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Paare mit ambivalentem Paarzusammenhalt

Im Dokument Prekäre Arbeit, prekäre Liebe (Seite 185-195)

ressource oder -verhinderung

6.2 Paare mit ambivalentem Paarzusammenhalt

6.2.1 Besser als vorher, aber nicht »rosarot«: Birthe Bruhns und Ben Borg Als Birthe Bruhns und Ben Borg vor drei Jahren zu einem Paar wurden, unterschieden sie sich, was Belastungen in ihren Leben betrifft, stark von-einander. Daran hat sich bis heute wenig geändert: Birthe Bruhns ist allein-erziehend und kann sich auf die leiblichen Väter der zehn und 14 Jahre alten Kinder nicht verlassen. Durch die alleinige Verantwortung für die Kinder und ihren Schichtdienst als Pflegerin für Kinder mit Behinderung ist sie seit Jahren mehrfach belastet und war bereits in einem stationären Reha-Aufent-halt. Mit Blick auf ihre Kinder ist sie aber stolz auf ihre Lebensleistung als Alleinerziehende und auch auf ihre Souveränität, die sie sich im Laufe der Jahre erarbeitet hat. Ben Borg hatte noch nie Sorgeverantwortung und im-mer viel Zeit für seine Tätigkeiten, seine Freundschaften und seine vielen Hobbies. Auch Geldsorgen waren ihm lange Zeit unbekannt.

Unterschiede in der prekären Beschäftigung

Birthe Bruhns leidet unter der Arbeitsverdichtung in dem Pflegeheim, in dem sie arbeitet, unter ihren Schichtdiensten und den Kolleginnen, von de-nen sie sich kontrolliert fühlt (siehe auch Kapitel 4.6.1). Ben Borg gehört zu den wenigen Befragten unseres Samples, der keine Anerkennungsdefizite be-nennt, obwohl er prekär beschäftigt ist. Er hat keine Berufsausbildung und erzielte früher mit Sportwetten viel Geld. Als die Behörden sich für die Tä-tigkeiten des Wettbüros zu interessieren begannen, nahm Ben Borg dies zum Anlass, sich von seinem alten Leben abzuwenden: »dann irgendwann dann ich musste aufhören ’ne«.46 Rückblickend distanziert sich Ben Borg von die-ser Zeit:

»Ich war ’n halber Verbrecher […] man entwickelt sich ja auch weiter […] damals war auch die Sichtweise der Welt, die ich hatte, ’ne andere ’ne«.

Seit zwei Jahren ist Ben Borg auf einer 50-Prozent-Stelle als Küchenhelfer in einer Schule tätig. Es belastet ihn zwar, dass er so wenig und weniger als

46 Wie sich in diesem Zitat zeigt und auch im Paar- und Einzelinterview deutlich wurde, lässt er es im Unklaren, wie es zu dieser Abkehr kam. Er will sich nicht darüber äußern und auch nicht, wie er überhaupt zu den Sportwetten kam und was er dort konkret machte und wusste.

he Bruhns verdient (siehe Kapitel 8.2.2). In unserer Deutung ist es für ihn aber entscheidend, dass er sich von seinem früheren Leben distanziert. Ben Borg möchte sich, so unsere Rekonstruktion, läutern, er will nun anders als früher Gutes tun und sich als ehrlich und zuverlässig erweisen.

Schon immer habe er gerne für andere gekocht. Durch Birthe Bruhns Vermittlung bekam er die Stelle an einer Schule. Mit seiner Teilzeitbeschäf-tigung erzielt er ein geringes Einkommen und sie ist zudem befristet, also insgesamt prekär. Gleichzeitig erfährt er in einem arbeitsinhaltlichen Aspekt viel Anerkennung und bezeichnet sich als »super glücklich«. Dies liege vor allem an seinem guten Kontakt zu den Kindern von Anfang an: »wir waren direkt auf einer Wellenlänge«. Auch mit der Köchin verstehe er sich sehr gut.

