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Die Niederlausitz im Spannungsfeld der Böhmischen und Ungarischen Krone

Der Niederlausitz waren unter der Regierung Georgs von Podiebrad einige ruhigere Jahre vergönnt, wozu der neu ernannte Landvogt Albrecht Kostka von Postupitz (Albrecht Kostka z Postupic, 1462 – 1467) in nicht geringem Maße beitrug. Zusammen mit seinem Bruder Zdenko (Zdeněk) zählte er zu den treuesten Anhängern des böhmischen Königs, wie unter anderem die Tatsache beweist, dass er 1463 der zum Hof des französischen Königs Ludwig XI. geschickten Gesandtschaft angehörte.39 Seine Position in der Nie-derlausitz war allerdings wegen seines nichtkatholischen Glaubens und der engen Be-ziehung zum „Hussitenkönig“ Georg ausgesprochen kompliziert und wurde noch durch den Stadtrat der schlesischen Stadt Breslau (Wrocław) erschwert. Für die Breslauer war dominus Koska maximus hereticus in einem Land, das wegen der nahen Verwandtschaft der sorbischen und der tschechischen Sprache sehr leicht mit dem hussitischen Irrglau-ben angesteckt werden könnte: In urbibus optimi sunt cristiani et magnus habetur cultus divinus, sed in villis et parvis opidulis morantur Sclavi moribus rudissimi, fi dei simplices et indocti, qui liguagio Bohemis convenientes de facili in heresim labuntur Bohemicam, et timendum est quod tota illa patria infi cietur.40 Diese Sicht der Niederlausitz und ihres Landvogts wurde nicht zuletzt durch die radikal ablehnende Haltung gegenüber dem böh-mischen König Georg von Podiebrad geprägt; die Breslauer bezeichneten ihn nicht eben schmeichelhaft als hereticus rex, Bohemorum heresiarcha oder homo perfi dus und Böh-men als Ketzerland.41

Was Albrecht Kostka selbst betrifft, verschlechterte sich seine Lage erheblich, als Papst Paul II. den „Hussitenkönig“ Georg Ende 1466 exkommunizierte und die Unterta-nen der Böhmischen Krone vom Gehorsam ihm gegenüber entband. Albrecht Kostka von Postupitz verließ wahrscheinlich kurz nach Ostern 1467 das Land; sein Amt wurde von

39 NEUMANN: Versuch I, S. 112 – 118. – SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 273 f. – LEHMANN: Die Landvögte, S. 453 f. – GRIEGER, Rudolf: Filipecz. Johann Bischof von Wardein. Diplomat der Kö-nige Matthias und Wladislaw (Studia Hungarica; 20), München 1982, S. 35 ff.

40 MARKGRAF, Hermann (Hg.): Politische Correspondenz Breslaus im Zeitalter Georgs von Po-diebrad. Zugleich als urkundliche Belege zu Eschenloers Historia Wratislaviensis. Erste Abthei-lung 1454 – 1463 (Scriptores rerum Silesiacarum; 8), Breslau 1873, S. 168 f., Nr. 140 (19.2.1463), hier S. 169. Dieses Zitat wird in einer gekürzten und ungenauen Fassung in deutscher Übersetzung im Zusammenhang mit der Oberlausitz angeführt von ANDĚL, Rudolf: Böhmen und die Oberlausitz während der Hussitenkriege, in: DANNENBERG, Lars-Arne; HERRMANN, Matthias; KLAFFENBÖCK, Ar-nold (Hg.): Böhmen – Oberlausitz – Tschechien. Aspekte einer Nachbarschaft (Neues Lausitzisches Magazin; Beiheft 4), Görlitz/Zittau 2006, S. 71 – 78, hier S. 77, mit dem Hinweis auf PETR, Jan:

Nástin politických a kulturních dějin Lužických Srbů, Praha 1972, S. 57, wo das Zitat jedoch rich-tig in Verbindung mit der Niederlausitz steht.

41 MANIKOWSKA, Halina: Świadomość regionalna na Śląsku w późnym średnieowieczu, in: GIEYSZTOR, Aleksander; GAWLAS, Sławomir (Hg.): Państwo, naród, stany w świadomości wieków średnich.

