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Der Tyrnauer Urteilsspruch ist die letzte bekannte Urkunde, in der Georg von Schellen-berg noch als Landvogt der Niederlausitz erwähnt wird. Ein Teil der älteren Literatur vermutete, dass er bald nach der Ausstellung der Urkunde, d. h. nach dem 13. Dezember 1508, verstorben sei und so den Platz für seinen Nachfolger freigemacht habe. Für diese Hypothese könnte vor allem das fast gleichzeitige Verstummen der Quellen in der Nie-derlausitz und in Böhmen sprechen.120 Trotzdem ist gewiss, dass Georg von Schellenberg nicht starb, sondern sich auf seine schlesischen Güter zurückzog, mit deren Verwaltung er sich in den nächsten Jahren intensiv beschäftigte.121 Manchmal griff er noch in die An-gelegenheiten der Oberlausitz ein.122 Er hielt sich überwiegend auf der Burg Cvilín oder Lobenstein unweit von Jägerndorf (Krnov) auf, die er kostspielig umbaute. Sie sollte ihm in den nächsten fünfzehn Jahren als Hauptresidenz dienen, wofür auch die Tatsache spricht, dass man für sie neben den beiden genannten Bezeichnungen auch den Namen Schellenberg bzw. Schellenburg (Šelenburk) verwendete.123 1523 war Georg von Schel-lenberg jedoch gezwungen, die Burg zusammen mit allen schlesischen Herrschaften an den brandenburgischen Markgrafen Georg den Frommen für 58 900 ungarische Dukaten zu verkaufen; der Betrag wurde hauptsächlich zur Begleichung von Schulden

verwen-118 KNOTHE: Grundlagen, S. 374 f.

119 JESERICH, Kurt G. A.; POHL, Hans; UNRUH, Georg-Christoph von (Hg.): Deutsche Verwaltungsge-schichte, I, Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, Stuttgart 1983, S. 133.

120 NEUMANN: Versuch II, S. 181. – d‘ELVERT: Verfassung, S. 48. – OSN XXIV, S. 580.

121 LBUS II, S. 541, Nr. 90 (20.2.1511). – CDS VI, S. 159 f., Nr. 475 (15.4.1511). – HIRSCH: Nachrich-ten, S. 195 (1517). – BIERMANN: Geschichte, S. 316 (30.9.1520).

122 Scriptores rerum Lusaticarum. Sammlung Ober- und Niederlausitzischer Geschichtsschreiber, N.

F., I–IV, Görlitz 1839 – 1870, hier III, S. 23, Nr. 10 (8.7.1510). – Georg von Schellenberg ist auch auf Schuldverschreibungen vom 16. und 27.5.1510 belegt, an denen sich in beiden Fällen an dritter Stelle sein an einem Pergamentstreifen aufgehängtes Siegel befi ndet, vgl. NA Prag, ČG, Sign. L II 499, 498.

123 KOUŘIL, Pavel; PRIX, Dalibor; WIHODA, Martin: Hrady českého Slezska, Brno/Opava 2000, S. 38 – 70.

det.124 Schellenberg blieb jedoch in Schlesien und zog vermutlich mit seinen Kindern, von denen die Söhne Georg, Johann und Jaroslaus namentlich bekannt sind,125 nach Troppau (Opava), wo er am 4. März 1526 verstarb, wie Johann Stoß von Kaunitz und Dorfteschen (Jan Štos z Kounic a z Deštného) in Prag am Abend des 12. März berichtete.126 Nach Georgs Tod war offensichtlich keiner seiner Söhne daran interessiert, „in diesem König-reich ansässig zu werden“,127 und daher verstummen zu den Angehörigen dieses Zweigs der Schellenberger nun defi nitiv alle böhmischen Quellen.

