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Albrecht Schlick hatte als Landvogt und damit als Vertreter Ferdinands I. in der Nieder-lausitz neben den bisher erwähnten noch eine Reihe weiterer Aufgaben. In Vertretung des böhmischen Königs war er der oberste Vormund und Beschützer aller Witwen und Waisen und wurde manchmal mit der Lösung kirchlicher Probleme beauftragt, die sich aus dem Vordringen der Reformation ergaben.305 Außerdem war ihm die Verteidigung des Lan-des gegen äußere Feinde und die Einberufung Lan-des LanLan-desheers anvertraut, das sich bei Luckau, Lübben, Guben oder Spremberg versammelte. Wehrpfl ichtig waren die Vasallen des Königs und die landesherrlichen Städte.306 Die Musterung beaufsichtigte entweder der Landvogt persönlich oder sein Kanzler bzw. eine andere damit beauftragte Person.

Über ihren Verlauf wurden sorgfältige Protokolle in besonderen Registern geführt, die bei Bedarf abgeschrieben und dem Herrscher geschickt werden konnten. Die ersten sehr unvollständigen Verzeichnisse haben sich für den 19. April 1520 erhalten,307 die ältesten kompletten Register stammen vom 28. September 1528, als das Landesheer wohl wegen der Unruhen einberufen wurde, die Nickel von Minkwitz in der Niederlausitz heraufbe-schworen hatte.308 Für die Amtszeit Albrecht Schlicks stehen die Musterungsregister der Jahre 1546 und 1554 zur Verfügung;309 das erste dieser Register hängt mit dem Schmal-kaldischen Krieg zusammen, der in der Geschichte der Niederlausitz einen derart bedeu-tenden Meilenstein bildet, dass man ihn nicht einfach übergehen kann.

Das Kriegsgeschehen der Jahre 1546 bis 1547 war in der Niederlausitz eng mit den Ereignissen verknüpft, die einige Jahre zuvor das Zisterzienserkloster Dobrilugk betroffen hatten. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bemühten sich die Wettiner, die sich 1485 in eine ernestinische und eine albertinische Linie gespalten hatten, ähnlich wie in den Jahrhunderten zuvor um die Annexion zumindest eines Teils der Niederlausitz. Nach jahr-zehntelangen Vorbereitungen besetzte Kurfürst Johann Friedrich aus der ernestinischen

304 LEHMANN (Hg.): Quellen II, Verweise nach Register. – DERS. (Hg.): Die Urkunden des Gubener Stadtarchivs, S. 82 – 83, Nr. 182. – DERS.: Übersicht, S. 216, Nr. 385 – 386 (18.7.1544 und 4.2.1545);

S. 223 – 228, Nr. 400 – 406 (15. 5., 4. und 22. 7., 19. und 20. 9., 24. und 26.11.1554).

305 NA v Praze, RG 25, f. 189v–190r (28.10.1542); RG 52, f. 54 (31.1.1555); RG 33, f. 213v (21.11.1545); RG 40, f. 37 – 38r (10.3.1547). – JOCKSCH-POPPE: Die historischen Grundlagen, S. 210 – 212.

306 JOCKSCH-POPPE: Die Kriegsverfassung, S. 243. – DERS.: Die historischen Grundlagen, S. 207 f.

307 NA v Praze, LŽ, Sign. III 7/13. – UB Lübben III, S. 252, Nr. 258a.

308 BLHA Potsdam, Rep. 17 A Landvogtei der Niederlausitz, Nr. 26, f. 11 – 25. – LEHMANN: Geschichte der Niederlausitz, S. 128 und 168. – CLAUSNITZER: Versammlungen, S. 172.

309 BLHA Potsdam, Rep. 17 A Landvogtei der Niederlausitz, Nr. 26, f. 1 – 9 und 38 – 41. – LEHMANN: Geschichte der Niederlausitz, S. 173. – JOCKSCH-POPPE: Die Kriegsverfassung, S. 243 f., erwähnt noch eine Musterung vom 10. bis 15. März 1546 in Guben. – Eine weitere Musterung sollte am 3. Februar 1548 stattfi nden; NA v Praze, LŽ, Sign. III 7/13 (4.1.1548).

