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Am 6. April 1490 starb der ungarische König Matthias Corvinus unerwartet im Alter von 47 Jahren in Wien. Mit seinem Tod verwaiste nicht nur das ungarische Königreich, son-dern auch Mähren, Schlesien, die Ober- und die Niederlausitz, die Matthias über zwei Jahrzehnte als böhmischer König regiert hatte. Sein machtpolitischer Gegner Wladis-law II. Jagiello zögerte keinen Augenblick und erhob sofort Ansprüche auf die Neben-länder der Böhmischen Krone. Diese Ansprüche ergaben sich aus dem Olmützer Frie-densvertrag, den die beiden Widersacher 1479 geschlossen hatten. Zugleich eröffnete Wladislaw auch das diplomatische Ringen um den ungarischen Thron, für den es keinen legitimen Erben gab und der den böhmischen König in diesem Augenblick mehr interes-sierte als die Nebenländer der Böhmischen Krone.

Obwohl zunächst Matthias’ Sohn Johann der klare Favorit für den ungarischen Thron zu sein schien, zerplatzen seine Wahlchancen trotz der Unterstützung vieler Angehöriger des höheren und niederen Adels schnell. Das Hauptproblem war seine uneheliche Her-kunft, die ihn für die Wahl indirekt disqualifi zierte. Geringe Erfolgschancen besaß auch Maximilian I., Sohn Kaiser Friedrichs III., dessen auf Rechtsargumente gestützte An-sprüche auf den ungarischen Thron nur geringen positiven Widerhall auslösten. In die-sem Kontext erschien Wladislaw II. Jagiello, dessen Diplomaten unmittelbar nach Mat-thias’ Tod intensive Verhandlungen mit den ungarischen Ständen aufgenommen hatten, als der am besten geeignete Kandidat. Bereits Anfang Mai hielt der böhmische König ein Abkommen über die Stephanskrone mit dem ehemaligen obersten Landeshauptmann in Schlesien und jetzigem einfl ussreichen österreichischen Statthalter Stephan Zápolya in Händen. Wladislaws Kandidatur wurde außerdem von Bischof Johann Filipecz, dem Oberstlandmarschall in Böhmen Wilhelm von Pernstein (Vilém z Pernštejna) sowie den böhmischen Ständen unterstützt. Diese vertraten die Ansicht, dass der Erwerb der un-garischen Königswürde bedeutend zur erneuten Vereinigung Böhmens mit den übrigen Kronländern und damit auch zur Stabilisierung des gesamten Staatengebildes beitragen könne. Positiv auf die Verwirklichung dieses Plans wirkte sich auch die Einstellung der Königinwitwe Beatrix aus, die ihre Position zu wahren suchte und bereit war, jeden zu heiraten, der zum König gewählt würde – also auch Wladislaw II. Die einzige Schwach-stelle in dessen Kandidatur war die fehlende Unterstützung des alternden polnischen Kö-nigs Kasimir IV., der lieber seinen jüngeren Sohn Johann Albrecht auf diesem Thron ge-sehen hätte. Trotzdem rief der ungarische Landtag am 15. Juli 1490 Wladislaw Jagiello

zum König aus, der zwei Monate später in Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) mit der Ste-phanskrone gekrönt wurde.1

Im Schatten des Ringens um den ungarischen Thron fanden die Verhandlungen über die Regierungsübernahme Wladislaws II. in den Ländern der Böhmischen Krone statt.

Mit dieser Frage beschäftigte sich der Jagiellonenkönig anscheinend nur nebenbei, denn im Unterschied zum Kampf um die Stephanskrone zweifelte er keinen Augenblick lang an seinem Erfolg. Bereits am 9. April 1490 sandte er ein umfangreiches Schreiben nach Mähren, Schlesien und in die beiden Lausitzen, in dem er seine Absichten zu erklären versuchte; sein Ziel war es, das Band der genannten Länder zu Böhmen zu erneuern und die Regierung über die Böhmische Krone, deren Gesamtgebilde in den vergangenen Jahren bedroht gewesen war, wieder in einer Hand zu vereinigen. Wladislaw II. rief die Stände der einzelnen Länder dazu auf, daß sie sich in keine Verbindungen mit der ungari-schen Krone oder sonst wem einlassen sollen. Denn wir [d. h. Wladislaw II.] als Ihr Erb-herr haben nicht die Absicht, sie einer fremden Macht unterthan zu machen sei es durch Verpfändung oder auf irgend eine andere Weise, sondern wir wollen sie, so Gott will, glücklich mit uns verbinden, so daß eine solche Trennung später nie wieder eintrete. Im gleichen Schreiben erläuterte er auch, dass ihn keine Schuld an der Aufteilung der Länder der Böhmischen Krone treffe, da diese nicht in seiner Regierungszeit erfolgt sei. Zugleich verteidigte er den Abschluss des Olmützer Friedensvertrags als notwendigen Kompro-miss, mit dem er sich innerlich zwar nicht identifi ziert habe, der aber in jenem Moment die beste Lösung für den langwierigen Konfl ikt gewesen sei. Er vertrat nämlich die An-sicht, daß wenn nur das Haupt erhalten werde, mit der Zeit auch die Glieder sich leichter mit demselben wieder verbinden würden.2

