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Kurzdarstellung der Befragten

Im Dokument Prekäre Arbeit, prekäre Liebe (Seite 83-92)

Prekarität im Lebenszusammenhang

3.5 Kurzdarstellung der Befragten

Wer sind nun die prekär Beschäftigten, von denen dieses Buch erzählt? Wir stellen die Befragten knapp vor. Bei der weiteren Lektüre kann man hier-her zurückblättern. Alle Fälle sind komplett anonymisiert. Namen, Orte,

Berufe, Daten und sämtliche Informationen, die eine Identifikation durch Außenstehende womöglich auch nur ansatzweise erlauben würde, sind ge-ändert. Aus denselben Gründen haben wir auch einige Verfremdungen und Kombinationen verschiedener Fälle vorgenommen. Die zentralen Fallstruk-turen bleiben hingegen selbstredend unverändert.

Anna Aulinger und Anton Alsdorf

Anna Aulinger und Anton Alsdorf sind Ende vierzig und seit zwei Jah-ren ein Paar. Anton Alsdorf lebt alleine, Anna Aulinger ist alleinerziehend und wohnt mit ihren drei Kindern (18, 15 und 13 Jahre alt) zusammen.

Zum Vater der Kinder hat sie keinen Kontakt. Seit Abschuss ihrer Aus-bildung als Industriekauffrau arbeitet Anna Aulinger als Verkäuferin in ei-nem Schreibwarenladen in Teilzeit und erhält aufstockende Sozialleistun-gen. Anton Alsdorf ist gelernter Lagerist und arbeitete viele Jahre in seinem Beruf. Als sein Betrieb schließt, wird er Paketzusteller, sucht aber zum In-terviewzeitpunkt aufgrund seiner Rückenbeschwerden nach einer Alterna-tive. Anna Aulinger verfügt für ihre Familie über 1.900 Euro im Monat, Anton Alsdorf will sein Einkommen nicht angeben, aus seiner Sicht kann er sich aber gut ernähren.

Birthe Bruhns und Ben Borg

Birthe Bruhns und Ben Borg sind Mitte vierzig, seit drei Jahren ein Paar und leben in getrennten Wohnungen. Birthe Bruhns ist alleinerziehend und hat zwei Kinder (10 und 14 Jahre alt). Das Verhältnis zu den leiblichen Vätern der Kinder gestaltet sich schwierig, zu einem Vater besteht eine Kontakt-sperre. Sie ist ausgebildete Krankenpflegerin und arbeitet seit zwölf Jahren in einem Pflegeheim für mehrfach behinderte26 Kinder in Schichtdiensten.

Ihr Einkommen beträgt etwa 1.600 Euro netto, Unterhalt zahlen die Vä-ter nicht. Ben Borg hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und arbei-tet seit zwei Jahren auf einer 50  Prozent Stelle als Küchenhelfer in einer Schule, wofür er ein geringes Einkommen erhält. Zuvor erzielte er über ein Jahrzehnt mit Sportwetten am Rande der Legalität ein hohes Einkommen,

26 Behinderungen erscheinen häufig als Beeinträchtigungen, die in medizinischen und psychiatrischen Begriffen beschrieben werden. Demgegenüber verweisen die aus der Be-hindertenbewegung entstandenen Disability Studies (Pfahl/Köbsell 2014) auf die gesell-schaftlichen Barrieren, durch welche Menschen behindert werden.

Rücklagen bildete er nicht. Zum Zeitpunkt des Interviews hat für Ben Borg Priorität, ein ehrliches Leben zu führen. Birthe Bruhns ist in einer schlech-ten gesundheitlichen Verfassung, war wegen Erschöpfung in einer stationä-ren Reha-Maßnahme und steht zum Zeitpunkt des Paarinterviews vor einer Hüftoperation.