Linie im August 1541 das gerade erwähnte Kloster Dobrilugk. Für sein Handeln hatte er mindestens drei triftige Gründe: Erstens sah er darin einen Ausgleich für die langfristi-gen fi nanziellen Forderungen, die er gegen die Habsburger hatte; zweitens verstand er das Kloster als Entschädigung für einige zwar auf böhmischem Territorium liegende Dörfer, die jedoch zum damals bereits säkularisierten sächsischen Kloster Grünhain bei Schwar-zenberg gehörten und 1536 von Albrecht Schlick auf Wunsch Ferdinands I. beschlag-nahmt worden waren; und drittens wollte er nicht zuletzt verhindern, dass das reiche, von der Reformationsbewegung erfasste Kloster in die Hände des böhmischen Königs geriet.

Die Besetzung von Dobrilugk stieß in Böhmen und in Brandenburg auf Missbilligung.

Auf lange Sicht bedeutsamer war jedoch die deutliche Verschlechterung der Beziehungen zwischen Johann Friedrich und Herzog Moritz von Sachsen aus der albertinischen Linie der Wettiner, der selbst gewisse Ansprüche auf das Kloster geltend machte.310

Dobrilugk war in der ersten Jahreshälfte 1546 ein wichtiges Verhandlungsthema. Da-mals bereiteten sich Kaiser Karl V. und mit ihm auch sein Bruder Ferdinand I. bereits ganz offen auf eine Abrechnung mit dem Schmalkaldischen Bund vor, der ebenfalls nicht untätig blieb. Die Situation spitzte sich zu. Im Juni erreichte auch die Feindschaft zwi-schen den führenden Vertretern der beiden wettinizwi-schen Linien ihren Höhepunkt. Nie-mand konnte mehr daran zweifeln, dass Moritz von Sachsen sich im Fall eines bewaff-neten Konfl ikts eindeutig auf die Seite des Kaisers stellen würde.311 Die zunehmende Spannung war auch in der Niederlausitz immer stärker spürbar. Kurz nach Mitte Juni be-fahl Ferdinand I. Albrecht Schlick, sich unter keinen Umständen aus dem Land zu entfer-nen und dessen Verwaltung persönlich zu beaufsichtigen. Weiter erlegte er ihm auf, das Geschehen im feindlichen Lager zu verfolgen und sofort darüber zu berichten; außerdem sollte Schlick hundert gedruckte Mandate, die den Einwohnern der Niederlausitz verbo-ten, in fremde Heeresdienste zu treverbo-ten, an Tore, Rathäuser, Kirchen und andere übliche Orte anschlagen und deren Inhalt öffentlich im ganzen Land verkünden lassen.312

Der Krieg brach einen Monat nach Erlass der erwähnten Mandate aus. Bald darauf gaben die niederlausitzischen Stände zu verstehen, dass sie Dobrilugk gern wieder in ihren Händen hätten. Ferdinand I. sympathisierte mit diesem Wunsch und versprach,

310 LEHMANN: Geschichte der Niederlausitz, S. 169 f. – EBERHARD: Monarchie und Widerstand, S. 399 – 402. – VOREL: Velké dějiny VII, S. 174 – 177. – Genauer zu den Ereignissen um das Jahr 1547 TIEFTRUNK, Karel: Odpor stavův českých proti Ferdinandovi I. l. 1547, Praha 1872, S. 33 – 37;

LEHMANN, Rudolf: Die Besetzung des Klosters Dobrilugk durch Kurfürst Johann Friedrich im Au-gust 1541 und ihre Folgen, in: DERS.: Aus der Vergangenheit, S. 93 – 113; JANÁČEK: České dějiny I/2, S. 223.

311 LEHMANN: Geschichte der Niederlausitz, S. 170. – JANÁČEK: České dějiny I/2, S. 176 f., 187, 189.

312 NA v Praze, RG 28, f. 211v–216r (17.6.1546). – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 158. – Anhand der glei-chen Quellen beschäftigten sich mit den Ereignissen der Jahre 1546 bis 1547 HÄRTEL, Hanuš: Der Widerstand der Oberlausitzer Sechsstädte gegen König Ferdinand I. im Schmalkaldischen Krieg, in: OBERMANN, Karl; POLIŠENSKÝ, Josef (Hg.): Aus 500 Jahren deutsch-tschechoslowakischer Ge-schichte (Schriftenreihe der Kommission der Historiker der DDR und der ČSR; 1), Berlin 1958, S. 61 – 78; BOBKOVÁ, Lenka: Pönfall neboli Šestiměstí v protihabsburském odboji roku 1547, in:

VOREL, Petr (Hg.): Stavovský odboj roku 1547. První krize habsburské monarchie, Pardubice/Praha 1999, S. 41 – 64.

alles zu tun, was in seinen Kräften stehe.313 Deshalb beauftragte er am 27. August Alb-recht Schlick, in aller Heimlichkeit herauszufi nden, wie stark die Besatzung des Klos-ters war. Der Niederlausitzer Landvogt sollte auf dessen gewaltsame Entsetzung vorbe-reitet sein, falls Johann Friedrich die freiwillige Herausgabe ablehnte.314 Bereits zuvor hatte der Herrscher Albrecht Schlick beauftragt, 700 bis 1000 schwer bewaffnete Reiter anzuwerben,315 deren Anzahl sich aufgrund der knapp einen Monat später erlassenen Be-fehle noch um weitere 100 Männer vergrößern sollte.316

Anfang September fand in Lübben ein Landtag statt, dem Albrecht Schlick, Christoph Burggraf zu Dohna und Hans von Oppersdorf als königliche Kommissare vorstanden.317 Auf seinem Programm stand nach fast zwanzig Jahren neben den traditionellen Steuern auch die Genehmigung einer Biersteuer, deren Erhebung Erzherzog Maximilian in Ver-tretung seines Vaters während seines Aufenthalts in Görlitz am 25. Mai 1546 bereits den niederlausitzischen Ständen auferlegt hatte.318 Auf diese Forderung reagierten die Präla-ten, Herren, Ritter und Städte jedoch nur mit Klagen. Daher wiederholte Ferdinand I. sei-nen Befehl in der Instruktion für den September-Landtag nachdrücklich und forderte die Stände auf, die Biersteuer auf vier Jahre im Voraus zu erheben; zugleich wies er sie auf den drohenden Einfall feindlicher Truppen in die Niederlausitz hin und ersuchte sie um die Aufstellung eines Reiterheers mit einer Stärke von 150 Mann, das noch durch ein Fuß-volkkontingent der Städte ergänzt werden sollte.319 Zu der für den 28. und 29. September in Luckau angesetzten Musterung kamen 133 Reiter, 345 Fußknechte und 25 Wagen.320 Damit war Ferdinand I. jedoch nicht zufrieden. Er hatte ohne triftigen Grund erwartet, dass mehr bewaffnete Männer gemustert werden konnten. Nach den Angaben des wohl kurz danach in Albrecht Schlicks Kanzlei aufgrund der alten Musterungsregister erstell-ten Summariums sollerstell-ten nämlich alle fünf Kreise 141,5 Reiter, 404 Fußsoldaerstell-ten und 25

313 NA v Praze, RG 28, f. 229v–231. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 160 (30.7.1546).

314 NA v Praze, RG 28, f. 281. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 161 (27.8.1546).

315 NA v Praze, RG 28, f. 260 – 261. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 160 (19.8.1546).

316 NA v Praze, RG 28, f. 251 und 254v–255r. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 164 und 166 (16. und 24.9.1546).

317 NA v Praze, RG 28, f. 238v–239r. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 162 (2.9.1546). – Der Landtag wurde am Montag, dem 6. September, eröffnet.

318 NA v Praze, RG 28, f. 200 – 209. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 156 f. – Maximilian hielt sich vom 25.

bis zum 28. Mai zusammen mit seiner Mutter Anna Jagiello in Görlitz auf; vgl. JECHT: Geschichte der Stadt Görlitz, S. 300.

319 NA v Praze, RG 28, f. 234 – 238 (2.9.1546), zur Biersteuer hier f. 235v: Die, so auf dem Lannd Im Marggrafthum [Niederlausitz] Pier zum verkhauff preuen und schengken lassen, wolten nun hin-furo und alßpald anzuheben von ainem Jeden viertl gersten oder waitzen pier ainen behmischen groschen, und die In stetten unnd fl egken Auch kretschmer von ainem Jedem scheffl gersten oder waitzen Malz, so verpreut wirdet, auch ainen behmischen groschen. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 162 f. – BOBKOVÁ: Pönfall, S. 49, Anm. 17. – Zu Schlesien vgl. RACHFAHL: Die Organisation, S. 308.