Pamięci Benedykta Zientary 1929 – 1983, Warszawa 1990, S. 253 – 267, hier bes. S. 263, wo ge-naue Quellenhinweise zu fi nden sind. Zur Einstellung der Breslauer gegenüber Georg von Po-diebrad auch GRÜNHAGEN, Colmar: Breslau und die Landesfürsten, I, Während des Mittelalters, in:

ZVGAS 36, 1901, S. 1 – 28, hier S. 25.

Botho VIII. von Ileburg übernommen, der für kurze Zeit bereits unter Friedrich II. von Brandenburg Landvogt gewesen war, aber in den Jahren 1467 – 1469 lediglich als Ver-walter bezeichnet wurde.42 Zu einem ähnlichen Wechsel kam es auch in der Oberlausitz, wo Jaroslav von Sternberg (Jaroslav ze Šternberka), ein Sohn des Zdenko von Sternberg (Zdeněk ze Šternberka), des führenden Vertreters des Grünberger Bundes und der böh-mischen Herrenopposition, Benesch von Kolowrat auf Liebenstein (Beneš Libštejnský z Kolovrat) ersetzte.43

Die beiden Landesverwalter – Jaroslav von Sternberg und Botho von Ileburg – grün-deten mit Wissen der ober- und niederlausitzischen Prälaten, Herren, Ritter und Städte und auf Anregung des päpstlichen Legaten Rudolf von Rüdesheim ein Verteidigungs-bündnis gegen den „Ketzerkönig“, auf dessen Seite sich die niederlausitzischen Stände gegen den brandenburgischen Kurfürsten noch um die Jahreswende 1461/1462 so ent-schlossen gestellt hatten. Dieses Bündnis, das beide Parteien im Fall einer Bedrohung zu gegenseitiger Hilfe verpfl ichtete und das ohne Zweifel unter dem Einfl uss der Ereignisse in Böhmen, Mähren und Schlesien sowie unter aktiver Hilfe der päpstlichen Vermittler entstand, war ein Zweckbündnis auf beschränkte Zeit. Es sollte enden, wenn die Böhmi-sche Krone wieder einen ordentlichen christlichen König habe, der für deren Existenz von essentieller Bedeutung sei: Furder ist berett, das sollich obinrurt vorbintnisz von bei-den lanbei-den prelaten, herrn, ritterschafft und steten getrewlich und ane allis geferde ge-halden sal werden und iglich teil dorczu vorbunden sein, solange got der almechtige der löbelichen cron zu Behmen und uns allen eynen zukunfftigen gesalbeten cristlichen herrn

42 SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 282 u. 284. – LEHMANN: Geschichte der Niederlausitz, S. 87 f. – DERS., Die Landvögte, S. 454. – NEUMANN: Versuch II, S. 119 – 127. – Albrecht Kostka von Postupitz blieb wohl de jure noch eine Zeit nach der Übernahme des Amtes durch Botho von Ileburg Landvogt, worauf z. B. die Tatsache hinweist, dass Matthias Corvinus noch am 17.8.1467 dem magnifi co Alberto Kosthka de Postupicz advocato marchionatus Lusatiae etc. amico nostro schrieb; PALACKÝ, Franz (Hg.): Urkundliche Beiträge zur Geschichte Böhmens und seiner Nachbar-länder im Zeitalter Georg’s von Podiebrad (1450 – 1471) (FRA – Österreichische Geschichtsquel-len; II/20), Wien 1860 (weiter: FRA II/20), S. 480, Nr. 409. – Nach dem Tod Georgs von Podiebrad wechselte Albrecht Kostka von Postupitz in das Lager des Matthias Corvinus, den er für fähig hielt, die Böhmische Krone wieder zu vereinigen und Frieden zu schaffen; DERS., Geschichte von Böh-men, I–V, Prag 1836 – 1867, hier IV/2, S. 655, V/1, S. 9. – MACEK, Josef: Jagellonský věk v českých zemích (1471 – 1526), I–IV, Praha 1992 – 1999, hier I, S. 282.