Georg von Schellenbergs Abgang auf seine schlesischen Herrschaften erklärt aller-dings nicht überzeugend, warum er das Amt des Niederlausitzer Landvogts aufgegeben hatte. Es ist unwahrscheinlich, dass er dies nur tat, um sich der Verwaltung des Famili-enbesitzes widmen zu können, obwohl ein solches Handeln im Zusammenhang mit dem Tod Johann von Schellenbergs und der anschließenden Aufteilung seines Besitzes unter die Söhne Georg, Jaroslaus (1480 – 1550) und Heinrich (*1487) nicht ganz ausgeschlos-sen werden kann. Denn auch nach Johanns Tod im Jahr 1508 konnten sich die Schellen-berger nicht über die mangelnde Gunst der Jagiellonenkönige beklagen. Nur wenige Jahre später wurde Jaroslaus von Schellenberg (Jaroslav ze Šelmberka) ebenso wie zuvor sein verstorbener Vater zum Oberstkämmerer ernannt und bekleidete dieses Amt mit einer kur-zen Unterbrechung nach dem Umsturz in der Landesregierung im Jahr 1523 länger als drei Jahrzehnte (1515 – 1523, 1525 – 1549).128 In Georgs Fall ist es jedoch auch denkbar, dass er vom Amt des Landvogts abberufen wurde und seine Entlassung eng mit den Er-eignissen zusammenhing, zu denen es damals in Böhmen kam.

Durch den Tod Heinrichs IV. von Neuhaus und Johann von Schellenbergs verwais-ten innerhalb weniger Monate zwei der obersverwais-ten Landesämter, die 1508 neu besetzt wer-den mussten. Obwohl erwartet wurde, dass der bisherige Kanzler Albrecht von Kolo-wrat auf Liebenstein das Amt des Oberstburggrafen übernehmen werde, erhielt es der Neffe der früheren Königin Johanna, Zdeněk Lev von Rožmitál, der seit dem Tod seines Schwiegervaters Botho Schwihau von Riesenburg im Jahr 1504 Oberstlandrichter war.

Der Grund für seine Ernennung war simpel: Kurz vor der Einführung in sein neues Amt war er Hauptgläubiger Wladislaws II. geworden. Im Sommer 1508 konnte Zdeněk Lev von Rožmitál dann während des St. Jakobs-Landtags zulasten Kolowrats praktisch die

124 LBUS II, S. 547 – 549, Nr. 97 (14.5.1523). – SCHELTZ: Gesamt-Geschichte II, S. 415. – BIERMANN: Geschichte, S. 316. – GRÜNHAGEN: Geschichte I, S. 388. – SEIDL: Land, S. 53. – WEBER: Verhältnis, S. 190. – BEIN: Schlesien, S. 75. – HOSÁK, Ladislav: Historický místopis země Moravsko-slezské, Praha 1938, S. 816.

125 OSN XXVI, S. 580.

126 DVORSKÝ, František (Hg.): Dopisy pana Zdeňka Lva z Rožmitála z let 1508 – 1535, in: AČ VII, Praha 1887, S. 1 – 200, Nr. 1 – 210; AČ VIII, Praha 1888, S. 161 – 320, Nr. 211 – 431; AČ IX, Praha 1889, S. 1 – 120, Nr. 432 – 600; AČ X, Praha 1890, S. 121 – 240, Nr. 601 – 774; AČ XI, Praha 1892, S. 1 – 120, Nr. 775 – 967; AČ XII, Praha 1893, S. 112 – 189, Nr. 968 – 1091, hier AČ IX, S. 15 f., Nr. 456 (13.3.1526).

127 DVORSKÝ: Dopisy, AČ IX, S. 35 ff., Nr. 466 (18.3.1526), hier S. 36 (Zitat aus dem Tschechischen übersetzt).

128 PALACKÝ, František: Přehled současný nejvyšších důstojníků a úředníků, in: CHARVÁT, Jaroslav (Hg.): Dílo Františka Palackého, I, Praha 1941, S. 321 – 417, S. 364. – OSN XXIV, S. 580.

gesamte Exekutivmacht im böhmischen Königreich an sich ziehen und in diesem Zusam-menhang auch das Recht einer beratenden Stimme bei der Besetzung der Landesämter für sich in Anspruch nehmen.129 Sein Einfl uss wuchs daher ungewöhnlich an, und man darf sich nicht wundern, dass er ihn auch für den Gemahl seiner Schwester Katharina, Hrich Tunkel von Brünnles und Hohenstadt (Jindřich Tunkl z Brníčka a ze Zábřeha), ein-setzte. Tunkel löste nach dem 10. Januar 1509 Georg von Schellenberg im Amt des Nie-derlausitzer Landvogts ab.130