Caroline Christiansen und Clemens Caspar

Caroline Christiansen, 46 Jahre alt, und Clemens Caspar, 49 Jahre alt, sind seit 16 Jahren ein Paar und haben zwei Kinder (12 und 15 Jahre). Clemens Caspar ist gelernter Klempner, hat aber nur kurz in diesem Beruf gearbeitet und war seitdem aushilfsmäßig beschäftigt oder arbeitslos. Vor zwei Jahren übernahm er ein kleines Café, mit dem er fast kein Einkommen erzielt. Ca-roline Christiansen studierte Kommunikationswissenschaften und arbeitet als Journalistin. Das Zeitungsunternehmen wird mehrfach umstrukturiert und Personal entlassen. Auch Caroline Christiansen verliert ihre Anstellung, arbeitet aber seit einigen Jahren freiberuflich für diese Zeitung, wenn auch nicht mehr in ihrem Ressort. Sie verdient unter hohen zeitlichen Belastun-gen und mit Planungsunsicherheiten zwischen 600 und 1.600 Euro monat-lich, womit sie die vierköpfige Familie ernährt. Sie könnten aufstockende Leistungen beziehen, was Caroline Christiansen aber ausschließt. Clemens Caspar engagiert sich in seinem Café und in regionalen Natur- und Umwelt-schutzprojekten. Diese Ehrenämter teilte er früher mit Caroline Christian-sen, sie gab diese aber wegen ihrer Erwerbsarbeit auf.

Dana und Daniela Daub

Dana (42) und Daniela Daub (41) sind seit zehn Jahren ein Paar und woh-nen mit ihrem dreizehnjährigen Sohn Dennis in ihrer gemeinsam betrie-benen Naturbegegnungsstätte WaldKontakt. Dana Daub studierte Ethno-logie und Daniela Daub BioEthno-logie. Nach ihren Studienabschlüssen finden sie in der Großstadt sichere Beschäftigungen, die ihnen aber als eintönig erscheinen. Sie beschließen gemeinsam, das Risiko einer Selbstständigkeit einzugehen und pachten einen alten Hof inmitten eines Waldes. Mit der Naturbegegnungsstätte erfüllt sich das Paar einen gemeinsamen Traum: Sie sind ihre eigenen Chefinnen, verbringen viel Zeit in der Natur und machen sinnvolle Arbeit. Allerdings arbeiten sie nahezu rund um die Uhr und erzie-len nur wenig Gewinn, womit sie ihre Lebenshaltungskosten gerade so

de-cken und ihre Investitionsschulden kaum tilgen können. Im weiteren Um-feld wird regelmäßig ihre gemeinsame Elternschaft infrage gestellt, was das Paar belastet.

Lara Laubenthal und Lars Löbner

Lara Laubenthal und Lars Löbner sind Ende zwanzig. Lars Löbner arbeitet Vollzeit als Fachkraft für ambulante Pflegeassistenz in einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung, was auch Nacht- und Wochenenddienst umfasst. Lara Lau-benthal ist Erzieherin und zum Interviewzeitpunkt entfristet in einer inten-sivtherapeutischen Wohngruppe beschäftigt. Sie arbeitet dort unfreiwillig in Teilzeit. Da Lars Löbner und Lara Laubenthal in Schichtdiensten arbeiten, verfügen sie kaum über gemeinsame Zeit oder je eigene Freizeit. Lars Löbner verdient in Vollzeit und trotz der Schichtdienste nur 1.350 Euro brutto, Lara Laubenthal verdient fast genauso viel, 1.500 Euro brutto, trotz Teilzeit. Die geringen Einkommen belasten beide, ebenso dass sie von ihren Kolleg*innen teils gemobbt werden.

Markus und Maria Melchior

Markus (43) und Maria Melchior (40) sind seit 16 Jahren ein Paar und haben drei Kinder, elfjährige Zwillinge und einen dreizehnjährigen Sohn. Beide sind ausgebildete Rettungssanitäter*innen. Markus Melchior arbeitet noch immer in Vollzeit als Rettungssanitäter im gleichen Krankenhaus wie früher auch Maria und hat sich zudem eine Freiberuflichkeit als Hochzeitsfotograf aufgebaut. Maria Melchior wurde während ihrer ersten Schwangerschaft aus dem Rettungsdienst gemobbt. Nach der Geburt der drei Kinder und länge-rer Arbeitslosigkeit ist sie heute froh, überhaupt wieder zu arbeiten, wenn auch nur auf 450 Euro Basis als Aushilfskraft in einer Fabrik.