Insgesamt will er unter keinen Umständen die Schulkochstelle für seine vo-rige Tätigkeit eintauschen:

»Sie können mir EINE MILLION Euro bieten und ich würde ablehnen. Können Sie mir glauben. Ich will NIE wieder da zurück«.

Während Ben Borg sich mit seiner Vorgesetzen und den Kindern gut ver-steht, ist Birthe Bruhns mit ihren direkten Kolleginnen zerstritten. In ihrer Arbeit, aber auch als Mutter versteht sie sich als »Einzelkämpferin«. Auf die leiblichen Väter kann sie sich nicht nur nicht verlassen. In unserer Rekonst-ruktion muss sie die Kinder sogar vor den Vätern schützen. Zum Vater eines Kindes besteht wegen seines delinquenten Verhaltens eine Kontaktsperre, zum Vater des anderen hat sie gelegentlichen Kontakt, er ist allerdings spiel-süchtig. Auch das Jugendamt erweist sich als wenig hilfreich, im Gegenteil:

Als sie einen Vater wegen seiner Spielsucht anzeigt und eine Kontaktsperre durchsetzen will, gerät sie in das Visier der Ämter. Sie solle sich rechtfertigen, warum sie sich nicht einfach über Unterstützung freue. Birthe Bruhns »Ein-zelkämpferin«-Dasein wird durch das Jugendamt weiterbefördert:

»Seitdem ist das Thema, ich regel’ meine Sachen selber. Ich will da keinen mehr ha-ben, der mir irgendwie da… möchte ich nicht, kein Amt und nee wir schaffen das schon so, das geht schon«.

Paarbeziehung als Ressource und Quelle der Anerkennung für Birthe Bruhns Seit Ben Borg in Birthe Bruhns Leben ist, übernimmt er manchmal die Be-treuung der Kinder, wenn sie Schichtdienst hat. Für sie ist dies eine große Entlastung. Anders als die leiblichen Väter ist Ben Borg verlässlich und er-scheint nicht als Bedrohung für Birthe Bruhns Familie. Ben Borg stellt auch

nicht ihre Souveränität in Frage, die sie sich als Alleinerziehende erarbeitet hat, sondern macht sie vielmehr sichtbar, indem er ihr Anerkennung und Respekt dafür zollt, was sie in ihrem Leben leistet.

Durch Ben Borg verlieren die erwerbsseitigen Anerkennungsdefizite, die Birthe Bruhns in dem Pflegeheim erfährt, etwas an Bedeutung, denn mit Ben Borg kann Birthe Bruhns, in der Deutung, aus ihrem Alltag fliehen, etwa wenn sie an den Wochenenden gemeinsam wegfahren oder abends Badminton spielen. Birthe Bruhns hilft es auch, dass sie mit Ben Borg über ihre Frustrationen mit ihren Kolleg*innen sprechen kann und er sie darin ernst nimmt. Er bedauert, dass sie es in ihrer Arbeit nicht nur schwer, son-dern auch schwerer als er selbst hat: »also sie hat’s eigentlich auf jeden Fall schwerer, allein von der körperlichen Arbeit und mit den Kollegen und so, auf jeden Fall. Leider.« Dadurch macht er ihre Belastungen und Leistungen in ihrer Arbeit sichtbar und anerkennt sie.

Für beide steht außer Frage, dass sie sich lieben, was aber nicht bedeu-tet, dass Birthe Bruhns durch ihre wechselseitige Liebe von ihren Belastun-gen befreit wird. Aus ihrer Sicht müsse sie sich auch weiterhin alleine um al-les kümmern:

»Ich denke auch schon, dass wir uns lieben, so dass wir da jetzt eine vertrauensvolle Basis haben und ja […] nur jetzt immer so nee hach ja alles rosarot, nee […] weil ich immer denke, das hängt so alles an mir. Ich muss immer alles managen so.«

In ihrer Wahrnehmung kann sich Ben Borg gar nicht vorstellen, was es be-deutet, alleinerziehend zu sein, so unsere Interpretation:

»Mein Kopf, der rattert immer von morgens bis abends, weil ich hab’ so viele Ter-mine ne, die ich halt immer so wahrnehmen muss, ne da ++ ja und für ihn is’ es, ne kann ich ja auch sagen ne? Du hattest ja noch nie die Situation, ’ne Frau mit ’m Kind zu haben«.