Die ersten Angehörigen der Familie Tunkel waren erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts aus dem schlesischen Jägerndorf nach Nordmähren gekommen. Der ältete bekannte Vor-fahr war Johann Tunkel von Drahanowitz (Jan Tunkl z Drahanovic), der sich nach den ge-kauften Gütern „von Brünnles und Hohenstadt“ zu schreiben begann.131 Seine Söhne Jo-hann und Georg erweiterten die bestehende Herrschaft erheblich – vor allem zulasten von Kirchengütern – und bemühten sich zugleich um die Aufnahme in den Herrenstand. Bei dem Versuch, ihre Position zu verbessern, stießen sie wiederholt auf den Widerstand der alten mährischen Herrengeschlechter, die Georg und seinen mit Kunigunde von Cimburg (Kunhuta z Cimburka) zu einem unbekannten Zeitpunkt empfangenen Sohn Heinrich im September 1480 auf Fürsprache König Matthias’ und „aus ihrem guten Willen“ nur sehr ungern, wenn auch „aus guten Gründen“ in ihre Reihen aufnahmen.132 Politisch neigten die Herren mit dem Wappen des Silberkarpfens im blauen Feld immer der Partei zu, von der sie sich die größten Vorteile versprachen. Zunächst unterstützten sie die Hussiten und König Georg von Podiebrad, später standen sie auf der Seite des Matthias Corvinus.133 Nach dessen Tod setzten sie sich für Wladislaw II. als Herrscher in allen Ländern der

129 PALACKÝ: Geschichte V/2, S. 135 f., 155 – 158. – TOMEK: Dějepis X, S. 233, 242, 250 f. – PETRÁŇ: Stavovské království, S. 41 f. – EBERHARD, Winfried: Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478 – 1530 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 38), München/Wien 1981, S. 92 f. – ČORNEJ/BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 530 f. – St. Jakobs-Vertrag abgedruckt in F. PALACKÝ (Hg.), Akta weřejná i sněmovní w králowstwí Českém od r. 1500 do 1509, S. 386 – 391, Nr. 93.

130 HOSÁK: Historický místopis, S. 571. – LEHMANN: Die Landvögte, S. 459. – MACEK: Jagellonský věk II, S. 139. – In einer Urkunde vom 10.1.1509 wird Georg von Schellenberg immer noch als fojt Země lužické [Vogt des Lausitzer Landes] bezeichnet: NA Prag, ČG, Sign. L II 485.

131 Über den Erwerb von Brünnles und die Bedeutung dieser Burg für die Familie Tunkel vgl. HOSÁK, Ladislav: Hrad Brníčko na Zábřežsku, in: SMr 24, 1972, S. 19 – 24, hier S. 21 ff. – UNGER, Josef:

K stavebnímu vývoji hradu Brníčko, in: SMr 39, 1980, S. 57 – 60, hier S. 57 f. – Zu Hohenstadt vgl.

FALZ, Leopold: Dějiny města Zábřeha od nejstarších časů do roku 1900, Praha 2003, S. 21 – 32.

132 PALACKÝ (Hg.): Akta weřejná i sněmovní w králowstwí Českém od r. 1466 do 1500, S. 399 – 402, Nr. 20: z své dobré vůle / z příčin hodných. – KALINA, Tomáš (Hg.): Moravské zemské desky, II, Kraj brněnský 1480 – 1566, Praha 1950 (weiter: MZD II), S. 3 ff., Nr. 2 (4.9.1480), hier S. 5. Aus dem Eintrag wird deutlich, dass Georg Tunkel erstmals bereits von Georg von Podiebrad in den Herrenstand aufgenommen worden war.

133 d’ ELVERT, Christian: Zur m.-schl. Adelsgeschichte. XVI. Die Freiherren Tunkel von Hausbrunn und Hohenstadt, in: Notizen-Blatt der historisch-statistischen Section der k. k. mähr.-schles. Gesell-schaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde, Brünn 1868, S. 9 – 14, hier S. 9 – 12. – MEDEK, Václav: Tunklové na severní Moravě, in: SMr 2, 1957, S. 33 – 39, hier S. 33 f. – HOSÁK, Ladislav: Hospodářské poměry na panství Zábřežském v druhé polovině 15. století, in: SMr 5, 1960, S. 9 – 17, SMr 6, 1961, S. 36 – 46, hier SMr 5, S. 10 ff., 15 ff. – BŘEZINA, Jan: Zábřežsko v období feudalismu do roku 1848, Ostrava 1963, S. 79, 83, 85, 123 f.

