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Ferdinands Regierungskonzept und sein Widerhall in der Niederlausitz

Ferdinand I. gab in der Hofordnung vom 1. Januar 1527 klar zu verstehen, welche Rich-tung seine Politik in dem neu entstandenen mitteleuropäischen Staatengebilde einschla-gen würde. Sein Ziel war die Formierung einer starken zentralisierten Monarchie, über die ein System professionell funktionierender Ämter (Geheimer Rat, Hofrat, Hofkammer und Hofkanzlei) regierte; die Ämter sollten unmittelbar dem Habsburgerherrscher unter-stellt sein und zugleich über den Landesregierungen und -ämtern stehen. In vielen Be-reichen knüpfte die Ordnung jedoch an die vorherige Praxis an, sodass zum Beispiel die Lausitzer Angelegenheiten in der Hofkanzlei wohl auch weiterhin von dem erfahrenen Georg Lokschan von Lokschan erledigt wurden: zunächst als Sekretär der Lausitz und schließlich im Amt des böhmischen Vizekanzlers, das er für lange Jahre neben Georg Žabka von Limberg (Jiří Žabka z Limberka) innehatte. Aber unabhängig davon, wer die Lausitzer Angelegenheiten erledigte, gehörten diese niemals zu Ferdinands Regierungs-prioritäten. Nach seiner Thronbesteigung war es für ihn nämlich sehr viel wichtiger, die Staatsfi nanzen zu stabilisieren und daneben Schritt für Schritt die Macht der einzelnen Ständegemeinden einzuschränken, damit die geplante Integrationspolitik nicht gefährdet wurde.37

34 UB Dobrilugk, S. 372, Nr. 591 (nach 26.7.1528). – Inventarium, S. 341 ff., Nr. 1064 – 1067, 1078 (9. 7. und 20.7.1528, 30.7.1529). – WOHLBRÜCK, Siegmund Wilhelm: Geschichte des ehemahligen Bisthums Lebus und des Landes dieses Nahmens, I–III, Berlin 1829 – 1832, hier II, S. 272 – 284. – CLAUSNITZER: Versammlungen, S. 172. – FALKE: Nickel von Minckwitz, S. 292 f. – LEHMANN: Die Landvögte, S. 460.

35 Inventarium, S. 351, Nr. 1088 (23.6.1532). – KERSKEN, Norbert: Die Oberlausitz und die Türken-kriege, in: BAHLCKE, Joachim; DUDECK, Volker (Hg.): Welt – Macht – Geist. Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526 – 1635, Görlitz – Zittau 2002, S. 111 – 120, hier S. 113.

36 FALKE: Nickel von Minckwitz, S. 391 – 434.

37 FELLNER, Thomas; KRETSCHMAYR, Heinrich: Die österreichische Zentralverwaltung, I/1 – 2, Von Ma-ximilian I. bis zur Vereinigung der Österreichischen und Böhmischen Hofkanzlei (1749), Wien 1907, hier I/1, S. 140 f.; I/2, S. 147, 159, 163, 167, 170 f. – JANÁČEK: České dějiny I/2, S. 20 f. – VO

-REL: Velké dějiny VII, S. 62 f. – WINKELBAUER: Ständefreiheit und Fürstenmacht I, S. 81 ff. – HLE

-DÍKOVÁ/JANÁK/DOBEŠ: Dějiny správy, S. 109 f. – BŮŽEK, Václav; PÁLFFY, Géza: Integrace šlechty z českých a uherských zemí ke dvoru Ferdinanda I., in: ČČH 101, 2003, S. 542 – 581, hier S. 548 ff.