Allen drei Kindern wurden Behinderungen (siehe Fußnote 26) diagnosti-ziert, die sich etwa in einer geringen Impulskontrolle und Aufmerksamkeits-problemen ausdrücken. Die Betreuung und Erziehung der Kinder gestalten sich zeitlich und emotional als sehr herausfordernd. Da Markus Melchior fast nie zuhause ist, muss Maria Melchior dies sowie die Hausarbeit nahezu alleine bewerkstelligen. Sie war mehrmals wegen chronischer Erschöpfung in stationären Reha-Maßnahmen.

Nina und Nils Novic

Nina (29) und Nils Novic (32) sind seit zwei Jahren ein Paar und haben eine eineinhalbjährige Tochter. Nina Novic arbeitet als Pflegerin in Teilzeit, steht aber zum Interviewzeitpunkt kurz vor dem Mutterschutz für das zwei-te Kind. Nils Novic ist Speditionskaufmann und war einige Jahre in seinem Beruf tätig. Da er aber nahezu rund um die Uhr arbeitete, gab er seine siche-re Beschäftigung mit der Familiengründung auf, weil er sein Kind häufiger sehen wollte. Nach einer einjährigen Phase der Arbeitslosigkeit findet Nils Novic eine Stelle als Aushilfskraft in der Gartenpflege. Dort verdient er zwar sehr wenig, hat dafür aber mehr Zeit für seine Familie. Nina Novic arbeitet gerne, ausbildungsadäquat und verdient auch mehr als er, findet aber, dass es ihre Aufgabe ist, sich um die Kinder zu kümmern.

Patricia und Pepo Poturica

Patricia (25) und Pepo Poturica (28) sind zum Interviewzeitpunkt seit zehn Jahren ein Paar und haben drei Kinder (zwei, vier und sieben Jahre). Pepo Poturica ist gelernter Asphaltbauer, arbeitet aber derzeit als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle. Patricia Poturica brach während ihrer ersten Schwangerschaft ihre Ausbildung als Friseurin ab, seitdem ist sie nicht erwerbstätig. Ihre Ar-beitsteilung – er ist Alleinernährer, sie für Haushalt und Kinderbetreuung zuständig – entspricht den Vorstellungen des Paares. Pepo Poturica ist durch die Belastungen im Straßenbau erkrankt und seine Ärzt*innen raten ihm, die Beschäftigung auf der Baustelle umgehend einzustellen. Andernfalls dro-he eine irreparable Schädigung seiner Organfunktionen. Pepo Poturica will aber aus finanziellen Gründen erst kündigen, wenn er eine neue Stelle gefun-den hat. Auch Patricia Poturica will auf keinen Fall, dass er arbeitslos wird.

Oliver Oswald

Oliver Oswald ist 46 Jahre alt, hat ein abgeschlossenes Studium der Ge-schichte und Kommunikationswissenschaften und war stets sehr bemüht, eine ausbildungsadäquate Beschäftigung zu finden. Es gelang ihm aber nie, dauerhaft Fuß zu fassen: Seine Berufsbiographie weist immer wieder Arbeits-losigkeit, Fortbildungen, Praktika und Ein-Euro-Jobs auf. Zum Interview-zeitpunkt hat er seit drei Jahren erstmals eine Anstellung bei Stadtgedenken e.V. in seinem Studienfach, die unterbezahlt und in rechtlichen Aspekten prekär ist. Da die Stelle aber unbefristet ist, nimmt Oliver Oswald dies in

Kauf, nicht zuletzt, weil er stark an einem männlichen Normalarbeitsver-hältnis orientiert ist. Hand in Hand damit ist für ihn die Idee der roman-tischen Liebe und (bürgerlichen) Normalfamilie orientierend, doch beides konnte er bisher nicht umsetzen. Mit seinem Freundeskreis ist er hingegen weitgehend zufrieden.