Entsprechend kritisiert Birthe Bruhns Ben Borg, dass er »so den Blick gar nicht dafür« habe, was sie alles machen müsse, was Ben Borg aber von sich weist.

Der Partner als Schüler und weitere Belastungen

Ben Borg schafft also Sichtbarkeit für Birthe Bruhns Belastungen und Leis-tungen als Alleinerziehende (auch wenn sie dies nicht uneingeschränkt eben-so sieht). Wie die Rekonstruktion zeigt, tut er dies auch, in dem er sich zu einem Schüler von Birthe Bruhns macht, der von ihr lebenspraktische Fähig-keiten für ein ehrliches und einfaches Leben erlernen möchte. Darin sucht

er wiederum ihre Anerkennung. Diese Anerkennung lässt sich aber als am-bivalent rekonstruieren, da, so die Deutung, Ben Borg Birthe Bruhns nicht auf Augenhöhe als egalitärer Partner, sondern als Schüler in einem hierarchi-schen Schüler-Lehrerin-Verhältnis begegnet. Mitunter gerät er, so eine wei-tere Deutung, sogar zu einem weiwei-teren Kind von ihr, womit sich ihre Belas-tungen weiter verstärken.

Dies zeigt sich zum Beispiel in einer Interaktion im Paarinterview, als sie über ihren Umgang mit Geld sprechen. Birthe Bruhns verfügt zwar über we-nig Geld, kann aber mit ihrem wewe-nigen Geld haushalten, was sie mit Stolz erfüllt. Ben Borg schämt sich dafür, weniger als Birthe Bruhns zu verdienen (siehe Kapitel 8.2.2), was für Birthe Bruhns wiederum unproblematisch ist.

Ärgerlich für sie ist, dass er nicht mit (seinem) Geld umgehen könne, was zum Beispiel beim Einkauf deutlich werde. So habe Ben Borg keine Vorstel-lung von angemessenen Preisen und kaufe die teuersten Markenprodukte:

»Er sollte Ananas kaufen in der Dose und dann hat er die teuersten Dinger gekauft.

Dann hab’ ich mich so aufgeregt […] geht gar nicht, ja. Genau das sind so Sachen, wo ich mich so aufrege, dann bin ich bin ich dann erstmal geladen«.

Birthe Bruhns möchte nicht auch noch in ihrer Paarbeziehung die Haupt-verantwortung tragen und wirft Ben Borg geringe lebenspraktische Kompe-tenzen vor. Er räumt ein, dass er noch nie mit Geld umgehen konnte und lange die Einstellung hatte, »Geld wechselt immer nur den Besitzer«. Er habe sich »aber schon gebessert jetzt, seitdem ich mit ihr zusammen bin«.

Neben Geld ist die Unordnung in Birthe Bruhns Wohnung ein weiterer Streitpunkt. Sie halten sich immer in ihrer Wohnung auf, er hilft aber kaum bei der Hausarbeit mit. Immer müsse sie ihm erklären, was ansteht, so Birt-he Bruhns. Wenn es um Unterstützung in der Hausarbeit geht, scBirt-heint, so eine bereits oben erwähnte Interpretation, Ben Borg für Birthe Bruhns wie ein drittes Kind zu sein. Permanent müsse sie ihm oder den Kindern Dinge hinterhertragen, so dass sie unablässig mit Aufräumen beschäftigt sei, was sie ebenfalls ärgert:

»Ich reg’ mich ja schon oft drauf ah so auf, wenn ich grade irgendwie alles so geputzt und gemacht hab’ und ne? der eine kommt dann und SCHMEISST da was hin und da was hin und äh so Tabakkrümel […] es ist ja immer es ist ja fortlaufend dieser Haushalt das nimmt ja nie ’n Ende«.