Mit der Aufsicht über die fi nanziellen Angelegenheiten betraute Ferdinand I. die Hof-kammer, die in den ersten Regierungsjahren des Habsburgers unter den neu eingerichte-ten Zentralbehörden für den böhmischen Staat die größte Bedeutung erlangen sollte. Ihr unterstand die Böhmische Kammer, die durch königliche Instruktion am 27. März 1527 gegründet wurde. Ihre Hauptaufgabe sollte es zunächst sein, Informationen über den Zu-stand der Kammergüter in allen Ländern der Böhmischen Krone zu sammeln. Die Praxis der Kammer, deren Beamte ausschließlich aus den Reihen der loyalen Ferdinand-Anhän-ger stammten – wobei im sechsköpfi gen Kollegium Angehörige des böhmischen Adels überwogen –, sah jedoch vollkommen anderes aus: Man beschränkte sich mehr oder we-niger nur auf das böhmische Territorium.38 Die Verwaltung der Kammereinkünfte in Mäh-ren besorgte nämlich der Unterkämmerer Johann von Kunowitz auf Ungarisch Brod (Jan z Kunovic na Uherském Brodě, 1527 – 1545) nach den Anweisungen der Hofkammer, der Böhmischen Kanzlei oder des Königs selbst. In Schlesien und in der Ober- wie der Nie-derlausitz war mit der Finanzverwaltung das 1527 neu eingerichtete und von Anfang an unmittelbar der Hofkammer unterstellte Breslauer Rentmeisteramt beauftragt.39

Der Rentmeister, in den Jahren 1527 bis 1546 der ehemalige Bautzner Stadtschreiber Dr. Heinrich Ribisch, beaufsichtigte gemeinsam mit seinem Gegenschreiber und späteren Nachfolger Wolfgang von Egen auch die Erhebung der Kronsteuer und der Türkensteuer, die in allen drei genannten Ländern im Lauf des Jahres 1527 genehmigt worden waren.40 Die Schlesier hatten sich bereits im Mai wenn auch ungern dazu bereit erklärt, 100 000 rheinische Gulden zur Verfügung zu stellen – zum ersten Mal aufgrund einer Besitzschät-zung.41 In der Oberlausitz war auf dem nach Bautzen für den 24. August einberufenen Landtag eine Summe von mindestens 15 000 rheinischen Gulden genehmigt worden,42 die zur Begleichung der Schulden bei den Fuggern verwendet werden sollte.43 Im nieder-lausitzischen Lübben genehmigten die Stände auf ihrer Septembersitzung eine um 2000 Gulden niedrigere Summe.44

38 PEŠÁK: Dějiny, S. 19 – 30, 40, 138 ff. – HLEDÍKOVÁ/JANÁK/DOBEŠ: Dějiny správy, S. 105. – EBERHARD: Konfessionsbildung, S. 229. – BŮŽEK: Ferdinand Tyrolský, S. 50 f. – Die neu eingerichtete Böhmi-sche Kammer sollte ihrer Instruktion zufolge ihren Zuständigkeitsbereich in diser cron Behaim, marggrafschaft Merhern, furstenthumb Slesii und marggrafschaft Ober und Nider Lausnicz und andern bemelter cron zuegehörigen landen, orten und fl ekhen haben; PEŠÁK: Dějiny, S. 295.

39 RACHFAHL: Die Organisation, S. 317 ff. – PEŠÁK: Dějiny, S. 131 – 135, 139 ff., Anm. 336. – JANÁČEK: České dějiny I/2, S. 339.

40 RACHFAHL: Die Organisation, S. 318. – KNOTHE: Urkundliche Grundlagen, S. 337. – PEŠÁK: Dějiny, S. 133. – DERS.: Berně v Čechách roku 1527, in: SbAMVRČS 8, 1935, S. 67 – 144. – Zu Heinrich Ribisch auch SRL IV, S. 117, Z. 31 – 39.

41 GRÜNHAGEN: Geschichte Schlesiens II, S. 40. – RACHFAHL: Die Organisation, S. 295 und 301 – 304. – ORZECHOWSKI, Kazimierz: Podatek szacunkowy na tle systemu daninowego dawnego Śląska 1527 – 1740. Studium historycznoprawne (Prawo, 165; Acta Universtitatis Wratislaviensis, 2150), Wrocław 1999, S. 30.

42 NA v Praze, RG 4, S. 62 – 65 (29.7.1527). – Regestenbeiträge 1516 – 1530, S. 138 f. (29.7.1527), 140 f. (13. 1. 1528). – Die Angabe über die genehmigte Summe ist in den Quellen nicht eindeutig.

43 ÖStA – FHKA Wien, Gedenkbücher, Nr. 300 (1527 – 1531), f. 32 (1.2.1528).

44 ÖStA – FHKA Wien, Gedenkbücher, Nr. 300 (1527 – 1531), f. 42v–43r (22. und 28.5.1528).