43 SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 283. – KÄUFFER, Christian Gottlieb: Abriß der Oberlausitzi-schen Geschichte, I–IV, Görlitz 1802 – 1806, hier II, S. 252 f., 268 – 272. – KNOTHE, Hermann: Ur-kundliche Grundlagen zu einer Rechtsgeschichte der Oberlausitz von ältester Zeit bis Mitte des 16. Jahrhunderts, in: NLM 53, 1877, S. 161 – 421, hier S. 307. – EIBL, Elfi e-Marita: Die Lausitzen zwischen Böhmen, Brandenburg und Sachsen in der Zeit Kaiser Friedrichs III. (1440 – 1493), in:

MORAW: Akkulturation, S. 312 – 346, hier S. 335, Anm. 127. – DIES.: Die Lausitzen unter König Wladislaw II. von Ungarn und Böhmen. Corvinische und jagiellonische Einfl ussnahme im Wech-selspiel, in: TORBUS, Tomasz: Die Kunst im Markgraftum Oberlausitz während der Jagiellonen-herrschaft (Studia Jagellonica Lipsiensia; 3), Ostfi ldern 2006, S. 27 – 34, hier S. 28. – PALACKÝ: Geschichte IV/2, S. 447. – Revers des Jaroslav von Sternberg für die oberlausitzischen Stände, ausgestellt am 13.6.1467; ARRAS, Paul: Regestenbeiträge zur Geschichte des Matthias I. Corvinus, Königs von Ungarn (1458 – 1490) und Titularkönigs von Böhmen (1469 – 1490), zusammengestellt auf Grund der Urkunden im Bautzener Stadtarchive, in: UJ 4, 1924, S. 186 – 213, hier S. 190 f.

und konig geben wirdit; und so wir mit einem cristlichen konige vorsorget sind und dem gehorsam gethan haben, danne so sal dise vorbintnis und voreynigunge crafftlos und machtlos und kein teil dem andern die furder zuhalden vorpfl icht sein ane geferde.44 Die niederlausitzischen Stände stellten sich mit dem Abschluss dieses Bündnisses nach dem Vorbild Schlesiens und der Oberlausitz zum ersten Mal öffentlich gegen ihren Herrscher und zeigten, dass sie bereit waren, ihr Land zu verteidigen und dessen Schicksal in die ei-genen Hände zu nehmen, bis ein neuer König gefunden war, der ihren – keineswegs auf die Religion beschränkten – Vorstellungen entsprach.45

Die Niederlausitz schloss sich dem Krieg gegen Georg von Podiebrad, der in Böhmen bereits im zweiten Viertel des Jahres 1467 aufgefl ammt war,46 faktisch erst im Spätsom-mer an, als ihre Truppen unter der Führung des Botho von Ileburg mit dem oberlausitzi-schen Heer nach Hoyerswerda zogen, das die Hochburg der immer noch zahlreichen An-hänger des böhmischen Königs in den beiden Lausitzen war. Hoyerswerda hielt dieses Mal zwar stand, fi el aber beim nächsten Angriff, der erneut mit Unterstützung der nie-derlausitzischen Truppen im Juni und Juli 1468 erfolgte.47 Neben diesen zwei Feldzügen nahmen die Niederlausitzer auf Befehl Kaiser Friedrichs III. auch an einer Intervention teil, die sich im Mai und Juni 1468 gegen Nordböhmen richtete und mit deren Organisa-tion außer Botho von Ileburg auch der Oberlausitzer Verwalter Jaroslav von Sternberg, der Verwalter von Schweidnitz-Jauer Ulrich von Hasenburg sowie der Glogauer Herzog Heinrich betraut waren.48 Diese militärische Operation dürfte der einzige bedeutendere Akt des Forster Bundes gewesen sein, der im Oktober 1467 von den Landesverwaltern der Ober- und Niederlausitz sowie dem Glogauer Herzog gegen König Georg geschlossen und Anfang November durch den Beitritt von mehr als zehn vornehmlich

niederlausitzi-44 MARKGRAF, Hermann (Hg.): Politische Correspondenz Breslaus im Zeitalter Georgs von Podieb-rad. Zugleich als urkundliche Belege zu Eschenloers Historia Wratislaviensis. Zweite Abtheilung 1463 – 1469 (Scriptores rerum Silesiacarum; 9), Breslau 1874 (weiter: SRS IX), S. 242 f., Nr. 373 (Anfang Juni 1467), hier S. 243. – Der erste Bund gegen Georg von Podiebrad entstand in Schlesien bereits im April 1458; SCHIECKE, Emil: Politische Geschichte von 1327 – 1526, in: PETRY, Ludwig;

MENZEL Josef Joachim; IRGANG, Winfried (Hg.): Geschichte Schlesiens, I, Von der Urzeit bis zum Jahre 1526, 5., durchges. Aufl ., Sigmaringen 1988, S. 157 – 237, hier S. 211 f.