Auf das zitierte Schreiben und die Nachricht vom Tod des Königs reagierten alle Ne-benländer der Böhmischen Krone augenblicklich. Sie stimmten im Großen und Ganzen in der Ansicht überein, dass Wladislaw II. nach der strengen Regierung des Matthias Cor-vinus, die ihre Erwartungen nicht im Mindesten erfüllt hatte,3 ein geeigneter Herrscher für das gesamte Staatengebilde sein könnte. Der Breslauer Bischof Johann IV. Roth, der sich zum Sprecher für ganz Schlesien aufschwang, knüpfte unmittelbar nach dem Erhalt des königlichen Schreibens Kontakte nach Mähren und in die beiden Lausitzen, um das weitere Vorgehen zu koordinieren. Am 25. April lud er die Vertreter aller Länder zu einem gemeinsamen Landtag nach Breslau ein, wo über die künftigen Schritte beraten werden

1 PALACKÝ: Geschichte V/1, S. 332 f., 335 f., 344 f. – TOMEK, Wácslav Wladiwoj: Dějepis města Prahy, I–XII, Praha 1855 – 1901, hier X, S. 100 f. – MACEK: Jagellonský věk I, S. 249 ff. – PETRÁŇ: Stavovské království, S. 22. – ČORNEJ/BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 472 – 476.

2 KAMENÍČEK, František (Hg.): Jednání sněmovní a veřejná v markrabství Moravském od počátku 15.

století až do přijetí krále Ferdinanda I. za markrabí Moravského roku 1527, in: AČ X, Praha 1890, S. 241 – 352, hier S. 303 f., Nr. 115. – Hier zitiert nach PALACKÝ: Geschichte V/1, S. 333 f., auf ihn verweisen auch ČORNEJ/BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 478 f. – Das Datum wurde analog zu den nach Schlesien und in die Oberlausitz geschickten Schreiben bestimmt; GRÜNHAGEN: Geschichte Schlesiens I, S. 356; SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 372.

3 ČERNÝ: Zklamané naděje, S. 193.

sollte.4 Mit seiner Initiative verfolgte Johann allerdings auch noch andere Interessen: Er wollte Schlesien unter den Nebenländern der Böhmischen Krone die führende Position si-chern, wie sie in den vergangenen drei Jahrzehnten tatsächlich bestanden hatte. Die ober-lausitzischen Stände, die in diesem Zeitraum die einseitige Bevorzugung Schlesiens nur mit Unwillen zur Kenntnis genommen hatten, analysierten die Lage treffend und kamen zu dem Schluss, dass der Tod des Königs Matthias eine gute Gelegenheit sei, um die erst unlängst entstandenen, allzu engen Bindungen an den östlichen Nachbarn zu durchtren-nen oder zumindest zu lockern. Als äußerst zweckmäßig erschien ihdurchtren-nen zugleich die Er-neuerung direkter Beziehungen zu Prag, der Hauptstadt des Königreichs Böhmen und der gesamten Krone; hiervon versprachen sie sich eine stärkere Unterstützung der eigenen Interessen. Aus diesem Grund ignorierten sie auch das Schreiben Bischof Johanns und schickten niemanden nach Breslau zum Landtag.5 Bereits am Dienstag, dem 27. April, trafen die Stände mit Ausnahme der Vertreter der Stadt Görlitz in Bautzen zusammen, wo sie Wladislaws Gesandten Georg Berka von Duba (Jiří Berka z Dubé) empfi ngen und ihm ihren Standpunkt mitteilten: Sie hätten Matthias Corvinus als böhmischem König gehul-digt, und nach dessen Tod sei nichts gegen eine Annahme Wladislaws II. einzuwenden, der ebenfalls böhmischer König und zugleich Haupt der Böhmischen Krone sei, der die Oberlausitz angehöre.6 Den Treueid gegenüber dem neuen Herrscher legten die Stände am 24. Mai 1490 ab.7 Dem Rest des Landes schloss sich bald auch Görlitz an, dessen Ge-sandte Wladislaw II. in Prag bereits am 9. Juni huldigten.8 Damit hatte sich die gesamte Oberlausitz als erstes Nebenland der Böhmischen Krone vollständig dem Jagiellonen-herrscher unterstellt.9