320 BLHA Potsdam, Rep. 17 A Landvogtei der Niederlausitz, Nr. 26, f. 38 – 41r. – NA v Praze, LŽ, Sign. III 7/13 (hier eine leicht abweichende Zahl: 341 Fußsoldaten und 19 Wagen). – LEHMANN: Ge-schichte der Niederlausitz, S. 171. – Zu dieser Musterung in breiterem Kontext SČ II, S. 35 – 36;

JANÁČEK: České dějiny I/2, S. 194 – 197; BOBKOVÁ: Pönfall, S. 49 f.

Wagen aufstellen, wobei Markgraf Hans von Küstrin weitere 35 Reiter und 101 Fußsolda-ten, d. h. ein Fünftel der Niederlausitzer Gesamtzahl, und dazu noch 5 Wagen zu schicken hatte.321 Daher wurden die Stände aufgefordert, sich am 18. Oktober am gleichen Ort er-neut zu versammeln und dem König so ihren Gehorsam zu erweisen.322

Ferdinands Entscheidung für die erneute Einberufung des Landesaufgebotes wurde auch in dem Bewusstsein getroffen, in welch unmittelbarer Gefahr sich das kleinste Kron-land befand. Er verwies ausdrücklich auf die strategisch ungünstige Lage der Niederlau-sitz: Es mochte gegen disem unnserm Marggrathumb, dieweill desselben grenitzen mit sonndern grossen wassern und gepirgen dermassen nit wie anndere zum taill sein versee-hen und den vheinden aufhalten mugen, eer und merer alls anndere der Cron Behaim In-corporierten Lännder furgenomben unnd geuebt werden.323 Hatte man über die Besetzung Dobrilugks, das an der bedrohten Westgrenze des Landes lag, bisher eher auf theoreti-scher Ebene nachgedacht und in dieser Angelegenheit nicht viel unternommen, so erhiel-ten die Pläne zu seiner Rückeroberung jetzt konkretere Gestalt. An der Militäroperation sollten sich neben dem Niederlausitzer Landesaufgebot auch zwei Fähnlein Fußvolk der Oberlausitzer Städte beteiligen.324

Von der Skizzierung der Pläne bis zu ihrer Umsetzung war es jedoch ein weiter Weg.

Die Oberlausitzer Stände wichen systematisch der Entsendung ihrer Hilfstruppen aus, und Albrecht Schlick fühlte sich lange nicht stark genug, um das Kloster allein zu stür-men.325 Zur Eroberung Dobrilugks kam es so nach vielen königlichen Aufrufen erst am 16. November oder ein bis zwei Tage früher,326 ohne dass die Fähnlein aus der Oberlausitz beteiligt gewesen wären.327 Ferdinand I. war begeistert. In der Überzeugung, dass Dobri-lugk keine weitere Gefahr mehr drohe, und durch die Tatsache beruhigt, dass sich Moritz von Sachsen nach der Eroberung Torgaus in unmittelbarer Nähe befand, ließ er das Lan-desheer aufl ösen und vertraute die Verteidigung des Klosters nur 20 oder 24 Fußknechten an, denen 17 Schlick’sche Reiter zur Seite standen.328 Wie verfrüht und unglücklich diese Maßnahme des Herrschers war, sollten die weiteren Ereignisse bald zeigen.

321 NA v Praze, LŽ, Sign. III 7/13.

322 NA v Praze, RG 28, f. 282v–283v. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 167 (6.10.1546). – Zu dieser zwei-ten Musterung sind keine Berichte überliefert.

323 NA v Praze, RG 28, f. 283r.

324 NA v Praze, RG 28, f. 287. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 167 – 168 (7.10.1546).

325 NA v Praze, RG 28, f. 295, 297, 303v–304. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 169 f. (24. 10., 27. 10.

und 5.11.1546). – ARRAS, Paul: Regestenbeiträge zur Geschichte des Bundes der Sechsstädte der Ober-Lausitz von 1541 – 1547, zusammengestellt auf Grund der Urkunden, die sich im Bautzner Ratsarchive (Fund Ermisch) vorfi nden, in: NLM 79, 1903, S. 241 – 292 (weiter Regestenbeiträge 1541 – 1547), S. 269 und 271 (12. 10. und 4.11.1546). – BOBKOVÁ: Pönfall, S. 51.