45 Zu den nichtreligiösen Gründen des Widerstands gegen Georg von Podiebrad MACEK, Josef: Král Jiří a král Matyáš. Od přátelství k nepřátelství (1458 – 1469), in: ČMM 110, 1991, S. 297 – 311, hier S. 305 f.

46 Den sog. zweiten hussitischen Krieg in den Jahren 1467 – 1471 schilderten zuletzt FILIP, Václav;

BORCHARDT, Karl: Schlesien, Georg von Podiebrad und die römische Kurie (Wissenschaftliche Schriften des Vereins für Geschichte Schlesiens; 6), Würzburg 2005, S. 150 – 185; ČORNEJ/BART

-LOVÁ: Velké dějiny VI, S. 241 – 272.

47 KNOTHE, Hermann: Geschichte der Herrschaft Hoyerswerda bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, in:

ASG 10, 1872, S. 237 – 279, hier S. 264 – 267.

48 SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 284, 286 – 291, 295 f.. – LEHMANN: Geschichte der Niederlau-sitz, S. 88 f. – PALACKÝ: Geschichte IV/2, S. 445, 532 ff. – SRS IX, S. 261 f., Nr. 389 (14.3.1468), S. 270 f., Nr. 393 (23.4.1468).

schen Adligen und der Städte Luckau und Spremberg erweitert worden war.49 Über andere Feldzüge des Forster Bundes sind wir jedenfalls nicht informiert.

Nachdem auch der ungarische König Matthias Corvinus gegen Georg von Podiebrad aufgetreten war, ergriff die Niederlausitz für ihn Partei, da sie von ihm die Beendigung des Krieges und die Erneuerung der Einheit der Böhmischen Krone erwartete. Am Mitt-woch, dem 3. Mai 1469, wurde Matthias Corvinus in Olmütz (Olomouc) von der Her-renopposition zum böhmischen König gewählt und ernannte daraufhin neue Landesbe-amte aus den Reihen seiner treuesten Anhänger.50 In die Niederlausitzer Verhältnisse griff er offenbar erst Ende Mai während seines Aufenthalts in Breslau ein, als er den bisherigen Oberlausitzer Verwalter Jaroslav von Sternberg, den er bereits in Olmütz als Hauptmann bezeichnet hatte,51 zum Landvogt beider Lausitzen berief und Botho VIII. von Ileburg aus seinem Amt entließ; Botho wurde Ende Juni für seine treuen Dienste angemessen be-lohnt.52 Matthias Corvinus verband auf diese Weise in der Person des Jaroslav von Stern-berg die beiden Landvogteien der Ober- und der Niederlausitz zu einem Amt und deutete damit an, welche Richtung seine Politik in den neuerworbenen Ländern in der Folgezeit einschlagen sollte.53

In Breslau, wo Matthias am 26. Mai eingezogen war, kam es noch zu einem anderen wichtigen Ereignis.54 Nach Beratungen mit zwei päpstlichen Legaten und den kaiserli-chen Räten und auf Aufforderung der böhmiskaiserli-chen Herren huldigten die Breslauer dem neuen böhmischen König Matthias, und im Anschluss leisteten auch die schlesischen Fürsten, denen sich die ständischen Vertreter der Ober- und Niederlausitz mit gewissen Vorbehalten und Bedenken zugesellten, ihren Treueid. Offensichtlich wirkte hier nicht nur das Beispiel der Breslauer, die Matthias unerwartet schnell akzeptiert hatten, wenn wir bedenken, dass sie es länger als ein Jahrzehnt abgelehnt hatten, Georg von Podiebrad anzuerkennen, sondern auch die Drohgebärde des neuen Königs.55 Ein wichtigerer Grund

49 FRA II/20, S. 491 – 494, Nr. 423, hier bes. S. 492 (18. 10. u. 1.11.1467). – Inventarium, S. 282 f., Nr. 861. – SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 291 f.

50 ESCHENLOER, Peter (hg. v. Gunhild ROTH): Geschichte der Stadt Breslau, I-II, (Quellen und Darstel-lungen zur schlesischen Geschichte; 29/I-II), Münster/Berlin 2003 (weiter: ESCHENLOER), hier II, S. 795. – PALACKÝ: Geschichte IV/2, S. 587 f. – KALOUS, Antonín: Matyáš Korvín (1443 – 1490).