Petra Podan

Petra Podan ist Mitte 40, alleinerziehend und hat drei Töchter (17, 15, sie-ben Jahre alt). Der Vater der älteren Kinder kam vor zehn Jahren ums Lesie-ben, der Vater des jüngsten Kindes starb eineinhalb Jahre vor dem Interview. Sie hat eine abgeschlossene Ausbildung in Versicherungswirtschaft, konnte aber nach der Erziehungszeit für ihre ersten beiden Kinder nicht mehr auf ihren qualifizierten Vollzeitarbeitsplatz zurückkehren. Seitdem arbeitet sie als ein-fache Bürokraft auf einer 45  Prozent Teilzeitstelle in der Stadtverwaltung und übt verschiedene unregelmäßige geringfügige Nebentätigkeiten aus, um finanziell überhaupt über die Runden zu kommen. Zudem erhält sie Wai-senrente für die Kinder. Ihre berufliche Situation ist in verschiedenen Di-mensionen objektiv und subjektiv prekär. Sie hat einen großen und unter-stützenden Freundes- und Bekanntenkreis.

Rolf Radler

Rolf Radler ist Mitte 40 und hat eine abgeschlossene technische Ausbildung, fand aber nie eine Beschäftigung in diesem Beruf. Nach einer geförderten Weiterbildung versuchte er sich als Soloselbstständiger, wurde aber insol-vent und arbeitslos. Er befindet sich seit etwa 13 Jahren im SGB II-Bezug und übte daneben verschiedene Arbeitsgelegenheiten aus. Seit mehreren Jah-ren ist er geringfügig in einer geförderten Tätigkeit als Küchenhilfe in der Kleinkunstkneipe SubZe beschäftigt, wodurch er nebenher etwa 100 Euro monatlich verdient und incl. Wohngeld monatlich über etwa 850 Euro ver-fügt. Rolf Radlers berufliche und finanzielle Situation sind nahezu vollstän-dig prekär. Seit der Trennung von seiner letzten Freundin lebt Rolf Radler alleine und ist auf der Suche nach einer Partnerin. Zusammen mit seinen Freund*innen und Bekannten hält er sich die meiste Zeit in der Kleinkunst-kneipe auf.

Sabine Schomann

Sabine Schomann ist zum Interviewzeitpunkt Anfang 40, hat mittlere Rei-fe und eine Ausbildung zur MetzgereifachverkäuRei-ferin, zu der sie ihre Eltern drängten. Da sie bald Vegetarierin wurde, konnte und wollte sie nicht in die-sem Beruf arbeiten. Es folgten verschiedene Gelegenheitsjobs und Paarbezie-hungen. Nach einigen Jahren beschließt sie, ihren Kindheitstraum wahr zu machen und beginnt eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Allerdings erlei-det sie einen »Burnout«, besteht die Prüfung nicht und wird ein Jahr krank-geschrieben. Danach ist sie lange arbeitslos und übt dann verschiedene ge-förderte Tätigkeiten aus. Ein dreiviertel Jahr vor dem Interview findet sie in einer Ökocafe-Kette eine Beschäftigung als Aushilfe, wobei sie sehr we-nig verdient, schlechte Arbeitsbedingungen hat und oft auf Abruf arbeiten muss. Sie hatte früher viele Freund*innen, von denen sie sich aber zurück-gezogen hat. Eine Partnerschaft hat Sabine Schomann zum Zeitpunkt des Interviews nicht.

Theo Tettler

Theo Tettler ist zum Interviewzeitpunkt Mitte 50. Er ist geschieden, allein-erziehend und lebt mit seiner achtjährigen Tochter zusammen, der eine Lernbehinderung diagnostiziert wurde. Er bezieht seit vier Jahren Arbeits-losengeld II. Theos Tettlers Biographie zeigt sich verlaufskurvenförmig: Er hat Abitur, studierte Germanistik und brach sein Langzeitstudium irgend-wann ab. Seit seinem Studium arbeitete er etwa 25 Jahre lang als Pförtner mit Schichtdienst und als handwerklicher Helfer in einer Klinik. Doch im Krankenhaus kommt es zu Arbeitsverdichtung, der Druck steigt, berufliche Probleme mit dem Vorgesetzten und körperliche Beschwerden entstehen, während privat eine Ehekrise auftritt. Die Kulmination besteht in der zeit-gleichen Scheidung, Kündigung und dem Entzug der Tochter durch das Ju-gendamt, worauf Theo Tettler auch psychisch erkrankt. Erst nach einem lan-gen Gerichtsstreit erhält er das Sorgerecht zurück. Außer zu seiner Tochter hat er so gut wie keine sozialen Kontakte.

