgrenzung zwischen medizinischer Hauskrankenpflege und Pflegegeld getroffen werden kann.

Der Unterschied zwischen den Leistungen nach ASVG und denen des BPGG liegt darin, dass das ASVG nur qualifizierte Pflegeleistungen erfasst, die wiederum einer ärztlichen Anordnung bedürfen, wohingegen die „einfache“ bzw. Grundpflege zum Leistungskatalog des BPGG gehört.

75 Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld (2008) Rz 19.

76 OGH 22.05.2001, 10ObS315/00x.

77 Pfeil, Aktuelle Rechtsfragen der medizinischen Hauskrankenpflege, SozSi 2005, 89 (100).

78 Steinbauer, „Qualitätssicherung in der Pflege“ - Mehr Unterstützung für pflegebedürftige und ihre pflegenden Menschen zu Hause - Kompetenzzentrum für alle Pensionsversicherungsträger bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, SozSi 2003, 459 (463).

30 4.3 Abgrenzung zur Behinderung

Eine Abgrenzung zum Behindertenbegriff bietet sich speziell im Hinblick auf Leidenszustände am Lebensende an, da es dabei oft zu begrifflichen Überschneidungen kommt. Dies trifft beispielsweise auf chronische Krankheiten zu. Rechtlich gesehen kann eine chronische Krankheit als Krankheit nach dem ASVG eingestuft werden, unter Umständen kann auch eine Behinderung vorliegen. Schnittstellen zu Gebrechen und Pflegebedürftigkeit sind ebenfalls nicht auszuschließen. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen, ist es notwendig eine Eingrenzung vorzunehmen.

Eine wichtige Grundlage für die Entwicklung des österreichischen Behindertengleichstellungsrechts stellen die europarechtlichen Richtlinien dar, die im Rahmen eines „Antidiskriminierungspaketes“ beschlossen wurden. Diese trugen wesentlich zur Konkretisierung des „Behindertenbegriffes“ bei.79 Auf Grundlage dieser EU-rechtlichen Richtlinien wurden die dortigen Vorgaben in österreichische Gesetze „gegossen“. Dadurch entstanden neue Gesetze bzw. wurden vorhandene Gesetze novelliert. Davon betroffen waren das BGStG, das BEinstG und das BBG.80 Weitere Gesetze, die sich mit Behinderung bzw.

auch „Invalidität“ beschäftigen, sind das ABGB, das BPGG, sowie auch Gesetze der Sozialversicherung. Es gibt keine einheitlichen Abgrenzungskriterien bzw. Definitionen.

Problematisch dabei ist, dass sich in den Gesetzen der Sozialversicherung der Begriff der

„Behinderung“ als eigenes Tatbestandsmerkmal meistens nicht den Normtexten entnehmen lässt und somit keine Definition vorliegt.81

Aus diesem Grund bietet es sich an, auf andere Rechtsvorschriften zurückzugreifen. So lautet

§ 3 des BGStG: „Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht

79 Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch/Willi, Kommentar zum Behindertengleichstellungsrecht2 (2016) Allgemeiner Teil Rz 15.

80 Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch/Willi, Kommentar zum Behindertengleichstellungsrecht2 (2016) Allgemeiner Teil Rz 25.

81 Födermayr, Menschen mit Behinderung im Sozialrecht, in Reissner/Mair (Hrsg.), Menschen mit Behinderung im Arbeits- und Sozialrecht (2017) 131 (131).

31 nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.“

Daraus lassen sich schon einzelne Abgrenzungskriterien zur Krankheit ableiten. So ist die Behinderung im Sinne des § 3 BGStG nicht die Funktionsbeeinträchtigung selbst, sondern deren Auswirkung, und zwar insoweit, als sie die soziale Teilhabe zu erschweren geeignet ist.

Zudem soll mit der voraussichtlichen Dauer von mehr als sechs Monaten eine Abgrenzung zu vorübergehenden Zuständen von Funktionsbeeinträchtigung, wie etwa Krankheit, erfolgen (so auch beispielsweise § 3 BEinstG).82

Jedenfalls sei dann vom Vorliegen einer Behinderung im Sinne des BGStG auszugehen, wenn ein ärztlicher Sachverständiger das Vorliegen eines klassifizierbaren Grades der Behinderung im Rahmen eines einschlägigen Verfahrens nach Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung festgestellt habe.83 Verfügt die betroffene Person beispielsweise über einen Behindertenpass, ist von Behinderung auszugehen. Jedoch schließt dies wiederum nicht aus, dass zu der festgestellten Behinderung eine Krankheit hinzutreten kann.