326 NA v Praze, RG 28, f. 295v–296r, 302v–303, 311v–312r. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 169 – 171 (24. 10., 5. und 17.11.1546). – Damit präzisiere ich die ältere Angabe (LEHMANN: Die Besetzung, S. 111), dass es vor dem 25. November zur Besetzung Dobrilugks gekommen sei.

327 Regestenbeiträge 1541 – 1547, S. 271 f. (17.11.1546). – BOBKOVÁ: Pönfall, S. 51.

328 NA v Praze, RG 28, f. 313 – 314v; HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 171 (22.11.1546). In diesem Brief erwähnt der König, dass Albrecht Schlick ihm in einem Schreiben vom 16. November die ganze Handlung, wie es mit einnembung des Closters Dobrlugk erganngen, beschrieben habe (f. 313v).

Deshalb nehme ich auch an, dass es am 16. November oder kurz davor zur Eroberung des Klosters

Das neue Jahr 1547 hatte kaum begonnen, als Ferdinand I. erneut Alarm schlug, da der Niederlausitz wieder ein Einfall feindlicher Truppen drohte. Die Landstände wurden in Kampfbereitschaft versetzt, und auch das Oberlausitzer Heer sollte mit sechs Kanonen, Pulver und Kugeln zu Hilfe eilen. Brandenburg wurde ebenfalls um Zusammenarbeit ge-beten.329 Aber bevor sich die Truppen überhaupt sammeln konnten, war es schon zu spät.

Johann Friedrich fi el von Leipzig kommend mit 1500 Fußknechten und 300 Reitern ins Land ein330 und besetzte Dobrilugk, Sonnewalde und Finsterwalde. Als sich der Herrscher dann am 12. Januar in seinem berühmten schicksalhaften Mandat331 mit der Bitte um Ent-sendung militärischer Hilfe an die böhmischen Stände wandte, musste er noch hinzufü-gen: Zu dem auch einer Wolf Kreuz genannt, Oberster gedachts Johanns Friderichen, ei-nen Absagbrief der Stadt Lukau im Markgrafthumb Niederlausitz zugeschicht, darin er an sie begehrt, sich zu des Johanns Friderichen Handen, Schutz und Schirm zu ergeben, welches sie aber nicht gethan; darauf der Hauptmann sambt seinem Kriegsvolk daselbst umb Lukau, Calo und demselben Kreis treffl ichen Schaden mit Mord, Brand und anderm zugefugt.332 Knapp drei Wochen später fügte er in einer weiteren Bitte noch hinzu: Zu dem hat er [Johann Friedrich] (…) in den Dörfern und Flecken den armen Leuten in Nieder-lausitz merklichen Schaden zugefugt.333

Trotz Ferdinands Aufruf erhielt die Niederlausitz keine Hilfe aus Böhmen. Ihre Ein-wohner warteten auch vergeblich auf das Oberlausitzer Heer, obwohl der böhmische Kö-nig an Zdislav Berka von Duba geschrieben und ihm befohen hatte, sich im Bedarfsfall mit seinen Truppen Albrecht Schlick anzuschließen.334 Die Absicherung der Landesver-teidigung blieb so in den Händen des Landvogts und der Niederlausitzer Vasallen, deren Kriegsdienstpfl ichten sich aus dem Lehnsprinzip ergaben.335 Die feindlichen Truppen zo-gen sich zum Glück bald aus der Niederlausitz zurück und blieben dem Land künftig fern, da Johann Friedrich bereits am 24. April 1547 in der Schlacht bei Mühlberg in Gefangen-schaft geraten war. Bald darauf wurden die Verbündeten belohnt und die Gegner bestraft.

Moritz von Sachsen erhielt für seine Unterstützung des Kaisers nicht nur die Kurfürsten-würde, sondern auch die Niederlausitzer Städte Sonnewalde, Finsterwalde und Senften-berg. In der Wittenberger Kapitulation vom 19. Mai musste Johann Friedrich zudem

Do-gekommen sein muss. Spätestens am 17. November war das Ergebnis auch in der Oberlausitz be-kannt.

329 NA v Praze, RG 28, f. 318 f.; HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 171 f. (1.1.1547); BOBKOVÁ: Pönfall, S. 51 f.