Ben Borg räumt dies ein, relativiert seinen Beitrag aber dahingehend, dass er mehr helfen würde, wenn er mehr Zeit hätte, was Birthe Bruhns aber nicht glaubt.

Ambivalente (Liebes-)Anerkennung im Paar: Mehr Sichtbarkeit, mehr Belastungen

Das Paar steht für den Fall, wonach erwerbsseitige Anerkennungsdefizite im Paar aufgefangen werden können (wobei wir nur bei Birthe Bruhns Aner-kennungsdefizite in der Erwerbssphäre rekonstruierten). Indem Ben Borg Verständnis für Birthe Bruhns berufliche Belastungen zeigt und ihre Belas-tungen, aber auch ihre Leistungen als Alleinerziehende sieht, macht er diese sichtbar und anerkennbar und anerkennt sie. Zudem stellt ihre Paarbezie-hung, so die Rekonstruktion, eine Ressource dar, mit der beide aus ihrem Alltag entfliehen können, so dass Birthe Bruhns erwerbsseitige Anerken-nungsdefizite in den Hintergrund treten können.

Ben Borg sucht in der Deutung nach Anerkennung für seine Läute-rung und seine Lernfortschritte und findet in Birthe Bruhns eine Partnerin, die in ihm einen verlässlichen und loyalen Menschen erkennt, schätzt und liebt. Das Paar zollt sich also wechselseitige Liebesanerkennung und schätzt dies auch. Birthe Bruhns und Ben Borg nehmen ihr gemeinsames Leben als deutlich besser wahr als das vorherige Leben ohne den*die andere*n. Den-noch lässt sich das paarinterne Anerkennungsverhältnis als ambivalent re-konstruieren: In der Paarbeziehung erscheint Ben Borg nicht als Partner auf Augenhöhe, sondern macht sich zum Schüler, der von seiner Lehrerin An-erkennung für seine Lernfortschritte anstrebt. Birthe Bruhns sieht ihre Paar-beziehung trotz der gelungenen wechselseitigen Liebesanerkennung und der Zuverlässigkeit Ben Borgs nicht »rosarot«, denn ihre vielen Belastungen blei-ben weitgehend bestehen und werden durch Ben Borgs geringe leblei-bensprak- lebensprak-tische Kompetenz noch vermehrt.

6.2.2 Nach innen stabil, nach außen brüchig: Patricia und Pepo Poturica Patricia und Pepo Poturica leben ein Arrangement aus männlichem Allein-ernährer und weiblicher Hausfrau (siehe Kapitel  4.8.1).47 Bald nach dem Kennenlernen wurde Patricia Poturica schwanger. Die gemeinsame Verant-wortung für ein Baby war anfangs herausfordernd, vor allem für Patricia Po-turica, die noch nicht volljährig war. Rückblickend hätte aber gerade ihre

47 Diesen Fall stellen wir ebenfalls in Motakef/Wimbauer (2019a) sowie Motakef (2019b) dar.

gemeinsame Elternschaft einen starken Paarzusammenhalt befördert, so Pa-tricia Poturica:

»Also wir sind durch die Kinder sind wir enger zusammengekommen, muss ich schon sagen. Das ist Hand in Hand, wenn man das nicht Hand in Hand macht, dann … also entweder man trennt sich dann lieber oder es funktioniert, man hält zusammen und dann passt das«.

In der Deutung konnte das Paar nach anfänglichen Schwierigkeiten eine ge-meinsame Praxis etablieren, die für beide stimmig ist und in welcher der Be-stand der Beziehung nicht in Frage gestellt wird.