Uherský a český král, České Budějovice 2009, S. 135 – 139.

51 FRA II/20, S. 489 – 493, Nr. 489, hier S. 493 (8.5.1469).

52 ESCHENLOER II, S. 764, z. 18, bezeichnet Jaroslav von Sternberg bereits während Matthias’ Auf-enthalt in Breslau als „foyt in Obir- vnd Niderlusicz“, weshalb ich vermute, dass ihm das Amt bei dieser Gelegenheit übertragen wurde. – NEUMANN, Versuch II, S. 128 – 133. – LEHMANN: Die Land-vögte, S. 454.

53 KALOUS: Matyáš Korvín, S. 189 f.

54 Zu Matthias’ Aufenthalt in Breslau ČERNÝ, Vojtěch: Zklamané naděje. Pobyt Matyáše Korvína ve Vratislavi v roce 1469, in: DOLEŽALOVÁ, Eva; NOVOTNÝ, Robert; SOUKUP, Pavel (Hg.): Evropa a Čechy na konci středověku. Sborník příspěvků věnovaných Františku Šmahelovi, Praha 2004, S. 187 – 194.

55 ESCHENLOER II, S. 765 f. – PALACKÝ: Geschichte IV/2, S. 590. – GRÜNHAGEN, Colmar: Geschichte Schlesiens, I–II, Gotha 1884 – 1886, hier I, S. 323 f. – WENDT, H.: Die Stände des Fürstenthums Breslau im Kampfe mit König Matthias Corvinus, 1469 – 1490, in: ZVGAS 32, 1898, S. 157 – 179, hier S. 157 f. – SCHELTZ, Gesammt-Geschichte II, S. 302 f. – KNOTHE: Urkundliche Grundlagen,

für die schnelle Huldigung mag die Tatsache gewesen sein, dass sich die beiden Lausit-zen mit wachsender Selbstverständlichkeit zu ihrem Status als böhmische Kronländer be-kannten und dass sie gleichzeitig den Schutz der Böhmischen Krone benötigten, deren Fortbestand und Einheit sie unter der Herrschaft von König Matthias für gesichert hielten.

Nicht vergessen werden sollte auch, dass der sächsische und der brandenburgische Kur-fürst damals noch zu den Anhängern des Georg von Podiebrad zählten und die Gefahr ei-ner Abtrennung der Ober- und Niederlausitz vom Staatengebilde der Böhmischen Krone durch die Wettiner oder die Hohenzollern immer noch akut war, falls Matthias erfolglos bleiben und ein Machtvakuum entstehen sollte. Hier verfügten die Niederlausitzer über reiche Erfahrungen aus der jüngsten brandenburgischen Pfandherrschaft. Dass die Furcht vor einer Abtrennung der beiden Lausitzen zugunsten der mächtigen Nachbarn berechtigt war, beweist auch die Tatsache, dass der „Hussitenkönig“ nicht zögerte, die beiden Län-der im Januar 1470 seinen Verbündeten zu versprechen: die Oberlausitz den sächsischen Herzögen und die Niederlausitz dem brandenburgischen Markgrafen Albrecht Achilles, dem er allerdings auch das Egerland bzw. 60 000 Gulden in bar anbot. Georg wollte da-mit ihre Zustimmung für die Wahl des burgundischen Herzogs Karl des Kühnen zum rö-mischen König erreichen und zugleich verhindern, dass sein ungarischer Gegner die Kö-nigswürde erhielt – was schließlich gegenstandslos wurde.56

Seit Mai 1469 regierten in der Böhmischen Krone also zwei Herrscher, die den Titel des böhmischen Königs trugen. Der Krieg zwischen den beiden Fraktionen fl ammte nun voll auf und ging mit wechselnder Intensität auch nach dem Tod des „Hussitenkönigs“ im März 1471 weiter. Kurz zuvor hatte das Leben des Jaroslav von Sternberg einen bedeu-tenden Wendepunkt erreicht: Der Landvogt der beiden Lausitzen geriet nämlich mit dem oberlausitzischen Adel, der ihn des Hochmuts, der Herrschsucht und der Unfähigkeit be-zichtigte, in heftigen Streit. Zu den aufmerksamen Empfängern dieser Gravamina zählte der päpstliche Legat Rudolf von Rüdesheim, der sie an Matthias Corvinus weiterleitete.