Böhmischen Krone ein, wobei sie auch erreichten, dass im Juni 1490 einer der gemein-samen Landtage der Mährer und Schlesier in der den Tunkel verpfändeten königlichen Stadt Mährisch Schönberg stattfand;134 „wohingegen unter anderen […] bei diesem Tag auch der edle Georg Tunkel d. Ä. von Brünnles und Hohenstadt und sein Sohn Heinrich, unsere lieben Getreuen, anwesend waren“, wie sich der Jagiellonenkönig ein Jahr später in einem seiner Majestätsbriefe erinnerte.135

Inspiriert durch die Pernsteiner, die Tobischau von Cimburg und vielleicht auch durch andere adlige Unternehmer, legte Heinrichs Vater Georg Tunkel in den 1480er Jahren auf seinen Herrschaften Teiche an und widmete sich auch anderen wirtschaftlichen Ak-tivitäten, unter denen vor allem die Eisenverhüttung und die damit eng zusammenhän-gende Forstwirtschaft von großer Bedeutung waren. Bei der Anlage der Teiche und der Bewirtschaftung der Meierhöfe ließ er die Untertanen für sich arbeiten, zu denen er sich sehr grausam verhielt.136 Ähnlich unbarmherzig ging er auch mit den Schönberger Bür-gern um, deren Privilegien er ignorierte, während seine Ansprüche an sie ständig stiegen.

Die zunehmenden Pfl ichten und die wachsende Unterdrückung der Untertanen, die zu deren Massenfl ucht in die Berge oder auf andere Herrschaften führte, gipfelte wohl im Januar 1494 in einem Aufstand.137 In dessen Verlauf hatten die Schönberger „wegen un-gerechter Belastungen und auferlegter nicht verpfl ichtender Roboten den Herrn Tunkel, ihren Herrn, niedergeschlagen, verletzt, verprügelt, fast erschlagen, sodass er sich von diesen Prügeln nicht mehr erholte und verstarb“, wie Viktorin Kornel von Všehrdy 1496 im vierten der neun Bücher seines Werks O praviech země české vermerkte;138 ein Jahr-zehnt später, im Jahr 1508, hielt er es in der Neuausgabe für angebracht, den Namen des mährischen Herrn nicht mehr zu erwähnen.139 Noch vor Georg Tunkels Tod hatte dessen Sohn Heinrich die stark verschuldete Herrschaft Hohenstadt übernommen, aber er konnte

134 LBUS I, S. 36 ff., Nr. 22 (4.6.1490).

135 EMLER, Josef (Hg.): Výpisy z českých původních listin c. k. veřejné knihovny Pražské (1477 – 1526), in: AČ VIII, Praha 1888, S. 481 – 566, Nr. 115 – 239, hier S. 509 f., Nr. 153 (1.8.1491): Kdežto mezi jinými […] byli jsú také na tom sjezdu urozený Jiřík Tunkl starší z Brníčka a z Zábřeha a Jindřich, syn jeho, věrní naši milí.

136 HOSÁK: Hospodářské poměry, SMr 6, S. 37 – 41, 45 f. – FALZ: Dějiny města Zábřeha, S. 21 – 28. – MACEK, Jagellonský věk IV, S. 101, 123 f

137 ŠVÁBENSKÝ, Mojmír: Prameny ke vzbouření Šumperských proti Tunklům koncem 15. století, in:

SMr 39, 1980, S. 13 – 19, polemisiert mit der älteren Literatur, die sich auf die Feststellungen von Franz Palacky stützt (PALACKÝ: Geschichte V/1, S. 435), und stellt die überzeugende Hypothese auf, dass es sich nicht um einen Aufstand der Hohenstadter Bauern, sondern der Schönberger Bürger handelte, und dass der Angriff auf Georg Tunkel sich vermutlich im Januar 1494 und nicht im Jahr 1496 oder vor Ostern 1491 abspielte (HOSÁK: Hospodářské poměry, SMr 6, S. 46).