Wie die Repräsentanten der Niederlausitz auf den Tod des Matthias Corvinus und den schlesischen Aufruf reagierten, lässt sich wegen fehlender Quellen nicht mit Sicher-heit sagen.10 Unstrittig scheint aber zu sein, dass die niederlausitzischen Stände nach dem Vorbild der Oberlausitz handelten, zu der sie in den vergangenen Jahrzehnten eine fes-tere Beziehung aufgebaut hatten, die in vielerlei Hinsicht günstiger erschien als ein enges Verhältnis zu Schlesien. Die Huldigung gegenüber Wladislaw II. Jagiello stellte für sie einen notwendigen Schritt dar, wenn sie nicht riskieren wollten, dass ihr Land von den

4 Scriptores rerum Lusaticarum. Sammlung Ober- und Niederlausitzischer Geschichtsschreiber, N. F., I–IV, Görlitz 1839 – 1870 (weiter: SRL I–IV), hier II, S. 311, Z. 8 – 30 (12.4.1490).

5 SRL II, S. 312, Z. 18 – 23. – BOBKOVÁ: Die Beziehungen, S. 23, ist der Ansicht, dass die starken kul-turellen Bindungen zwischen Schlesien und den beiden Lausitzen auch nach dem Tod des Matthias Corvinus bewahrt blieben. Auf politischer Ebene kam es jedoch zu einer Abschwächung – oder zu-mindest war dies die Absicht der oberlausitzischen Stände, während Schlesien selbst die genau ent-gegengesetzte Zielrichtung verfolgte.

6 SRL II, S. 312, Z. 27 – 38.

7 SRL II, S. 320, Z. 1 – 10.

8 SRL II, S. 322, Z. 24 – 29. – JECHT, Richard: Geschichte der Stadt Görlitz, Görlitz 1922 – 1926, S. 241.

9 Zu den Ereignissen in der Oberlausitz unmittelbar nach Matthias’ Tod KÄUFFER: Abriß III, S. 1 – 5. – SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 371 – 375. – KNOTHE: Urkundliche Grundlagen, S. 299 f. – PA

-LACKÝ: Geschichte V/1, S. 334 und 338. – ČORNEJ/BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 478.

10 SCHELTZ: Gesammt-Geschichte II, S. 375.

Wettinern geschluckt wurde. Der sächsische Herzog Georg hatte bereits kurz nach Mat-thias’ Ableben seinem Vater Albrecht geraten, Kaiser Friedrich III. um die Zustimmung zur Besetzung der Niederlausitz zu ersuchen; die Niederlausitz sollte dabei als Belohnung der Wettiner für erwiesene Dienste fungieren. Zur Verwirklichung dieses wettinischen Projekts kam es letztlich nicht, sodass auch die Niederlausitz – ebenso wie die Oberlau-sitz – ein Teil der Böhmischen Krone blieb. Einen gewissen Erfolg konnten die Wettiner dennoch verzeichnen, da sie aufgrund der Erbeinung mit Johann V. von Biberstein (Jan V.

z Biberštejna), dessen Ehe mit Barbara von Rosenberg (Barbora z Rožmberka) kinderlos geblieben war, nach dessen Tod 1490 die Herrschaften Sorau (Żary), Beeskow und Stor-kow zu Pfandbesitz erhielten – eine Rechtssituation, die bis zum Jahr 1512 Bestand ha-ben sollte.11

Nachdem die beiden Lausitzen ein gemeinsames Vorgehen abgelehnt hatten, verhan-delte Schlesien in den folgenden Wochen nur mit Mähren, an dessen Spitze der Landes-hauptmann Ctibor Tobischau von Cimburg (Ctibor Tovačovský z Cimburka) stand. Die Beratungen der Vertreter beider Länder in Breslau führten bereits im Mai zur Formulie-rung der Bedingungen, unter denen Mähren und Schlesien bereit waren, Wladislaw II.