Die genannten Beträge wurden auf lokaler Ebene wohl von damit beauftragten, in den zeitgenössischen Quellen jedoch nicht belegten Steuereintreibern eingesammelt,45 wäh-rend auf der Landesebene bedeutende Ständevertreter tätig wurden, die der Oberaufsicht des Landvogts bzw. des Rentmeisters unterstanden.46 Jüngeren Nachrichten zufolge war es Aufgabe von Heinrich Tunkel, die nach und nach eingetriebenen Gelder zunächst in seiner Residenz zu verwahren und sie danach einer beauftragten Person zu übergeben bzw. sie persönlich nach Bautzen, Görlitz, Breslau oder an einen anderen Ort zu brin-gen.47 Außerdem kontrollierte der Landvogt offenbar das Eintreiben der Zölle und der Biersteuer, die nach Ferdinands Thronbesteigung neu ausgeschrieben worden waren,48 und wirkte nicht selten auch in anderen fi nanziellen Angelegenheiten als Vermittler zwi-schen Ferdinand I. bzw. der Hofkammer und den niederlausitzizwi-schen Ständen. Auf dem Generallandtag der Böhmischen Krone in Böhmisch Budweis (České Budějovice) im Ja-nuar 1530 setzte sich Heinrich Tunkel beispielsweise für die von einem vernichtenden Brand betroffene Stadt Lübben ein, der Ferdinand I. dann auf fünf Jahre die Steuerzah-lung erließ.49 Als sich diese Frist 1534 ihrem Ende näherte, baten die Lübbener um zwei Jahre Verlängerung. Der böhmische König entsprach in seiner Funktion als Lausitzer Markgraf diesem Gesuch, betonte dabei jedoch ausdrücklich, dass der Landvogt sich um die Wahrung dieses Privilegs und den Schutz der Stadt kümmern solle.50

In der zweiten Instruktion für die Böhmische Kammer vom 24. April 1530, in der sich Ferdinands wachsendes Selbstbewusstsein widerspiegelte und die zugleich eine Reak-tion auf die Berufung des bisherigen ersten Kammerrates Johann d. Ä. von Wartenberg zum Oberstburggrafen nach der Resignation des Zdeněk Lev von Rožmitál darstellte, wurde zwar erneut deren Zuständigkeit für alle Länder der Böhmischen Krone betont, aber auch nach ihrem Erlass wurden die fi nanziellen Angelegenheiten beider Lausitzen überwiegend durch den schlesischen Rentmeister und mittelbar durch die Hofkammer in Wien betreut.51 Wichtiger als der gestärkte Einfl uss der Böhmischen Kammer war daher für Schlesien und die beiden Lausitzen die im selben Jahr erfolgte Kompetenzerweite-rung der Böhmischen Hofkanzlei, deren Wirkungsbereich Ferdinand I. zu Beginn seiner Herrschaft offensichtlich im Unterschied zur Böhmischen Kammer nur auf das Territo-rium des Landes Böhmen beschränken wollte – obwohl der ihm ergebene Adam I. von Neuhaus an der Spitze dieser Institution stand. So hatte er das Gewicht der Böhmischen Kanzlei verringern und zugleich die Konstitution einer aus Angehörigen der

Ständege-45 RACHFAHL: Die Organisation, S. 316.

46 NA v Praze, LŽ, Sign. III 8/8, f. 48 – 50 (17.9.1529). – Hier sind als ständische stewirmeyster na-mentlich Jacob von der Schulenburg, Caspar von Köckritz und Caspar von Minckwitz belegt, die zu den bedeutendsten niederlausitzischen Adligen ihrer Zeit gehörten.

47 NA v Praze, RG 17, f. 138v–140r (9.7.1537), hier f. 139r. – ÖStA – FHKA Wien, Gedenkbücher, Nr. 302 (1536 – 1540), f. 29v–30v und 66v (21. 6. und 24.10.1537).

48 NA v Praze, LŽ, Sign. III 8/8, f. 46 – 47 (14.3.1529). – Für die Jahre 1529 bis 1532 wurde ein zoll-, hülf- und biergeld auf Getreide, Bier, Wein, Fische und Salz ausgeschrieben; RACHFAHL: Die Orga-nisation, S. 308.