330 LEHMANN: Geschichte der Niederlausitz, S. 171. In den Schreiben an die Landvögte der Ober- und der Niederlausitz vom 7. Januar 1547 (NA v Praze, RG 28, 326 – 327) steht, dass Johann Fried-rich ein Heer mit einer Stärke von 3000 Reitern und 70 000 Fußknechten zur Verfügung habe. Am 13. Januar 1547 wurde diese übertriebene Schätzung präzisiert. Dem König zufolge sollte Johann Friedrich nur über 200 Reiter und 3000 Fußsoldaten disponieren (NA v Praze, RG 28, f. 333 – 334r).

– HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 172 und 174.

331 JANÁČEK: České dějiny I/2, S. 221.

332 SČ II, S. 45.

333 SČ II, S. 62 (1.2.1547). Zu den Niederlausitzer Angelegenheiten ebd., S. 64 – 65, 71 – 73, 80.

334 Regestenbeiträge 1541 – 1547, S. 272 – 273 (15. und 20.1.1547).

335 Inventarium, S. 383, Nr. 1196 (18.1.1547).

brilugk abtreten, das nach langen Verhandlungen am 10. Oktober in die Pfandherrschaft Albrecht Schlicks überführt wurde.336 Dieser war verpfl ichtet, den Unterhalt für die acht Ordensbrüder sicherzustellen, mit denen das Kloster neu besetzt werden sollte.337 Ob es dazu kam, ist strittig. Auf jeden Fall erhielt am 10. April 1551 Heinrich von Gersdorf eine Verschreibung für Dobrilugk und zahlte dafür in den Jahren 1562 bis 1603 jährlich 450 Gulden an das Jesuitenkolleg in Prag.338

Der Schmalkaldische Krieg hatte für die Niederlausitz noch ein Nachspiel, das aller-dings deutlich milder ausfi el als in Böhmen oder in der Oberlausitz,339 da offensichtlich war, dass das Land sich unter Albrecht Schlick loyal verhalten und die Stände in ihrer Ge-samtheit keinen Verrat an Ferdinand I. begangen hatten.340 Am 6. Dezember 1547 wurden die landesherrlichen Städte Luckau und Guben beschuldigt, das von Johann Friedrich be-setzte Sonnewalde mit Proviant versorgt und mit dessen Räten verhandelt zu haben. Den beiden Städten gelang es, diese Beschuldigungen zu widerlegen,341 aber nicht alle Adligen hatten dasselbe Glück. Nach einer einjährigen Untersuchung wurden durch Entscheidung Ferdinands I. vom 19. November 1548 die Brüder Caspar, Bartholomäus und Erasmus von Minckwitz mit der Konfi skation ihres gesamten Besitzes bestraft, sofern sie ihn nicht zuvor bereits verkauft hatten.342 Erzherzog Ferdinand schlug zwar wesentlich mildere Strafen vor (Caspar und Bartholomäus sollten 500 und Erasmus 2000 Gulden zahlen.), aber dies stellte den Herrscher offensichtlich nicht zufrieden. Anscheinend sollten die Brüder Minckwitz – und dies wohl zu Recht – als abschreckendes Beispiel und Mahnung für alle dienen. Ihr Vergehen war nämlich aus Sicht König Ferdinands I. äußerst ernst zu nehmen. Alle drei hatten angeblich offen mit dem sächsischen Kurfürsten Johann Fried-rich oder dem hessischen Landgrafen Philipp zusammengearbeitet, obwohl sich Eras-mus später herauszureden versuchte, er habe von dem Feldzug gegen Ferdinand I. nichts gewusst.343 Der König war jedoch bereits Ende 1546 über die Tätigkeit der Brüder von Minckwitz gut informiert und schwor schon damals, ihnen ihren Verrat nach bestehendem

336 Inventarium, S. 386, Nr. 1207.

337 NA v Praze, RG 37, f. 35(29); RG 31, f. 64(47)–67(57)r. – HÄRTEL (Hg.): Přinoški, S. 183 f. (1. und 6.10.1547).

338 NA v Praze, RG 31, f. 207(190) (9.4.1551). – LEHMANN: Die Besetzung, S. 112 f. – DERS.: Die Zer-störung der Klostergebäude von Dobrilugk im 16. Jahrhundert, in: NM 28, 1940, S. 85 – 88, hier S. 85. – DERS.: Geschichte der Niederlausitz, S. 172 f.