als ihren Herrscher anzuerkennen. Gleich an erster Stelle stand die Zahlung von 400 000 Gulden an Ungarn, wie sie im Olmützer Friedensvertrag festgesetzt worden war. Die bei-den Länder wollten Wladislaw II. nicht nur zur Ablösung des ungarischen Pfands, son-dern auch zu Garantien bewegen, wonach ihnen alle Privilegien bestätigt und keine unge-rechten Steuern erhoben werden sollten und der König den Aufenthalt fremder Truppen auf ihren Territorien zu verhindern hatte. Zugleich verlangten sie vom Herrscher das Ver-sprechen, dass er niemals mehr ihrer Abtrennung von Böhmen zustimmen werde. An die Ergebnisse dieser Verhandlungen knüpfte ein Treffen der Vertreter beider Länder Ende Mai in der Stadt Mährisch Schönberg (Šumperk) unweit von Olmütz an, bei dem man den Breslauer Forderungen eine diplomatischere, weniger konfrontative Gestalt verlieh. Wla-dislaw sollte jedoch auch künftig klar sein, dass ihn Mähren und Schlesien nur dann als Landesherrn annehmen würden, wenn er die Pfandsumme in Höhe von 400 000 Gulden bezahlte. Der böhmische König war bereit, auf diese Bedingung einzugehen, obwohl er wohl nicht ahnte bzw. sich überhaupt nicht damit befasste, wo er eine derartig hohe Geld-summe hernehmen sollte. Am 29. Juli 1490, zwei Wochen nach seiner Wahl zum ungari-schen König, wurde er in Breslau auch von Mähren und Schlesien als böhmischer König anerkannt. Zur Huldigung der Stände kam es allerdings nicht, da Wladislaw persönlich nach Schlesien kommen sollte, um den Treueid zu empfangen. Damit wurde zugleich der strittige Punkt vertagt, ob die Schlesier ihm als böhmischem oder als ungarischem König huldigen sollten. In Mähren wurde dieses Problem schneller gelöst, und Wladislaw II.

konnte in Zukunft alle der Markgrafschaft Mähren ausgestellten Urkunden mit dem

Sie-11 LEHMANN: Geschichte der Niederlausitz, S. 90 f. – KNOTHE, Hermann: Die Herrschaften Sorau, Beeskow und Storkow im Besitze sächsischer Fürsten 1490 – 1512, in: NM 3, 1894, S. 90 – 108. – PETERSEN, Carl: Geschichte des Kreises Beeskow-Storkow, Beeskow 1922, S. 38 – 42. – ZDRENKA, Joachim: Der Streit um Beeskow und Storkow als Besitz der pommerschen Herzöge 1394 – 1479, in: JBLG 46, 1995, S. 46 – 69, hier S. 57 ff.

gel des böhmischen Königreichs bestätigen, ohne Rücksicht darauf nehmen zu müssen, dass die Summe von 400 000 Gulden niemals an Ungarn ausgezahlt worden war.12

Wesentlich gewichtiger als das ungeklärte Verhältnis Schlesiens zu Wladislaw II. war für die weitere Entwicklung der erneut vereinigten Länder der Böhmischen Krone je-doch die dauerhafte Übersiedlung des böhmischen Königs von Prag nach Ofen (Buda) im Jahr 1490. Wladislaws Entscheidung, die in der ungarischen Wahlkapitulation als Be-dingung formuliert worden war, folgte einer inneren Logik. Ungarn übertraf die Böhmi-sche Krone nicht nur an Fläche, Einwohnerzahl, politiBöhmi-scher und wirtschaftlicher Stärke, sondern auch durch seine Bedeutung bei der Verteidigung Europas gegen die Türken-gefahr. Aus all diesen Gründen wog der Titel des ungarischen Königs mehr als der Titel des böhmischen Königs, weshalb Wladislaw Jagiello sich selbst immer zuerst als ungari-scher König und erst danach als böhmiungari-scher König titulierte.13 Für die Böhmische Krone war Wladislaws Weggang aus Prag allerdings ein klares Signal, dass der König sich für ihr Schicksal in Zukunft nur wenig interessieren werde. Die einzelnen Kronländer sahen darin ein Zeichen, dass sie sich auch weiterhin vor allem selbst um ihre Interessen küm-mern mussten; dafür wirkten die jeweiligen Landstände, die ihren Machtanteil in den Be-reichen von Legislative, Exekutive und Judikative dauerhaft steigern konnten. „Ein neues politisches Modell wurde geboren. Die einzelnen Kronländer und die Böhmische Krone in ihrer Gesamtheit profi lierten sich als dualistischer Staat bzw. Staatengebilde, in dem sich die Stände die Macht mit einem Monarchen teilten, dessen früheres politisches und wirtschaftliches Gewicht deutlich gesunken war. Das Verhältnis zwischen Herrscher und Ständen war jedoch nicht beständig, sondern wechselhaft; es besaß dynamische Züge und es hing von den aktuellen Umständen ab, zu wessen Gunsten sich die Waagschale neigte.“14