Aus Artikel 1 der UN-Behindertenrechtskonvention84 ergibt sich, dass Behinderung kein medizinisches, sondern eher ein soziales Phänomen ist.85

Weitere Aufschlüsse bezüglich der Abgrenzung zwischen Krankheit und Behinderung lassen sich aus der Rechtsprechung des EuGH gewinnen.

So hatte sich der EuGH in einem Urteil mit einer der RL (RL 2000/78/EG)86 aus dem

„Antidiskriminierungspaket“ zu beschäftigen. Da der Begriff „Behinderung“ in dieser RL

82 Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch/Willi, Kommentar zum Behindertengleichstellungsrecht2 (2016) § 3 BGStG Rz 2.

83 Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch/Willi, Kommentar zum Behindertengleichstellungsrecht2 (2016) § 3 BGStG Rz 4.

84 https://www.behindertenrechtskonvention.info/uebereinkommen-ueber-die-rechte-von-menschen-mit-behinderungen-3101/.

85 Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch/Willi, Kommentar zum Behindertengleichstellungsrecht2 (2016) § 3 BGStG Rz 5.

32 nicht definiert ist87, entschied der EuGH, dass dieser Begriff von dem der Krankheit zu unterscheiden88 und dahin zu verstehen ist, dass er eine Einschränkung von langer Dauer erfasst, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet.89 Zwar enthält der Behinderungsbegriff primär eine soziale Komponente, was aber die medizinische Komponente nicht gänzlich ausschließt. Dabei besteht die Möglichkeit, dass bestimmte physische oder psychische Einschränkungen in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext den Charakter einer Behinderung haben, in einem anderen aber nicht.90

In einem weiteren Urteil hat der EuGH klargestellt, dass der Begriff „Behinderung“ dahin auszulegen ist, dass er einen Zustand einschließt, der durch eine ärztlich diagnostizierte heilbare oder unheilbare Krankheit verursacht wird, wenn diese Krankheit eine Einschränkung mit sich bringt, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren den Betreffenden an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können, und wenn diese Einschränkung von langer Dauer ist.91 Dadurch wird klar, dass Krankheit und Behinderung nicht zwangsläufige in einem Gegensatz stehen, weswegen das Element der Dauerhaftigkeit hier als auschlaggebendes Abgrenzungskriterium anzusehen ist.92 Diesem Urteil zufolge kann also auch eine Krankheit, vor allem eine chronische Krankheit, als Behinderung eingestuft werden. Dabei ist wichtig

86 Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.

87 EuGH 11.07.2006, C-13/05, Chacón Navas, EU:C:2006:456, Rz 39.

88 EuGH 11.07.2006, C-13/05, Chacón Navas, EU:C:2006:456, Rz 44.

89 EuGH 11.07.2006, C-13/05, Chacón Navas, EU:C:2006:456, Rz 43.

90 Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch/Willi, Kommentar zum Behindertengleichstellungsrecht2 (2016) § 3 BGStG Rz 6.

91 EuGH 11.04.2013, C-335/11, HK Danmark, EU:C:2013:222.

92 Kozak, Adipositas ist nicht das Ende! DRdA 2015/40, 316 (321).

33 anzumerken, dass die Rechtsfolgen jeweils kontextbezogen zu verstehen sind.93 So könnte beispielsweise ein Beschäftigter mit Multipler Sklerose als Rechtsfolge der Feststellung einer Behinderung Anspruch auf kürzere Arbeitszeiten geltend machen. Das bedeutet, dass die Feststellung einer Behinderung nicht zwangsläufig auch sozialversicherungsrechtliche Folgen nach sich zieht, sondern eben im jeweiligen Kontext auch andere Ansprüche in Frage kommen (Grad der Behinderung im Zusammenhang mit Begünstigtenstatus oder Förderungsmöglichkeiten; Anknüpfung an eine Diskriminierung im Zusammenhang mit dem Antidiskriminierungsrecht).94 Auch kann die Feststellung einer Behinderung das Bestehen einer „Krankheit“ als solche unberührt lassen, jeweils in Abhängigkeit davon, welche Ansprüche ein Betroffener geltend machen will. Als weiteres Beispiel sind Krebskranke zu nennen. Ein Krebskranker kann um den Status des „begünstigten Behinderten“ (nach BEinstG) ansuchen. Wird die Behinderung (mit über 50 Prozent) anerkannt, erhält der Betroffene einen erweiterten Kündigungsschutz. Ein Krankenbehandlungsanspruch des Versicherten besteht in diesem Fall natürlich weiter. Hier ist jedenfalls festzuhalten, dass eine Behinderung nicht nur angeboren oder Folge eines Unfalls sein kann, sondern auch Krankheit eine Behinderung begründen kann.95