339 JANÁČEK: České dějiny I/2, S. 315 – 332. – EBERHARD: Monarchie und Widerstand, S. 481 – 485. – PÁNEK: Stavovská opozice, S. 18 – 34. – VOREL: Velké dějiny VII, S. 188 – 204. – BOBKOVÁ: Pönfall, S. 55 – 62. – HERRMANN, Matthias: Der Pönfall der oberlausitzischen Sechsstädte und seine überre-gionale Einordnung, in: BAHLCKE/DUDECK (Hg.): Welt – Macht – Geist, S. 97 – 110, mit einer Zu-sammenfassung der wichtigsten Literatur.

340 FICKENSCHER: Die oberlausitzer Stände, S. 100.

341 LEHMANN: Die Besetzung, S. 112. – DERS.: Geschichte der Niederlausitz, S. 173.

342 NA v Praze, LŽ, Sign. III 10/7, f. 31 – 32 (19.11.1548). – Zum Verlauf der Untersuchung fi nden sich zahlreiche Quellen im Nationalarchiv in Prag: NA v Praze, RG 37, passim.

343 SČ II, S. 553 – 556, bes. S. 553 f. – NA v Praze, LŽ, Sign. III 10/7, f. 33 – 38 (28.10.1548).

Recht zu vergelten.344 Ihre Strafen waren zwar hoch, aber zugleich handelte es sich um die einzigen Strafen, die in der Niederlausitz verhängt wurden; dabei ist es im Hinblick auf das weitere Schicksal des Caspar von Minckwitz nicht einmal sicher, ob das Urteil in allen drei Fällen tatsächlich vollstreckt wurde. Allen anderen Adligen, die sich etwas ge-gen den König hatten zuschulden kommen lassen wie Leopold von Köckritz, Georg von Buckersdorf, Hans von Glaubitz, Michael von Schlieben und die Brüder Georg, Hans und Heinrich von Salle, wurde großzügig vergeben.345

Sehr viel größere Bedeutung als die individuelle Untersuchung und die danach ver-hängten Strafen sollten für die Niederlausitz auf lange Sicht einige andere Maßnahmen haben, zu denen Ferdinand I. nach dem Ende des Schmalkaldischen Krieges und der Niederlage des ersten antihabsburgischen Aufstands griff. Ihr Ziel war die Festigung der Krongewalt in allen Ländern der Böhmischen Krone. Ferdinand I. nutzte den Sieg über die Aufständischen, um eine neue Phase seiner Zentralisierungsbemühungen einzuleiten, die vor Jahren treffend mit dem Begriff Monarchisierung bezeichnet worden ist.346 Ihr we-sentliches Merkmal war die Stärkung bestehender und die Formierung neuer amtlicher Organe, die den Königswillen im Gesamtstaat noch mehr als früher durchsetzen sollten.

Die intensivere politische Kommunikation der Nebenländer der Böhmischen Krone mit dem Prager Zentrum wurde zu einem wichtigen, wenn auch unintendierten Begleitphä-nomen dieses Prozesses, der jedoch nicht verstanden werden kann, wenn man die Be-deutung der Einbindung des Gesamtstaates in den Kampf gegen die Türkengefahr nicht berücksichtigt. Gerade die Notwendigkeit, immer neue Steuern auszuschreiben, hatte zu-sammen mit dem Bedürfnis nach Koordination der fi nanziellen und militärischen Hilfe eine Festigung der Einheit der Böhmischen Krone zur Folge, wie noch gezeigt werden wird.347

Aus Sicht der Zentralverwaltung der Böhmischen Krone war zweifellos die Einrich-tung des Statthalteramtes in Prag von besonderem Gewicht, dessen Kompetenzen bis in die Niederlausitz reichten. Bereits im Oktober 1547 war Erzherzog Ferdinand, der erst 18-jährige zweitgeborene Sohn des böhmischen Königs, zum königlichen Statthalter

Aus Sicht der Zentralverwaltung der Böhmischen Krone war zweifellos die Einrich-tung des Statthalteramtes in Prag von besonderem Gewicht, dessen Kompetenzen bis in die Niederlausitz reichten. Bereits im Oktober 1547 war Erzherzog Ferdinand, der erst 18-jährige zweitgeborene Sohn des böhmischen Königs, zum königlichen Statthalter