In den Nebenländern der Böhmischen Krone wurde das Hin- und Herschieben der Macht zwischen dem Herrscher und den Ständen in einem gewissen Maß auch von den Repräsentanten der Krongewalt beeinfl usst, die neben dem Herrscher und den Ständen den recht bedeutsamen Wandel auf machtpolitischer Ebene verkörperten. In Schlesien handelte es sich an der Schwelle zur Neuzeit vor allem um den obersten Landeshaupt-mann und in der Ober- und der Niederlausitz um die Landvögte. Es war daher kein Zu-fall, dass es in Schlesien und in der Oberlausitz bald nach dem Tod des Matthias Corvi-nus zu einer Neubesetzung der obersten Landesämter kam, die in diesem Moment immer

12 LBUS I, S. 36 – 38, Nr. 22 (4.6.1490). – Was sich noch khonig Mathie thode zugetragen, in: WACH

-TER, Franz (Hg.): Geschichtsschreiber Schlesiens des XV. Jahrhunderts (Scriptores rerum Silesia-carum; 12), Breslau 1883, S. 125 – 134, hier S. 129 – 132. – PALACKÝ: Geschichte V/1, S. 338 f. – GRÜNHAGEN: Geschichte Schlesiens I, S. 356 ff., 363 f. – SCHIECKE: Politische Geschichte, S. 227 f. – ČORNEJ/BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 479 und 578. – Schlesien huldigte Wladislaw II.

selbst 1511 nicht, als er persönlich nach Breslau kam. Ursachen waren sowohl die fehlende Bereit-schaft der Schlesier zu diesem Schritt als auch ein entsprechender Druck der böhmischen Stände;

GRAWERT-MAY: Das staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens, S. 157 f.

13 ČORNEJ/BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 476 f. – MACEK: Jagellonský věk I, S. 253.

14 ČORNEJ/BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 481 ff., hier bes. S. 481 (Zitat aus dem Tschechischen über-setzt).

noch entscheidend durch den Herrscher beeinfl usst wurde. In Schlesien, wo das Amt des Oberlandeshauptmanns nach dem Tod Friedrichs I. von Liegnitz im Jahr 1488 unbesetzt geblieben war, wurde Kasimir II. von Teschen zur Belohnung für seine Unterstützung der Jagiellonenkandidatur zum Landeshauptmann auf Lebenszeit ernannt; unter seiner Regie-rung verwandelte sich das Amt in eine ständige Einrichtung.15 Das königliche Wort sollte bei der Besetzung jedoch bald deutlich an Gewicht verlieren, denn bereits 1498 setzten die Schlesier den Erlass des sog. Großen oder auch Wladislaw’schen Privilegs durch – eines Dokuments von grundsätzlicher Bedeutung für die staatsrechtliche Stellung Schle-siens im Rahmen der Böhmischen Krone. Darin wurde gleich im ersten der zwanzig in-haltlich relevanten Punkte bestimmt, dass der böhmische König nur einen schlesischen Herzog zum obersten Hauptmann, d. h. zum Oberlandeshauptmann, ernennen dürfe.16 Zum Vergleich sei bereits hier gesagt, dass die niederlausitzischen Stände den Erlass ei-nes Privilegs, das die Besetzung des Landvogtamtes mit einem Angehörigen des heimi-schen Adels festschrieb, erst einhundert Jahre später – im Jahr 1598 – erreichen konnten.17 Kehren wir jedoch nach Schlesien zurück, wo es noch vor der Ernennung des Bi-schofs Johann zum Oberlandeshauptmann zur Beseitigung der wichtigsten Anhänger des Matthias Corvinus im Land, nämlich Heinz Dompnig, Johann Bjelik von Kornitz und Ge-org von Stein, gekommen sein muss. Das tragischste Schicksal traf den Breslauer Bürger-meister und Landeshauptmann des Herzogtums Breslau Heinz Dompnig, der sofort nach Erhalt der Nachricht von Matthias’ Tod mit Hilfe eines treuen Dieners versuchte, in den Truhen des Breslauer Rathauses verwahrte kompromittierende Materialien zu vernich-ten. Dies gelang jedoch nicht, und so gelangten die für ihn gefährlichen Dokumente in die Hände seiner Feinde im Stadtrat, die ihm unter Strafandrohung verboten, Georg von Stein zu kontaktieren, ihn aber weiterhin in Freiheit beließen. Erst nach zwei Monaten, am 19. Juni 1490, wurde Heinz Dompnig inhaftiert und zugleich beschuldigt, die In te res-sen der Stadt Breslau in Steuerangelegenheiten beschädigt, sich betrügerisch bereichert und seine Kompetenzen missbraucht zu haben. Unter der Folter bekannte sich der