So hat der EuGH auch Adipositas (Fettleibigkeit) als eine „Behinderung“ qualifiziert, unter der Voraussetzung, dass sie eine Einschränkung mit sich bringt, die auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen von Dauer zurückzuführen ist. 96

Somit ist bei der Beurteilung, ob eine Behinderung im unionsrechtlichen Sinne vorliegt, nicht nur auf angeborene bzw. unfallbedingte Einschränkungen abzustellen. Bei langdauernden

93 Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch/Willi, Kommentar zum Behindertengleichstellungsrecht2 (2016) § 3 BGStG Rz 1.

94 Hofer/Iser/Miller-Fahringer/Rubisch/Willi, Kommentar zum Behindertengleichstellungsrecht2 (2016) § 3 BEinstG Rz 1.

95 Kozak, Adipositas ist nicht das Ende! DRdA 2015/40, 316 (320).

96 EuGH 18.12.2014, C-354/13, FOA, EU:C:2014:2463.

34 Krankheiten müssen zur Beurteilung der Erfüllung des Behindertenbegriffes auch die Auswirkungen dieser Krankheit erfasst werden.97

Zusammenfassend ergibt sich, dass als wesentliches Kriterium zur Abgrenzung zwischen Krankheit und Behinderung das Element der Dauerhaftigkeit dienen kann. Überschneidungen lassen sich trotzdem nicht vermeiden, da es an einer einheitlichen, bzw. auch sozialversicherungsrechtlichen Definition der Behinderung mangelt. Bei chronischen Krankheiten etwa, die den Behindertenbegriff nach BEinstG oder BGStG erfüllen, sind Krankenbehandlungsansprüche nach ASVG nicht ausgeschlossen.

4.3.1 Leistungen bei Behinderung

Es gibt keine explizite Nennung der Behinderung im ASVG und dementsprechend auch keine expliziten Leistungen im Falle von Behinderung, so wie es beispielsweise die Hilfe bei Gebrechen gibt. Jedoch findet sich der Begriff der „Invalidität“. Dieser Begriff meint die geminderte Arbeitsfähigkeit oder Berufsunfähigkeit. Dies ergibt sich aus § 143a und § 154a ASVG. Bei Vorliegen einer vorübergehenden Invalidität kommt laut diesen Bestimmungen

„Rehabilitation“ in Frage.

Über die Abgrenzung zwischen Krankenbehandlung und medizinscher Rehabilitation herrschen zuweilen Unstimmigkeiten, da die einzelnen diesbezüglichen Gesetzesbestimmungen eine Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen enthalten.98

Um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder die Folgen der Krankheit zu erleichtern, gewähren die KV-Träger den Versicherten nach § 154a ASVG im Anschluss an die Krankenbehandlung nach pflichtgemäßem Ermessen und nach Maßgabe des § 133 Abs 2 ASVG medizinische Maßnahmen der Rehabilitation. Durch medizinische Rehabilitation soll

97 Kozak, Adipositas ist nicht das Ende! DRdA 2015/40, 316 (321).

98 Ivansits, Zur Abgrenzung der Krankenbehandlungen von Maßnahmen medizinischer Rehabilitation, JAS 2017, 270 (278).

35 der Gesundheitszustand so weit wiederhergestellt werden, dass die Rehabilitanden in der Lage sind, in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen.99

Medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der KV gehören nach § 116 Abs 1 Z 4 ASVG zu den Aufgaben der KV. Sie fallen jedoch nicht unter den „Versicherungsfall der Krankheit“

iSd § 117 Abs 1 Z 2 iVm § 133 Abs 1 ASVG.100

§ 154a Abs 1 Satz 2 ASVG stellt klar, dass rehabilitative Maßnahmen „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ erfolgen. Daraus folgert ein Teil der Lehre, dass es sich bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nach § 154a ASVG um Leistungen handelt, die neben Leistungen aus dem Versicherungsfall der Krankheit und Leistungen nach § 154 ASVG („Gebrechen“) einen eigenen Leistungstypus verkörpern.101

Dazu stellen Felten und Mosler die berechtigte Frage, welcher Gesundheitszustand denn einen Anspruch auf medizinische Rehabilitation auslöse, wenn die Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation sowohl von der Krankenbehandlung als auch von den Hilfsmitteln abzugrenzen sind. Es müsse wohl eine Zwischenphase sein, die eher zwischen Krankheit und Gesundheit anzusiedeln ist. Vollkommen ausgeheilt darf aber der Versicherte auch nicht sein.102 Daraus ziehen sie den Schluss, dass Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation (auch wenn es sich um keine Krankenbehandlung handelt) dennoch aus dem Versicherungsfall der Krankheit gebühren.103 Da die Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation (die Unterbringung in einer Krankenanstalt, die ärztliche Hilfe und die Gewährung von Heilmitteln) denen der Krankenbehandlung gleichen, sind gesetzliche Parallelen zur Krankenbehandlung gegeben. Die Ziele der medizinischen Rehabilitation

99 Ivansits, Zur Abgrenzung der Krankenbehandlungen von Maßnahmen medizinischer Rehabilitation, JAS 2017, 270 (272).

100 Ivansits, Zur Abgrenzung der Krankenbehandlungen von Maßnahmen medizinischer Rehabilitation, JAS 2017, 270 (276).

101 Ivansits, Zur Abgrenzung der Krankenbehandlungen von Maßnahmen medizinischer Rehabilitation, JAS 2017, 270 (278).

102 Felten/Mosler, Grenzen der Krankenbehandlung, DRda 2015, 476 (487).

103 Felten/Mosler, Grenzen der Krankenbehandlung, DRda 2015, 476 (487).

36 entsprechen jenen der Krankenbehandlung. Als einziges Abgrenzungskriterium bleibt somit nur mehr die zeitliche Nachordnung (der Rehabilitation an die Krankenbehandlung). Aber auch dies stellt laut Felten und Mosler in der Praxis keine klare Abgrenzungsmöglichkeit dar.104 Wenn sich nämlich die Mittel sowie die Leistungsanbieter nicht voneinander unterscheiden lassen, so kann auch nicht festgestellt werden, ab wann eine Krankenbehandlung beendet ist und ab wann eine rehabilitative Maßnahme anfängt.105 Eine klare Abgrenzung ist demnach nicht (bzw. nur schwer) möglich. Somit kann nicht eindeutig gesagt werden, welche Leistung bei Behinderung zu erbringen ist. Es kommen beide in Frage, sogar auch zeitgleich, denn in der Realität werden rehabilitative Maßnahmen bereits neben der Krankenbehandlung durchgeführt.106

104 Felten/Mosler, Grenzen der Krankenbehandlung, DRda 2015, 476 (487).

105 Felten/Mosler, Grenzen der Krankenbehandlung, DRda 2015, 476 (487 - 488).

106 Felten/Mosler, Grenzen der Krankenbehandlung, DRda 2015, 476 (488).

37

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RANKENBEHANDLUNG

In diesem Kapitel soll § 133 ASVG analysiert werden. Auf die unmittelbare Verknüpfung der Bestimmungen des § 120 und des § 133 wurde bereits hingewiesen, wobei nun § 133 im Fokus steht.