Ulrike Urban

Ulrike Urban, zum Interviewzeitpunkt Mitte 50, lebt alleine und betrau-ert ihre Partner- und Familienlosigkeit zutiefst. Ihre Beschäftigungssituation ist sehr prekär: Sie hat über zwanzig Jahre als Heilerziehungspflegerin

gear-beitet, will und kann dies aber nicht mehr, da die Arbeitsbedingungen psy-chisch und körperlich zu anstrengend sind und der Verdienst sehr gering ist.

Ulrike Urban hat ein abgeschlossenes Studium der Theaterwissenschaft und der Erwachsenenpädagogik, fand aber keine Beschäftigung und ist zweimal jährlich geringfügig in der Erwachsenenbildung tätig. Seit einigen Jahren pflegt sie in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis rund um die Uhr den schwer pflegebedürftigen Uwe Ullner, wird aber nur für je zwei Stunden an fünf Wochentagen bezahlt. Entsprechend ist auch ihre finanzielle Situa-tion sehr prekär. Freundschaften hat sie fast keine (mehr).

Veronika Vetter

Veronika Vetter ist Mitte 50 und lange hatte Erwerbsarbeit für sie höchste Priorität. Als Verwaltungsfachkraft in der Versicherungsbranche arbeitete sie zeitlich und räumlich sehr flexibel. Früh entschied sie sich gegen Partner-schaft und Familie. Aufgrund von Veränderungen in ihrer Branche erlebte sie aber trotz ihres hohen Arbeitseinsatzes eine 15-jährige Abstiegskarriere bis zur Aushilfe und mehrfache Phasen der Arbeitslosigkeit. Zudem erkrankte sie zweimal lebensbedrohlich und durchlebte vor etwa zehn Jahren einen in-neren Wandlungsprozess, in dessen Zuge sie eine spirituelle Grundhaltung entwickelt hat und sich nun mehr um ihr eigenes Wohlbefinden sorgt. Viele alte freundschaftliche Beziehungen haben sich aufgelöst, im Kreise Gleichge-sinnter sind tragfähige neue, quasifamiliale Freundschaftsbeziehungen ent-standen. Insgesamt ist sie eine handlungsorientierte Person und bezeichnet sich selbst als »Lebenskunstpionierin«.

Walter Wenke

Walter Wenke ist zum Interviewzeitpunkt Anfang 30 und der höchstquali-fizierte Befragte. Er hat ein duales Studium in Versicherungswirtschaft und war fast fünf Jahre in einem Versicherungskonzern beschäftigt. Er machte einen rasanten Karriereaufstieg und erzielte ein Jahresgehalt im sechsstelli-gen Bereich. Nicht zuletzt in Folge einer Erschöpfungserkrankung erkennt er aber die Anforderungen in seiner Führungsposition und in der Versiche-rungsbranche als nicht mit seinen Vorstellungen kompatibel. In dieser Zeit scheitert auch seine Paarbeziehung. Walter Wenke kündigt und nimmt ein Studium Generale auf, um dem Nachdenken über sich und die Welt nachge-hen zu können. Er wählt ein Leben, das er beschreibt als »prekär aus

Selbst-bestimmung«, um der Entfremdung der Arbeitsgesellschaft zu entrinnen und sich selbst zu verwirklichen. Finanziell möglich wird dies durch Rück-lagen, einen Teilzeitjob sowie einen auf das Notwendigste beschränkten Le-bensstil. Er benennt drei Freundschaften, mit denen er ansatzweise zufrie-den ist; eine Paarbeziehung möchte er derzeit zugunsten seiner prioritären

»Selbstbefreundung« nicht eingehen.

Im Dokument Prekäre Arbeit, prekäre Liebe (Seite 83-92)