ehe-15 RACHFAHL: Die Organisation, S. 156, und ihm folgend wohl auch ORZECHOWSKI: Historia ustroju Śląska, S. 91, führen an, dass im Zeitraum 1490 – 1497 Johann IV. Roth oberster Landeshauptmann gewesen sei. Andere Wissenschaftler, denen ich mich anschließen möchte, halten dagegen fest, dass Kasimir II. von Teschen bereits 1490 oberer Hauptmann auf Lebenszeit wurde; HECK, Roman;

MALECZYŃSKA, Ewa: Historia Śląska, I/2, Od połowy XIV do trzeciej ćwierci XVI w., Wrocław/

Warszawa/Kraków 1961, S. 295; BAHLCKE, Joachim: Die Herren von Pernstein und die Herzöge von Teschen (Ständische Interessenpolitik in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts), in: VOREL, Petr (Hg.): Pernštejnové v českých dějinách. Sborník příspěvků z konference konané 8.–9.9.1993 v Par-dubicích, Pardubice 1995, S. 203 – 211, hier S. 205, dort auch Verweise auf die sonstige Literatur;

FUKALA, Radek: Stavovská politika na Opavsku v letech 1490 – 1631, Opava 2004, S. 19; ČORNEJ/ BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 479.

16 Text des Privilegs: LBUS I, S. 49 – 53, Nr. 29, hier bes. S. 50, Z. 35 f. – RACHFAHL: Die Organisa-tion, S. 441 ff., hier S. 441 (28.11.1498). – Zur Bedeutung des Privilegs vgl. ebd., S. 138 f. – GRÜN

-HAGEN: Geschichte Schlesiens I, S. 365 f. – Neuerdings ORZECHOWSKI, Kazimierz: Rola przywileju króla Władysława z 1498 r. w dziejach śląskiego stanowego parlamentaryzmu, in: MALÝ/PÁNEK

(Hg.): Vladislavské zřízení zemské, S. 153 – 163. – ČORNEJ/BARTLOVÁ: Velké dějiny VI, S. 575 und 577.

17 Inventarium, S. 444, Nr. 1439 (1.2.1598).

malige Breslauer Bürgermeister zu allem, was ihm vorgeworfen wurde. Kurz nach Ende der peinlichen Befragung wurde er zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung fand am 5. Juli statt, wobei als Gnadenakt das Schwert zum Einsatz kam, obwohl das Urteil auch zu ei-ner sehr viel härteren und schmachvolleren Strafe berechtigt hätte.18 Unbarmherzig wurde auch der niederlausitzische Hauptmann Johann Bjelik von Kornitz bestraft. Ebenso wie Heinz Dompnig warf man ihn ins Gefängnis, aber da er sich rechtzeitig dem neuen König Wladislaw II. unterwarf und ihm alle seine Güter sowie die Güter seines Sohnes abtrat, konnte er zumindest das nackte Leben retten.19

Im Vergleich zu Johann Bjelik von Kornitz und vor allem zu Heinz Dompnig er-ging es Georg von Stein, der neben dem Amt des niederschlesischen Hauptmanns viele Jahre lang auch das Amt des Oberlausitzer Landvogts ausgeübt hatte, deutlich besser.

Zum Zeitpunkt von Matthias’ Ableben befand er sich auf der Bautzener Ortenburg, die er

Zum Zeitpunkt von Matthias’ Ableben befand er sich auf der Bautzener Ortenburg, die er