49 NA v Praze, RG 6, S. 25 – 29 (16.1.1530).

50 NA v Praze, RG 12, f. 57 (14.5.1534).

51 PEŠÁK: Dějiny, S. 86 – 126, 304 – 329.

meinden aller Kronländer bestehenden, neuen und gefährlichen Ständeopposition unmög-lich machen wollen.52

Die erweiterten Kompetenzen der Böhmischen Kanzlei betrafen vor allem die Auf-sicht über die Erledigung der Lehnsangelegenheiten. Sie waren das Ergebnis einer Aus-einander setzung zwischen der Kanzlei und der Böhmischen Kammer. Der Streit wurde in erster Linie um die Beteiligung an der Ausstellung verschiedener Urkunden geführt und betraf neben Schlesien besonders die Niederlausitz.53 Bereits am 26. Juli 1530 schickte Ferdinand I. Heinrich Tunkel aus Augsburg ein Schreiben, in dem er sich verwundert zeigte, dass der Niederlausitzer Landvogt das Recht auf Lehensvergabe besitze, obwohl seiner Ansicht nach nur dem König ein solches Privileg gegeben sei. Deshalb rief er sei-nen Vertreter in der Niederlausitz auf, innerhalb von sechs Wochen alle ihn zu dieser Tä-tigkeit berechtigenden Privilegien an den Hof zu bringen und zugleich alle Register zu schicken, in denen die Lehensvorgänge seit Anfang seiner Amtszeit im Land verzeichnet waren. Bis dahin verbot er dem Landvogt streng jegliches weitere Verleihen von Lehen.54 Heinrich Tunkel von Brünnles hatte jedoch nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Viel-mehr war er nach der Tradition und den Landesprivilegien vorgegangen. Wie es seine Pfl icht war, hatte er 1527 nach Ferdinands böhmischer Thronbesteigung den Lehnseid aller Vasallen mit Ausnahme des brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. Nestor emp-fangen, den der Herrscher selbst im Mai in Breslau mit den Herrschaften Cottbus, Peitz, Teupitz, Bärwalde und dem Hof Großlübbenau belehnt hatte,55 und auch in den nächs-ten drei Jahren erledigte Tunkel alle Lehnsangelegenheinächs-ten. Wohl auf Anweisung Ferdi-nands I. oder eines seiner Amtsträger begann er außerdem damit, seine Amtshandlungen im sog. Homagialbuch zu registrieren.56

Den auf längere Zeit letzten Eintrag in das Lehnsregister nahm Heinrich Tunkel von Brünnles nach dem Erlass des erwähnten Verbots am 11. August 1530 vor, und gleich da-rauf setzte der mehrjährige Kampf um die Rückgabe des alten Rechts auf Lehensvergabe an den Landvogt ein.57 Dieses Problem zählte außerdem zu den wichtigsten Punkten des Ständeprogramms, das Anfang der 1530er Jahre konkrete Gestalt annahm.58 Die nieder-lausitzischen Stände verspürten zu Recht eine erhebliche Unsicherheit und Angst, was

52 JANÁČEK: České dějiny I/2, S. 23, 25, 92, 117. – HLEDÍKOVÁ/JANÁK/DOBEŠ: Dějiny správy, S. 100. – BAHLCKE, Joachim: „Einen gar considerablen Platz in denen merckwürdigen Geschichten Teutsch-landes und des Königreiches Böhmen“. Die Stellung der Oberlausitz im politischen System der Böhmischen Krone, in: BAHLCKE / DUDECK (Hg.): Welt – Macht – Geist, S. 73 – 88, hier S. 80.

53 ČELAKOVSKÝ, Jaromír: O domácích a cizích registrech, zvláště o registrech české a jiných rakous-kých dvorsrakous-kých kanceláří (Rozpravy královské české společnosti nauk, VII/3; třída pro fi losofi i, fi -lologii a dějepis, 6), Praha 1890, S. 51 f. – PEŠÁK: Dějiny, S. 138.

54 NA v Praze, RG 6, S. 475 – 476.

55 GRÜNHAGEN: Geschichte Schlesiens II, S. 40. – Ferdinand I. verlieh Joachim I. alle betreffenden Herrschaften noch einmal am 24. Juli 1531, wobei in der Lehnsurkunde außerdem noch Herrschaft, Schloss und Städtchen Zossen erwähnt wurden; Inventarium, S. 350, Nr. 1085.