138 VŠEHRD: O práviech země české, S. 165: Pro nespravedlivá obtieženie a roboty nepovinné zdvihśe se pana Tunkle pána svého jsú porazili, zranili, zbili, bez mála zabili, tak že jest vždy od toho zbití nevstávaje umřel. – Diese Passage zitierte bereits PALACKÝ: Geschichte V/1, S. 435, der zugleich in Anm. 340 darauf hinwies, dass in der Handschrift NK ČR, Sign. XVII C 31, f. 60 – 61, die Glosse eines Zeitgenossen von Kornel hinzugefügt wurde, wonach sich das betreffende Geschehen in Mährisch Schönberg abspielte, was die in der vorigen Anmerkung vorgestellte Hypothese Mojmír Švábenskýs zu bestätigen scheint.

139 VŠEHRD: O práviech země české, S. 169, Z. 132 – 135. – MACEK: Jagellonský věk IV, S. 162.

die unerfreuliche fi nanzielle Situation nicht ändern und sah sich 1508 gezwungen, alle mährischen Güter an den reichen Ritter Nikolaus Trczka d. J. von Leipa (Mikuláš Trčka ml. z Lípy) zu verkaufen.140 Damals hielt er sich allerdings kaum noch auf der Herrschaft Hohenstadt auf, da er sich schon längere Zeit erfolgreich auf seine Prager Karriere in den Diensten des Herrschers konzentriert hatte.

Heinrich Tunkel von Brünnles und Hohenstadt nahm spätestens seit 1480 am öffent-lichen Leben teil, als er – damals bereits mündig – seinen Vater Georg in einem Gerichts-streit mit Martin von Galtschitz und Dubtschan (Martin z Galčic a Dubčan) vertrat.141 1492 war er bei den Verhandlungen über die Besetzung des mährischen Landgerichts in Ofen anwesend, wo er zugleich als letzter Beisitzer aus dem Herrenstand ausgewählt wur-de.142 Aus diesem Grund nahm er auch um die Jahrhundertwende wiederholt an den Sit-zungen des Landgerichts in Brünn (Brno) teil.143 Zdeněk Lev von Rožmitál bot wohl nach seiner Ernennung zum Oberstburggrafen dem Schwager das Amt des Prager Burggrafen bzw. in der älteren Terminologie des Vize-Burggrafen an, das Heinrich Tunkel auch be-reitwillig akzeptierte. In dieser Funktion war er der engste Mitarbeiter des Oberstburg-grafen und hatte neben anderen Pfl ichten bei den Sitzungen des Landgerichts „im Fenster zu stehen, Schriftstücke der Parteien nach oben zu reichen und den Menschen zuzurufen, dass sie schweigen und nicht im Weg stehen sollten“.144 Weiter saß er dem Gericht des Prager Burggrafen vor und stand an der Spitze des niederen Prager Gerichtshofs,145 in dem „niedere Beamte saßen, die über kleinere Streitigkeiten urteilten, nämlich mit einem Schaden von zehn Pfund Silber und einer Schuld von zehn Schock Groschen, über Men-schen und entlaufenes Gesinde, und nichts, was mehr oder höher wäre“.146

Gemeinsam mit seinem etwas jüngeren Vorgesetzten und Schwager Zdeněk Lev von Rožmitál wurde Heinrich Tunkel von Brünnles und Hohenstadt am 21. Mai 1508 mit der Verwaltung der Prager Juden betraut.147 Wahrscheinlich war er auch an den politischen Verhandlungen auf dem St. Jakobs-Landtag beteiligt und spielte möglicherweise in der Gesandtschaft eine Rolle, die Ende 1508 zu Wladislaw II. nach Ungarn geschickt wurde.

Der böhmische König stand nämlich vor dem Aufbruch nach Prag, wo am 11. März 1509 die Krönung seines Sohnes und Nachfolgers Ludwig stattfi nden sollte. Obwohl es sich um eine nicht in den Quellen nachweisbare Hypothese handelt, lässt sich durchaus

ver-140 MEDEK: Tunklové, S. 37. – BŘEZINA: Zábřežsko, S. 87 f. – HOSÁK: Hospodářské poměry, SMr 5, S. 14 f.