Der ungarische und böhmische König, den zur gleichen Zeit Gerüchte über die machtpo-litischen Ambitionen von Jaroslavs Vater Zdenko von Sternberg beunruhigten, entschied sich, Jaroslav seines Amtes als Oberlausitzer Landvogt zu entheben und an seiner Stelle den Liegnitzer Herzog Friedrich I. zu berufen. Jaroslav bemühte sich auf dem ab Ende Januar 1471 in Görlitz abgehaltenen Landtag vergeblich um seine Verteidigung. Seine Worte fanden ebenso wenig Gehör wie die Stimmen des Adels aus dem Görlitzer Weich-bild oder des Hauptmanns Caspar von Nostitz, der auf das alte oberlausitzische Verbot

S. 297 f. – GRAWERT-MAY, Gernot von: Das staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens zu Polen, Böh-men und dem Reich während des Mittelalters (Anfang des 10. Jahrhunderts bis 1526) (Untersu-chungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte; N. F. 15), Aalen 1971, S. 154 f. – SCHIECKE: Politische Geschichte, S. 212 f., 216. – JÖRG K. HOENSCH: Matthias Corvinus. Diplomat, Feldherr und Mäzen, Graz/Wien/Köln 1998, S. 109.

56 EIBL: Die Lausitzen zwischen Böhmen, Brandenburg und Sachsen, S. 337. – PALACKÝ: Geschichte IV/2, S. 624 f. – FRA II/20, S. 616 – 619, Nr. 508 (Januar 1470). – ERMISCH, Hubert: Studien zur Geschichte der sächsisch-böhmischen Beziehungen in den Jahren 1468 bis 1471, in: NASGA 2, 1881, S. 1 – 49, hier S. 34 f. –VÁLKA, Josef: Matyáš Korvín a Česká koruna, in: ČMM 110, 1991, S. 313 – 323, hier bes. S. 318.

hinwies, einen Prälaten oder Fürsten zum Landvogt zu ernennen. So konnte Friedrich I.

von Liegnitz kurz nach dem Landtagsbeschluss vom 2. Februar 1471 am Tag des hl. Va-lentin, dem 14. Februar, in Bautzen als neuer Oberlausitzer Landvogt eingeführt werden und den anwesenden Ständen den vorgeschriebenen Eid leisten. Jaroslav von Sternberg blieb jedoch weiterhin Landvogt der Niederlausitz, wo er offenbar auf weniger Wider-stand stieß.57

Die kritische Situation zwischen Matthias Corvinus und dem Jagiellonen Wladis-law II. (1471 – 1516), der in Böhmen nach dem Tod Georgs von Podiebrad zum König ge-wählt worden war, entspannte sich wesentlich, nachdem die beiden Herrscher und Wla-dislaws Vater, der polnische König Kasimir IV., am 8. Dezember 1474 in Breslau einen Waffenstillstand geschlossen hatten.58 Die 26 Artikel dieses Abkommens bildeten die Ba-sis für einen Kompromiss zwischen den beiden böhmischen Königen, auf dessen end-gültige Vertragsfassung die Bewohner der Böhmischen Krone aber noch fast fünf Jahre warten mussten, während äußerst schwierige Verhandlungen um die Teilung aller fünf Kronländer geführt wurden. Noch Anfang 1475 schienen für Wladislaw II. neben ganz Böhmen auch beide Lausitzen und die schlesischen Herzogtümer Schweidnitz und Jauer greifbar, während Matthias lediglich Mähren und das restliche Schlesien behalten soll-te.59 Aber der am 21. Juli 1479 in Olmütz endlich unterzeichnete defi nitive Friedensver-trag folgte eher der realen Machtverteilung zwischen den beiden Herrschern: Nur ein sehr kleiner Teil der mährischen Adligen und Städte stand nämlich auf der Seite Wladis-laws II., und auch in Böhmen war der junge Jagiellone „nichts anderes als ein Herr über territoriale Fragmente“;60 daher mag es berechtigt gewesen sein, dass ihm im Olmützer Abkommen lediglich die Regierung im Hauptkronland zugesprochen wurde, während Matthias Mähren, Schlesien und beide Lausitzen erhielt. Wladislaw wurde jedoch zumin-dest für den Fall von Matthias’ Tod die Möglichkeit eingeräumt, diese Länder gegen die Zahlung von 400 000 ungarischen Gulden zurückzukaufen. Sollte Wladislaw früher ster-ben als Matthias, war eine erneute – und entgeltlose – Vereinigung von Mähren, Schle-sien und den beiden Lausitzen mit Böhmen vorgesehen. Beide Herrscher trugen den Titel des böhmischen Königs.61