56 LEHMANN, Rudolf (Hg.): Quellen zur Geschichte der Niederlausitz, I–III (Mitteldeutsche Forschun-gen; 68/I–III), Köln/Wien 1972 – 1979, hier II, S. 138 – 210.

57 LEHMANN (Hg.): Quellen II, S. 166, Nr. 105.

58 Z. B. NA v Praze, RG 2, S. 402 – 408 (6.3.1534), hier S. 405.

aus ihrem Besitz werden würde, wenn über die Belehnung nicht – wie bisher gewohnt – der Landvogt entschied, sondern der Herrscher mit seiner Kanzlei, der sie mit seiner Ent-scheidung in Schach halten und sich so eine günstigere Position besonders in den Ver-handlungen über die Finanzhilfe für den Türkenkrieg schaffen konnte.59 Die Übertragung der Kompetenzen zur Lehensvergabe war für die niederlausitzischen Stände nicht nur allgemein beunruhigend, sondern auch fi nanziell anspruchsvoller und führte nicht selten zu unerwünschten Komplikationen. Im Frühjahr 1536 wandte sich Heinrich Tunkel mit dem Gesuch an Ferdinand I., Hans von Köckritz mit dem Gut Reuden zu belehnen. Die-ses Gut hatte Hans von Köckritz vom Landvogt gekauft, der es wiederum zu einem unbe-kannten Zeitpunkt und unter ungeklärten Umständen direkt vom Herrscher erhalten hatte.

Der böhmische König, der sich gerade in Innsbruck aufhielt, musste die Ausstellung der Lehnsurkunde jedoch bis zu seiner Ankunft in Prag verschieben, da sich das große Sie-gel in den Händen des Oberstkanzlers befand. Zumindest lautete so Ferdinands Begrün-dung.60 Einige Monate später ersuchte der Niederlausitzer Kanzler Johann von Wehlen um die Bestätigung seines neuen Besitzes. In diesem Fall erlaubte Ferdinand I. seinem Landvogt Heinrich Tunkel ausnahmsweise die Durchführung der Belehnung. Allerdings vergaß er nicht zu betonen, dass dies in aller Heimlichkeit zu geschehen habe, weil er die Lehensvergabe in der Niederlausitz bereits vor Jahren der Böhmischen Hofkanzlei an-vertraut habe.61

Neben der Erneuerung des landvogtlichen Belehnungsrechts fanden sich im nieder-lausitzischen Ständeprogramm ebenso wie in der Oberlausitz auch ein Gesuch zur Bestä-tigung der Privilegien sowie die Bitte, die Unklarheiten rund um das Landgericht und des-sen Besetzung zu beenden, wie es bereits 1526 in Angriff genommen worden war, bevor der unerwartete Tod König Ludwigs eine Lösung verhindert hatte. Die beiden zuletzt ge-nannten Punkte wurden bereits auf dem Niederlausitzer Landtag in Lübben im September

59 Der Entzug des Belehnungsrechts war ein extremes Mittel, zu dem Ferdinand I. ein halbes Jahr nach dem Scheitern des Generallandtags von Januar 1530 in Böhmisch Budweis griff. Grund für Ferdinands Verbot mag der Versuch gewesen sein, die Niederlausitzer Stände zu bändigen und ein größeres Entgegenkommen bei der Genehmigung der Hilfe für den Türkenkrieg zu erzielen. – EBERHARD: Konfessionsbildung, S. 239.

60 NA v Praze, RG 14, f. 228 (25.4.1536). – Es ist unklar, unter welchen Umständen Heinrich Tunkel das Gut Reuden erhalten hatte, wann er es an Hans von Köckritz verkaufte und ob die gewünschte Lehnsurkunde letztlich überhaupt ausgestellt wurde. In das Homagialbuch wurde sie jedenfalls nicht eingetragen. Dass für das genannte Gut ein Besitzerwechsel erfolgte, belegen jedoch andere Lehnsurkunden. Danach befand sich Reuden noch am 9. September 1527 im Besitz der Brüder von Zabeltitz, aber bereits am 29. August 1542 erhielt Georg von der Schulenburg das Gut zu Lehen; er hatte es von Hans von Köckritz gekauft. – LEHMANN (Hg.): Quellen II, S. 141 f., Nr. 12; S. 189 und 216, Nr. 193. – HOUWALD: Die Niederlausitzer Rittergüter IV/2, S. 345, führt an, dass Rudolf Leh-mann in der zweiten zitierten Lehnsurkunde Ruden bei Calau mit Reuthen bei Spremberg verwech-selt habe, was jedoch nicht überzeugend klingt. – Zum Besitz des Siegels ČELAKOVSKÝ: O domácích a cizích registrech, S. 52.