141 BŘEZINA: Zábřežsko, S. 87.

142 KAMENÍČEK (Hg.): Jednání, S. 306 – 311, Nr. 68 (1.12.1492).

143 KALINA: Moravské zemské desky, S. 90, Nr. 62 (11.3.1498); S. 108, Nr. 155 (13.9.1501); S. 109, Nr. 160 (21.2.1502); S. 111, Nr. 171 (11.9.1503); S. 113, Nr. 187 (15.9.1504); S. 119 f., Nr. 218 (8.3.1506). – BŘEZINA: Zábřežsko, S. 87.

144 VŠEHRD: O práviech země české, S. 34, Z. 74 ff.: Státi v okně, listóv nahoru od stran podávati a volati na lidi, aby mlčeli a nepřekáželi.

145 VŠEHRD: O práviech země české, S. 30, Z. 18; S. 160, Z. 32 f.; S. 161, Z. 47 f.

146 VŠEHRD: O práviech země české, S. 29, Z. 4 ff.: Úředníci menší sedajíce, súdie pře menšie, totižto o deset hřiven striebra škody a dluh o deset kop grošóv, o lidi a o čeleď zběhlú, a viece ani výše nic.

147 NA Prag, LŽ, Sign. III 17/14, f. 9r. – PALACKÝ: Geschichte V/2, S. 141. – ČORNEJ/BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 531.

muten, dass es erst im Verlauf der wichtigen Verhandlungen, die auf die Salbung des nicht einmal 4-jährigen Jagiellonenprinzen zum böhmischen König folgten,148 auch zur Abset-zung bzw. zum Rückzug Georg von Schellenbergs vom Amt des Niederlausitzer Land-vogts und zur anschließenden Ernennung des Prager Burggrafen Heinrich Tunkel kam.149 Wladislaw II. befasste sich damals nachweislich mit niederlausitzischen Angelegenhei-ten, denn am 27. März 1509 erlaubte er der Stadt Lübben wegen der großen, durch einen vernichtenden Brand erlittenen Schäden, neben dem St. Michaelsmarkt noch einen wei-teren Jahrmarkt abzuhalten, der am Freitag nach Christi Himmelfahrt eröffnet werden sollte.150

Getreu dem Tyrnauer Urteilsspruch legte Heinrich Tunkel von Brünnles und Hohen-stadt wohl am 20. April 1509 gegenüber den niederlausitzischen Ständen den sogenann-ten Revers ab, dessen Wortlaut nicht überliefert ist,151 und nahm danach seine Aufgaben in Angriff. Den Erwerb des Landvogtamtes durfte er als großen Erfolg ansehen, der ihm trotz seiner unzweifelhaften Fähigkeiten, der Bilingualität im Tschechischen und Deut-schen152 und der Loyalität gegenüber Wladislaw II. ohne Rožmitáls Fürsprache wohl nie gelungen wäre. Der Oberstburggraf hatte Heinrich Tunkel keinesfalls in die Niederlau-sitz geschickt, um sich seiner zu entledigen. Die enge Zusammenarbeit der beiden Män-ner vertiefte sich weiter, als Wladislaw II. mit eiMän-ner am 18. September 1512 in Ofen ge-siegelten Urkunde Zdeněk Lev von Rožmitál die Oberverwaltung über die königlichen Einkünfte und Schulden sowie das Recht zur Ernennung und Entlassung der Beamten einschließlich des Kuttenberger Münzmeisters garantierte,153 den nach einer 1497 mit den Ständen getroffenen Absprache und der Wladislaw’schen Landesordnung von 1500 nur der Herrscher selbst auswählen durfte.154 Diese Privilegien nutzte der Oberstburg-graf kurze Zeit später aus und setzte im Februar 1513 Heinrich Tunkel statt Johann von

148 Zum historischen Hintergrund vgl. PALACKÝ: Geschichte V/2, S. 161 – 168. – TOMEK: Dějepis X, S. 258, 265 – 269.

149 Die Möglichkeit, dass Georg von Schellenberg bis Anfang 1509 im Amt blieb, gesteht auch LEH

-MANN: Materialien, S. 125, zu.