5.1 Prinzip der Sachleistungen

Bei Vorliegen des Versicherungsfalls der Krankheit nach § 120 stehen dem Anspruchsberechtigten die folgenden Sachleistungen zu: Krankenbehandlung, medizinische Hauskrankenpflege und Anstaltspflege. Die Krankenbehandlung wiederum gliedert sich nach

§ 133 Abs 1 in die ärztliche Hilfe (§ 135) und die Gewährung von Heilmitteln (§ 136) und Heilbehelfen (§ 137).107

Das Sachleistungsprinzip lässt sich aus Abs 2 des § 133 ableiten, wonach Leistungen der Krankenbehandlung als Sachleistungen erbracht werden, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht. Das bedeutet, dass die erforderlichen Behandlungen unmittelbar durch einen Vertragspartner des KV-Trägers gegen direkte Verrechnung mit dem KV-Träger oder durch eigene Einrichtungen des Trägers erbracht werden. Gemäß § 23 Abs 5 ASVG sind die KV-Träger verpflichtet, für die Krankenbehandlung der Versicherten und ihrer Familienangehörigen ausreichend Vorsorge zu tragen. Außerhalb eigener Einrichtung geschieht dies gemäß § 341 ASVG durch den Abschluss von Gesamtverträgen zwischen Träger und Ärztekammer und Einzelverträgen zwischen Träger und niedergelassenem Arzt.

Der Gesamtvertrag konkretisiert neben den Rechten und Pflichten der Vertragsärzte jene Leistungen, die auf Rechnung des KV-Trägers im Rahmen einer Krankenbehandlung an

107 Vgl Resch, Sozialrecht7 (2017) 59-60.

38 Versicherte erbracht werden dürfen.108 Primär sind Sachleistungen zur Krankenbehandlung ambulant durchzuführen, da laut § 133 Abs 5 bei stationärer Aufnahme in eine Krankenanstalt nach dem Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz der Anspruch auf Krankenbehandlung ruht.109

Die Durchführung der Krankenbehandlung obliegt dem Arzt. Durch die Nennung in § 135 Abs 1 Z 1 – 4 sind aber auch Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, klinische Psychologen, sowie Heilmasseure erfasst. Eine Erbringung medizinscher Dienstleistungen, die nicht von einem Arzt oder einem Vertreter der gesetzlich gleichgestellten Berufsgruppen in § 135 erfolgt, ist nicht von der KV erfasst. Eine Behandlung durch einen Heilpraktiker, Wundheiler oder Schamanen ist ebenfalls nicht von der KV gedeckt. Die Kurpfuscherei steht in Österreich nach dem Strafgesetzbuch unter Strafe.

Die Beschränkung des Krankenbehandlungsanspruchs auf Therapien, die auf medizinisch-wissenschaftlichen Methoden beruhen und durch Ärzte oder die genannten gleichgestellten Berufsgruppen erbracht werden, dient letztlich dem Schutz des KV-Trägers vor einer überbordenden Leistungspflicht gegenüber den Versicherten und ist somit Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsgebots gemäß § 133 Abs 2.110 Würde man jegliche Behandlungen jeglicher Berufsgruppen, also beispielsweise auch Behandlungen durch Heilpraktiker, schrankenlos zulassen, wäre dies primär finanziell nicht tragbar. In logischer Konsequenz wäre auch die Qualität der Leistungserbringung nicht gesichert. Allein aus diesen Gründen ist diese Regelung sinnvoll, zumal in Einzelfällen die Möglichkeit besteht, „neue“ Therapien, die medizinisch-wissenschaftlich noch nicht erprobt oder anerkannt sind, unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen, welche in der Folge dargestellt werden, in den Leistungskatalog aufzunehmen oder zumindest für diesen konkreten Einzelfall zuzulassen, womit eine Kostentragung durch den KV-Träger erreicht wird.

108 Felten/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 8 (Stand 31.12.2012, rdb.at).

109 Felten/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 15 (Stand 31.12.2012, rdb.at).

110 Grillberger in Grillberger/Mosler, Ärztliches Vertragspartnerrecht (2012) 227.

39 Neben den Sachleistungen kennt das ASVG auch Geldleistungen (§ 131 ASVG).

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Erstattung der Wahlarztkosten in Höhe von 80 % des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des

Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre.