61 NA v Praze, RG 14, f. 266 (31.7.1536). – In diesem Fall wurde die Lehnsurkunde einige Monate später tatsächlich ausgestellt; LEHMANN (Hg.): Quellen II, S. 168, Nr. 114 (24.11.1536).

1527 verhandelt, aber die Landstände erreichten damals keine Ergebnisse.62 Ein weiterer, sich ständig wiederholender Punkt des Ständeprogramms war das Ersuchen, die offenen Fragen rund um Spremberg zu klären.63 Den letzten, 1531 wohl überhaupt zum ersten Mal angesprochenen Punkt bildete das Gesuch, die Niederlausitzer Landvögte – ähnlich wie die Hauptleute der schlesischen Fürstentümer Schweidnitz und Jauer – künftig aus den Reihen der einheimischen Stände zu wählen.64 Allerdings waren die Stände momentan nicht stark genug, um dieses kühne und mit den politischen Plänen Ferdinands I. in offe-nem Widerspruch stehende Ziel zu erreichen, und daher überrascht es nicht, dass sie sich in den Folgejahren vor allem auf die ersten drei Punkte ihres Programms konzentrierten.

Dabei ließen sie Spremberg jedoch nicht aus den Augen und reagierten sehr empfi ndlich auf angekündigte potentielle Besitzerwechsel, wie wir noch hören werden.

Die Landstände nutzten bei der Durchsetzung ihres Programms verschiedene Strate-gien. Besonders häufi g wandten sie sich mit schriftlichen Gesuchen direkt an den Herr-scher und baten ihn, sein Belehnungsverbot aufzuheben, ihnen ihre Privilegien zu be-stätigen, das Landgericht zu erneuern usw.65 Manchmal sprachen sie Heinrich Tunkel von Brünnles an, der dann als Landvogt für die niederlausitzischen Stände Fürsprache einlegte,66 oder sie wandten sich mit ihrer Bitte und sicherlich auch mit einer gewissen Geldsumme an andere bedeutende Adlige, die ihre Position nutzen und die Erledigung der Niederlausitzer Angelegenheiten unterstützen sollten. Zu den auf diese Art Ange-sprochenen zählte 1532 auch Johann Pfl ug von Rabstein,67 der Adam I. von Neuhaus im Amt des Oberstkanzlers abgelöst hatte und zugleich das Amt des Hauptmanns der deut-schen Lehen versah.68 In allen diesen Fällen erhielten die Stände jedoch zumeist die aus-weichende Antwort, dass sich der König gerade außerhalb des böhmischen Königreichs aufhalte, dass er seine böhmischen und schlesischen Berater nicht in der Nähe habe oder dass er sich mit den Niederlausitzer Angelegenheiten erst nach seiner Ankunft in Prag

be-62 NA v Praze, RG 4, S. 74 – 77 (29.7.1527), hier S. 76. – Zur Bestätigung der Privilegien in der Ober-lausitz ebenda, S. 62 – 65 (29.7.1527); Regestenbeiträge 1516 – 1530, S. 137 (19.5.1527). – Das große schlesische Privileg von 1498 hatte Ferdinand I. bereits am 15. März 1528 bestätigt; BUCH

-HOLTZ: Geschichte IV, S. 480. – Die böhmischen Stände waren am 4. Mai 1528 erfolgreich; EBER

-HARD: Konfessionsbildung, S. 218 f.

63 BLHA Potsdam, Rep. 23 C Niederlausitzische Stände, Nr. 193, f. 10 – 13 (8.5.1532), hier f. 10v–

11r. – ÖStA – FHKA Wien, Gedenkbücher, Nr. 300 (1527 – 1531), f. 169 (23.7.1530); Nr. 301 (1531 – 1536), f. 32 (5.4.1532).