57 FRA II/20, S. 640 ff., Nr. 529 f. (3.1.1471; 27.1. – 3.2.1471). – ARRAS: Regestenbeiträge zur Ge-schichte des Matthias I., S. 192 f. (14.2.1471). – NEUMANN: Versuch II, S. 129. – PALACKÝ: Ge-schichte IV/2, S. 652 ff. – SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 313. – KNOTHE: Urkundliche Grund-lagen, S. 308. – LEHMANN: Die Landvögte, S. 454. – HOENSCH: Matthias Corvinus, S. 115.

58 KRONTHAL, Berthold; WENDT, Heinrich (Hg.): Politische Correspondenz Breslaus im Zeitalter des Königs Matthias Corvinus. Erste Abtheilung 1469 – 1479 (Scriptores rerum Silesiacarum; 13), Bres-lau 1893 (weiter: SRS XIII), S. 166 – 175, Nr. 217. – ESCHENLOER II, S. 963 – 970. – Inventarium, S. 287 f., Nr. 879. – PALACKÝ: Geschichte V/1, S. 122 – 125. – MACEK: Jagellonský věk I, S. 289.

59 PALACKÝ: Geschichte V/1, S. 127 f.

60 MACEK: Jagellonský věk I, S. 282 (Zitat aus dem Tschechischen übersetzt).

61 GRÜNHAGEN, Colmar; MARKGRAF, Hermann (Hg.): Lehns- und Besitzurkunden Schlesiens und sei-ner einzelnen Fürstenthümer im Mittelalter, I–II, (Publicationen aus den k. preußischen Staatsar-chiven; 7, 16), Leipzig 1881 – 1883 (weiter: LBUS I–II), hier I, S. 21 – 29, Nr. 13 (21.7.1479). – In-ventarium, S. 295, Nr. 902. – KÄUFFER: Abriß II, S. 346 – 352. – SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 343 f. – GRÜNHAGEN: Geschichte Schlesiens I, S. 343 f. – PETRÁŇ, Josef: Stavovské království a

Mit der feierlichen Unterzeichnung des Friedensvertrags in Olmütz wurde der Krieg zwischen den beiden böhmischen Königen beendet und zugleich das Fundament für die weitere Entwicklung der böhmischen Länder im folgenden Jahrzehnt gelegt. Darüber hi-naus enthielt das Olmützer Abkommen aber bereits „Wladislaws Einstellung zur Böhmi-schen Krone nach 1490“.62 Die Verwirklichung des Friedensvertrags stieß gleich zu An-fang auf zahlreiche Schwierigkeiten. Für manche Bewohner Mährens, namentlich für die Bürger der königlichen Stadt Ungarisch Hradisch (Uherské Hradiště), war es nicht leicht, von einem Tag zum anderen auf die Seite des Matthias Corvinus zu wechseln, gegen den sie tapfer gekämpft und über ein Jahrzehnt Widerstand geleistet hatten.63

In den anderen Ländern der Böhmischen Krone war die Lage nicht wesentlich ein-facher. Die ober- und die niederschlesischen Stände erkannten den Friedensvertrag zwar formal sofort an,64 aber im Vergleich zu 1469 waren sie nur sehr zögernd bereit, die ver-langte Huldigung zu leisten. Selbst Wladislaws Versicherung, die Huldigung gegenüber König Matthias bedeute keine Verletzung ihrer alten Rechte und Privilegien und die Ein-heit der Böhmischen Krone bleibe weiterhin unantastbar, erschien ihnen nicht wirklich überzeugend.65

Gerade mit dem letztgenannten Punkt hatten auch die oberlausitzischen Stände, die bis zum Oktober 1479 die Leistung des Treueides verweigerten und das Olmützer Ab-kommen nie unterzeichneten, ihre Schwierigkeiten.66 In der Oberlausitz spielte

Gerade mit dem letztgenannten Punkt hatten auch die oberlausitzischen Stände, die bis zum Oktober 1479 die Leistung des Treueides verweigerten und das Olmützer Ab-kommen nie unterzeichneten, ihre Schwierigkeiten.66 In der Oberlausitz spielte