5.2 Umfang der Leistungspflicht

Nach dem Gesetz hat der Versicherte gegenüber dem KV-Träger Anspruch auf die notwendige Krankenbehandlung. Unabdingliche Voraussetzung einer notwendigen Krankenbehandlung ist jedenfalls das Vorliegen des Versicherungsfalls der Krankheit. Für die gesetzliche KV gilt das Finalitätsprinzip: Die Leistung ist aufgrund des Bedarfs ausgerichtet, unabhängig davon, weshalb der Bedarf entstanden ist, also unabhängig von der Ursache.111 Der Maßstab der Leistungspflicht wird in Abs 2 Satz 1 des § 133 festgelegt. Demnach muss die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

In der Lehre herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine ganz exakte Abgrenzung der drei Begriffe – ausreichend, zweckmäßig, das Maß des Notwendigen nicht überschreitend – weder möglich noch erforderlich ist.112 Wenn der OGH etwa verlangt, dass eine Krankenbehandlung erfolgversprechend sein muss, wird dies zum Teil dem Kriterium der Notwendigkeit113 zum Teil der Zweckmäßigkeit114 zugeordnet. Die Rechtsprechung geht auch eher von einer Abwägung der verschiedenen Aspekte und einer Gesamtbetrachtung aus.

Grundsätzlich bezeichnet „ausreichend“ mehr den quantitativen, „zweckmäßig“ mehr den

111 OGH 27.01.2009, 10ObS99/08v; vgl auch Schober in Sonntag (Hrsg.), ASVG8 (2017) § 133 Rz 1-2.

112 Felten/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 49 (Stand 31.12.2012, rdb.at).

113 OGH 19.12.1989, 10ObS211/89.

114 OGH 09.11.1993, 10ObS174/93.

40 qualitativen Aspekt, die Notwendigkeit hingegen die Wirtschaftlichkeit.115 Diese Kriterien sind jedenfalls in Bezug zu den in Abs 2 Satz 2 definierten Zielen der Krankenbehandlung zu setzen. Durch das Wirtschaftlichkeitsgebot wird verhindert, dass Arzt und/oder Patient eine alleinige Entscheidung über die Art der Behandlung treffen, deren Kosten die Versichertengemeinschaft zu tragen hat.116

Welche Gewichtung den einzelnen Kriterien bei der Ermittlung der Leistungspflicht der KV beigemessen wird, kann nicht pauschal gesagt werden. Dies ergibt sich aus den Umständen des einzelnen Sachverhaltes. Hierbei ist vor allem auf die Ausführungen des OGH zu verweisen, wobei die drei einzelnen Kriterien zueinander in eine Relation gesetzt werden und stichhaltige Erwägungen bezüglich der Gewichtung gewonnen werden können. Nach der Rechtsprechung darf nämlich die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden, vielmehr muss das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall berücksichtigt werden. Eine rein ökonomische Betrachtung stünde nämlich vielfach im Konflikt mit der Würde des Menschen. So kann auch die Entscheidung des betroffenen Patienten, der unter Umständen die Wahl zwischen mehreren Behandlungsmethoden hat, die zwar im Wesentlichen zum selben Ziel führen, jedoch unterschiedlich belastende Therapien zum Gegenstand haben, nicht außer Acht gelassen werden. Die Kosten sind neben der Qualität, der Quantität und der Eignung einer Maßnahme, den mit § 133 Abs 2 Satz 2 ASVG angestrebten Erfolg herbeizuführen, nur eines von mehreren Beurteilungskriterien, die in einen im Ergebnis einheitlichen Bewertungsakt einfließen, wobei eine Interessenabwägung zur Sicherstellung des Interesses des Patienten auf eine quantitativ und qualitativ einwandfreie medizinische Behandlung und des Interesses auf Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versichertengemeinschaft vorzunehmen

115 Mosler, Rechtsfolgen unwirtschaftlicher Leistungserbringung durch Vertragsärzte, ZAS 2000, 5 (6).

116 Felten/Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 133 ASVG Rz 49 (Stand 31.12.2012, rdb.at).

41 ist.117 Das Gewicht des Kostenargumentes wird dabei zunehmen, je geringer der von der Behandlung tangierte aus § 133 Abs 2 Satz 2 ASVG hervorleuchtende Zweck der Krankenbehandlung bewertet wird; umgekehrt tritt die Höhe der Kosten als Argument in den Hintergrund, je höher das tangierte Gut zu bewerten ist. Für das Gewicht des

41 ist.117 Das Gewicht des Kostenargumentes wird dabei zunehmen, je geringer der von der Behandlung tangierte aus § 133 Abs 2 Satz 2 ASVG hervorleuchtende Zweck der Krankenbehandlung bewertet wird; umgekehrt tritt die Höhe der Kosten als Argument in den Hintergrund, je höher das tangierte Gut zu bewerten ist. Für das Gewicht des