64 BLHA Potsdam, Rep. 23 C Niederlausitzische Stände, Nr. 193, f. 8 (13.5.1531), hier f. 8r. Die Stände forderten, das die einwoner in obbemelth marggrafthumb [Niederlausitz] recht und macht haben sollen, in aller mass, wie die obbemelte furstenthumer der Slesien, Sweidniz und Jawer, so offt und vill sich das Landtvogt Ambt In Niderlausitz verledigt, Einen landsessen aus yrem Mittell darzu dinstlich, wie dan hiervor mitt den Einwonern dergestalt auch vorsorgt, Ane alle Eynsage und verhinderung, zu einem heubtman oder landtvogt zu welen, der auch von uns darzu also soll verordenet und bestetigt werden.

65 Z. B. NA v Praze, RG 14, f. 180 (24.12.1535).

66 Z. B. NA v Praze, RG 2, S. 402 – 408 (6.3.1534), hier S. 405 – 406.

67 BLHA Potsdam, Rep. 23 C Niederlausitzische Stände, Nr. 193, f. 14 (14.4.1534) 68 PALACKÝ: Přehled, S. 366 und 378.

schäftigen werde.69 Als die niederlausitzischen Prälaten, Herren, Ritter und Städte daher erfuhren, dass Ferdinand I. plante, sich für eine gewisse Zeit in der Hauptstadt der Böh-mischen Krone aufzuhalten, zögerten die meisten von ihnen nicht, sondern entsandten unverzüglich ihre Vertreter, von denen sie sich eine schnellere Durchsetzung ihrer Inter-essen erhofften. So kamen im Frühjahr 1531 Georg von Drauschwitz und Gregor Beicho nach Prag;70 Beicho wurde außerdem im Folgejahr zusammen mit Hans von Zeschau und Wolf von Kinast in die Hauptstadt geschickt.71 Allerdings konnte keine der Delegationen etwas erreichen, sondern alle kehrten unverrichteter Dinge wieder nach Hause zurück.

Dies wiederholte sich 1534, als Ferdinand I. die Stände aufforderte, für den 20. April ihre Vertreter mit den Originalen der Landesprivilegien nach Prag zu senden, weil er sich mit den Niederlausitzer Angelegenheiten gleich nach Ostern beschäftigen wolle; über die Feiertage plane er sich auszuruhen und vor allem wie jeder ordentliche Christ sich den geistlichen Dingen zu widmen, zu denen er an erster Stelle die Meditation über die Lei-den Jesu Christi zählte.72 Nach den wichtigsten Feiertagen des Kirchenjahrs musste Fer-dinand I. in seiner Eigenschaft als römischer König endlich den sehr viel gewichtigeren Streit um Württemberg lösen,73 sodass er die Niederlausitzer Delegation wieder nach Hause schickte, um deren mit dem kostspieligen Aufenthalt in Prag verbundene Ausgaben zu senken.74 Allerdings kamen die Vertreter der niederlausitzischen Stände diesmal nicht mit gänzlich leeren Händen zurück. Sie brachten zumindest die Bestätigung der Privile-gien für die königlichen Städte Luckau und Lübben mit.75 Damit hatten sie erreicht, was dem Oberlausitzer Sechsstädtebund mit Hilfe bestochener königlicher Berater und hoch-gestellter Beamter, namentlich Heinrich Ribisch und Johann Pfl ug von Rabstein, bereits ein Jahr früher gelungen war.76

69 Z. B. NA v Praze, RG 14, f. 180 (24.12.1535).

70 BLHA Potsdam, Rep. 23 C Niederlausitzische Stände, Nr. 193, f. 8 (13.5.1531).

71 BLHA Potsdam, Rep. 23 C Niederlausitzische Stände, Nr. 193, f. 10 – 13 (8.5.1532).

72 NA v Praze, RG 12, f. 11v–12r (31.3.1534).

73 BUCHHOLTZ: Geschichte IV, S. 235 – 243. – TOMEK: Dějepis XI, S. 142 ff.

74 NA v Praze, RG 12, f. 40v–41v (29.4.1534).

75 Luckau wurden die Privilegien am 16. April und Lübben am 28. April bestätigt, Calau erreichte die-ses Ziel am 1. Mai 1534; Inventarium, S. 353, Nr. 1096 – 1098; HILLE: Chronologisches

75 Luckau wurden die Privilegien am 16. April und Lübben am 28. April bestätigt, Calau erreichte die-ses Ziel am 1. Mai 1534; Inventarium, S. 353, Nr. 1096 – 1098; HILLE: Chronologisches