Weibliche Hausfrau und prekärer männlicher Alleinverdiener

Patricia Poturica war nie erwerbstätig, sondern ist mit der Betreuung und Erziehung der drei Kinder und dem Haushalt befasst. Pepo Poturica arbei-tete lange als gelernter Asphaltbauer. Mit den Kollegen, Arbeitszeiten und seinem Einkommen war er zufrieden. Sein Betrieb war »wie eine kleine Fa-milie«, doch mit einer neuen Führungsriege verschlechterten sich Pepo Po-turicas Arbeitsbedingungen und sein Einkommen. Es sei ein

»neuer ähm Vorstand […] so so ein neuer Meister gekommen […] als Chef und der hat angefangen, an meiner Prämie rumzuschrauben dann hat er mir die Nacht-schicht weggenommen«.

Patricia Poturica beklagt, wie wenig Geld sie dann trotz seiner Arbeitstätig-keit hatten:

»also wir hatten hinterher so wenig Geld, dass es uns gar nicht gereicht hat /Pepo Po-turica: Genau/Und obwohl er jeden Tag arbeiten war«.

Pepo Poturica wechselte in einen Betrieb, in dem er eigentlich als Asphalt-bauer arbeiten soll, aber bislang nur für Hilfsarbeiten eingesetzt wird und entsprechend (noch) weniger verdient. Auf Nachfragen wird er vertröstet, die Auftragslage sei schlecht. Pepo Poturica ist enttäuscht und frustriert. Die Mühen, die er in seine Ausbildung gesteckt hat, scheinen ihm umsonst und auch seine Berufsjahre nichts wert zu sein. Er fühle sich zum Hilfsarbeiter degradiert und weit unter seiner Qualifikation eingesetzt. All dies habe er ei-gentlich immer vermeiden wollen:

»Ich hab’ mit mit Absicht früher schon angefangen, irgendwie n Beruf zu zu lernen, damit ich erst gar nicht in diese Situation gerate, und jetzt […] geh ich grad wieder einen Schritt zurück«.

Um zu verhindern, dass er arbeitslos wird, falls sich die Auftragslage weiter verschlechtert und angesichts des nahenden Winters schreibt Pepo Poturica wieder Bewerbungen.

Mit seinem Einkommen kommt die Familie nur schlecht über die Run-den. Seit zwei Kinder in die Schule gehen, stehen fast wöchentlich Extra-ausgaben an und überhaupt sei »immer wieder mal was zu zahlen«. »Es gibt bei uns echt Monate, wo ich sag, wir kommen echt nur haarscharf durch«, so Patricia Poturica. Planen könnten sie nicht, der letzte Urlaub war vor vier Jahren, »es haut echt nicht hin«.

Geschlechterdifferenzierende Aufgabenteilung

Dass Patricia Poturica dazu verdient und die Einkommensverluste kom-pensiert, ist für das Paar keine Option. Sie hat keine Ausbildung und kann sich mit ihren drei kleinen Kindern und dem Haushalt nicht vorstellen, er-werbstätig zu sein, auch nicht geringfügig. Patricia Poturica vermisst, wie sie erklärt, eine Erwerbstätigkeit auch nicht, denn für sie habe eine gute Erziehung und Betreuung ihrer Kinder höchste Priorität. Sie betreut ihre Kinder zuhause, was beide auch besser finden. »Wer die Kinder auf die Welt bringt, soll sich auch kümmern«, so Pepo Poturica. Außerdem könn-ten sie sich die Gebühren dafür ohnehin nicht leiskönn-ten: »da zahlst du dich tot und dämlich«.

Patricia Poturica betont, dass sie als Hausfrau ebenfalls hart und lange ar-beite: »da steht schon viel an. Also ich steh morgens um halb sieben auf und geh abends teilweise um elf halb zwölf ins Bett und bis dahin bin ich nur am Rennen«. Pepo Poturica bestätigt dies und sagt, dass er längst schlafe, wenn für sie der Tag zu Ende gehe. Insgesamt unternimmt Patricia Poturica große Anstrengungen, dass die Kinder wohlerzogen und gut angezogen sind und der Haushalt gut geführt ist, was Pepo Poturica auch sehr wertschätzt. Aus seiner Sicht müsse er seine Partnerin regelrecht in ihrem Arbeitseifer stop-pen: »da noch und dann noch bügeln und dies und das und da sag ich ja na komm geh ins Bett«.