150 Inventarium, S. 326, Nr. 1015. – UB Lübben III, S. 218 f., Nr. 224.

151 MANLIUS: Commentariorum rerum Lusaticarum libri VII, Liber VI, Caput CXXVI, p. 407, § IX. – NEUMANN: Versuch II, S. 184. – LEHMANN: Materialien, S. 127. – LEHMANN: Die Landvögte, S. 459.

152 Hohenstadt gehörte zu Lebzeiten des Heinrich Tunkel von Brünnles zu den Regionen mit überwie-gend deutscher Bevölkerung, vgl. MACEK: Jagellonský věk IV, S. 177. – Zur Sprachenfrage an der Schwelle der Frühen Neuzeit anregend BŮŽEK, Václav: Zum tschechisch-deutschen Bilinguismus in den böhmischen und österreichischen Ländern in der frühen Neuzeit, in: ÖO 35, 1993, S. 577 – 589, bes. S. 584 – 588.

153 PALACKÝ: Geschichte V/2, S. 233. – TOMEK: Dějepis X, S. 314.

154 PALACKÝ: Akta weřejná i sněmovní w králowstwí Českém od r. 1466 do 1500, S. 465 – 477, Nr. 51 (17.5.1497, Zitat S. 467): Item což se mincmeistrstwí dotýče, to sme sobě i swým budaucím králuom Českým w wuoli a w moci nechali, z těch tří stawuow panského, rytířského a městského jej dáti, komužby se nám zdálo a líbilo osobě, a tu osobu abychom mohli změniti a jinú na to wsaditi, kdyžby se nám líbilo [Was das Amt des Münzmeisters anbelangt, überlasse ich es dem Willen und der Macht unserer eigenen Person und der künftigen böhmischen Könige, das Amt einer Person aus den drei Ständen der Herren, Ritter und Städte zu verleihen und diese Person auszutauschen und durch eine andere zu ersetzen, wann immer es uns beliebt.]. – DERS. (Hg.): Zřízení zemské království Českého za krále Wladislava r. 1500 vydané, in: AČ V, Praha 1862, S. 5 – 266, hier S. 127, Art. 229.

Pottenstein auf Sandbach (Jan z Potenštejna na Žampachu) zum obersten Münzmeister des böhmischen Königreichs ein, in dessen Kompetenz die Verwaltung der Silber- und Goldminen sowie der Erträge aus der Münzprägung – also der einträglichsten königli-chen Renten – fi elen. Heinrich Tunkel bekleidete dieses Amt mit zwei Unterbrechun-gen, die auf machtpolitische, auch Zdeněk Lev von Rožmitál betreffende Schachzüge zurückgingen, knappe zehn Jahre lang (1513 – 1515, 1522 – 1523, 1525 – 1527) und fand in dieser Zeit genügend Gelegenheiten zur eigenen Bereicherung.155 Die Entwertung des Görlitzer Pfennigs, über die sich 1515 auch der Rat der niederlausitzischen Stadt Luckau beschwerte,156 soll ihm einige hundert Schock böhmischer Groschen eingebracht haben.157

Das gute Verhältnis zwischen Heinrich Tunkel von Brünnles und Zdeněk Lev von Rožmitál, das für Tunkels Karriere von so grundsätzlicher Bedeutung war, belegen nicht allein die von ihnen besetzten Ämter. Es deutet sich auch darin an, dass der Oberstburg-graf den Niederlausitzer Landvogt in die Gruppe seiner „Herren und Freunde“ aufnahm,158 und dass die beiden Männer während der Jahre einen persönlichen Briefwechsel führten – obwohl sie weniger Briefe austauschten, als wir uns wünschen mögen. So beklagte sich Zdeněk Lev von Rožmitál im Januar 1526 bei Heinrich Tunkel: „Wenn ich nicht so be-schäftigt wäre, würde ich Ihnen mehr schreiben, bevor ich heute in Gottes Namen von hier [aus Prag] nach Hause [nach Blatna] aufbreche; denn wenn es nicht der Wille Got-tes ist, würde ich noch ungern für die Gemeinschaft sterben; denn dem Vieh ist auferlegt am siebten Tag zu ruhen, aber ich schaffe nicht einmal den zehnten oder zwanzigsten Tag zum Ausruhen.“159

Die Unterstützung durch Zdeněk Lev von Rožmitál war zumindest in der

Die Unterstützung durch Zdeněk Lev von Rožmitál war zumindest in der