In der Rekonstruktion erscheint dem Paar die geschlechterdifferenzieren-de Arbeitsteilung als richtig und stimmig. Zugeschlechterdifferenzieren-dem steht für beigeschlechterdifferenzieren-de fest, dass Pepo Poturica die Hausarbeiten nicht so erledigen kann, wie sich Patricia Poturica dies vorstellt, weshalb er sich komplett heraushält (siehe auch Kapi-tel 8.1.1). Im Paar gibt es keine Konflikte darüber und Patricia Poturica an-erkennt Pepo Poturica als zuverlässigen Vater und Familienernährer:

»Er ist ein guter Vater. Er macht sein Job gut, er geht arbeiten, er guckt, dass Geld reinkommt, er kümmert sich um uns«.

Nach der Falldeutung wertschätzt sie an ihm, dass sie mit ihm den gemein-samen Alltag bewältigen kann und er seinen Aufgaben als Familienernährer und -vater verantwortungsvoll nachkommt.

Starker Paarzusammenhalt durch ihre Elternschaft und Liebe

Bei dem Paar lässt sich ein starker Paarzusammenhalt rekonstruieren, der in der von ihnen wahrgenommenen gelungenen gemeinsamen Elternschaft begründet ist sowie in ihrer wechselseitigen Liebe: Sie seien nicht nur »gute Eltern«, sondern es sei zudem »die LIEBE an sich«, was das Paar zusammen-halte. Patricia Poturica kann sich ein »Leben ohne IHN gar nicht mehr vor-stellen« und auch Pepo Poturica benennt klar und schnell, was er an seiner Partnerin schätzt:

»Was ich halt gut finde an ihr ist wirklich, dass sie immer mit mir mit harmo-niert […] also sie sie geht mit mir durch dick und dünn. Also das find ich gut […], dass sie hinter mir steht«.

Wie sich hier zeigt, wertschätzt Pepo Poturica an seiner Partnerin ihre Loya-lität und Verlässlichkeit, was er auch durch die Redewendung hinter jeman-dem Stehen bekräftigt. In der weiteren Deutung bringt er zum Ausdruck, dass er seine Paarbeziehung als intakt und konfliktfrei wahrnimmt.48

Die Fragilität des geschlechterdifferenzierenden Alleinernährermodells Für den starken Paarzusammenhalt und für das Funktionieren des Paararran-gements ist, wie dargelegt, eine geschlechterdifferenzierende Arbeitsteilung konstitutiv. Sie erfahren sich als gutes, harmonisches und funktionierendes Team, weil sie sich unterschiedliche, aber gleichwertige Zuständigkeiten und Kompetenzen zuschreiben – er die Erwerbsarbeit, sie die Erziehung der Kin-der und die Hausarbeit – und diese in ihrer Wahrnehmung erfolgreich meis-tern. Allerdings ist es genau diese Orientierung, die das Paar in seiner Exis-tenz potentiell gefährdet. Warum?

48 Diese Redewendung legt jedoch auch die Deutung nahe, dass er vor ihr steht, was auf das Geschlechterarrangement bezogen auf eine machtvollere Position von ihm hindeu-tet. Im der Fallrekonstruktion verdichtet sich diese Deutung eines Machtgefälles zu-gunsten von Pepo Poturica aber nicht.

Patricia Poturica berichtet, dass sie von ihren Nachbarn, im Kindergarten und in der Schule häufig »abgestempelt« würden, was sie darauf zurückführt, eine junge Mutter zu sein:

»Ja da gehste zum Elternabend dann guckt ein die Lehrerin an so auf die Art äh ich würde auch schon gefragt ›Sind Sie die Schwester?‹ sag ich ›Nee ich bin die MAMA‹,

›ach so ah so‹. Ja da wirst du nicht wirklich anerkannt da ach, du bist die junge

›ach so ah so‹. Ja da wirst du nicht wirklich anerkannt da ach, du bist die junge

Im Dokument Prekäre Arbeit, prekäre Liebe (Seite 185-195)